Читать книгу kleine Ewigkeit - H. Loof - Страница 5
Flucht und andere Unannehmlichkeiten
ОглавлениеDer Himmel ließ die weißen Flocken in großer Anzahl zu Boden schweben. Inzwischen war die Schneedecke schon so hoch, dass Amber bis zu den Knien im Schnee einsackte. Mit ihren 33cm würde es auch nur noch ein paar Minuten dauern bis sie ganz in der weißen, grausamen Pracht versinken würde.
Hektisch schaute Amber sich um. Es musste ihr irgendwie gelingen, sich möglichst schnell so etwas wie Schneeschuhe zu bauen oder ihre Flucht und damit ihr Leben würde hier enden.
Ein Licht am Wegesrand ließ auf ein kleines Anwesen schließen. Mühsam stapfte Amber durch den hohen Schnee bis vor die kleine Mauer, die das Gebäude von der Umgebung abgrenzte. Langsam und vorsichtig schlich sie an der Mauer entlang, bis sie schließlich zu einem eisernen Tor kam. Ein kurzer Blick durch die Gitterstäbe zeigte nichts Verdächtiges.
Wer soll auch schon bei so einem Wetter draußen sein?
Das Tor war nicht verschlossen und Amber machte sich daran das Grundstück zu betreten. Sie hoffte im Stillen, dass die Bewohner ihr helfen würden. Falls es sich aber schon herumgesprochen hatte, dass die EINZIG WAHRE KIRCHE eine Frau suchte, würde sie hier wohl eher den Tod finden. Aus einem Fenster viel ein gelbliches Licht, das den Außenbereich vor dem Haus leidlich beleuchtete. Nervös näherte sich Amber der Eingangstür, als ihr Blick zufällig auf ein paar Skier fiel, die an der Wand lehnten. Das konnte ihre Rettung sein. Nach einem kurzen Zögern, schnappte sie sich die Skier und versuchte sie festzuschnallen. Mit ihrer verletzten rechten Hand brauchte Amber einige Anläufe bis die Skier sicher an ihren Stiefeln befestigt waren. Noch ein kurzer Blick in die Runde, ob sie auch niemand bemerkt hatte und sie machte sich auf den Weg.
Wieder auf der Hauptstraße angekommen, waren die Spuren, denen sie gefolgt war, schon fast vollständig vom Schnee bedeckt und kaum noch zu erkennen. Aber vielleicht hatte das auch seine Vorteile. Auch ihre Spuren würden bald nicht mehr vorhanden sein und wohin die Kutsche mit Kerwin als Gefangenen fuhr, gab es keinen Zweifel. Mit neuem Mut machte sich Amber an die Verfolgung und verfiel dabei in einen gleichmäßigen Langlaufstiel den sie ein paar Stunden durchhalten konnte. Mit etwas Glück würde sie die Kutsche bald einholen können. Schließlich war sie mit normalen Rädern unterwegs und hatte bestimmt auch Probleme bei diesem Wetter.
***
Nach gut zwei Stunden auf den Skiern machte sich Amber langsam Sorgen, ob sie wirklich auf dem richtigen Weg war. Im Schnee waren keinerlei Spuren zu erkennen. Sie war sich nicht mal mehr wirklich sicher, dass sie noch auf der Hauptstraße war. Aber das waren nicht ihre einzigen Sorgen. Falls sie den Gefangenentransport wirklich erreichen sollte, wusste sie nicht, wie sie es überhaupt schaffen könnte, Kerwin zu befreien. Ihre rechte Hand schmerzte immer noch höllisch und war kaum zu gebrauchen. Außerdem würde sie bestimmt ziemlich erschöpft sein und die halbes Dutzend Wachen waren gut ausgebildete Kämpfer. Nun sie würde wohl improvisieren müssen. Immerhin sorgte die weiße Schneedecke dafür, dass die Landschaft durch das Mondlicht relativ hell erleuchtet war. Das Schneetreiben hatte auch vor kurzem aufgehört und Amber kam nun gut voran. Der Weg führte über eine ebene Fläche leicht bergab. Weit voraus war etwas Dunkles zu erkennen. Aus dieser Entfernung konnte Amber aber nicht erkennen, was es war. Inbrünstig hoffte sie, dass es sich um die Kutsche handelte, denn langsam schwanden ihre Kräfte und es machte sich eine bleierne Schwere in den Gliedern breit. Trotzdem verlangsamte sie ihr Tempo kein bisschen.
