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Emily

Er hatte gerade den Rasen fertig gemäht und war dabei die abgestorbenen Äste der Büsche abzuschneiden, von denen er nicht mal wusste, wie sie hießen, als er Emily die Straße entlanglaufen sah. Direkt auf sein Haus zu. Augenblicklich stellte er den Rasenmäher ab. Sarah hatte ihm ihre Tochter wenige Tage vorgestellt nachdem sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten. Nachdem sie geduscht hatte, bestand sie regelrecht darauf, ihm Bilder ihrer Tochter, die sie auf dem Smartphone gespeichert hatte, zu zeigen.

Worüber er, wie er heute noch wusste, nicht wenig erstaunt war.

„Warum will sie mir Fotos ihrer Tochter zeigen“, fragte er sich. Kaum, dass er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, hatte sie sich zu ihm auf die Couch gesetzt, sich an ihn gelehnt und gesagt: „Schau, das ist Emily“, womit sie ihm auch schon ihr Smartphone vor die Nase hielt, um ihm ein Bild nach dem anderen zu zeigen.

Emily beim Schwimmunterricht. Emily im Babyalter. Emily auf einem Pferd. Emily!

Ihm war augenblicklich klar geworden, dass sie ihre Tochter abgöttisch liebte und je mehr Bilder er sich ansah, umso mehr verstand er sie. Diese, ihre Liebe zu ihrer Tochter war keine gewöhnliche Mutter-Tochter Liebe. Sie musste perfekt sein.

Es war von jener Art, die sie von ihren eigenen Eltern, nie erfahren hatte. Etwas, wovon sie ihm erst viel später erzählte.

Ebenso etwas, dass er erst nach ein paar Monaten von ihr erfahren hatte war, dass sie das jüngste Kind(alle waren es Mädchen)von Vieren war. Und dass, wie sie behauptete, dass von ihrer Mutter, am wenigsten geliebt wurde.

Ihr Vater hingegen, trug sie auf Händen. Wenn er, als Landwirt, der um Vier Uhr früh das Haus verließ und der meistens vor 18 Uhr abends, nicht wieder zuhause war, Zeit und Energie dafür gehabt hatte.

Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie es dazu gekommen war, dass sie ihm ihre ganze Lebensgeschichte zu erzählen begann. Noch heute wunderte er sich, über die Art und Weise, über den ersten Satz, den sie als Erstes sagte, als sie daran ging, ihm ihre Lebensgeschichte zu erzählen.

„Ich hab mich schon immer mehr für Traktoren, die

Landwirtschaft und Autos interessiert als so mancher Junge“, begann sie. „Ich glaube deswegen war ich auch Papas Liebling. Ich war diejenige die ihm zur Hand ging, wenn es auf dem Hof etwas zu tun gab. Die den Stall ausmistete, das Vieh versorgte und die mit ihm auf dem Feld war, wenn er sich wieder mal nicht genug Arbeiter leisten konnte. Während meine Schwestern lieber mit Puppen gespielt oder sich Mamas Kleider angezogen haben. Ich glaube, das ist eines der Gründe, warum ich ein bisschen bi gepolt bin. Glaubst du nicht auch“, sagte sie so beiläufig als würde sie über das Wetter reden.

Phil hatte sie, als sie ihm gestand an Frauen gleichermaßen interessiert zu sein wie an Männern, erschrocken angesehen.

„Du bist bi“, fragte er sie. Er konnte sein Erstaunen verbergen.

Sie hatte innegehalten und sah ihn an.

„Warum siehst du mich denn so überrascht an“, fragte sie ihn.

Er musste erst überlegen, wie er darauf reagieren sollte, wenn er sie nicht unnötig verletzten wollte. Und dass ausgerechnet ihm. Ihm, der aus einer erzkatholischen Familie stammte, in früheren Zeiten braver Kirchgänger gewesen war und homosexuelle Beziehungen für abartig hielt. Eine Überzeugung die er nie ganz aufgegeben hatte.

„Ich bin einfach nur überrascht“, gab er schnell von sich, in der Hoffnung, dass nichts an seinem Ton verraten hatte, dass er der Überzeugung war, dass er gleichgeschlechtliche Beziehungen für pervers hielt. Sarah beließ es dabei, ging nicht weiter darauf ein und begann wieder ihm Fotos von Emily zu zeigen.

