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Doing Authority – Polizist*innen als Autoritäten durch Beziehungsarbeit

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von Anja Mensching*

Was ist Autorität?

Bereits Sofsky & Paris (1991) wiesen darauf hin, dass Autorität immer ein zugeschriebenes Prädikat ist: „Autoritäten sind Autoritäten durch andere.“ (ebenda, S. 20). Die beiden Autoren bezeichnen Autorität als „anerkannte, geachtete Macht, die zugleich bewundert und gefürchtet wird“ (ebenda, S. 19). Aus Machtverhältnissen gehen zwar immer Autoritäten hervor, aber „nicht jedem Machthaber wird gleichzeitig Autorität attestiert“ (ebenda) und zudem ist das ‚Label‘ Autorität keineswegs an formal-hierarchische Positionen gebunden.

„Eine soziale Beziehung, in der Autorität von Relevanz ist, lässt sich nur als ein reziprokes Verhältnis beschreiben.“

Bereits diese kurze begriffliche Skizze verdeutlicht, dass eine soziale Beziehung, in der Autorität von Relevanz ist, sich nur als ein reziprokes Verhältnis beschreiben lässt. Mit Autorität versehene Personen (oder auch Institutionen) können also Stärke,s Klarheit in der Kommunikation bzw. im Entscheiden nur dann zeigen, wenn sie sich zugleich dessen bewusst sind, dass diese Autorität nicht einseitig eingefordert oder gar als unveränderlich gesehen werden kann. Autorität muss vielmehr als eine Form der sozialen Relation, als das Verhältnis von Autoritätsgeltung und - glaube, das sich immer wieder aktualisiert, verstanden werden.

„Aber auch im Innenverhältnis der Organisation Polizei spielt Autorität eine wesentliche Rolle.“

In letzter Zeit ist verstärkt von einer „neuen“ (Omer & von Schlippe 2016a, Körner et al. 2019) oder auch „horizontalen“ (Baumann-Habersack 2019) Autorität die Rede, die nicht auf Kontrolle, Sanktionierung und Machtsicherung, sondern u.a. auf Präsenz, Transparenz, Reflexion und Selbstführung der mit Autorität versehenen Führungskräfte setzt. Das Konzept der ‚neuen Autorität‘ geht dabei auf den Hochschullehrer und Psychologen Haim Omer zurück, der zunächst im Kontext elterlicher Erziehung von ‚neuer Autorität‘ sprach und einige zentrale Veröffentlichungen in diesem Kontext gemeinsam mit Arist von Schlippe (ebenfalls Hochschullehrer und Psychologe) vorgelegt hat (Omer & v. Schlippe 2016a, 2016b). Dieses Modell wird mittlerweile auch mit Blick auf die Polizei diskutiert (u.a. Weber 2020).

Im Kontext dieses kurzen Beitrages soll im Folgenden daher die Frage verfolgt werden, was eine Fokussierung auf Autorität (in) der Polizei in den Blick nimmt und inwiefern Polizist*innen eigentlich Autorität benötigen?

Polizist*innen benötigen in ihrem täglichen (Einsatz)handeln- sozusagen im Außenverhältnis der Organisation Polizei zuerkannte Autorität.

Wofür benötigen Polizist*innen Autorität?

Polizist*innen benötigen in ihrem täglichen (Einsatz)Handeln – sozusagen im Außenverhältnis der Organisation Polizei – zuerkannte Autorität insofern, dass sie als legitime Vertreter*innen des Gewaltmonopols mit ihren besonderen Befugnissen und Eingriffsoptionen akzeptiert werden müssen, gerade auch von denjenigen, gegen die sich diese Befugnisse im Einsatz richten. Polizist*innen können genau deshalb auch in bedrohlichen Situationen agieren und sich mit ihrer Situationsbearbeitung durchsetzen, weil wir als Bürger*innen an ihre Durchsetzungsfähigkeit und Kompetenz, unübersichtliche und potentiell eskalierende Situationen zu bearbeiten, glauben, weil wir auf ihre Durchsetzbarkeit und Professionalität vertrauen. Zur Professionalität gehört auch die „Kompetenzdarstellungskompetenz“, worauf Pfadenhauer (2003) hingewiesen hat, d.h. hier die sichtbare Darstellung der Polizei, Kriminalitätsphänomene professionell bearbeiten zu wollen und auch zu können, was nicht gleichbedeutend ist mit der Idee, sie auch endgültig zu lösen (vgl. Mensching 2011).

Aber auch im Innenverhältnis der Organisation Polizei spielt Autorität eine wesentliche Rolle. Hier geht es eher um Fragen der kollegialen, fachlichen Akzeptanz, der Anerkennung von situationsspezifischen Entscheider*innen und der wechselseitigen Wertschätzung zwischen verschiedenen polizeilichen Arbeitsbereichen und Hierarchieebenen.

