Читать книгу Andrew - Mädchenspiele - Hannah Rose - Страница 6
ОглавлениеKapitel 3
P
lötzlich kam sich Andrew unheimlich verletzlich vor und wie auf einem Präsentierteller zur Schau gestellt. Nie zuvor in seinem Leben war er so erstarrt. Er empfand eine wilde Mischung aus reinem Horror und purer Neugierde und fühlte die taxierenden Blicke der Mädchen körperlich, die ihn und die anderen verblieben Jungs einzuschätzen versuchten. Und obgleich ihm fast die Nerven durchgingen, wünschte er sich, dass ihn eine der einfach atemberaubend schönen Studentinnen auswählte.
Schmerzhaft hielt er die Luft in seinen Lungen an und wagte es nicht zu atmen, als eine große, schlanke Rothaarige mit milchig weißer Haut und stechend grünen Augen auf ihn zukam.
Sie ließ ihren kühlen Blick von oben bis unten über seinen schlaksigen Körper wandern, bis sich ihre Augen etwas verengten, sie leicht den Kopf schüttelte und sich wortlos dem Burschen zu Andrews rechter Seite zuwandte.
Er spürte, wie seine Stimmung in Richtung Nullpunkt wanderte. Verdammt, fluchte er in sich hinein, obwohl er überhaupt keine Ahnung hatte, um was es sich bei den ›Mädchenspielen‹ handelte. Dennoch war er plötzlich sehr gespannt darauf, an ihnen teilzunehmen – und die Chance zu bekommen, eines dieser berauschenden Mädchen ein wenig besser kennenzulernen. Und als wollte die rothaarige Schönheit noch Salz in die von ihr bei ihm geschlagene Wunde reiben, registrierte er, wie sie einen Moment später den Idioten auswählte, der direkt neben ihm stand, ihn an den Arm griff und stolz zurück mit sich vor die Bühne zog, wo sich jetzt fast schon alle anderen Mädchen mit ihren erwählten ›Schützlingen‹ eingefunden hatten.
Um sich aufzumuntern, erinnerte er sich an die Tage in der ›High School‹, als er für Teamspiele immer als letzter ausgewählt worden war. Auch dort war er immer nur letzte Wahl gewesen. Warum hätte es also diesmal anders sein sollen …
»Nun gut, nun gut!«, meldete sich Bailey neckend von der Bühne, als Cataleya ihr das Mikrofon reichte. »Es sieht so aus, als ob alle unsere Ladies bereits ihre Auswahl getroffen haben!«
Ein lautes, aufgeregtes Lachen drang zu den Verschmähten hinüber, und Andrew spürte, wie sein Ärger in Wut umschlug, als er sich einige der Typen näher besah, die die Mädchen ihm vorgezogen hatten.
Da war ein langer Lulatsch, hauchdünn mit einer extrem schlechten Körperhaltung und Akne auf den Wangen, der glücklich mit einer hübschen Brünetten plauderte, derweil der neben ihm stehende, mollige und babygesichtige Schwachkopf von einer großen, schlanken Blondine ausgesucht worden war.
Was ist an diesen Typen so viel besser als bei mir?, grummelte es in ihm düster. Zumindest habe ich eine tolle Haut. Und obwohl ich mit Sicherheit nicht gerade der tollpatschigste oder hübscheste Bursche der Welt bin, weiß ich genau, dass ich nicht so abscheulich aussehe wie einige dieser Jungs, die ausgesucht worden sind. Er schaute zu Seite und musterte die verbliebenen Kommilitonen. Gut ein Dutzend war von der Gruppe übriggeblieben und aufgrund der genervten Gesichtsausdrücke schätzte er, dass sie gerade dasselbe wie er gedacht hatten.
»Hey, Cat, warum lernen wir nicht ein paar unserer brandneuen Mistresses und deren Protegés näher kennen?«, fragte Bailey ihre Freundin Cataleya.
Die beiden heizten die Situation auf, wie Beifall heischende TV-Moderatorinnen, als sie elegant die Stufen am Bühnenrand herunterschritten und das Mikrofonkabel in Perfektion zurechtwarfen, derweil sie ihre Blicke auf die versammelte Menge vor sich richteten.
»Also, wen haben wir denn hier?«, fuhr Bailey fort, als sie das Mikro der Rothaarigen entgegenhielt, die Andrew vor ein paar Minuten kopfschüttelnd als unbrauchbar abgelehnt hatte.
»Mistress Helen«, antworte sie laut und voller Selbstbewusstsein in der Stimme.