„Seltsam“, dachte er sich, während sie ihm ein Foto nach dem anderen zeigte, ohne dass er sie wirklich wahrnahm.

„Wieso stört mich das bei ihr nicht?“

Natürlich erwischte sie ihn dabei, als er abwesend vor sich hinstarrte.

„Du musst schon hinschauen. Ich zeig die Fotos von Emily nicht jedem“, protestierte sie.

Abermals wischte sie mit einem Finger über das Display.

„Oder bist du jetzt etwa geschockt?“

Die Frage überraschte ihn.

Sie hatte es als doch bemerkt! Verdammt!

„Worüber sollte ich denn geschockt sein“, fragte er sie, mit einer Unschuldsmiene, die ihn augenblicklich verriet.

Er war noch nie ein guter Lügner gewesen!

„Sag bloß das du einer von denen bist, die glauben, dass alle gleichgeschlechtlichen Beziehungen, wie es so schön heißt, pervers sind?“

Das war das erste Mal gewesen, dass sie ihn mit diesem seltsamen Blick ansah. Dieser Blick, der spottend, provozierend und zugleich so unschuldig war, dass er ihn aus der Fassung brachte.

Dieser Blick erregte ihn. Fast wäre er versucht gewesen, sie nochmals zu nehmen, besann sich dann aber.

Er wusste, dass sie dies richtig zu deuten, gewusst hätte!

„Zeig mir lieber die Fotos“, forderte er sie auf, während er ihr einen Klaps auf den nackten Po gab.

Es mussten Dutzende Bilder gesehen haben, die sie ihm im Laufe des besagten Nachmittages gezeigt hatte. Tatsächlich konnte er auf den Fotos erkennen, dass Emily ein besonderes Kind sein musste. Ihr Gesicht ließ eine Intelligenz erkennen, eine Wärme erkennen die ihm auf den Fotos nur so entgegensprang. Abgesehen davon, dass sie ein besonders hübsches Mädchen zu sein schien.

Etwas, das sich kurze Zeit später bestätigte, als Sarah eines Tages mit ihr vor der Tür stand, um ihn abzuholen damit er sie zu McDonalds begleitete.

Damals, gerade erst vor einem dreiviertel Jahr war das gewesen, als sie gerade zehn Jahre alt geworden war. Überrascht sagte er spontan zu und erfuhr dabei, dass Emily nicht nur außergewöhnlich hübsch, sondern auch für ihr Alter extrem intelligent war. Außerdem wusste sich zu benehmen, sprach nur wenn sie gefragt wurde oder fragte zuerst ob sie sich zu etwas äußern durfte. Sarah hatte, was die Erziehung des Mädchens anbelangte, gute Arbeit geleistet.

Es dauerte nicht lange bis beide, Emily und er herausfanden, dass sie sich hervorragend verstanden. Vom ersten Tag an – er sollte sie infolge noch öfters sehen – alberten sie miteinander herum, verhielten sich wie alte Kumpels, die sich schon seit Jahren kannten. In einer geradezu gewählten Ausdrucksweise, fragte sie ihn nach Dingen, von denen er nicht vermutet hätte, dass sie sie interessieren könnten. Wo er herkam, wie es kam, dass er ausgerechnet in Lind wohnte. Was er beruflich machte. Wie seine Ausbildung ausgesehen hatte…! Alles so unaufdringlich und zwischendurch immer danach fragend, ob sie nicht zu aufdringlich sei! Er hatte keine andere Wahl, als dieses Mädchen lieb zu gewinnen.

Er fragte sich, ob er in ihr die kleine Tochter zu sehen begonnen hatte die er sich gewünscht hatte und konnte die Frage nur mit einem Ja beantworten. Diese kleine Tochter, die er mangels einer geeigneten Frau, ein Wunschtraum bleiben würde. Emily schien dies zu spüren. Irgendwie wusste sie, dass er so etwas wie väterliche Liebe für sie empfand. So kam es, dass sie sich auf den ersten Blick prächtig verstanden. Tatsächlich entwickelte sich zwischen den beiden ein Verhältnis der besonderen Art. Ein Verhältnis, dass sich mehr und mehr zu einem ich-bin-zwar-nicht-dein-Vater, wäre-es-aber-so-gerne-Verhältnis, entwickelte.

