Читать книгу Andrew - Mädchenspiele - Hannah Rose - Страница 4
Оглавление»Ich amüsiere mich heute mit Madame,
morgen mit Monsieur,
danach mit Mademoiselle.
Ich lasse mich nicht konventionieren.«
Helmut Berger (*1944)
Kapitel 1
S
eufzend lehnte er sich auf seinem Platz zurück und blickte sich unzufrieden in der, an diesem Freitagnachmittag, nur spärlich besuchten Cafeteria um. »Da wird einem von jedem erzählt, dass die Zeit an der Universität, die beste im Leben sein soll?« Er schaute seinen Freund Caleb an, »Mal im ernst: Warum fängt unsere Zeit hier so beschissen an?«
»Hey, du sprichst da aber nur für dich selbst, Kumpel!«, lachte sein Gegenüber, ehe er sich eine weitere Handvoll ›Fish’n‘Chips‹ in den Mund schaufelte und mit einem Schluck Cola geräuschvoll nachspülte.
»Ach, komm‘ schon!«, beharrte Andrew. »Wirklich? Erzähl‘ mir nicht, dass du hier gerade die beste Zeit deines Lebens verbringst!«
»Und warum nicht?«, schoss Caleb zurück, während er sich seine fettigen Finger ableckte, sich auf seinem Platz nach hinten fallen ließ und sich zufrieden auf seinen riesigen Bauch klopfte – noch immer einen Soßenfleck an den Lippen. »Meine Kommilitonen sind alle ziemlich entspannt, meine Kurse super einfach und ich kann den Rest meiner Zeit mit Videospielen in unserer Bude verbringen. Wieso sollte mir das also nicht gefallen?«
Andrew starrte seinen Freund über den Tisch hinweg an, der dort in seinem so engen Retro-Hemd von ›Legend of Zelda‹ dasaß, dass es so aussah, als könnte es jeden Moment aus den Nähten platzen. Er konnte einfach nicht glauben, dass er wirklich so zufrieden mit seinem langweiligen Junggesellendasein aus ›Fast Food‹ und Videogames war, wie er vorgab. Wie steht’s mit Partys?, wollte er ihn fragen. Wie mit richtig heißen Bräuten? Was ist los mit deinem sozialen Leben außerhalb des Wohnheims?
Am Ende entschied er sich aber dazu, es nicht weiter voranzutreiben. Er war sich sicher, dass sein Freund seinen persönlichen Versäumnissen gegenüber ebenso sensibel war wie er selbst. Und wenn Caleb meinte, dass er gerade ein gutes Leben führte, wer zum Teufel war er, ihn eines anderen zu belehren.
Aber als Andrew einen Schluck von seiner Cola nahm, kam er nicht umhin, als sich zu wünschen, jetzt ganz woanders zu sein und genau das Leben zu führen, von dem er geglaubt hatte, es führen zu können, seit er die Universität zum ersten Mal betreten hatte.
Er wollte gerade versuchen, das Thema zu wechseln und vorschlagen, dass sie ja zumindest am Freitagabend etwas Aufregenderes machen könnten – wie zum Beispiel den neuesten ›Star Wars‹-Film ›The Rise of Skywalker‹ im ›Odeon Imax‹ anzusehen oder auch etwas Anderes. Doch da erregte etwas auf der anderen Seite der Cafeteria seine Aufmerksamkeit.
Verdammte Scheiße, dachte er still, als ihm klar wurde, wer da für Aufsehen sorgte. Es waren Cataleya Davis und Bailey Jackson, die alle auf dem Campus als ›Die Zwillinge‹ kannten. Er wusste, dass die beiden keine Blutsverwandtschaft verband, aber mit ihren großen schlanken Körpern, ihren hübschen Gesichtern und ihren langen glänzenden blonden Haaren, sahen sie sich dermaßen ähnlich, dass sie es durchaus hätten sein können.
Der Ruf der beiden Mädchen war am ›King’s College‹ schon lange legendär. Sie waren jetzt im letzten Jahr und ihr Auftreten so abgedreht, wild und illuster, dass sie schon fast so etwas wie eine Institution darstellten. An jeder Ecke konnte man hinter vorgehaltener Hand irgendwelche verrückten Gerüchte über ihre Possen hören. Da gab es Geschichten darüber, dass sie wohl ihre Professoren verführt hätten, um bessere Noten zu bekommen, für das ganze Soccer-Team einen Striptease an einer Pooldance-Stange hingelegt und zum Spaß für die Jungs halbnackt des nachts Runden auf der Aschenbahn zurückgelegt hätten.
