Читать книгу Ein Maulwurf im System - Hannah Opitz - Страница 5

2. Das Verhör

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18:37, Haus der Jedermanns

„Hallo Liebling, wie war dein Tag?“, fragte Vincent, als er nach Hause kam und küsste Zora, die gerade dabei war, den Eintopf noch einmal umzurühren, in den Nacken. Sie drehte sich um und umarmte ihn weinend.

„Alles in Ordnung? Was ist denn passiert? Schatz, warum bist du denn so aufgelöst?“, fragte Vincent besorgt und wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht.

„Ach, Vincent! Es ist ja so schrecklich! Wie sich herausgestellt hat, gibt es nicht nur in deiner Firma einen Maulwurf, sondern auch in meiner! Und – Luana, Egon und Wilibald glauben, dass ich das bin!“, schluchzte sie und fiel ihm erneut in die Arme. Er hielt sie fest und lehnte seinen Kopf an ihren.

„Wie kommen die denn auf die Idee? Du ein Maulwurf? Ich dachte, ihr wärt so gute Freunde?“, fragte er verwirrt und küsste sie auf die Stirn.

Sie weinte und zitterte. „Ja, das dachte ich auch. Aber scheinbar ist unsere Freundschaft nicht stark genug, dass sie diesem Verdacht standhält. Ich glaube, ich bitte unseren Chef um eine Versetzung“, meinte sie verbittert und kuschelte sich an ihren Mann ran.

„Versetzung? Wohin denn?“, fragte ihr Mann irritiert. „Ähm... Mainz?“, meinte Zora leicht irritiert. „Naja, ist eigentlich auch ein wenig näher als Frankfurt... Aber – wieso habt ihr eine Zweigstelle in Mainz und in Frankfurt?“, hakte er irritiert und misstrauisch geworden nach.

„Ähm... Tja, weißt du, das ist so eine Sache... Weißt du, eigentlich – eigentlich arbeite ich gar nicht in Frankfurt, sondern...“, Zora überlegte und starrte die Gürtelschnalle ihres Mannes an. „Sondern wo?“, hakte er misstrauisch nach. „In – in Berlin“, erklärte sie letztlich seufzend.

„Berlin? Wie kommst du denn da jeden Tag so einfach hin?“, wollte er irritiert wissen. „Nun – ich fahre mit dem Auto nach Frankfurt zum Flughafen und fliege dann nach Berlin. So lange dauert das nicht, mit dem Flieger etwas mehr als eine Stunde“, meinte sie achselzuckend.

Er überlegte. „Tja, weißt du... die Sache ist so... ich arbeite nämlich auch in Wirklichkeit in Berlin. Allerdings habe ich bereits vor Wochen eine Versetzung nach Mainz gefordert... Echt ein seltsamer Zufall, meinst du nicht?“, stellte er nachdenklich fest und musterte seine Frau.

„Mh, ja, kann sein“, meinte sie und kuschelte sich wieder mit geschlossenen Augen an ihn ran.

So standen sie erst einmal eine Weile da, während ihm nur eine einzige Frage durch den Kopf ging: Arbeitete seine Frau etwa auch für denselben Nachrichtendienst wie er? Möglich war es schon – aber – Zora beim BND? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen.

Und doch – es war immerhin möglich, dass sie damals, als sie sich kennengelernt hatten, Teil des Einsatzes war, den er geleitet hatte. Er hatte sowieso viel zu wenig Kontakt mit den „normalen“ Agenten. Außer Olpe kannte er niemanden persönlich, und den würde er mit nach Mainz nehmen.

18:43, vor dem Haus

„Einsatzzentrale hier. Sind alle Einsatzkräfte bereit?“ „Team 1 bereit.“ „Team 2 hier, haben keine freie Sicht auf Verdächtige, Team 3, was geht vor?“ „Weiß nicht, Verdächtige spricht mit Mann, umarmen sich.“ „OK, danke Team 3. Team 2 bereit.“ „Team 3 bereit.“ „Zugriff!“

Mit einem Mal stürmten lauter schwarz maskierte Männer ins Haus. Die Fensterscheiben wurden eingeschlagen und die Türen eingetreten. Der Eintopf fiel vom Herd, als ein paar der Männer des Einsatzteams durch das Küchenfenster hineinstürmten. Zora bekam vor Schreck keinen Ton heraus und Vincent wusste nicht, wie ihnen geschah, so schnell wurden sie von Männern umzingelt, die allesamt ihre Maschinengewehre auf sie richteten.