Umso mehr traf es ihn, als Sarah den Kontakt zwischen ihr und ihm unterband, als ihr Freund plötzlich wieder auf der Bildfläche erschien.

Dani, wie Sarah ihn nannte.

„Dani“, sagte Phil erstaunt. „Du hast also einen

Freund, der Dani heißt.“

Nach dem ersten Schock, während dem ihm tatsächlich seine sonstige Schlagfertigkeit abhandengekommen war, wobei er gleichzeitig versucht war zu glauben, sich verhört zu haben fragte er sie: „Moment mal…, du meinst Dani“, wobei er das i über die Maßen betonte. „Eine Sie. Eine Freundin!“

„Neiiiin“, erwiderte sie.

„Ein Mann. Dani ist ein Typ!“

Schon am Morgen wusste er, dass ein Tag der damit anfängt, dass die Kaffeemaschine seinen Geist aufgibt – noch bevor er wenigstens eine Tasse bekam, kein guter sein konnte.

Wenn einem dann auch noch, auf wenig schonende Art und Weise mitgeteilt wurde, dass die Frau in die man sich verliebt hatte, einen Freund hatte…!

Heute noch, Monate nach dem Geständnis war er sich nicht sicher, ob es Verwunderung, Verwirrung oder ein plötzlicher Anfall von Ganzkörpergelähmtheit war, die ihn wie angewachsen dastehen ließ. Aus welcher er sich erst zu lösen begann, als Sarah mit ihren Fingern vor seinem Gesicht herumzuschnippen begann.

Ganz sicher wusste er nur, dass er sich an diesem Tag einen Alkoholpegel verpasst hatte, der ihn noch die darauffolgenden zwei Tage begleiten sollte.

Als Bernd die Geschichte das erste Mal hörte, fragte er ihn: „Sie nennt ihn Dani?“

Phil konnte das Erstaunen auf seinem Gesicht sehen und war amüsiert.

„Ja, sie nennt ihn Dani.“

Bernd lachte. „Was ist der Typ? Halbschwul?“

„Warte“, sagte Phil. „Sie hat mir mal irrtümlich ein

Foto von diesem Dani geschickt“, wobei Phil sein Smartphone aus der Tasche zog, um nach dem Foto zu suchen.

Bernd sah sich das Foto an und sagte: „Scheiße!“

„Wo hat sie denn den her? Hat sie sich mit einem Lolli vor die Volksschule gestellt, um ihn anzulocken?“ „Jetzt ehrlich mal.“ sagte Bernd weiter. „Der Typ sieht aus, als hätte er gerade die vierte Klasse beendet. Abgesehen davon, dass er aussieht…! Ich weiß nicht! Bist du sicher, dass das ein Typ ist“, fragte er ihn, mit zweifelndem Blick.

„Ich meine, er, wenn es denn ein Er ist, hat doch ziemlich…, weibliche Züge.“

Wieder dieser zweifelnde Blick, der Phil zu fragen schien, ob er sich nicht im Foto geirrt hatte.

„Abgesehen davon. Findest du nicht, dass er, nehmen wir mal an es ein Er ist, etwas…, na ja sagen wir mal, rundlich geraten ist?“

Bernd war in Fahrt geraten.

Bernd, der es genoss, über die wenig vorteilhafte, wenn auch nicht gegenwärtige Erscheinung, zu lästern, bekam nicht mit, dass sich die Gesichtszüge seines Freundes, zu verdunkeln begannen. Erst, nachdem er mit seiner Läster-Tirade fertig war, sah er, die Veränderung, die sich auf dem Gesicht Phils vollzogen hatte.

Man konnte Bernd nachsagen was man wollte, dumm war er nicht. Blitzschnell erkannte er, was in seinem Kumpel vor sich ging.

„Jetzt komm schon Alter“, versuchte er Phil aufzuheitern.

„Du willst mir doch nicht weismachen, dass du dir von einer Frau den letzten Nerv rauben lässt, die sowas, dir vorzieht!“

So sehr es ihn auch schmerzte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als genau das zuzugeben.

Noch mehr jedoch schmerzte ihn die Tatsache die Tatsache, dass Sarah ihm Emily für ein gutes halbes Jahr vorenthalten hatte, nur weil er ihr gesagt hatte was er von ihrem Freund hielt. Sie wusste, was sie ihm damit antat. Sie wusste, dass er Emily gernhatte und sie vermissen würde.

