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1. Ein Maulwurf im System

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4. Dezember, 12:32, Berlin

„Und du hast es ihm echt nicht gesagt?“, fragte Luana fassungslos. „Ich bin mir ja noch gar nicht richtig sicher!“, protestierte Zora. Sie waren am Kaffeeautomaten.

„Aber – ich meine – es kam ihm gar nicht seltsam vor, dass du dich heute Morgen gleich nach dem Aufstehen übergeben musstest?“, erwiderte Luana vorwurfsvoll. „Das hat doch gar nichts zu heißen! Ich könnte mir ja auch einen Virus eingefangen haben! Das Essen, was die uns in diesem einen Lokal in Thailand vor zwei Wochen vorgesetzt haben, war jedenfalls nicht besonders gut für meinen Magen. Ich habe auch gehört, die sollen den Laden dicht gemacht haben!“, behauptete Zora. Luana schüttelte den Kopf, während sie darauf wartete, dass ihr Kaffee fertig wurde.

„Ich meine ja nur – du solltest ihm sagen, dass du den Verdacht hast, dass du schwanger bist“, meinte sie. „Ja, ich weiß“, erklärte Zora verzweifelt, als sie sich zu Egon und Wilibald an ihren Tisch in der Cafeteria setzten, „aber er wird sich bestimmt nicht darüber freuen.“ „Das kann man doch nie wissen! Vielleicht freut er sich ja!“, erwiderte Luana.

„Worüber redet ihr?“, wollten Egon und Willi fast gleichzeitig wissen. „Über meine Beziehung“, antwortete Zora knapp. „Oho. Apropos, Luana, warst du schon erfolgreich?“, fragte Egon, nur dezent spöttisch.

Luana warf ihm einen genervten Blick zu. „Nein, das war ein echter Idiot gestern Abend. Ich hatte so ein Gefühl, er hätte vielleicht ein paar kriminelle Kontakte, also habe ich ihn durch den Computer laufen lassen“, erzählte Luana und trank einen Schluck. „Und?“, fragte Zora neugierig. Luana nickte. „Internationaler Waffenhandel. Warum muss ich immer an solche Typen geraten?“, fragte sie verzweifelt.

13:05, Berlin, drei Etagen höher

„So, dann wären wir wohl vollständig. Rode, schließen Sie bitte die Tür. Das, was ich Ihnen zu sagen habe, darf diesen Raum nicht verlassen. Nicht vor morgen“, erklärte Vincents direkter Vorgesetzter, Yannick Tischler.

„Was gibt es denn so dringendes?“, fragte Vincent. „Uns wurde – vor ein paar Tagen – ein anonymer Hinweis gegeben, dass wir einen Maulwurf im System haben. Leider war der Verfasser des Schreibens – Schneider, zeigen Sie uns bitte kurz das Foto davon?“, bat Tischler ihren Technikexperten. Sofort wurde ein Foto des Zettels mit dem Hinweis an die Wand projiziert.

„Dieses Schreiben wurde unserem Direktor vor etwa zwei Tagen auf den Schreibtisch gelegt. Niemand weiß, wer es dort hingelegt hat. Es war plötzlich einfach da. Es wird vermutet, dass sich der Maulwurf hier bei uns befindet. Wie auf dem Zettel vermerkt ist: „Sie haben einen Maulwurf unter Ihnen. Berlin. Jeder könnte es sein.“

Wir vermuten, dass der Zettel von jemandem aus den Reihen derer stammt, für die der Maulwurf arbeitet. Vielleicht ist er jemandem auf den Schwanz getreten – um es mal bildlich auszudrücken.

Nun ja. Ich kann mir natürlich nicht einmal sicher sein, dass nicht einer von Ihnen für diese Terrororganisation arbeitet. Und Sie könnten freilich auch mich verdächtigen. Wir müssen jetzt einfach mal darauf vertrauen, dass dem nicht so ist. Wie auf dem Zettel steht – es könnte jeder sein.“

19:27, Haus der Jedermanns

Als Vincent heute nach Hause kam, war er bereits sichtlich angespannt.