Beim Näherkommen konnte sie erkennen, dass es sich tatsächlich um eine Kutsche handelte. Sie lag auf der Seite und war offensichtlich stark beschädigt. Um die Kutsche verstreut konnte sie vier menschliche Körper erkennen. Amber hielt an und schaute sich misstrauisch um.
Was ist hier nur geschehen?
Die Gedanken rasten durch Ambers Hirn. Es sah aus, als ob die Kutsche überfallen worden war. Vorsichtig näherte sie sich dem Gefährt. In dem Mondlicht konnte sie zwar keine Farben erkennen, aber die dunklen Stellen bei den Körpern konnten sich nur um Blutflecke handeln. Ein leises Stöhnen ließ sie aufhorchen und Amber umrundete den umgestürzten Wagen. An der Unterseite lehnte ein verletzter Diener der Kirche und stieß von Zeit zu Zeit dieses leise Stöhnen aus. Als der Kirchenmann Amber erblickte, hustete er noch mal und spuckte dabei Blut, bevor er zu Amber sprach: „Bitte helft mir!“
„Was ist hier geschehen?“, fragte Amber nach, während sie sich ihrer Skier entledigte und zu dem Verletzten herunterbeugte, um den Mann zu begutachten.
Es sah wirklich nicht gut aus. Eine Wunde an der Brust und das gleichzeitige Bluthusten ließ darauf schließen, dass der Kirchendiener eine schwere Verletzung eines Lungenflügels erlitten hatte.
„Wir wurden überfallen. Sie haben hier schon auf uns gewartet, diese Mörder des Schlangenclans.“, röchelte er leise.
Das klang irgendwie seltsam. Amber konnte sich einfach keinen Reim darauf machen.
„Wieso sollte der Schlangenclan einen Gefangentransport der Kirche überfallen? Kerwin hatte doch eigentlich nichts mit ihnen zu schaffen.“, murmelte Amber nachdenklich.
Im gleichen Augenblick merkte sie, dass sie einen schweren Fehler begangen hatte. Der verletzte Kirchenkrieger griff zu seinem Schwert. Amber aber war schneller. Sie zog mit Ihrer Linken ein Messer aus der Tasche und mit einem gezielten Stich in die Kehle des Mannes beendete sie sein Leben.
„Mist, Mist, Mist. Wie kann man nur so dämlich sein?“, schimpfte Amber vor sich hin, während immer noch das warme Blut aus der Halsschlagader rhythmisch auf ihr Handgelenk sprudelte.
Müde stand sie auf und schaute auf den gerade Getöteten. Bedauern konnte sie nicht empfinden. Sie ärgerte sich aber gewaltig über sich selbst. Der Mann hatte bestimmt noch mehr nützliche Informationen besessen und durch ihre unachtsame Äußerung würde sie die nun nicht mehr bekommen.
Eine Untersuchung des Wagens zeigte Ihr, dass von Kerwin keine Spur zu finden war. Vielleicht hatten die Mitglieder des Schlangenclans ihn mitgenommen oder er hatte fliehen können. Zudem hatte sie bisher nur fünf Leichen gesehen. Es hätten aber sechs Kirchendiener hier sein sollen. Etwas ratlos suchte sie weiter nach irgendwelchen Anhaltspunkten. Der Überfall konnte noch nicht länger als eine halbe Stunde her sein. Die Kampfspuren waren nur leicht vom Schnee bedeckt. Richtung Westen meinte sie so etwas wie Spuren im Schnee zu entdecken. Mit angehaltenem Atem probierte Amber, ob sie etwas hören konnte, doch es war einfach nur totenstill. Zweifelnd schnallte sie sich wieder die Skier an und machte sich auf den Weg, den vermeintlichen Spuren zu folgen.
Nach nicht mal einer halben Stunde hatte sie aber endgültig keine Ahnung mehr wohin sie sich wenden sollte. Von den Spuren war wirklich gar nichts mehr zu sehen und die Orientierung hatte sie inzwischen auch verloren. Erschöpft stand sie auf ihre Skistöcker gestützt da und überlegte, was sie nun tun sollte. Hier herumzuirren und zu hoffen dabei zufällig auf Kerwin zu stoßen, war ziemlich aussichtslos. Nach kurzer Überlegung kam sie zu dem Schluss, dass nur die Leute vom Schlangenclan ihr helfen konnten Kerwin zu finden. Wahrscheinlich war Kerwin sogar von diesen Leuten entführt oder sogar getötet worden. Wobei, sie hatte keine Leiche gefunden.