„OK, keine Bewegung! Hände hoch! Da, wo ich sie sehen kann!“, schrie einer der schwarz vermummten Männer, die soeben das Haus der Jedermanns gestürmt hatten.

„Herrje, Tischler denkt, ich sei der Maulwurf!“, war das Erste, was Vincent durch den Kopf ging, als er dem Befehl gehorchte. Auch Zora war vor Schreck ganz blass.

„Herr Jedermann, gehen Sie bitte aus der Schusslinie!“, wurde er aber sogleich aufgefordert. Irritiert gehorchte er. Also hatte ihn sein Gefühl doch nicht getäuscht.

Zora schaute ihn verwirrt an, während sie ihre Hände hoch über ihrem Kopf hielt. „Zora Jedermann, Sie sind aufgrund des Verdachtes auf Spionage in den eigenen Reihen festgenommen. Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Sie haben das Recht zu schweigen“ „Ja, ja, ich weiß doch schon!“, unterbrach sie ihn matt.

Vincent schluckte. Das konnte doch nicht wahr sein! Die verhafteten da doch nicht gerade wirklich seine Frau?

„Alles was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden!“, erklärte er ihre Rechte aber dennoch bis zum Schluss, bevor er sie in Handschellen legte.

19:40, Mainz

„Sie haben mich ja ganz schön warten lassen!“, beschwerte Zora sich, als der Mann, der das Verhör führen sollte, den Raum betrat. Es war ein finsterer Raum. Keine Fenster. Nur eine große, verdunkelte Glasscheibe, die sie vermutlich von einem Nebenraum trennte, wo Personen, die das Verhör interessieren könnte, es mit verfolgen konnten.

Zora war sich relativ sicher, dass Vincent jetzt wahrscheinlich da drinnen stand und sie durch diese dunkle Scheibe beobachtete. Was würde er nur von ihr denken?

Ansonsten war der Raum recht dunkel. Die Wände waren zweifarbig: unten schwarz und oben dunkelblau. Von der Decke hing eine Lampe mit bläulichem LED-Licht, wobei sie leicht flackerte. Die Lampe hing direkt über dem Tisch, an dem Zora in Handschellen saß.

Der Mann, der soeben den Raum betreten hatte, setzte sich ihr gegenüber hin. Zu Zoras Rechten befand sich die Tür, wobei rechts neben der Tür ein weiterer Stuhl stand, auf dem eine Art Wachmann saß.

Zora blickte auf. Doch ihr Blick hing nur kurz an dem sich setzendem Mann. Dann glitt er direkt wieder zu dieser schwarzen Scheibe hinter dem Mann.

War Vincent wirklich gerade dahinter? Konnte er hören, worüber sie sprechen würden? Herrje, dann würde er wohl ziemlich bald herausfinden, für wen sie arbeitete!

„OK, gut“, sagte der Verhörende und schaltete sein Aufnahmegerät an, Zora blickte nervös in eine der beiden Kameras, die je rechts und links oben über diesem dunklen Glas hingen, „Verhör-Start: 19:41. Anwesend: Sonderermittler Gordon Anders“ „Zora Jedermann“, sagte Zora, nachdem er sie herausfordernd ansah. „Ähem. Ich geh dann mal“, meldete sich der Wachmann. Anders nickte.

„So, Frau Jedermann, dann erzählen Sie mal“, meinte er, nachdem der Wachmann nach draußen gegangen war. Zora seufzte. „Was wollen Sie denn wissen?“, hakte sie nach.

Er sah sie erstaunt an. „Nun – zunächst einmal, an wen Sie die Daten, die Sie geklaut haben, verkauft haben!“, erklärte er geradeheraus.

„An niemanden!“, erwiderte sie, leicht wütend. „Aha. Sie haben die Daten also noch. Wo?“, wollte er wissen. „Was? Nein, ich habe keine Daten geklaut! Deswegen habe ich sie auch nicht verkauft!“, erwiderte Zora entsetzt.

