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Viertes Kapitel.

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Früher als zu fürchten stand, ging Merkers letzter Segen in Erfüllung. Woldemar kehrte spät genug von dem Freuden-Quelle zurück; seine Wangen brannten, seyn Herz bebte; er sah begeistert zu den verblichenen Sternen auf, im Morgenroth die Farbe der Braut, im Wolkenflug den Tanz der schönsten Horen: entzückende, bedeutungsvolle Träume reiheten sich an die selige Wirklichkeit und auch diese erschien ihm, als er am hohen Mittag erwachte, nur wie ein Trugbild des Phantasus, denn die feurige Welle deren das Notenblatt gedachte, trug ihn weit über die Grenze seines Willens und seiner Erwartung hinaus.

Gestern erst hatte der Verschlossene, von dem Adjutanten gedrängt, einige Worte über das Geheimniß seines Herzens verlohren. Jetzt war der Wurf gelungen, jetzt sollte Julius sich mit ihm freun, jetzt sollte der Wildfang in Herminens Nähe geführt, von ihrer Anmuth gewonnen, von ihrem Werth ergriffen, erleuchtet von dem Himmelsglanz dieser Seele, zu dem längst verscherzten Glauben an die sittliche Güte des bessern Geschlechtes zurückkehren. Lästige Besuche hielten ihn fest, es war schon Abend, als Woldemar in des Freundes Behausung kam. Zwar fand er sie verschlossen, aber er hatte Licht gesehn, schlich, vertraut mit den Zugängen durch eine Hinterthür und trat, überraschend genug, in’s Kabinet. Julius sprang aus dem Arm eines Mädchens empor, das sich laut schreiend aufraffte und durch die offene Thür entfloh. Woldemar stürzte ihr nach. „Hermine!“ rief er, aber sie war unter dem Schutze der Nacht verschwunden. Er stand erstarrt auf offener Straße. Daß sie es war, litt keinen Zweifel, der Irrthum lag ausser dem Gebiete der Möglichkeit. Er hatte ihr Gesicht gesehn, jeden Zug unterschieden. Das war ihr Hauskleid, das ihr Palatin und das sein Liebling unter ihrem Häubchen.

„Du Störenfried!“ sprach Julius der ihm gefolgt war. Sage mir „fragte Woldemar“ auf Deine Seele frag ich Dich, war das die Wahl?

Julius schwieg betroffen still. Sie war’s! gestand er endlich. Sie war’s? rief jener aus und schlich sich heim. Der Zustand seines Gemüths kann leichter empfunden als beschrieben werden. Unglücklicher „sprach sein Gewissen“ wie mancher Pflicht hast Du entsagt, wie manches Glück verschmäht, wie manche Blume der Jugend hingeworfen, um der Eigensucht deines Götzen, den Launen einer Buhlerin zu fröhnen! Der Adjutant unterbrach dieses heilsame Selbst-Gespräch. Noch immer „sagte er“ läuft Dir das Glück nach. Ich komme jetzt um anzufragen, ob Dich die räthselhafte Göttin deren Du gestern gedachtest auch heute noch am Ziegel hält? Woldemar wendete sich schaamroth ab. Jener drehte ihn schnell um seine Achse, sah ihm tief in die unstäten Augen und sprach „Täuscht mich nicht alles, so ward die Fee zur Furie, oder zur Hexe, oder zum unerbittlichen Schicksal. Hin ist hin! Ermanne Dich, tritt zu den Freykorps. Der Würgengel ist ein wohlthätiger Genius, der alle diese zwerghaften Quälgeister des Stilllebens austreibt und die entarteten, verzauberten Männer von dem Rocken ihrer Omphale losschließt; das Bett der Ehre ist reitzender als das der Schäferin, und der Riese der Gefahr minder furchtbar als eine schmollende Tyrannin mit dem feindseligen Gesindel ihrer Grillen.“

Führe mich zum General, „fiel Woldemar erheitert ein“ ich bin der Deine. Mit Freuden weih ich mich von nun an dem Tode.

Schlag ein! „entgegnete der Adjutant, und drückte ihn an seine Brust.“ Hand in Hand zum ernsten Waffentanze! Bestelle Dein Haus, wir gehn nach wenigen Stunden zur Armee ab.

Der Weihnacht-Abend (Gustav Schilling) (Literarische Gedanken Edition)

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