„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Zora schließlich besorgt, als sie beim Abwasch waren, und schlang ihre Arme um ihn. Sie hatten schweigend gegessen „Ja, schon. Nein, eigentlich nicht“, antwortete er und stellte das Weinglas, das er gerade poliert hatte, beiseite. „Was ist denn passiert? Irgendetwas auf der Arbeit? Wurdest du gefeuert? Hat jemand dich geärgert? Erzähl mir doch endlich mal, was los ist!“, bat sie ihn verzweifelt und ließ ihn los.

„Es – ist – wegen der Arbeit, das stimmt. Aber ich darf dir nicht erzählen, was los ist!“, erklärte er seufzend und schaute aus dem Küchenfenster.

„Ich weiß doch nicht einmal, wo du arbeitest, wie könnte ich da etwas weitererzählen!“, erwiderte Zora leicht genervt. Vincent überlegte. „Du weißt es wirklich nicht, oder?“, fragte er misstrauisch. „Nein, ich weiß es nicht! Ich weiß nur, dass du mal gesagt hast, es habe etwas mit Medien zu tun. Keine Ahnung, was du so den ganzen Tag lang machst!“, erklärte sie, langsam wütend werdend.

„Nun gut“, sagte er schließlich, „es ist so – unser Chef hat uns heute Mittag erzählt, dass wir einen Maulwurf in der Firma haben. Und das beschäftigt einen halt.“ „Einen Maulwurf? Ich höre wohl nicht recht! So etwas sagt man doch sonst nur bei – Geheimdiensten und dergleichen!“, meinte Zora nachdenklich.

Vincent seufzte. „Ich – arbeite – gewissermaßen – bei – einer Sicherheitsfirma“, erklärte er nachdenklich. „Kenn ich die?“, wollte Zora sofort wissen. Das Ganze wurde ihr langsam fast schon unheimlich.

„Nein – ja, sie ist eigentlich sehr bekannt, aber wir dürfen nicht sagen, dass wir bei ihr arbeiten“, erklärte er sehr umständlich. „Aha“, machte Zora nur und musterte ihn misstrauisch. Vincent seufzte.

Dann überlegte er kurz und fragte dann: „Wo arbeitest du eigentlich? Das hast du mir schließlich auch nie erzählt!“ „Öhm – ich?“, sagte Zora überrascht.

Sie dachte scharf und fieberhaft nach. Was sollte sie sagen? Sie durfte ja nicht! Also meinte auch sie: „Nun – auch bei einer Sicherheitsfirma. Genau dieselben Bestimmungen wie deine. Schon seltsam, es ist fast, als arbeiteten wir im selben Verein! Nur, dass es bei uns meines Wissens nach keinen Maulwurf gibt.“ Vincent nickte nachdenklich.

„Ja, schon möglich. Es wird langsam spät, wir müssen morgen ja wieder früh aufstehen. Ich bin müde. Du nicht? Lass uns schlafen gehen“, meinte er schließlich gähnend und ging Richtung Bad.

Zora nickte und schaute noch mal kurz raus. Dann ließ sie die Rollläden runter. Das wurde ihr langsam echt unheimlich.

5.Dezember, 10:13, Berlin

„Und dein Mann glaubt echt, sie haben einen Maulwurf in der Firma?“, fragte Luana fasziniert, als sie am Kaffeeautomaten standen, um sich Nachschub zu holen. Sie waren noch immer nicht mit den Berichten von ihrem Einsatz von vor zwei Tagen fertig. Und Zora wusste noch immer nicht, wie sie die Tröte erklären sollte, die sie mitgenommen hatte.

„Ja, Mann! Stell dir mal vor, das würde bei uns passieren! Das wäre ja eine Katastrophe!“, meinte Zora kopfschüttelnd. „Ja, das wäre es“, stimmte Luana ihr zu.

„Vor allem – das Schlimme ist ja, dass sie nicht wissen, wer es ist! Es könnte ja praktisch jeder sein! Sogar er selbst! Aber mein Mann ein Maulwurf? Nein, das halte ich nicht für wahrscheinlich“, behauptete Zora. Luana nickte.

„Nach allem, was du so von ihm erzählst, halte ich das auch für unwahrscheinlich. Du könntest ihm ja deine Hilfe anbieten – ich meine ja nur – die Mittel dazu hätten wir ja schließlich“, schlug sie vor. „Ja, das schon, Aber er weiß ja nicht, dass ich hier arbeite“, erwiderte Zora betrübt. „Stimmt ja. Wir sollten das ja lieber niemandem erzählen“, sagte Luana mit einer leichten Ironie.