„Aha. Wer sind Ihre Interessenten?“, ließ er nicht locker. Zora ließ sich in ihrem doch recht unbequemen Stuhl zurück fallen. „Ich habe keine Interessenten“, sagte sie matt.

„Hm. Und an wen wollten Sie die Daten dann verkaufen? An die Terrororganisation, die Ihre Abteilung derzeit ausspioniert?“, hakte er nach. Zora schaute ihn ausdruckslos an. „Nein. Ich habe keine Daten geklaut!“, sagte sie erneut, dieses Mal etwas heftiger.

„Glauben Sie ihr?“, fragte Tischler, der mit Vincent zusammen hinter der Glasscheibe stand. „Ich weiß nicht recht. Natürlich – mein Herz sagt mir ganz klar, dass sie es nicht war. Aber scheinbar – es spricht alles gegen sie. Allein die Tatsache, dass Daten auf ihrem Computer gefunden wurden, die da eigentlich nicht hingehören. Daten von meinem PC“, meinte Vincent etwas betrübt.

Tischler nickte. „Aber es ist nun einmal so, wie es ist. Sie ist geradezu die perfekte Täterin. Sie ist nicht zu stark in das Verwaltungssystem involviert und auch nicht zu schwach. Eigentlich wäre es uns gar nicht aufgefallen – wäre da nicht dieser eine Vorfall von vor ein paar Tagen gewesen...“, erklärte Tischler.

„Was für ein Vorfall?“, hakte Vincent nach. „Sie hat meinen Befehl nicht ausführen wollen. Ich habe klar und deutlich die Anweisung gegeben, Wanzen überall im Hauptquartier der Terrororganisation zu installieren – und was macht sie? Sie wollte sie alle festnehmen! Mit einer Tröte verscheuchen! Oh, Mann! Wären ihre Kollegen nicht dazwischen gegangen, dann wäre das ein schönes Schlamassel geworden! Aber hallo! Naja, aber so ist ja glücklicherweise nichts passiert“, erzählte Tischler nachdenklich.

Vincent lachte leicht. „Tja, so ist Zora halt“, meinte er leise und schaute weiter dem Verhör zu.

„Sie geben also nicht zu, Daten von Vincent Jedermanns PC auf Ihren eigenen Computer kopiert zu haben?“, fragte Anders Zora. „Was? Was hat denn jetzt schon wieder mein Mann damit zu tun?“, wollte Zora verwirrt wissen.

„Wir stellen hier die Fragen! Haben Sie Daten von dem PC Ihres Mannes gestohlen oder nicht?“, wollte Anders wissen. „Ich – weiß ehrlich nicht, wovon Sie reden!“, erklärte Zora offen.

„Soso. Sie wollen also behaupten, dass es ein Zufall war, dass Sie sich damals, bei Ihrem Einsatz in Spanien, an den Einsatzermittler rangemacht haben, ohne ihn davon zu unterrichten, dass Sie zum Einsatz gehören?“, hakte Anders nach. „Was? Das soll wohl ein Scherz sein!“, vermutete Zora und lachte unsicher.

Doch dann, als sie bemerkte, dass Gordon Anders keine Miene verzog, blieb ihr das Lachen im Hals stecken. „Sie – sie wollen damit doch nicht etwa ernsthaft andeuten, dass mein Mann – Vincent – ebenfalls für den BND arbeitet?“, fragte sie leise, sich nach vorne beugend.

Nun war Anders es, der lachte. „Als ob Sie das nicht schon selbst wüssten!“, behauptete er, „Vermutlich haben Sie bereits damals für die Terroristen gearbeitet und haben sich, in der Hoffnung der baldigen Beförderung Ihres Mannes, an ihn rangemacht!“

„Was? Das ist doch lächerlich! Überhaupt – woher wollen Sie so sicher wissen, dass ich der Maulwurf bin – das – das glauben Sie doch, oder? Das ist es doch, was Sie mir hier vorwerfen, oder?“, fragte sie verunsichert.

„Ja, genau das. Die Beweise sprechen alle eindeutig dafür“, erklärte Anders. „Was denn für Beweise? Ich dachte, es handle sich hier nur um eine grundlose Anschuldigung, weil Tischler mich loswerden will! Und das alles nur, weil ich ein einziges Mal nicht richtig zugehört habe!“, meinte Zora verzweifelt. Sie war den Tränen nah.

