Читать книгу Die Therapeutin und er - Gunther Dederichs - Страница 4

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Einige Wochen vor seinem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung hatten die Verhaltensauffälligkeiten seiner Frau begonnen und sich nach und nach verstärkt, was zunächst weder er noch die ältere Tochter als problematische Entwicklung erkannte, da seine Frau – wie ein Verwandter es ausdrückte –schon immer ein bisschen crazy [war]. Erst als sie sich – die Tochter war inzwischen wieder zum Studieren ans andere Ende der Welt zurückgeflogen, er wohnte aber noch in der gemeinsamen Wohnung, saß gerade am Computer und dachte an nichts Böses – in einer recht ungewöhnlichen Aufmachung vor ihm hinstellte und meinte, vor ihm stehe eine Göttin und er benehme sich wie ein kleiner Junge, hatte er endlich begriffen, dass da eine Grenze überschritten war und sie sich in einem Zustand befand, bei dem unverzügliche professionelle Hilfe notwendig geworden und er gefordert war, auf schnellstem Wege entsprechende Schritte zu erwirken. Er hatte bei seinen Bemühungen in der Richtung jedoch sehr bald die Erfahrung machen müssen, dass ohne die Kooperation seiner Frau oder einen Nachweis ihres psychisch bedenklichen Zustandes keine der infrage kommenden Stellen bereit war, etwas zu unternehmen. Nachdem sie mit einem kurz zuvor kennengelernten, nicht nur ihm dubios erschienenen, sich mit Auftritten in Kneipen durchschlagenden Musiker eine Reise unternommen, nach ihrer vorzeitigen überstürzten, alleinigen Rückkehr die Wohnung verbarrikadiert und unglaubwürdige Schau­ergeschichten über ihren Urlaub erzählt hatte, nicht lange darauf allein mit dem Auto verreist war und ihm anschließend wieder von höchst merkwürdigen Begeben­hei­ten berichtete, danach eine Zeitlang in der Stadt herumgeirrt und irgendwo untergekommen war, sich zwischenzeitlich einige Tage frei­willig in einem Krankenhaus in Behandlung begeben hatte, war sie schließlich an die französische Mittelmeerküste gereist, um ihre leibliche Familie zu besuchen, zu der sie erst seit etwa zehn Jahren und seitdem auch nur sporadischen Kontakt hatte – sowohl mit der Mutter (zeitlebens weder berufs- noch in anderer Weise nennenswert tätig, Adeptin des traditionalistischen, exkommunizierten katholischen Erzbischofs Lefebvre, sich ansonsten über Juden und Freimaurer ereifernd, überbehütete Tochter eines steinreich gewordenen Aufsteigers und einer Frau, die es Berichten zufolge nie verwunden haben soll, während des Krieges ohne Haushälterin ausgekommen sein zu müssen), als auch mit ihren Halbgeschwistern (ein Jurist, eine geschiedene, nichtsdestoweniger erzkatholische Hausfrau und ein sich seit Jahrzehnten auf der Suche nach einer gläubigen Jünger-, insbesondere einer aus Halbwüchsigen bestehenden Jüngerinnenschar befindender, sich als Avatar bezeich­nender sexbesessener Guru). Der Besuch verlief jedoch, ihren späteren Erzählungen zufolge, recht unbefriedigend. Anschließend fuhr sie etliche hundert Kilometer zu dem Ort, in dem sie aufgewachsen war und wo er mit ihr und den Kindern später zehn Jahre gelebt hatte. Hier fand ihre Odyssee in einem Hotel in der Nähe schließlich ein Ende. Die vom Hotelpersonal alarmierte Polizei brachte sie in eine psychiatrische Einrichtung. Nach einigen Wochen in der Klinik brachte man sie, nachdem man sich über etliche Umwege mit ihm in Verbindung gesetzt hatte, zum Flughafen. Man hatte mit ihm vereinbart, dass er sie bei ihrer Ankunft empfängt und in ihre Wohnung begleitet. Bei ihrer Rückkehr befand sie sich wieder in einer normalen Verfassung, sodass sich ihre Zusammenkünfte darauf beschränken konnten, dass er hin und wieder am Wochenende die jüngere Tochter aus dem Heim abholte und zu ihr mitnahm, wo sie die Nachmittage zu dritt verbrachten.

Die Therapeutin und er

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