Читать книгу Interkulturelle Kommunikation - Hamid Reza Yousefi - Страница 12
1.1 Interkulturelle Kommunikation: Problemlage und Zielhorizont
ОглавлениеKommunikation unter Menschen ist ein vielschichtiger Prozess, dessen Gelingen von vielerlei Komponenten abhängig ist.1 Es ist allgemein bekannt, dass die basale Form der Kommunikation mindestens zwischen zwei Personen stattfindet. Mit der Erweiterung um Einzelpersonen und Gruppen nimmt dieser Prozess an Komplexität zu. Kommunikation erhält durch Pluralität eine neue und kontextuell unterschiedliche Dynamik, besonders dann, wenn die Kommunizierenden aus verschiedenen Kulturregionen der Welt aufeinander treffen und unterschiedliche Faktoren, wie sozialisatorische, religiöse, kulturelle, philosophische, soziologische, sprachliche oder ethnologische, eine Rolle spielen.
Diese Faktoren verändern die internen Bedingungen, unter denen Mitteilungen der Kommunikationsteilnehmer verstanden werden können. Sie verändern unter Umständen aber auch Richtung, Ziel und Stil der Kommunikation; dies wird in der Semiotik als pragmatische Dimension von Zeichensystemen bezeichnet.
Nur unter Berücksichtigung dieser Elementarvorgänge, die Kommunikation konstituieren, kann überhaupt etwas Sinnvolles über einen sehr komplexen Vorgang wie interkulturelle Kommunikation gesagt werden. Betrachten wir die Geschichte der interkulturellen Kommunikation, so wird ersichtlich, dass es eine Reihe von Gründen gibt, die zum Scheitern eines jeden Dialogs führen müssen.
Merke:
Ein Kommunikationsdilemma entsteht, wenn eigenkulturelle Normvorstellungen mit denen der Anderen in Widerspruch stehen. Besonders problematisch wird es, wenn die Eigenlogik des Anderen ausschließlich durch die Brille der kulturellen, religiösen, sozialen oder politischen Eigenlogik des Eigenen betrachtet wird.
Viele Politiker oder Wissenschaftler halten bspw. Religion für eine reine Privatsache und betonen, dass die „modernen Staaten“ kein Verhältnis zur Religion hätten, weil sie säkular seien. Zugleich vertreten diese Politiker oder Wissenschaftler die Auffassung, dass ein Dialog mit Extremisten scheitern müsse, weil diese nur eigene Ansichten zuließen. Dabei sind sich diese Meinungsvertreter jedoch nicht bewusst, dass auch sie extremistisch denken, wenn sie ihrerseits nicht erkennen, dass es Staaten gibt, in denen Religion über den privaten Bereich hinaus als staatliche Angelegenheit angesehen wird, und dass ihre Auffassung hierüber ebenfalls eine rigide Komponente enthält.
Das paradoxe Verhältnis expliziert sich dadurch, dass dem Ausdruck „Moderne Staaten“ die Verabsolutierung einer bestimmten Haltung immanent ist, die gutgeheißen wird.
Merke:
Dem kontextuellen Ansatz zufolge ist diese Verfahrensform gewaltgeladen, weil sie eine Verwirklichungsgestalt der Regierungsform verabsolutiert und universalisiert. Der Ausdruck „Kontext“ beschreibt stets ein Handlungsfeld.
Werden Kontextualitäten marginalisiert, so werden Gesellschaften, in denen Religionen lebendig sind und in allen Belangen der Menschen eine Rolle spielen, als „nicht moderne Staaten“ deklariert, somit abgewertet und dementsprechend behandelt. Hier zeigt sich ein dichotomisierender Gesinnungskampf zwischen zwei Modellen. Dieses einseitige Verhalten birgt eine dogmatische Explosivität in sich, die jederzeit zum Ausbruch kommen kann. Darin liegt eine strukturelle Gefahr der Kommunikation auf jedwedem Gebiet. Die Debatten um das Kopftuch oder das Kreuz in den deutschen Schulen sind die bekanntesten Streitfragen dieses Kampfes. Diese und ähnliche Debatten sind in erheblichem Maße ausschließlich differenzorientiert.
Merke:
Viele Dialogbemühungen scheitern, weil sie nach einem dichotomen Muster verfahren, das nur Wahr und Unwahr, Wir und Ihr, Gut und Böse, Richtig und Falsch oder indifferente Haltungen kennt. Diese Mentalität können wir sowohl in Wissenschaft und Politik als auch in den sozialen Gemeinschaften beobachten.
In der Geistesgeschichte der letzten siebzig Jahre findet man kaum eine Theorie der Kommunikation, welche die Kontextualitäten des Anderen responsiv aus der jeweiligen Perspektive des Anderen zu Wort kommen lässt. In der Regel werden Kontextualitäten aus dem Eigenen heraus thematisiert und als ein Akt des Pluralismus bezeichnet.
Treten jedoch neben vermeintliche Divergenzen auch erhellende Konvergenzen ins Blickfeld, so wird klar, dass ein konstruktiver und weiterführender Dialog erst dann beginnen kann, wenn Menschen die Sicht des Anderen nicht missachten, sondern bedingungslos dialogbereit sind. Denn, um bei unserem Beispiel der Rolle der Religion im Staat zu bleiben, die Grenzen zwischen Tradition und Moderne sind fließend.2
Ich habe das Thema Religion als Beispiel gewählt, weil die Fragen nach Werten und Normen, Toleranz und Intoleranz, Menschen- und Weltbildern sowie religiöser Selbst- und Fremdwahrnehmung in besonderer Weise hiervon abhängig zu sein scheinen. Je nach Kontext können diese Fragen unterschiedlich gestellt und beantwortet werden.
Die historisch gewachsenen Muster sind zu überführen in eine dialogische Pädagogik der Interkulturalität. Damit soll der gewandelten Verfassung kultureller Kontexte Rechnung getragen und diese konstruktiv gefördert werden. Hierbei ist es von Bedeutung, zu analysieren, wie sich Konzepte zur interkulturellen Kommunikation entwickelt haben.
Kommunikation zwischen Menschen, die sich mit verschiedenen Kulturen, Religionen und Traditionen identifizieren, ist ein Spezialfall von Dialogen unter besonderen Rahmenbedingungen und das Ergebnis einer höherstufigen Reflexion.