»Und das ist?«, setzte Bailey nach, dem schüchtern dreinblickenden Kerl zunickend, den Helen für sich auserkoren hatte.
»Das …«, begann Helen und kniff ihre kühlen grünen Augen zusammen, als würde sie einen Moment lang über etwas nachdenken, ehe sie sich dem Mikro entgegenbeugte und stolz verkündete, »das ist Jasmine!«
Andrew spürte, wie ihm der Schrecken in den Magen fuhr, als er sich endlich klar darüber wurde, um was es in diesem Wettbewerb ging. Mistresses? Schützlinge? So langsam beginnt es Sinn zu machen. Gott verflucht! Sieht aus, als ob ich gerade noch einmal drumherum gekommen bin, an einem verdammten ›Drag Race‹ mitzumachen, wie diese schrillen Aufgaben in RuPauls Reality-Show … Die Mistresses müssen ihre Protegés also in Mädchen verwandeln! Er fühlte, wie die Erleichterung in einer eiskalten Welle über ihn hereinbrach und ein schiefes Lächeln begann sich um seine Lippen abzuzeichnen, als er dieselbe Erkenntnis auf den Gesichtern der Jungs sah, die neben ihren neuen ›Mistresses‹ standen.
Einige von den Burschen fingen jetzt direkt an, die Köpfe zu schütteln und etwas vor sich hinzumurmeln, als wollten sie sich aus den Reihen der Konkurrenz zurückziehen.
»Wie ist es mit dir, Sweetie? Wer bist du?«, wollte Bailey von einer anderen Geschlechtsgenossin wissen und hielt einer niedlichen Blondine das Mikro hin, welches ein wenig von ihr entfernt stand und deren Wahl auf das mollige ›Babyface‹ gefallen war.
»Ich bin Mistress Melissa«, antworte sie aufgeregt »Mein Schützling heißt Babydoll!«
Andrew sah, wie das Gesicht des molligen Burschen ein tiefes dunkles Rosa annahm, als er entsetzt auf den Boden starrte, den Namen ›Babydoll‹ auf sich wirken ließ und missbilligend den Kopf schüttelte.
»Verrätst du uns anderen, warum du dir ›Babydoll‹ für ihn ausgesucht hast?«, schmunzelte Bailey.
»Weil er ein so süßes Baby-Gesicht hat … Und dann ist er ja auch so pummelig wie so ein kleiner süßer Hosenscheißer … Ich finde, der Name passt super zu ihm!«, kicherte Melissa ins Mikrofon.
Als im Theatersaal grölendes Gelächter ausbrach, stimmte sogar Andrew mit ein – größtenteils aus purer Erleichterung, dass ihm die Demütigung erspart geblieben war, an diesem blödsinnigen Wettbewerb teilzunehmen.
»Wie köstlich!«, verkündete Bailey. »Es sieht so aus, als hätten wir alle noch eine erstaunliche Nacht vor uns.« Sie wandte sich an die Mädchen. »Also, sehr verehrte Mistresses, ich schlage vor, ihr verbringt die nächste Woche damit, eure brandneuen Schützlinge gründlich in allem zu schulen, was sie wissen müssen, um am Wettbewerb teilzunehmen … Wir sehen uns dann alle am nächsten Samstag in einer Woche hier wieder … Zu unserem allerersten ›Mädchenspiele‹-Event!«
Alle Schönheiten begannen aufgeregt zu applaudieren und zu jubeln.
Andrew bemerkte, dass einige seiner Kommilitonen, die nicht in die Auswahl gekommen waren, begannen, sich auf den Weg zu den hinteren Türen zu machen und schloss sich ihnen an. Sie schienen alle froh zu sein, von dieser Art des Spotts verschont geblieben zu sein.
Aber ehe sie mehr als zwei bis drei Schritte hatten machen können, rief Bailey streng: »Hey, hey, hey! Ja, glaubt ihr, dass ihr schon entlassen seid?«
Noch einmal erstarrte Andrew. Er und die anderen drehten sich wie Roboter, die einen Befehl ihres Programmierers bekommen hatten, herum und sahen, wie sie alle im Saal anstarrten.
»Schließlich haben Cat und ich unsere Protegés noch nicht ausgewählt!«, lachte Bailey. »Ihr bleibt also genau dort, wo ihr seid! …« Sie wandte sich dem neben ihr stehenden Mädchen zu. »Cindy, halt mal bitte solange das Mikrofon.«
Entsetzt sah Andrew zu, wie Bailey das Mikro weiterreichte und die ›Zwillinge‹ gleich darauf auf sie zukamen, um sie nicht weniger intensiv zu prüfen wie es ihre Mitstudentinnen vor ihnen getan hatten.
