Читать книгу Jungfrau auf dem Sklavenmarkt - Hannah Teen - Страница 3

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Zuvor ...


Er

Ich weiß, ich habe eine böse Seele. Ich bin kein guter Mann und ich habe mich vor den Göttern versündigt. Ob die Strafe, die mir heute zuteilwird, gerecht ist, kann ich nicht sagen. Ich dachte mir nichts dabei. Ich hielt es für mein gutes Recht. Ob ich jetzt im Angesicht des Todes bereue? Eigentlich nicht. Ich bin zwar ein Mann aus dem Volk der Mani und dort hätte ich das niemals tun dürfen. Ja, der König persönlich hätte mich dafür wahrscheinlich gehängt. Aber hier im Lande der Nehataner herrschen andere Gesetze. Doch ich bin nicht einer offiziellen Gerichtsbarkeit ausgesetzt. Sondern der Gilde der Domini. Für mich die scheinheiligsten Herren auf ganz Ariton. Sie selbst halten sich Sklaven. Für ihr persönliches Vergnügen. Sie berufen sich dabei auf einen Ehrenkodex. Alle ihre Sklaven entscheiden sich freiwillig dafür sich versklaven zu lassen. Ich hingegen habe meine Sklaven gekauft. Völlig legal auf dem Sklavenmarkt. Das ist mein gutes Recht hier im Land der Nehataner. Es ist das Privileg der wohlhabenden Bürger. Keiner hier in diesem Land bezweifelt das. Niemand würde auch nur annähernd das in Frage stellen.

Ich bin das, was man einen reichen, verwöhnten Schnösel nennt. Nicht in den Kreisen, in denen ich verkehre. Aber in der Bevölkerung. Von vielen verhasst. Weil ich mir nichts erarbeitet habe. Mir persönlich war das schon immer egal. Man wird in den Adel geboren, weil es die Götter so wollen. Nicht weil man besonders fleißig ist. Ja, ich gebe zu, mein Vater war da anderer Meinung. Er wollte, dass ich mehr erreiche. Dass ich irgendwann vielleicht mal im Königshaus diene. Bei König Leopold, dem König der Mani. Aber ich hatte darauf keine besondere Lust.

Anfang des Jahres war ich mit Händlern in den Süden aufgebrochen. In das Land des schwarzen Volkes, wie man es nannte, da ihre Hautfarbe schwarz wie Ebenholz ist. Allzu viele Mani gibt es in Nehats nicht. Das Land ist Fremden gegenüber eher reserviert. Doch ich hatte den großen Vorteil, dass mein Onkel Samael dort schon länger wohnte. Ich wollte ihn besuchen. Und es ergab sich etwas, das sich für einen kurzen Moment in meinem Leben als ein großes Glück herausstellte. Er vererbte mir nach wenigen Tagen sein fürstliches Anwesen. Er selbst musste fliehen. Warum, dazu komme ich noch.

Ich bin kein guter Mann, nein. Und die Konsequenzen für meine Werke muss ich wohl nun am eigenen Leib erfahren. Ich sitze hier in einem dunklen Keller. Bin nun selbst in Fesseln gelegt.

Die Türe geht auf. Ein weiterer Mann wird hineingeführt.

«Ihr verdammten Hurensöhne!», schreie ich.

«Schweig!», meint der Dominus der Gilde der Domini. Er führt den anderen Mann an die Wand und kettet ihn dort fest. Gegenüber von mir.

«Hier gilt nehatanisches Recht!», brülle ich ihn an.

«Du bist kein Nehataner!», sagt der Dominus. Ein Mann aus einem geheimnisvollen Orden. Einen Orden, den ich nie verstehen werde. Der die Sklaverei ablehnt und sich doch in seiner Gilde der Domini Sklaven hält.

«Ich bin kein Nehataner. Aber wir sind hier auf nehatanischem Boden!»

«Sind wir nicht!», sagt er.

Ich stutzte. Was meint er damit? Ich war bewusstlos. Wachte hier wieder auf. Bin ich nicht in einem Keller? Und schlagartig bin ich mir bewusst, dass wir in Bewegung zu sein scheinen. In einem Wagen? Nein. Es ist anders. Vollkommen anders. Wir sind auf einem Schiff.