Also entführt!, dachte sie hoffnungsvoll.
Die Lage hatte sich damit aber noch weiter verschlechtert. Nun hatte sie es nicht nur mit 6 kampferprobten Männern zu tun, sondern gleich mit einem ganzen kriegerischen Stamm. Zudem wusste sie nicht mal, wo sie nach diesem Clan suchen sollte. Für eine kurze Zeit übermannte sie die Verzweiflung. Aber der Gedanke, dass sie an dieser Misere schuld war, holte sie wieder aus den destruktiven Gedanken zurück.
„Wenn ich nicht weiß, wo die Kerle zu suchen sind, muss ich eben jemanden finden, der das weiß!“, murmelte sie wütend und machte sich daran wieder den Weg zurück zur Hauptstraße zu nehmen, um ihr dann weiter zu folgen.
Es musste schon nach Mitternacht sein als sie am Rand der Straße dunkel ein kleines Bauerngehöft entdeckte. Leise und vorsichtig nährte sie sich den Gebäuden. Der Gutshof war nicht mal eingezäunt, so dass Amber ohne Behinderung bis zu dem Hof zwischen Scheune und Wohnhaus gelangen konnte. Sie schlich sich zur Scheune und probierte dabei möglichst wenig Spuren zu hinterlassen. Das große Scheunentor stand ein wenig auf und Amber quetschte sich hinein. Es roch nach Stroh und Heu. In dem düsteren Mondlicht, das durch die schmalen Fenster und Ritzen hereinfiel, suchte sich Amber in der hintersten Ecke auf dem Stroh ein Nachtlager. Sie legte sich hin, bedeckte sich etwas mit dem Stroh und rollte sich so gut wie möglich ein, um die Kälte etwas erträglicher zu machen. Sie wollte eigentlich nur etwas ausruhen. In Erinnerung an das Grauen und die Toten des letzten Tages dachte Amber, dass sie nicht einschlafen könnte. Doch die Erschöpfung sorgte für einen schnellen und tiefen Schlaf.
***
Die Beine bewegten sich nur langsam und unter äußerster Anstrengung durch die dunkelrote, fast schon sirupartige Flüssigkeit. Amber versuchte verzweifelt die kleine Tür am Ende des Raumes zu erreichen. Aber das Blut, das ihr bis zu den Knien reichte, schien ein Eigenleben zu führen und sie unbedingt daran hindern zu wollen. Nach einer gefühlten Ewigkeit gelang es ihr endlich doch noch die Tür zu erreichen und sie zu öffnen. Vor ihr stand ein hässlicher Mann, der ihr den Rücken zugewandt hatte und Ambers beide Schwerter in der Hand hielt.
Warum weiß ich, dass er hässlich ist?
Von irgendwoher hörte sie leise eine kleine Mädchenstimme: „Töte ihn, füge ihm Schmerzen zu, räche mich!“
Die Stimme klang verängstigt und traurig. Amber wusste wem sie gehörte und sie sah noch mal das Bild von Galina vor sich, wie sie mit aufgeschlitzter Kehle in ihrem eigenen Blut auf dem Boden lag. Der Blick von Amber wanderte langsam abwärts zu ihrer Hand, in der ein langes Messer lag. Kraftvoll stieß sie immer wieder auf den Mann ein und erwachte.
Der Traum spukte noch durch ihren Kopf als sie blinzelnd die Augen öffnete und feststellte, dass es schon hell war. Die letzte Nacht hatte in ihrem Inneren diesen Nachhall erzeugt, der aber erstaunlicherweise der Realität sehr nahekam. Natürlich war sie nicht durch ein Meer von Blut gewatet. Allerdings stimmte es, dass sie die Wache hinter der Tür brutal getötet hatte und das wohl, weil sie an die Ermordung von Galina dachte.
Vielleicht treffe ich auch noch auf deinen zweiten Mörder, dachte sie traurig und hätte am liebsten vor Wut über die EINZIG WAHRE KIRCHE aufgeschrien.