Ein Druckmittel, dass sie, obwohl es ihr bewusst war, dass es ihre Tochter genauso schmerzen würde, dennoch anwandte. Erst als sie ihm das Versprechen abnahm sich nicht mehr abfällig gegenüber Dani zu äußern, gestattete sie Emily wieder, ihn zu besuchen. Sie hatte ihn erpresst und er hatte sie dafür gehasst. Zumindest zeitweise.

Als er Emily das erste Mal wiedersehen konnte, musste er sich beherrschen, um nicht vor Freude ein paar Tränen zu verlieren.

Nun aber stand sie wieder vor ihm, hielt ihm ein Blatt Papier hin und sagte: „Da schau. Das hab ich heute bekommen!“ Er konnte sehen, dass sie ganz Stolz war. Ein breites Lächeln, dass strahlender nicht sein konnte war auf ihrem Gesicht zu sehen. Auf diesem so hübschen, liebenswürdigen Gesicht, dass er so sehr liebte. „Was hast du denn da“, fragt er sie, weil er es auf den ersten Blick nicht gleich erkannt hatte, so nah hielt sie ihm das Blatt Papier vor die Nase.

„Na mein Halbjahreszeugnis. Siehst du doch“, gab sie protestierend von sich.

„Du solltest wirklich nicht so eitel sein und deine Brille aufsetzen.“

Dem Schmunzeln auf ihrem Gesicht, war er auch an diesem Tag nicht gewachsen.

Er sah sie mit gespielt strengem Blick an, fasste sie blitzschnell mit beiden Händen um die Hüfte und hob sie hoch.

„Du kleines freches Ding! Na warte, dir werd ich´s zeigen!“ Emily lachte laut auf und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien.

„Neeeein“, rief sie. „Aufhören! Du weißt das ich kitzelig bin.“

Das Zeugnis war ihr aus der Hand zu Boden gefallen.

Erschrocken hielt sie inne.

„Mein Zeugnis!“ Schnell setzte er sie ab, wollte sich nach dem Zeugnis bücken. Doch da war Emily schon in die Knie gegangen, um es aufzuheben. Phil setzte sie ab, entschuldigte sich bei ihr.

„Oh entschuldige bitte!“

„Wehe, wenn du es schmutzig gemacht hast“, sagte sie.

Er sah, dass sie wirklich besorgt war. Emily hielt das Zeugnis in der Hand, blies darauf, um ein paar trockene Grashalme davon zu entfernen. Besorgt sah sie auf das Blatt.

„Entschuldige bitte“, sagte Phil noch einmal. „Darf ich es jetzt sehen?“

Emily sah ihn an, prüfend, so als wollte sie herausfinden ob sie ihm noch trauen konnte. Nach ein paar Sekunden, in denen sie ernsthaft zu überlegen schien, ob sie es ihm geben sollte, sagte sie: „Hier, aber sei vorsichtig!“

„Klar“, versicherte er ihr.

Emily hielt ihm das Zeugnis hin. Kaum hatte er es in der Hand boxte sie ihn mit ihrer kleinen Faust in die Seite.

„Aua“, sagte Phil und hielt sich die Stelle, an der sie ihn getroffen hatte.

„Das hast du dir verdient.“ Emily sah, dass ihm der Schlag nicht wirklich weh getan hatte und zeigte ein Lächeln auf ihrem Gesicht, das für ihn so schön war, wie jedes Lächeln das er von ihr geschenkt bekam.

„Kann ich bitte etwas zu trinken bekommen“, fragte sie ihn, wieder ganz das ihm bekannte höfliche Mädchen. „Ja klar.“ sagte er. „Im Kühlschrank, stehen ein paar Flaschen deines Lieblingssafts. Geh einfach rein und hol es dir.“

Emily sah ihn kurz an, noch immer lächelnd.

„Erdbeersaft“, fragte sie ihn.

„Erdbeere, Banane, Heidelbeere. Alles was dir schmeckt.“

„Du bist ja doch nicht so übel“, sagte sie, wobei sie an seinem Shirt griff, um ihn zu sich herunterzuziehen und ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.

Danach lief sie schnurstracks ins Haus.

Mit einem Mal fühlte er wieder diese Wärme in sich. Diese Wärme, die er nur dann empfand, wenn er mit ihr zusammen sein konnte.

