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Schulz von Thun und das „Vier-Ohren-Modell“

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Schulz von Thun stellt in seinem Kommunikationsquadrat, das auch als „Vier-Ohren-Modell“ bekannt geworden ist, vier Ebenen der Verständigung dar.32

Mit dem Beispiel eines Auto fahrenden Paares lassen sich in diesem Modell die Seiten des Miteinander-Redens verdeutlichen:

Merke:

Der Mann weist die am Steuer sitzende Frau darauf hin: „Du, da vorne ist rot!“, während die Frau antwortet: „Fährst du oder fahr’ ich?“

Die Ebene des Sachinhaltes klärt, was auf sachlicher Ebene gemeint ist (hier: Da ist eine Ampel, die rot ist).

Die Ebene der Selbstoffenbarung gibt Auskunft über den Sprecher, seine Bedürfnisse, Werte, Überzeugungen und Gefühle (etwa: Ich habe Angst, dass du diese Ampel übersiehst und uns in Gefahr bringst).

Die Appell-Ebene bringt zum Ausdruck, zu welcher Handlung der Sender den Empfänger bewegen will (hier: Bremse bitte!).

Die Beziehungsebene gibt an, wie der Sender zum Empfänger steht (etwa: Ich als dein Mann und besserer Autofahrer halte mich für befugt, dir solche Ratschläge zu erteilen).

Störungen ergeben sich hauptsächlich, wenn sachliche Aussagen auf Beziehungsebene verstanden werden (hier z.B. die Verärgerung der Frau über die vermeintliche Zurechtweisung des Mannes). Die theoretische und praktische Verschränkung der Theorie von Schulz von Thun lassen sich folgendermaßen visualisieren:


Der Weg zur interkulturellen Kommunikation nach diesem Muster, in dem sich die Horizonte des Senders und Empfängers überlappen, wird wesentlich von der Analyse der Vorverständnisse geleitet. Dieses Modell wurde von Richard Friedli (*1937) entwickelt.33 Diese dominiert alle genannten Ebenen, besonders jedoch die Beziehungsebene.

Eine Reihe von weiteren Studien aus den Gebieten der Geistes- und Sozialwissenschaften beschäftigen sich, in Deutschland seit den 1990er Jahren, mit der Integration und Thematik interkultureller Kommunikation, indem sie diese in allen ihren Formen untersuchen.

Auf dem Gebiet der Integrationsforschung ist Wilhelm Heitmeyer (*1945) zu nennen, der 1997 eine Reihe moderner Theorien formuliert, die Rechtsextremismus, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, ethnisch-kulturelle Konflikte und soziale Desintegration thematisieren.34 Weitere sozialpsychologische Richtungen befassen sich mit kognitiven Mechanismen, die entweder zu einem aggressiven und konfliktgeladenen oder eher zu einem konsens- oder verhandlungsorientierten Verhalten führen.

Zur Rolle des Vorurteils bei der Genese intoleranten Verhaltens im Rahmen der Integration und Kommunikation leisten Soziologen wichtige Beiträge. Ihre Forschungen sind Schritte zu einem besseren Verständnis von Funktionen, Erscheinungsformen, strukturellen Bedingungen und Störungen, von kognitiven Grundlagen sowie von der geistesgeschichtlichen Bedeutung und der normativen Basis der Integration. Sie beschreiben als solche einen dynamisch differenzierten Prozess des Zusammenfügens und Zusammenwachsens der Individuen innerhalb einer Gesellschaft.

Zu erwähnen ist das zweibändige „Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation“, das 2003 von Alexander Thomas (*1939) und Anderen herausgegeben worden ist. In einer Reihe von Beiträgen befassen sich Autoren mit theoretischen Grundlagen interkultureller Kommunikation und Kooperation sowie mit Praxisfeldern, Kulturunterschieden und interkulturellen Tätigkeitsfeldern. Das Werk vermittelt theoretisches und methodisches Wissen und stellt Hilfsmittel zur eigenständigen Problemanalyse und Problembearbeitung bereit.35

Mark Einig stellt 2005 eine Reihe von Theorien antirassistischer Erziehung kritisch vor und analysiert sie aus pädagogischer Sicht. Rassismus ist ein Phänomen, das wir überall in unterschiedlicher Form beobachten können. Rassismus hat einen dichotomisierenden Charakter und teilt Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Nationalität, Herkunft, Kultur oder Religion in höher- und minderwertige Gruppen ein.36 Einig setzt die Superiorität der eigenen Gruppe über die Anderen voraus. Ethnisierungen oder Kulturalisierungen sind ein Ausdruck dieser Denkweise.37 Das Bildungssystem hat es, Einig zufolge, bislang versäumt, auf die Herausforderungen von Rassismus sowie auf die durch Migration, Fremdheit und Abweichung bedingten Vorurteile angemessen zu reagieren. In der Demokratisierung der Institutionen sieht er eine Möglichkeit, Partizipation und selbstbestimmtes Lernen zu ermöglichen.38

Integration als eine Form interkultureller Verständigung hängt eng mit Bildung zusammen. Viele Bildungstheoretiker greifen im Zuge dieser weltkulturellen Umwälzung zu Recht auf die von Wilhelm von Humboldt (1767–1835) entwickelte „Theorie der Bildung des Menschen“ zurück. Humboldt weist vortrefflich darauf hin, dass wir auf die „Verschiedenheit der Köpfe und die Mannigfaltigkeit der Weisen“ Rücksicht nehmen sollten, „wie sich die Welt in verschiedenen Individuen spiegelt.“39 Humboldt verweist hier auf die innere Gestaltungskraft des Geistes. Individualität ist demnach ein Auftrag, der nur in der Auseinandersetzung des Einzelnen mit der Welt einlösbar ist.40

Humboldts Bildungstheorie ist nicht kulturspezifisch. Unter Bildung versteht er die Anregung aller Kräfte des Menschen auf dem Wege seiner selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit. Bildung bedeutet somit Förderung der Gesamtheit von Fähigkeiten und Eigenschaften des Menschen.41

Neuere Ansätze der Pädagogik befassen sich mit diesem Themenkomplex und gehen von unterschiedlichen bildungstheoretischen Annahmen aus, um Integration zu fördern. Zu erwähnen sind hier neben Auernheimer auch Eva Eirmbter-Stolbrink (*1947). Beide heben auf unterschiedlichen Wegen die Bedeutung der interkulturellen Kommunikation hervor.

Auernheimer geht 1990 von einem bildungstheoretischen Ansatz im Rahmen der Ausländerpolitik aus und beschreibt hierbei die Rolle des sozialen Lernens, des Umgangs mit Differenzen, der multiperspektivischen Bildung und antirassistischen Erziehung als Ziele interkultureller Pädagogik.42 Eirmbter-Stolbrink schlägt 2005 den Entwurf eines rationalpädagogischen Ansatzes der Interkulturalität zur Förderung interkultureller Kommunikation vor.43 Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang weiterhin Yasemin Karakaşoğlu (*1965) und Arnd-Michael Nohl (*1968). Während Karakaşoğlu sich mit interkultureller Pädagogik sowie Erziehung und Bildung in Migrationsprozessen befasst44, thematisiert Nohl eine Reihe von Theorien interkultureller Pädagogik.45

Interkulturelle Kommunikation

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