Zora seufzte. „Weshalb hat Tischler uns noch einmal um 11 in den großen Saal berufen?“, wollte sie dann auf dem Rückweg ins Büro wissen. „Wegen irgend so einer überwichtigen Sache. Kann wohl nicht bis morgen warten, das Problem. Hoffentlich haben wir keinen Maulwurf im System! Stimmt, die Vorstellung wäre schrecklich!“, meinte Luana.

11:02

„Wir haben Sie also heute Morgen alle hier zusammengerufen, um Ihnen eine schreckliche Neuigkeit mitzuteilen – wir haben Grund zur Annahme, dass wir einen Maulwurf im System haben.

Es könnte absolut jeder sein. Allerdings haben wir bereits einen konkreten Verdacht, den wir Ihnen aber leider – aufgrund von mangelndem Vertrauen – nicht mitteilen können.

Es könnte ja schließlich sein, dass wir dadurch den Schuldigen vorwarnen oder ihn aufatmen lassen. Wir verlangen von Ihnen, sehr geehrte Kollegen, vollstes Verständnis und Vertrauen darauf, dass wir den Maulwurf, der sich doch so sicher in unser System eingenistet hat, finden werden.

Hierbei sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass die Kollegen aus Mainz uns bei den Ermittlungen unterstützen werden. Vielen Dank!“, begann Yannick Tischler, einer von Zoras Vorgesetzten, die Lage zu erklären.

11:45

„Und? Was meinst du, wer ist es?“, fragte Luana neugierig, als sie wieder auf ihren Schreibtischstühlen im Büro saßen. Zora schaute sie erschrocken an. „Keine Ahnung! Ich hoffe aber doch sehr, dass es niemand von uns ist!“, erklärte sie beängstigt. Luana stand auf und lief ein paar Kreise.

„Also ich glaube ja, dass es Olliver aus der Versandabteilung ist. Der verhält sich momentan nämlich echt seltsam. So übertrieben vorsichtig“, meinte sie nachdenklich und setzte sich auf Zoras Schreibtisch.

„Das liegt daran, dass seine Frau ein Kind erwartet – zum ersten Mal – und er sich Sorgen um alles macht, was dem Kind später mal schaden könnte – auch, wenn es mit manchen Gegenständen wohl niemals in Berührung kommen wird... Erst recht nicht in dem Alter“, erwiderte Zora und wandte sich ihren Berichten zu.

„Hey Leute“, sagte Egon gerade und streckte seinen Kopf ins Büro rein, als Luana Zora ermahnte: „Aber bedenke doch! Es könnte jeder sein!“ „Ja, sogar Egon!“, meinte Zora grinsend mit einem Nicken in seine Richtung. „Ja, oder Willi“, erwiderte Egon lachend und zeigte auf Willi, der mit ihm zusammen das Büro betrat.

„Es könnte aber auch Luana sein – oder Zora...“, meinte Willi überlegend und musterte Zora, während er sich an seinen Schreibtisch setzte.

„Was? Was ist?“, fragte sie, als sie bemerkte, dass sein Blick nach zehn Sekunden noch immer auf ihr ruhte. „Ja, gell, es könnte auch Zora sein“, meinte nun auch Egon und stellte sich mit verschränkten Armen vor sie hin.

„Ey, kommt schon, Leute! Ihr wisst doch, dass ich es nicht bin!“, behauptete Zora. „Nun, wir hoffen es zumindest. Aber – hat Tischler nicht kurz in deine Richtung geblickt, als er meinte, sie hätten einen konkreten Verdacht?“, warf Egon ein und schaute sie scharf an. Auch Luana stand nun leicht nervös von Zoras Schreibtisch auf.

„Ach, kommt schon! Ich habe gehustet, das hat doch nichts zu bedeuten!“, sagte Zora, als sei das Unsinn. „Und wenn doch? Überleg doch mal – was, wenn du den Befehl von vor drei Tagen doch absichtlich falsch ausführen wolltest? Was, wenn du nur richtig gehandelt hattest, damit es uns nicht auffällt?“, kombinierte Egon.

„Ach, Egon! Lass doch den Unsinn! Leute, was ist denn mit eurem Vertrauen los? Ihr wisst doch, dass ich so etwas niemals tun könnte!“, protestierte Zora.