„Ich bring dir deine Brille mit“, hörte er sie sagen als sie schon dabei war ins Haus zu gehen. „Sonst siehst du ja doch nichts.“

Die Bemerkung machte ihn schmunzeln. Ein Schmunzeln, von dem er am Morgen noch nicht wusste, dass es ihm an diesem Tag vergönnt sein würde. Als Emily wieder in den Garten gekommen war, saß Phil bereits auf seiner Bank in der Laube und sah sich das Zeugnis an.

„Na“, fragte sie ihn voller Stolz.

„Alle Achtung“, sagte er bewundernd.

„So ein tolles Zeugnis hab ich im Leben noch nicht gesehen. Du hast garantiert das beste Zeugnis das eine Schülerin der vierten Volksschulklasse je gehabt hat!“ Emily stand vor ihm, sah ihn aus stolzen Augen an. In diesem Augenblick war sie wieder das kleine Mädchen, dass ungesehen ihrer Intelligenz und ihrer für ihr Alter unglaublichen Reife, so stolz auf dieses Lob war, als hätte sie es von ihrem eigenen Vater bekommen. „Was für ein Arsch muss dein Vater nur sein, dass er nichts von dir wissen will“, dachte Phil sich, der traurig bei dem Gedanken wurde.

„Du schleimst Phil“, sagte Emily und nahm einen Schluck von der Flasche mit dem Johannisbeersaft.

Wieder dieses Schmunzeln, dass ihn hilflos machte. „Nein, ehrlich“, sagte er. „Das ist das beste Zeugnis, das ich jemals gesehen habe.“

„Besser als deines“, fragte sie.

„Viiiel besser als eines von meinen“, sagte er absichtlich übertrieben.

Emily musste lachen. Fast hätte sie den Schluck Saft, den sie gerade gemacht hatte, ausgeprustet.

„Komm her“, forderte Phil sie auf. „Lass dich drücken.“ Emily trat zwei Schritte an ihn heran und ließ es sich gerne gefallen, von ihm umarmt zu werden.

„Gut gemacht. Bist ein tolles Mädchen.“

„Danke Phil“, sagte Emily. „Das ist lieb von dir.“ Diesmal errötete sie wirklich.

Wie gerne hätte er sie nochmal umarmt. Sie festgehalten, ihr einen Kuss auf die Wangen gedrückt.

Er wusste, dass ihr Besuch bei ihm nur von kurzer Dauer sein würde.

„Weißt du was“, sagte er.

„Für dieses tolle Zeugnis hast du dir was verdient.“ „Was denn“, fragte sie ihn ganz aufgeregt.

„Hmm, überleg dir was.“

Emily nahm einen Verlegenheitsschluck von ihrer Saftflasche, verdrehte die Augen nach oben und dachte nach.

„Ich weiß was“, sagte sie. „Ich möchte mit dir und Mama zu McDonalds gehen und du musst mich zu meinem nächsten Schwimmturnier begleiten!“

„Das sind ja gleich zwei Wünsche.“

„Es sind ja auch eine Menge Einsen die ich im Zeugnis habe“, gab sie schlagfertig zurück.

Phil lachte auf.

„Das stimmt auch wieder. In Ordnung, genauso machen wir das“, sagte Phil.

Er wusste, dass sich diese, eigentlich kleine Forderung, als Challenge herausstellen würde. Wie sollte er Sarah erklären, dass er ihrer Tochter so ein Versprechen gegeben hatte. Eines, von dem er wissen würde, dass sie sie akzeptieren musste. Sie würde es nicht übers Herz bringen, dem Wunsch ihres Kindes im Wege zu stehen.

Abgesehen davon, konnte er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, Sarah in Verlegenheit zu sehen.

Emily nahm den letzten Schluck aus der Flasche und hielt sie ihm hin.

„Darf ich dir die Flasche geben?“

„Ich hab Mama versprochen schnell wieder zurück zu sein!“

„Klar, gib nur her.“

Dann beugte sie sich nach vor, umarmte ihn mit ihren dünnen Ärmchen so fest sie konnte und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Hab dich lieb“, sagte sie.

Der Tag wurde also doch noch gut.

Nichts liebte er mehr, wie von diesem kleinen, bezaubernden Kind umarmt zu werden und von ihm gesagt zu bekommen, dass sie ihn liebhatte.