Andrew kannte all diese Erzählungen, hatte die beiden aber bislang nie wirklich zu Gesicht bekommen – abgesehen von ein paar kurzen Blicken hier und da. Und so wie jeder junge Bursche auf dem Campus, hätte auch er Lust darauf gehabt und oft davon geträumt, einmal für die beiden im Mittelpunkt zu stehen und von anderen dafür bewundert zu werden. Es war also keine Überraschung, dass sein Blut nur so durch die Adern rauschte, als die beiden Mädchen auf Calebs und seinen Tisch zuzukommen schienen.
»Du!«, sagte Cataleya in diesem Moment und zeigte mit ihrem langen, schlanken Finger direkt auf Andrew und fixierte ihn mit einem Blick aus ihren kristallblauen Augen.
»Wer … Ich?«, krächzte Andrew und deutete stumm auf seine Brust, unfähig zu glauben, dass jemand, so attraktiv und begehrenswert wie Cataleya Davis tatsächlich einen langweiligen, nichtssagenden Burschen wie ihn ansprechen könnte.
»Ja! … Natürlich, du!«, bestätigte sie und verdrehte ihre Augen, als wäre er schwer von Begriff. »Was machst du heute Nacht?«
In dieser Sekunde glaubte Andrew, die ganze Cafeteria würde zuhören, und er vermeinte die Augen aller Anwesenden auf sich zu spüren, während sie darauf warteten, dass er Cataleya antwortete. Passiert das gerade wirklich, fragte er sich unwillkürlich. Die beiden erlauben sich doch sicher irgendeinen Streich mit mir. Und warum zum Teufel spricht Cataleya überhaupt mit einem so schlaksigen, dünnen Nerd wie mir? »Äh, … nichts«, erwiderte er schwach, und er fragte sich, wann er aus diesem unwirklichen, völlig verrückten Tagtraum erwachen würde.
»Falsch«, schoss Cataleya direkt zurück. Noch immer fixierte sie ihn mit ihrem blendenden Blick aus ihren großen blauen Augen. »Du wirst hier erscheinen!« Damit knallte sie einen kopierten Flyer so fest zwischen den beiden auf den Tisch, dass deren Limonadendosen auf der Platte hüpften. »Ich denke, du hast genau das, wonach wir suchen«, fügte sie mit einem seltsamen Lächeln hinzu, ehe sie sich abwandte und davonschritt.
»Bis heute Abend«, fügte Bailey mit einem leisen Kichern hinzu, bevor sie ihrer Freundin folgte und einen süßlichen Duft ihres aufreizenden Parfüms hinterließ.
Noch immer geschockt, starrte Andrew ihnen nach, und ließ sich nicht davon abbringen, einen schnellen, begehrenden Blick auf die erstaunlichen Kehrseiten der beiden zu werfen – die sich wie immer in den engsten schwarzen Leggings zeigten, die man sich vorstellen konnte. Und es schien ihm, dass Caleb und er in diesem Moment nicht die einzigen waren, die das taten. Verwundert sah er ihnen dabei zu, wie sie sich noch einige andere Typen auswählten – alle so dünn und nerdig wie er, ihnen ihre Flyer reichten und sie wie ihn aufforderten zu kommen.
»Mädchenspiele?«, platzte es irritiert aus Caleb heraus.
Andrew wandte sich ihm wieder zu und bemerkte, dass er den Flyer vom Tisch genommen hatte. »Gib mal her«, forderte er seinen Freund auf, nahm ihm das Blatt direkt aus der Hand und schaute es sich an.
Ganz oben auf dem Handblatt stand in großen Blockbuchstaben: ›Mädchenspiele‹. In der Mitte war etwas, das wie ein Foto aussah, aus einem Modemagazin ausgeschnitten und eingeklebt – ein dünnes, sexy Model, in einem figurbetonten, enganliegenden schwarzen Kleid und perfekt geschminktem Gesicht. Unter dem Bild stand:
›Süße Jungs für einen
sehr speziellen Wettbewerb
gesucht.
Anmeldung:
pünktlich um 8 p.m. im
'The Campus Theatre‘.
Hast du das Zeug dazu?!‹
Er überflog das Wurfblatt der Mädchen und war frustriert darüber, wie wenige tatsächliche Informationen darauf enthalten waren. Worum zum Teufel geht es bei diesen ›Mädchenspielen‹ überhaupt, fragte er sich, und warum haben Cataleya und Bailey gedacht, dass ich daran interessiert wäre? Halten die mich wirklich für süß. Es scheint fast zu obskur, um wahr zu sein.
»Und, Alter?«, wollte Caleb wissen. »Willst du dich da melden, oder was?«
»Keine Ahnung«, murmelte Andrew und starrte noch einmal auf den mysteriösen Flyer in seiner Hand. »Vielleicht …«