Dabei ist die Anerkennung innerorganisationaler Autorität eine notwendige, jedoch keine hinreichende Voraussetzung für als authentisch wahrgenommene Wertschätzung. Die organisationsinterne Autoritätsanerkennung anderer Mitglieder kann nur im stimmigen Verhältnis zur eigenen Autoritätsanerkennung durch andere gelebt werden. Daher lassen sich die zu- oder aberkannte Autorität im Innen- und Außenverhältnis kaum isoliert voneinander betrachten: was im Außenverhältnis erwünscht ist, muss auch im Innenverhältnis ‚gelebt‘ werden (vgl. Tietz & Mensching 2018).

„Autorität wird immer dann brüchig, wenn Polizist*innen diskriminierend, unsensibel für die jeweilige Situation oder mit ungemessener Härte oder gar illegitimer Gewaltanwendung vorgehen.“

Warum lässt sich Autorität so schwer erzeugen, aber so leicht verlieren?

Wenn Autorität sich als soziale Praxis versteht, also das ‚Doing Authority‘ zentral ist – sowohl auf Seiten derjenigen, denen Autorität zugeschrieben wird, als auch auf Seiten jener, die dieses Etikett vergeben – dann ist klar, dass es sich hierbei um ein dynamisches, zuweilen geradezu fluides Konzept handelt. Autorität muss dann in sozialen Situationen im Innen- wie im Außenverhältnis der Organisation Polizei immer wieder aufs Neue hergestellt werden.

Von den Beteiligten dieser sozialen Situationen und den Beobachter*innen (wozu auch all jene zählen, die von polizeilichen Einsatzsituationen z.B. über die Presse und die sozialen Medien erfahren) muss zunächst einmal dieser Autoritätsanspruch akzeptiert und Autorität zugeschrieben werden. Das fällt dann leichter, wenn sich das polizeiliche Handeln fest auf dem Boden unserer demokratischen Grundwerte stehend vollzieht, von professioneller Reflexivität und kollegialer Zusammenarbeit geprägt ist und einen angemessenen, diskriminierungsfreien Umgang mit den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen realisiert.

Autorität wird jedoch immer dann brüchig, wenn Polizist*innen diskriminierend, unsensibel für die jeweilige Situation oder mit unangemessenen Härte oder gar illegitimer Gewaltanwendung vorgehen. In diesem Moment nehmen sie sich selbst den Respekt vor ihrer Rolle und setzen damit leichtfertig ihre Amts-, Sach- oder auch Organisationsautorität (vgl. Sofsky & Paris 1991, S. 35ff.) aufs Spiel. Insofern kann beim ‚Doing Authority‘ das Gewinnen von Autoritätszuschreibungen eine mühsame Arbeit sein, die sicherlich durch organisationale Rahmungen und Insignien staatlicher Autorität (z.B. Ausstattung mit Uniformen, Waffen etc.) erleichtert wird. Jedoch verliert man dann sehr schnell zuerkannte Autorität, wenn Polizist*innen sich nicht den Rollenerwartungen entsprechend verhalten (z.B. unangemessen oder überbordend reagieren). Dieser Verlust an Autorität trifft dann gerade bei Organisationen wie der Polizei, deren Mitglieder mit Sonderrechten ausgestattet sind, auch die Legitimationsfähigkeit der Organisation selbst. Autorität muss dann erst mühsam erneut hergestellt werden, denn derartige Erlebnisse verletzen das Vorschussvertrauen, welches man in die Angehörigen der Organisation Polizei investiert hat.

„Doing Authority ist Beziehungsarbeit, d.h. sie lebt von einer gelingenden Reflexon der differiererenden Perspektiven der Beteiligten und der professionellen Haltung.“

‚Doing Authority‘ als professionelle Beziehungsarbeit

In diesem Sinne scheint es durchaus legitim, das ‚Doing Authority‘ sowohl im Kontakt nach außen, z.B. mit Bürger*innen, Pressevertreter*innen oder Mitgliedern anderer Organisationen, als auch nach innen, im Umgang mit Vorgesetzten und Kolleg*innen als eine wesentliche professionelle Kompetenz polizeilicher Arbeit zu werten. ‚Doing Authority‘ ist in diesem Sinne Beziehungsarbeit, d.h. sie lebt von einer gelingenden Reflexion der differierenden Perspektiven der Beteiligten und der professionellen Haltung, sich zu ihnen in Relation zu sestzen und klar positionieren zu können. Sie benötigt als Beziehungsarbeit, dass es Polizist*innen gelingt, sich selbst zu führen, um andere durch widrige und problembelastete Situationen führen zu können. Damit verweist Autorität auch immer auf selbstreflexive Aspekte, d.h. die Thematisierung der ‚Doing Authority‘ durch die Autorisierten selbst.

Literatur:

Baumann-Habersack (2019): Neue Autorität und Führung in Unternehmen.

Körner e.a. (Hrsg.) (2019): Neue Autorität – Das Handbuch.

Mensching (2011). Polizeiliches Handeln

Omer / von Schlippe (2016b). Stärke statt Macht.

Omer / von Schlippe (2016a). Autorität durch Beziehung.

Pfadenhauer (2003). Professionalität

Sofsky / Paris (1991): Figurationen sozialer Macht.

Tietz / Mensching (2018): Legitimität und Authentizität

Weber (2020). Neue Autorität in der Polizei

* Anja Mensching ist Professorin im Bereich Organisationspädagogik an der Universität Kiel

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