„Also bis dann“, sagte sie, drehte sich um, lief den kleinen Hügel hinab zur Straße, auf der sie nach Hause gehen würde.

„Bis dann“, rief er ihr nach.

Emily winkte im Davonlaufen.

Kaum war sie unten auf der Straße angekommen, auf der so wie fast immer, kein Auto unterwegs war, begann sie zu laufen, so schnell sie konnte. Das Zeugnis wehte in ihrer Hand. Phil sah ihr nach. So sehr er diese kurze Zeit mit diesem „kleinen Engel“ wie er sie öfters nannte und dass sie partout nicht ausstehe konnte, genossen hatte. Für den Rest des Tages und darüber hinaus, würde er sie vermissen. Nicht wissend, wann er wieder einmal das Glück haben würde, mit ihr zusammen sein zu dürfen.

Keine viertel Stunde später klingelte sein Telefon. Es war Sarah.

„Wie konntest du Emily nur versprechen, dass du sie zum nächsten Schwimmturnier begleiten würdest. Ganz zu schweigen von Mc Donalds?“ Ihr Ton war alles andere als freundlich, geradezu anklagend.

Der Tag wurde immer besser!

„Weil sie es sich gewünscht hat“, gab er zurück mit einem breiten Lächeln zurück, dass sie leider nicht sehen konnte.

„Du weißt doch was ich davon halte“, fuhr sie fort. Phil dachte nicht daran auch nur einen Millimeter von seinem Versprechen abzurücken.

„Sie hat es sich gewünscht und damit Basta! Abgesehen davon hat sie es sich verdient.“

Er hörte, wie sie am anderen Ende der Leitung, tief durchatmete.

Das war seine Gelegenheit und die durfte er nicht verstreichen lassen. Auch, wenn er wusste, dass es besser gewesen wäre, wenn er es täte.

„Hör mal“, begann er.

„Was spricht denn schon dagegen, dass sie sich einen väterlichen Freund wünscht? Ich meine, du wirst doch wohl kaum behaupten können, dass, wenn sie so einen hätte, sie nicht zu mir kommen würde, oder?“

„Sie hat einen väterlichen Freund“, ließ Sarah ihn in allzu betonter Form wissen.

Die Sache entwickelte sich gut!

„Wirklich“, fragte er sie. Er kannte sie. Dass würde sie ihm niemals durchgehen lassen.

„Ja, wirklich“, sagte sie eine Spur zu laut.

Ja, er hatte sie!

„Du weißt genau, dass Dani…el, sehr wohl ihn der Lage ist, diese Rolle zu übernehmen.“

„Komm schon“, setzte Phil nach. „Das Jüngelchen braucht doch selbst noch jemanden, er ihn bei Rot über die Straße führt.“

Das hatte gesessen, denn plötzlich war es still in der Leitung geworden. Doch da hörte er schon das Sarah wieder Luft holte, was bedeutete das sie etwas erwidern würde.

Was nichts Gutes erwarten ließ, angesichts dem was er ihr gerade durch den Hörer geworfen hatte.

Das hörbare Ausschnaufen, bestätigte ihm, dass sie Mühe damit hatte, sich zusammenzureißen. Im letzten Moment brach sie ab.

„Gut“, hörte er Sarah sagen. „Dann geht Dani...!“ Sie hatte mitten im Satz aufgehört. Sie wusste, dass wenn sie Dani sagen würde, er einen Kommentar loslassen würde, auf den sie nichts erwidern konnte.

„Dann geht Daniel aber auch mit.“

„Klar“, meinte Phil. „Wir können für ihn ja eine dieser Junior Tüten bestellen und einen Kindersitz werden wir für den Kleinen auch noch finden!“

Stille trat ein. Phil erwartete, dass sie jeden Moment eine Tirade loslassen würde.

Doch nichts dergleichen geschah.

„Du bist ein Arsch“, hörte er sie sagen.

Gerne hätte er in diesem Augenblick ihr Gesicht gesehen. Irgendwie hatte sie sich angehört, als wäre es ihr schwergefallen, ein Lachen zu unterdrücken.

Im nächsten Augenblick war die Leitung tot.

„Hab dich auch lieb“, sagte er zu seinem Smartphone und drückte den Aus Knopf.

Männer sind auch nur Menschen

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