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3.4 Praktische Umsetzung

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Jede Restrukturierungssituation ist speziell und hat besondere Ausprägungen. Im Folgenden wird beispielhaft eine typische Herangehensweise zum Stakeholder-Management skizziert.

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Die Restrukturierungserfahrung zeigt, dass es zielführend ist, mit den Kreditgebern – in den meisten Fällen handelt es sich hierbei um Banken – zu beginnen. Bei anstehenden Restrukturierungen übernehmen innerhalb der Banken spezialisierte Work-Out Abteilungen die Kreditengagements. Dies geschieht unter anderem auch, um den Restrukturierungsprozess nicht von eventuell langjährig bestehenden Kundenbeziehungen negativ beeinflussen zu lassen. Die jeweiligen Bankvertreter sind mit dem grundsätzlichen Prozess und meist auch mit den beteiligten Institutionen vertraut. Sie verhalten sich professionell und unterstehen sowohl internen als auch externen Regularien, welche zu geringen Freiheitsgraden bei Verhandlungen führen können.[25] Innerhalb des Bankenkonsortiums verteilen sich die Machtverhältnisse meist nach ausgelegter Kreditsumme und Sicherheitenposition. Trotzdem sind sinnvolle Kompromisse möglich, da sich die verschiedenen Banken immer wieder bei anderen Sanierungen mit unterschiedlichen Machtverhältnissen begegnen und aufeinander angewiesen sind, um erfolgreiche Lösungen zu implementieren. Klassischerweise vereinbart man regelmäßige Steering Committee bzw. Ausschuss-Treffen, um die Bankenvertreter über die aktuelle Liquiditätssituation und den Planungsstand zu informieren und in die Restrukturierung einzubinden.

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Nach den Kreditgebern müssen zeitnah die anderen Stakeholder gemäß Plan involviert werden, da ein Unterschätzen oder Nicht-Informieren den Prozess stören oder sogar stoppen kann. Dies wird im Folgenden anhand von ausgewählten Beispielen aus der Praxis verdeutlicht.

a. Kunden: Falls in der Krisensituation die Kundenzufriedenheit leidet oder Kunden nicht rechtzeitig und pro-aktiv vor allem im Fall von negativen Marktgerüchten informiert werden, besteht die Gefahr, dass diese das Vertrauen in die zukünftige Lieferfähigkeit bzw. die Verfügbarkeit von Ersatzteilen/Reparaturen/Updates verlieren und daher den Lieferanten wechseln.
b. Kreditversicherer: Diese gehören zu einer häufig unterschätzten Stakeholder-Gruppe. Sie sind aber in Verbindung mit Lieferanten von entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche Restrukturierung, da ihnen aufgrund der vereinbarten Zahlungsziele und Kreditlinien eine Fremdkapitalgeber-Funktion zukommt. Eine verzögerte bzw. nicht vorhandene Kommunikation bzgl. Finanzdaten wirkt sich meist negativ auf die Bonitätsbewertung aus. Dies könnte den Kreditversicherer dazu veranlassen, dem Lieferanten zu empfehlen, kein zusätzliches Lieferrisiko einzugehen. Falls daraufhin Lieferanten nur noch gegen Vorkasse liefern sollten, wirkt sich dies stark nachteilig auf die Liquiditätssituation des zu sanierenden Unternehmens aus.
c. Mitarbeiter: Diese Stakeholder-Gruppe hat einen schwierigen Zugang zu aktuellen und aussagekräftigen Informationen. Allerdings sind sie bei einer Restrukturierung meist persönlich betroffen, sorgen sich um ihre Einkommensquelle und haben deshalb Existenzängste, was sich negativ auf Produktivität und Qualität auswirkt. Weitere Folgen und Risiken sind der Abgang von Leistungsträgern und mögliche Streiks. Diesen kann mit gezielter Information über die jeweiligen Arbeitnehmervertreter vorgebeugt werden. Inhalte gilt es hier sorgfältig zu wählen, da Kommunikation an die Belegschaft als öffentliche Information verstanden werden kann.
d. Öffentlichkeit/Politik: Diese sitzen zumeist nicht am Verhandlungstisch – außer im Fall einer direkten Beteiligung als Bürge, Fördermittel-, EK- oder FK-Geber – wollen aber auch informiert sein bzw. hätten gern ein Mitspracherecht im Sanierungsprozess, was eine herausfordernde Aufgabe darstellen kann. Politische Einflussnahme auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene darf nicht unterschätzt werden, da diese den Restrukturierungsprozess stark beeinflussen oder auch unter Druck setzen kann (wie z.B. Bundeskanzler Schröder im Fall der Philipp Holzmann AG oder Bundeskanzlerin Merkel im Fall der Adam Opel AG).

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Trotz genauer Planung und aktiver Kommunikation mit allen Stakeholdern kann es passieren, dass sich einzelne Parteien individuell optimieren wollen, indem sie etwa eine Beteiligung an den Sanierungsbeiträgen verweigern oder Entscheidungen blockieren. Solche auch als „Akkordstörer“ bezeichneten Gruppen können sich beispielsweise auf Seiten der Distressed-Debt-Investoren finden, die auf die Interessen anderer Stakeholder wenig Rücksicht nehmen. Die Handlungsoptionen gegenüber nicht konsensorientierten Gruppen sind situationsabhängig. Aber selbst, wenn Mittel gegen „Akkordstörer“ aus juristischen Gründen nicht zur Verfügung stehen, ist dies kein Showstopper der Sanierung. Erfolgskritisch ist vielmehr die zeitige Einbindung der Mehrheit der wesentlichen Stakeholder und deren absolutes Bekenntnis zum gemeinsam ausgearbeiteten Restrukturierungskonzept.

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