„Ja, schon. Aber wie kommt es dann, dass du vor uns allen wusstest, dass wir einen Maulwurf im System haben?“, erwiderte Luana misstrauisch.

„Was?! Aber – aber – das wusste ich doch gar nicht!“, protestierte Zora erneut.

„Hm. Das schon. Aber du hast darüber so gesprochen, als wäre es bei uns wohl auch schon zu spät. Und, als du sagtest, du könntest es dir bei deinem Mann nicht vorstellen, dass er so etwas tut, klang es doch sehr danach, als würdest du dich damit auskennen!“, erklärte Luana.

„Das ist doch Blödsinn! Leute, was ist denn los mit euch? Ich bin es nicht! Oh, warum glaubt ihr mir denn nicht?“, fragte Zora verzweifelt.

„Weil du einfach der perfekte Maulwurf wärst. Nicht hoch genug eingesetzt, damit es auffällt, nicht zu niedrigen Ranges, damit du unnütz bist. Du wärst echt der perfekte Maulwurf! Und – du kennst dich bestens mit Computern aus!“, behauptete Willi und stellte sich zu den anderen.

„Aha. Aber doch nur, weil ich Informatik studiert habe! Außerdem habe ich das Meiste doch eh wieder vergessen! Mal davon abgesehen – würden wir uns alle überhaupt nicht mit Computern auskennen – dann wären wir gar nicht erst eingestellt worden! Habt ihr das mit in eure Überlegungen einbezogen?“, warf Zora ein.

Ihr Team beobachtete sie nur misstrauisch. Sie seufzte. Dann kam ihr eine Art Erleuchtung.

„Moment mal! Ihr hofft doch, dass ich es bin! Ich meine, ihr hofft darauf, dass Tischler denkt, dass ich es bin, oder? So ist es doch, nicht wahr? Ja, natürlich doch!“, sagte sie triumphierend, „Weil ihr in Wirklichkeit die Maulwürfe seid! Natürlich seid ihr es alle zusammen! Ein Maulwurf kommt doch selten allein! Ja, klar, wieso ist mir das nicht schon früher aufgefallen?

Denkt ihr denn nicht, es würde mich verwundern, wenn ihr hinter meinem Rücken über mich tuschelt und sofort aufhört zu lachen, wenn ich dazu trete? Denkt ihr ernsthaft, mir wäre euer wandelndes Verhalten in den letzten Tagen mir gegenüber nicht aufgefallen?

Ha! Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, es würde mich nicht stutzig machen, dass ihr nicht mehr wolltet, dass ich so viele Einsätze übernehme?“

„Das war, weil wir geahnt haben, dass du schwanger bist!“, verteidigte Willi ihr Verhalten.

„Was? Woher wollt ihr denn bitteschön wissen, dass ich schwanger bin?“, zickte Zora ihre Kollegen an. „Nun – genau daran. Du bist in letzter Zeit ziemlich zickig und außerdem ist dir ständig übel und du quatschst die gesamte Zeit nur von Kindern und streichelst dir unbewusst über den Bauch – nun, und Willi meinte, bei seiner Frau war das haargenau so, als sie mit dem ersten Kind schwanger war. Und mit dem zweiten. Und dem dritten.

Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Wir wollten halt, dass du dich schonst. Aber jetzt, wo wir wissen, dass dieses Verhalten vermutlich daher kommt, dass du mit dieser Terrororganisation zusammenarbeitest...“, erklärte Luana.

„Ich arbeite nicht mit denen zusammen! Schönen Tag noch!“, schrie Zora wütend und rannte aus dem Büro hinaus.

Sie konnte es einfach nicht fassen. Wieso waren ihre Kollegen so besessen davon, dass ausgerechnet sie der Maulwurf war?

Verzweifelt sperrte sie sich auf der Toilette ein – wobei sie sich gleich schon wieder übergeben musste – und heulte sich erst einmal aus.

Dann kehrte sie zu ihrem Schreibtisch zurück. Die Stimmung hatte sich derweil etwas beruhigt, aber niemand sprach mehr ein Wort mit den anderen, aus Angst, selbst als Maulwurf dargestellt zu werden, oder, dass einer der anderen sich doch als Maulwurf entpuppte.

Ein Maulwurf im System

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