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Jürgen Habermas und der herrschaftsfreie Diskurs

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Zur Beschreibung der reziproken Funktionalität von Kommunikation entwickelt Habermas eine „Theorie des kommunikativen Handelns“.27 Im Rahmen des praktischen Handelns unterscheidet er zwischen einer strategischen und einer kommunikativen Handlungsform.

Das Kommunikationsmodell des strategischen Handelns ist eine bestimmte Form von erfolgsorientiertem Handeln. Es hat nur sein eigenes Ziel vor Augen. Solche Kommunikationsmodelle können wir in politischen Institutionen, Beziehungen und vielen gesellschaftlichen Strukturen beobachten. Die Duskursteilnehmenden sind bestrebt, die jeweils eigene Lebenswelt als einen Ort der Verständigung mit dem Anderen zu verfestigen.

Kommunikatives Handeln ist hingegen verständigungsorientiert. Es berücksichtigt umfassend viele Faktoren und deren gegenseitige Beeinflussung, die den interkulturellen Dialog als eine ethische Qualität implizieren und eine „theoretisch-praktische Haltung bestimmen“.28 Die Diskursteilnehmenden in diesem Rahmen verständigen sich, nach Habermas, stets im „Horizont zweier Lebenswelten“, nämlich der eigenen und der anderen, die sich an einem Ort, dies ist der Ort der Verständigung, begegnen.29

Um eine kommunikative Einstellung im Gespräch zu pflegen, müssen nach Habermas erstens alle Teilnehmer eines Diskurses die gleiche Chance haben, verschiedene Sprechakte in kommunikativer Absicht zu verwenden, so dass sie jederzeit Diskurse eröffnen sowie durch Rede und Gegenrede, Frage und Antwort den Diskurs offenhalten können. Zweitens müssen alle Diskursteilnehmer die gleiche Chance haben, Deutungen, Behauptungen, Empfehlungen, Erklärungen und Rechtfertigungen aufzustellen und deren Geltungsanspruch zu problematisieren, zu begründen oder zu widerlegen, so dass keine Vormeinung auf Dauer der Thematisierung und Kritik entzogen bleibt.

Habermas legt zwei weitere Diskursvoraussetzungen fest, die Haltungen ausschließen sollen, die einem kommunikativen Dialog willentlich oder unbewusst im Weg stehen. Im Kontext kommunikativen Handelns, das Verzerrungen und erzwungenen Konsensus ausschließen soll, sind zugelassen:

1. Menschen,

„die als Handelnde die gleiche Chance haben, repräsentative Sprechakte zu verwenden, d.h. ihre Einstellungen, Gefühle und Wünsche zum Ausdruck zu bringen. Denn nur das reziproke Zusammenstimmen individueller Äußerungen und das komplementäre Einpendeln von Nähe und Distanz in Handlungszusammenhängen bietet die Garantie dafür, dass die Handelnden als Diskursteilnehmer sich selbst gegenüber wahrhaftig sind und ihre innere Natur transparent machen.“30

2. Menschen,

„die als Handelnde die gleiche Chance haben, regulative Sprechakte zu verwenden, d.h. zu befehlen und sich zu widersetzen, zu erlauben und zu verbieten, Versprechen zu geben und abzunehmen, Rechenschaft abzulegen und zu verlangen usf. Denn nur die vollständige Reziprozität der Verhaltenserwartungen, die Privilegierungen im Sinne einseitig verpflichtender Handlungs- und Bewertungsnormen ausschließen, bieten die Gewähr dafür, dass die formale Gleichverteilung der Chancen, eine Rede zu eröffnen oder fortzusetzen, auch faktisch dazu benutzt werden kann, Realitätszwänge zu suspendieren und in den erfahrungsfreien und handlungsentlasteten Kommunikationsbereich des Diskurses überzutreten.“31

Habermas versteht unter Sprechakten die Grundeinheiten der menschlichen Rede, die er in drei universalen Typen unterteilt:

Merke:

Repräsentativa beziehen sich auf Einstellungen und Intentionen, wie Eingestehen, Wünschen oder Hoffen; der Maßstab der Geltung bei dieser Sprechaktform ist die Wahrhaftigkeit.

Konstativa beruhen auf der kognitiven Ebene, wie Berichten, Erklären oder Beschreiben; der Geltungsmaßstab hierbei ist die Wahrheit.

Regulativa sind auf soziale Normen und Intentionen, wie Befehlen, Warnen, Versprechen bezogen; hier ist der Geltungsmaßstab die Richtigkeit.

Die Forderung nach gleichen Chancen aller, repräsentative und regulative Sprechakte zu verwenden, erklärt sich dadurch, dass viele zwar meinen, einen Dialog zu führen, in Wirklichkeit aber unter Handlungszwängen verkappte Monologe führen, da sie nicht offen für die Ausführungen des Anderen sind oder im Kreis denken.

Interkulturelle Kommunikation

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