„Nun, es gibt genügend Beweise. Auf Ihrem PC zum Beispiel haben wir die bereits erwähnten Daten gefunden. Sie wurden eindeutig von Ihrem PC aus runtergeladen. Wie erklären Sie sich das?“, wollte er herausfordernd wissen. Zora stöhnte auf. „Ich habe nicht die geringste Ahnung!“, erklärte sie und schaute ihn erschöpft an.

„Hm. Aber ich. Als Vincent Jedermanns Frau war es sicherlich ein Leichtes für Sie, an sein Passwort zu kommen. Dann mussten Sie nur noch, während Ihre Kollegen nichtsahnend an ihren eigenen Berichten arbeiteten, sich als Ihr Mann einloggen und die Daten, die Sie benötigt haben, an sich selbst schicken“, erklärte er.

Zora schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht erinnern, das je getan zu haben“, erklärte sie, „Wann soll das überhaupt gewesen sein? Ich meine – das können Sie mir doch sicher auch noch sagen, oder?“

Anders nickte. „Ja, das kann ich in der Tat“, erklärte er grinsend. Zora schluckte. „Das war am 2. Dezember um genau 14:35. Wir konnten die Zeit Ihrem Rechner entnehmen, der hat sich das nämlich gemerkt. Hm, seltsam, Sie als Spezialistin sollten das doch eigentlich wissen“, meinte er grinsend.

Zora stöhnte auf. „Aber das ist unmöglich!“, beteuerte sie, „Ich war doch die gesamte Zeit an dem Tag am PC! Niemand war da, der das hätte tun können! Bitte, Sie müssen mir glauben, da will mir jemand etwas anhängen!“

Anders lachte. „Das behaupten sie alle. Ich hätte nur nicht gedacht, dass Sie so hart zu knacken sind, Frau Jedermann!“, meinte er anerkennend. Dann, nach einer kurzen Pause, in der er auf die Unterlagen vor sich blickte, fügte er noch hinzu: „Ich denke, wir sind für heute fertig!“

Zora atmete auf. Diese ständigen Vorwürfe machten sie nach und nach echt krank! Sie fasste sich an den Bauch und spürte eine leichte Übelkeit aufsteigen, während Anders den Wachmann holte, der sie zu ihrer Zelle bringen sollte. Auf dem Weg dahin übergab sie sich.

„Und? Noch immer von ihrer Unschuld überzeugt?“, wollte Tischler, fast schon triumphierend, wissen. Vincent überlegte. „Mein Kopf sagt ja, sie muss es doch gewesen sein, mein Bauch sagt mir nein, sie würde so etwas niemals tun!“, erklärte er missmutig.

Tischler überlegte. „Hm, naja. Wissen Sie was, Jedermann? Legen Sie sich jetzt erst einmal etwas hin, morgen sehen wir weiter. Und, wenn Sie möchten, nun, also ich habe nichts dagegen, wenn Sie morgen nicht auf der Arbeit erscheinen“, meinte er schließlich.

Vincent schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, ich denke, ich kann jetzt nicht mehr schlafen. Das Beste wird wohl sein, ich fliege sofort nach Berlin. Ich kann ja in meinem Büro in der Zentrale übernachten. Wäre ja nicht das erste Mal. Ich werde Olpe anrufen, er soll mich abholen. Mir ist irgendwie übel“, erklärte er, leicht verstört.

„Nun, Sie müssen wissen, was für Sie das Beste ist“, erwiderte Tischler achselzuckend und ließ ihn gehen.

Draußen, auf dem Gang, hielt Vincent noch einmal kurz inne und überlegte. Aber – wie er es auch drehte und wendete – Zora schien der Maulwurf zu sein. Vielleicht lag es aber auch nur an der späten Uhrzeit. Er rief Olpe an. Dann ging er noch einmal zu Tischler zurück. „Wie sieht es eigentlich mit meiner Versetzung aus?“, wollte er noch wissen. „Im Mai, Jedermann, im Mai“, erwiderte Tischler abwinkend. Vincent nickte.

20:31, auf dem Weg nach Berlin

„Chef, warum haben Sie mich denn mitten in der Nacht bestellt?“, wollte Olpe, da waren sie schon längst an Frankfurt vorbei, schließlich doch wissen. „Ach, Olpe! Es ist schrecklich! Sie haben meine Frau verhaftet!“, erklärte Vincent verzweifelt.