Müde und zerschlagen grub sich Amber aus dem Stroh aus und als sie endlich wieder den normalen Boden unter den Füßen hatte, legte sie ihre Schwerter beiseite. Ein Bett im Stroh klang zwar immer gut und es hatte sie auch leidlich warmgehalten, allerdings sorgten die Halme in ihrer Kleidung nun für einen Juckreiz, der einen in den Wahnsinn treiben konnte. Nachdem sie Ihre Kleidung so gut es ging von den Strohresten befreit hatte, überlegte sie, wie es jetzt weiter gehen sollte. Sie hatte noch keine Entscheidung fällen können, als Geräusche andeuteten, dass jemand die Scheune betrat. Nervös wartete sie auf den Neuankömmling. In Lumpen und einem viel zu dünnen Mantel betrat ein Kind die Scheune und näherte sich neugierig. Das kleine, etwa 10 Jahre alte Mädchen schaute Amber mit großen Augen an. Trotz ihrer Jugend schien es sofort die Situation zu erfassen.
„Hab keine Angst, ich tue Dir nichts.“, die leise gesprochenen Worte von Amber sollten beruhigen, aber scheinbar war das gar nicht notwendig.
„Ich habe keine Angst, aber Du solltest Dich fürchten.“, kam die gelassene Antwort von dem Kind.
„Draußen sind Gardisten der Kirche und fragen nach einer Frau. Einer bösen Frau.“
„Nein, böse bin ich nicht.“
Das Mädchen musterte sie skeptisch.
„Was ist mit Deiner Hand los?“
Der notdürftige Verband, der um Ambers rechte Hand gewickelt war, sah inzwischen wirklich unansehnlich aus. Das getrocknete Blut hatte sich mit dem Staub der Umgebung zu einer harten schmutzig braungrauen Masse verbunden. Zudem hatte Amber das Gefühl, dass sich die Wunden entzündet hatten. Nur traute sie sich nicht den Verband abzumachen und nachzusehen.
„Ich habe mich nur etwas an der Hand verletzt. Ist nicht weiter schlimm.“
„Sieht aber schlimm aus. Mein Opa hatte sich auch mal an der Hand verletzt. Jetzt ist er tot.“
Na toll. So ein klugscheißendes Kind hat mir gerade noch gefehlt.
Bevor Amber etwas auf die Äußerungen erwidern konnte, unterbrach ein gellender Schrei ihre Unterhaltung.
„Mama, das war Mama!“
Blitzschnell drehte sich das Mädchen um und stürzte aus der Scheune. Amber stand da und verfluchte die Situation. Sie war gerade so überrascht gewesen, dass sie einfach nicht schnell genug hatte eingreifen können, um das Kind zurückzuhalten. Immer noch fluchend griff sie zu ihren Waffen und machte sich daran dem kleinen Mädchen zu folgen. Vorsichtig schaute sie aus dem Scheunentor hinüber zum Bauernhaus. Der Platz zwischen der Scheune und dem Haus war leidlich vom Schnee befreit und an vielen Stellen lugte der braune, hartgefrorene Boden hervor. Keine Person war zu sehen. Es war alles ruhig, nur die Eingangstür vom gegenüberliegenden Haus bewegte sich noch ein wenig. Ein weiterer Schrei, diesmal von dem Mädchen, ließ Amber zusammenzucken. Mit einem splitternden Geräusch zerbarst das Fenster in der oberen Etage und ein kleiner Körper flog aus dem Haus und schlug mit einem dumpfen Knall auf dem harten Boden auf. Schnell rannte Amber über den Hof darauf zu.
Vor ihr lag das kleine Mädchen und rührte sich nicht. Es hatte sich offensichtlich bei dem Sturz das Genick gebrochen. Wütend verstärkte Amber den Griff auf ihre beiden Schwerter noch mehr und spürte den stechenden Schmerz in ihrer verletzten, rechten Hand.
„Warum musstest Du nur einfach so loslaufen?“, flüsterte sie leise und machte sich auf den Weg ins Bauernhaus.
Die Eingangstür führte auf einen dunklen Flur, von dem mehrere Türen abgingen. Am Ende des Flures führte eine Holztreppe in die obere Etage. Von dort drangen ein paar Geräusche zu ihr herüber, als ob jemand Schubladen und Schränke durchsuchte. Leise schlich Amber die Treppe hinauf und setzte dabei ihre Schritte an den äußersten Rand der Stufen, um möglichst keinen Laut zu verursachen. Nur ein einziges Mal knarrte die Treppe verräterisch, allerdings schien dies keiner bemerkt zu haben. Oben angekommen, blieb Amber erst mal stehen, um zu hören, aus welchem Zimmer die Geräusche drangen.
