Читать книгу Matomora Matomora - Hanna Schott - Страница 7

KAPITEL 1 Ein Januartag

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Die Flughafentoilette war eng. Um sich hier umzuziehen, musste man wendig sein. Matomora war alles andere als dick, aber mit der Tasche vor dem Bauch konnte er sich kaum drehen. Zwei Paar lange Unterhosen waren darin und eine zusätzliche Stoffhose, eine besonders weite, die er gleich über beide Unterhosen streifen würde – und über die Hose, die er schon anhatte.

Er hängte die Tasche an die Türklinke und zog die Schuhe aus. Der Boden war warm. Noch einen kleinen Moment wollte er dieses Gefühl genießen, wenn schon nicht barfuß, dann wenigstens in Socken. Außerhalb des Flughafengebäudes, in Bengasi, waren es sicher dreißig Grad oder mehr. Auf unbestimmte Zeit war dies hier sein Abschied von der vertrauten Wärme. Bald würde er über dem Mittelmeer sein, und dann, in wenigen Stunden, würde sie ihm entgegenschlagen, die brutale Kälte, von der Frau Dr. Stein gesprochen hatte. Besser jetzt ein bisschen schwitzen, als gleich bei der Ankunft in Europa erfrieren.

Matomora nahm die leere Tasche und verließ die Zelle. Vierlagig gegen das feindliche Klima geschützt, ging er ein wenig breitbeiniger als zuvor auf das Gate zu. Mit seinen fast zwei Metern Körpergröße wirkte er von ferne wie ein junger schwarzer Seemann, der bereit war, allem zu trotzen, was ihm begegnen würde.

Dar es Salaam – Nairobi.

Nairobi – Entebbe.

Entebbe – Bengasi.

Bengasi – London.

London – Köln.

Wer 1966 von Tansania nach Deutschland reiste, war Tage und Nächte unterwegs, musste unzählige Male Pass und Visum vorzeigen, schlief auf dieser Bank eine Stunde und auf jener eine halbe. Und wenn er endlich am Ziel war, heilfroh und überglücklich, es trotz aller Hindernisse geschafft zu haben, dann hatte er eine Ahnung davon, wie unfassbar groß die Welt sein musste. Dass man dieselbe Welt schon wenige Jahrzehnte später als globales Dorf bezeichnen würde ... schlicht unvorstellbar.

Frau Dr. Stein hatte es gut gemeint, aber England lag auch in den sechziger Jahren schon am Golfstrom, und deshalb riss sich Matomora in einer Londoner Flughafentoilette endlich drei der vier Lagen wieder vom Leib. Bis hierhin hatte er es geschafft. Vielleicht war das mit der europäischen Kälte ja auch nur ein Märchen, mit dem man unerfahrenen Afrikanern Angst machen wollte.


6 000 Kilometer von zu Hause entfernt und voller Neugierde auf die fremde Welt – Matomora kurz nach seiner Ankunft in Deutschland

Vielleicht aber auch nicht. Es war Januar, und die beiden Männer, die Matomora am Kölner Flughafen hinter der Absperrung entgegenkamen, waren tatsächlich frostsicher vermummt. Den einen hatte er erwartet, aber Matomora musste ein paar Mal hinschauen, bis er ihn unter dem Hut und hinter dem Schal erkannte: Madevu – der Bärtige. So hatten sie ihn jedenfalls in Tansania genannt.

»Karibu, mein Junge! – Willkommen!«

Ja, das war er. Seine Stimme, ganz wie in Tunduru. Matomora umarmte den Mantel, in dem der Freund stecken musste.

»Herzlich willkommen in Deutschland. Ich bin Lehrer in Wiedenest. Bei mir werden Sie Deutschunterricht haben.«

Der zweite Vermummte gab ihm eine kalte Hand, von der er zuvor eine dunkle Haut abgezogen hatte.

Vielleicht war es dieses Gefühl, das Frau Dr. Stein meinte?


Erstaunlich, wie klein und wenig stabil die deutschen Autos sind. In Afrika käme man mit ihnen nicht weit

In einem Auto, das viel kleiner war als alle Autos, die Matomora je gesehen hatte, ging es durch eine vollkommen weiße Welt. Hinaus aus Köln, immer tiefer hinein ins Bergische Land. Was unter dem Weiß steckte? Schwer zu sagen. Fremde Häuser, fremde Bäume, natürlich, auch wenn man ihre Form und Farbe kaum ahnen konnte. Kein Mensch am Straßenrand, nur Blechschilder, die eine Schneemütze trugen.

»Da sind wir«, klang es aus dem Mantelkragen hinter dem Steuer. Das Auto stand. »Hier ist jetzt dein Zuhause.«

Matomora Matomora

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