„Ihre Frau? Aber Chef, wieso denn das?“, wollte Olpe wissen. „Sie denken, sie sei der Maulwurf“, erklärte Vincent betrübt. „Aber Chef – das ist sie doch nicht! – Oder?“, wollte Olpe wissen. Vincent seufzte und starrte aus dem Fenster raus. „Chef?“, fragte Olpe.

„Es – die Fakten – sie sagen deutlich aus, dass Zora es war!“, erklärte er stockend. „Ja – aber was sagt Ihr Bauchgefühl? Seit ich Sie kenne, hat Sie das doch noch nie belogen, oder Chef?“, erwiderte Olpe aufmunternd. Vincent stöhnte. „Ach, Olpe!“, meinte er dann, „Irgendwann ist immer das erste Mal.“ Olpe nickte.

„Aber nicht bei Ihnen“, meinte er dann noch leise. „Hm? Was?“, fragte Vincent. „Schlafen Sie etwas! Morgen sieht die Welt ganz anders aus!“, rief Olpe. Vincent nickte und versuchte, den Rat zu befolgen.

6.Dezember, 09:35, Berlin

Vincent war sehr früh aufgestanden und eine Weile in seinem Büro auf und ab gelaufen, ehe er – nach drei Stunden – endlich entschieden hatte, was er tun würde. Er war nun in Richtung Zoras Büro unterwegs, aus ihrer Akte wusste er, in welchem Stock das lag.

Überall herrschte eine feierliche, festliche Stimmung. Schließlich war Nikolaus. Aber auch heute mussten sie arbeiten. Das nahm den Meisten jedoch nicht die Freude am Tag. Überall hingen kleine, dämliche Deko-Söckchen mit falschen Geschenken drin an grünen Plastiktannenzweigen, die die Belegschaft jedes Jahr zur selben Zeit aus dem Keller holte. Manche Kollegen hatten sogar bereits einen Weihnachtspullover an oder ähnlichen, dämlichen Kram.

Vincents Augen waren rot geweint, von der letzten Nacht, als er endlich das Büro seiner Frau fand. Er hatte einen Generalschlüssel, weshalb es ihm ein Leichtes war, die Tür zu öffnen.

Er identifizierte den Schreibtisch seiner Frau sofort an einem Foto ihrer Katze Kitty, die sie mal als kleines Mädchen gehabt hatte und die sie über alles abgöttisch geliebt hatte.

Ihm klang noch immer die Erzählung seiner Frau – die er bereits hundertfach gehört hatte –, wie sie ihm weinend erzählt hatte, wie sie damals mit ansehen musste, wie Kitty von einem Auto überfahren wurde, in den Ohren.

Er fuhr ihren PC hoch. Natürlich passwortgeschützt. Er überlegte. Sein Blick fiel auf Kitty. „Kätzchen Kitty“, tippte er ein. Schon war er drin. Er kannte Zora halt.

Es dauerte eine Weile, bis er das fand, wonach er suchte. Ganz versteckt, in einem Kastensystem von Ordnern, war sie. Die Datei. Ihn interessierte es brennend, was sie denn da von seinem PC heruntergeladen haben sollte.

Es war eine Datei, die den Einsatz ihrer Abteilung im nahen Osten betraf. Bezüglich dieser Terrororganisation, die ja so oft schon angesprochen wurde.

Vincent überlegte. Was wollte Zora mit dieser Datei? Es befanden sich nur Bilder und ein paar eingespeicherte Berichte, was den Einsatz anging, darauf. Nichts Besonderes, nichts, für das man jahrelange Planung benötigte.

09:40, auf dem Gang

„Habt ihr es schon gehört?“, fragte Luana aufgeregt, als sie Egon und Wilibald auf dem Gang abpasste. „Nein, was denn?“, fragte Willi verwundert. „Sie haben Zora festgenommen!“, erklärte Luana ernst. „Wieso? Ist sie zu schnell gefahren?“, fragte Egon und begann, zu lachen. „Nein!“, erwiderte Luana genervt. „Wundert mich nicht, sie steht ja die Hälfte ihres Lebens im Stau!“, meinte Egon grinsend.