Vorsichtig öffnete sie die angelehnte Tür auf der rechten Seite. Ein Kirchenkrieger der ROTEN GARDE stand mit dem Rücken zu ihr und versperrte ihr die weitere Sicht in den Raum. Mit Wucht stach sie ihr linkes Schwert in den Rücken des Mannes, das es vorne am Bauch wieder austrat und versuchte dann mit ruckartigen Bewegungen noch möglichst viele Organe im Körper zu zerschneiden. Auf den Schmerzensschrei des Kirchenkriegers gab es eine Antwort aus dem Raum und Amber konnte, über den nun zusammengesackten Körper sehen, dass sich noch eine Person im Raum aufhielt. Mit brachialer Gewalt zog sie ihr Schwert wieder heraus und sprang über den sterbenden Mann ins Zimmer. Der andere Gardist hatte inzwischen seine Waffe gezogen und erwartete den Angriff von Amber. Ihr Gegner hatte einen grimmigen Gesichtsausdruck, der aber keinerlei Angst aufwies. Das Schwert in seiner rechten Hand war von minderer Qualität und augenscheinlich schon häufig verwendet worden. Mit einem Hieb ihres rechten Schwertes griff Amber an und als die beiden Klingen aufeinanderprallten, breitete sich eine Welle des Schmerzes aus ihrer verletzten Hand in den rechten Arm aus. Sie wich unwillkürlich zurück und ihr Gegner setzte gleich nach. Er hatte wohl bemerkt, dass Amber Probleme mit ihrer rechten Hand hatte. Den Schwertstreich des Kirchenkriegers parierte Amber mit ihrer Klinge in der Linken, drehte sich um die eigene Achse und hieb mit einem kräftigen Schwinger die Schwerthand ihres Gegners kurz über dem Handgelenk ab. Scheppernd viel die Waffe des Kirchenkriegers auf den Boden. Amber konzentrierte sich aber immer noch auf ihren Gegner und schlug den nun Wehrlosen den noch unverletzten linken Arm kurz unter dem Ellenbogen ab und stach ihm ins rechte Bein. Danach machte sie eine paar Schritte zurück und schaute dem Mann beim langsamen Sterben zu. Es war ein wirklich grässlicher Anblick wie der Verletzte jammerte und verzweifelt versuchte die Blutungen zu stillen, was aber ohne Hände unmöglich war. Selbst das Gegendrücken der Armstümpfe gegen die Wand hatte nur den Erfolg, dass diese immer mehr einem expressionistischen Bild glich. Mit der Zeit wurde der Kirchenkrieger immer schlapper und sackte schließlich mit den Rücken an der Wand zu Boden. Er schaute Amber mit seinen glasigen Augen an, aber kein Laut drang über seine Lippen. Erst als Amber sich ganz sicher war, dass ihr Gegner Tod war, löste sie ihren kalten Blick von der grausigen Szene und verließ den Raum, um sich weiter im Haus umzusehen.
***
Die blauen, leeren Augen aus dem fast rechtwinkelig abgeknickten Kopf des kleinen Mädchens waren gen Himmel gerichtet. Der Sturz aus dem Fenster hatte ihr einen schnellen Tod beschieden. Amber beugte sich über den kleinen Körper und hob das tote Mädchen vorsichtig auf. Der fast schon unterernährte Körper war so leicht, dass Amber das Gewicht kaum spürte. Traurig machte sie sich auf den Weg ins Bauernhaus und legte sie neben ihrer toten Mutter aufs Bett.
Noch lange stand Amber davor und starrte auf die Leichen. Es sah aus, als ob die Beiden friedlich schliefen, nur taten sie es eben nicht und dieser Tatsache war sich Amber nur zu bewusst. Noch nicht einmal die Namen der Beiden kannte sie. Trotzdem Amber schon lange ihren Glauben verloren hatte, sprach sie ein Gebet für sie und fügte in Gedanken noch ein Versprechen hinzu, die Verantwortlichen dafür zu bestrafen. Die beiden Gardisten, die im oberen Stock mit ihrem Blut den Boden rot gefärbt hatten, haben zwar die Taten begangen und mussten schon dafür bezahlen, aber das reichte Amber nicht. Sie hatte den unwiderstehlichen Wunsch, dass auch die Auftraggeber büßen sollen.
Doch bevor Amber sich darauf konzentrieren konnte, musste sie erst mal Kerwin finden und vor allem musste sie überleben. Die beiden Gardisten würden bald vermisst werden und wenn ihre Widersacher die Leichen mit den aufgeschlitzten Leibern finden, würden sie sich denken können, was hier passiert war.