Andrew fühlte ein eiskaltes, prickelndes Grauen über seine Haut streichen.
In der Halle war es mucksmäuschenstill geworden.
Die einzigen Geräusche, die Andrew vernahm, waren das Klicken der High Heels-Absätze auf den polierten Holzdielen und das verheerende Pochen seines wie wild schlagenden Herzens in seinen Ohren.
Wie am Boden festgenagelt, blieb er auf der Stelle stehen, derweil Bailey auf ihn zusteuerte, ihn von oben bis unten betrachtete und ihn dann mit einer lässigen, ablehnenden Handbewegung entließ und sich dem nächsten potenziellen Opfer zuwandte.
Gott sein Dank, dachte er still, wenngleich er genau wusste, dass er noch nicht ganz aus der Sache heraus war. In der gleichen Sekunde hörte er auch schon Cataleyas Absätze auf sich zukommen. Er spürte, wie ihm das Herz in die Hose rutschte, als sich ihre strahlenden Augen weiteten, während sie ihn einer detaillierten Inspektion unterzog. Er sah ihr seltsames Lächeln, dass sich auf erregende Weise um ihre schwungvollen, glänzenden Lippen kräuselte.
»Oooh, jaaa …«, murmelte sie mehrmals vor sich hin, ehe sie ihn direkt ansprach und mit der rechten Hand eine rotierende Bewegung machte. »Dreh‘ dich um«, befahl sie ihm in einem kalten, strengen Ton, der sich völlig von der lustigen, sprudelnden Art unterschied, mit dem sie noch vor wenigen Minuten von der Bühne herab gesprochen hatte.
Trotz seines Schreckens und seiner Angst tat Andrew genau das, was sie ihm befohlen hatte, und drehte sich unbeholfen herum, bis er den Kreis vollständig geschlossen hatte.
»Du kommst mit mir!«, kommandierte sie gleich darauf in demselben strengen Ton und streckte ihm ihren Arm entgegen.
Andrew verstand sich selbst nicht, als er ihr seine angeschwitzte Hand entgegenstreckte und die ihre umfasste, ehe sie ihn daran wie an einer Hundeleine hinter sich herzog.
»Wir haben wohl vergessen etwas Wesentliches zu erwähnen«, meldete sich Bailey, nachdem sie erneut die Kontrolle über das Mikrofon erlangt hatte und jetzt mit einem äußerst nervös wirkenden, mageren Burschen auf der Bühne vor allen stand. »Aber Cat und ich werden natürlich auch am Wettbewerb teilnehmen. Also hütet euch besser, Bitches, denn ich weiß, dass ich das Game mit meinem Protegé rocken werde!«
Ihre Worte brachten ihr einen tosenden Beifall ein.
»Wie steht’s mit dir, Schwesterherz?«, fuhr Bailey fort und schenkte Cataleya ein herausforderndes, liebevolles Lächeln.
»Oh, da mach‘ dir mal nur keine Sorgen, Schwesterchen! Ich habe meine Sarah!«, schoss Cataleya unmittelbar zurück und zog Andrew fest am Arm zu sich heran.
Augenblicklich füllten sich seine Sinne mit dem berauschend süßen Duft ihres Parfüms. Inzwischen klopfte sein Herz derart heftig, dass es sich für ihn anfühlte, als würde es jeden Augenblick seine Brust zerreißen und herausspringen.
»Wir sind bereit es mit dir und jeder von euch«, sie schaute in die Runde, »aufzunehmen! … Nicht wahr, Sally, meine Süße?«
So seltsam es auch klang, als sie ihn auf ›Sarah‹ taufte, mit ›Sally‹ und ›Süße‹ ansprach, es ließ ihn am ganzen Körper zittern, denn irgendwie hatte er das Gefühl, den Namen schon einmal gehört zu haben, und ganz tief in seinem Innersten wusste er, dass er perfekt zu ihm passte.
»Nicht wahr, meine Süße?!«, zischte Cataleya ihn bedrohlich an und packte seinen Arm so fest, dass er ihre perfekt gemachten, rotlackierten Nägel spüren konnte.
»Ja …«, krächzte Andrew, kaum fähig seiner Stimme eine ausreichende Festigkeit zu verleihen, als er alle Augenpaare auf sich spürte.