„Moment mal – du meinst – sie haben sie festgenommen, weil sie denken, dass Zora der Maulwurf ist, oder?“, hakte Wilibald nach. Luana nickte. „Du hast es kapiert!“, lobte sie. „Aber – das verstehe ich nicht – ich – ich dachte – ich meine – sie war es doch nicht – oder?“, meinte Egon irritiert und verunsichert. Luana seufzte.

„Leute, haben wir nicht gestern selbst noch gesagt, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass sie es ist?“, erinnerte sie an den Streit von gestern. Egon schluckte.

„Stimmt. Aber – das war doch nur Spaß! Du glaubst doch nicht etwa, dass die uns abgehört haben, oder? Ich meine – wenn die das abgehört haben und das auch noch geglaubt haben, was wir da für einen Mist verzapft haben – dann – dann – dann ist es unsere Schuld, wenn Zora unschuldig in den Knast kommt!“, meinte er entsetzt.

Luana nickte. „Wenn sie denn unschuldig wäre!“, erklärte sie ernst. Egon schluckte. „Du – meinst, sie haben uns nicht abgehört?“, hakte er nach. Sie nickte. „Haben sie nicht“, bestätigte sie.

„Äh – Leute, warum ist unsere Tür offen?“, hakte Wilibald erschrocken nach, als er die Bürotür aufschließen wollte. „Keine Ahnung – hallo?“, fragte Luana und öffnete die Tür.

Da saß ein Mann an Zoras Platz. „Entschuldigung – aber – was machen Sie da?“, hakte Luana entsetzt nach. Der Mann erschrak. „Ah! Tut mir leid, ich muss Ihnen sicher einen Schreck eingejagt haben! Ich – äh – suche nach den Dateien, die Zora auf ihren Rechner überspielt haben soll“, erklärte er. Er fühlte sich scheinbar ertappt.

„Und? Waren Sie erfolgreich?“, wollte Luana herausfordernd wissen. Er nickte. „Äh – ja. Aber – ich weiß nicht, ob Ihnen das überhaupt etwas bedeutet – es waren nicht gerade bedeutsame Daten“, erklärte er, etwas unbeholfen, schaltete den Computer aus und wollte abhauen.

„Nicht so schnell“, hielt Luana ihn auf und schloss die Tür, „zunächst einmal – wer um alles in der Welt sind Sie? Wie sind Sie hier herein gekommen?“

Er schluckte und setzte sich auf Zoras Schreibtischstuhl. Dann beruhigte er sich etwas und – lachte sogar erleichtert! „Oh, tut mir leid! Wie dumm von mir. Vincent Jedermann. Ich bin Zoras Ehemann“, stellte er sich schließlich vor. Dann, nachdem er allen die Hand gereicht hatte, meinte er: „Sie sind bestimmt Luana, oder?“ Luana nickte erstaunt.

„Und Sie müssen Wilibald sein, stimmt's? Stimmt es, dass Sie fünf Kinder haben? Nun, jedenfalls sehen Sie so aus“, identifizierte er den Nächsten. Wilibald nickte ebenfalls. „Ja, woher wissen Sie das?“, fragte er irritiert.

„Dann sind Sie bestimmt Egon!“, stellte Vincent fest. Auch Egon musste erstaunt nickten.

„Ja, das stimmt. Aber – wenn Sie wirklich Zoras Mann sind – wie sind Sie dann hier herein gekommen? Also – ich meine – so allgemein?“, wollte Egon wissen. „Nun – zunächst einmal – Zora hat mir schon so unheimlich viel von Ihnen allen erzählt und ich freue mich wirklich aufrichtig, Sie mal kennenzulernen – Sie alle. Und – ich habe einen Generalschlüssel“, antwortete er der Reihe nach.

„Einen was? Wie kommen Sie denn an so was?“, hakte Egon irritiert nach. „Ich – bin Regierungsrat. Ich mache inzwischen nur noch so langweiligen Verwaltungskram, braucht Sie nicht zu interessieren. Apropos – ich muss dann auch mal wieder. Auf bald!“, verabschiedete Vincent sich und sah zu, wie er aus diesem Kreuzverhör rauskam. „Na, hoffentlich nicht zu bald!“, murmelte Egon besorgt.

Ein Maulwurf im System

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