Das ist nicht gut. Ganz und gar nicht. Im Grunde weiß ich, dass ich sterben werde. Die Gilde der Domini hat etwas gegen Männer wie mich. Die sich mit Gewalt nehmen, was sie begehren. Die sich Frauen kaufen und dann missbrauchen. Ich weiß, dass ich kein guter Mann bin und dennoch sehe ich es nicht ein, nun das Opfer ihrer Justiz zu werden. Sie haben kein Recht dazu.

«Ihr werdet mich nicht töten!?», heult mein Mitgefangener. Er ist ein Nehataner. Hat dunkle Hautfarbe. Fast schwarz.

Doch der Dominus der Gilde antwortet ihm nicht, sondern geht ohne Worte hinaus.

«Hör auf zu heulen!», meine ich zu ihm. Ja, im Angesicht des Todes wurde so mancher Bösewicht schon zum jammernden Schaf. Und auch ich habe Angst, das gebe ich zu.

«Wieso bist du hier?», fragt er.

Ich schaue ihn an: «Ich habe mir Sklaven gekauft. Und die Gilde der Domini hat etwas gegen Sklaverei.»

Er nickt: «Ich habe mir auch eine Sklavin gekauft, und ...»

«Und was?»

«Fünf Männer haben sie benutzt. Wir hatten eine Menge Spaß. Und dann kamen diese Männer. Sie hatten davon gehört. Von unserem Treffen.»

«Ja, sie sind gegen Sklaverei!», sage ich zu ihm: «Und das ist heuchlerisch. Sie selbst haben Sklaven.»

«Aber die haben sich selbst entschieden Sklaven zu sein!», meint er.

Ich lache spöttisch: «Was für ein Unsinn. Wer will schon freiwillig Sklave sein? Es ist ein Schicksal Sklave zu sein.»

«Aber im Grunde haben sie recht. Wenn ein Weib das freiwillig mitmacht, dann ist das vor den Göttern vermutlich eine ganz andere Sache.»

«Vor den Göttern!», meine ich und in meiner Stimme klingt Verachtung. Ich halte nichts von den Göttern. Sie haben für mich nie etwas getan. Also warum sollte ich sie anbeten?

«Was ist deine Geschichte?», fragt er: «Du bist immerhin ein Mani.»

Soll ich es ihm erzählen? Es ist eine etwas längere Geschichte. Aber im Grunde haben wir Zeit. Wir fahren irgendwo über das Meer. Vielleicht stundenlang, vielleicht sogar Tage. Oder Wochen. Interessiert er sich überhaupt für meine Geschichte? Mir im Grunde egal. Ich erzähle sie ihm. Und ich erzähle sie euch.

Sie

Ich weiß, es klingt hart. Aber ich möchte, dass er stirbt. Ich hätte niemals geglaubt, dass ich das irgendwann einmal sagen werde. Niemand sollte einem anderen den Tod wünschen. Aber das ist mir egal. Ich sehne mich regelrecht danach, dass er in die Ewige Verdammnis kommt. Vor meinen Augen. Ich möchte Gewissheit haben, dass er nie wieder irgendjemand etwas tun kann. Weder mir, noch einer anderen Frau.

Ich bin bereits tot. In mir ist etwas gestorben. Viel mehr als nur Hoffnung. Oder Vertrauen. Ja, das habe ich mit zu Grabe getragen. Aber vor allem ist meine Seele gestorben. Es hört sich komisch an. Aber ich fühle mich leer. Fühle mich nur noch wie eine Hülle. Ob ich sie jemals wieder zum Leben erwecken kann? Ich weiß es nicht. Im Moment glaube ich nicht daran. Vielleicht gibt ein Tod mir etwas Hoffnung. Vielleicht schenkt mir der Verlust seines Lebens einen Teil meiner Seele zurück.

Ich hasse ihn, auch wenn das früher nicht immer sichtbar war. Ich habe versucht mich ihm zu öffnen. Habe sogar zeitweilig geglaubt, dass es richtig ist, was er tut. Dass ich eine Sklavin bin und er das Recht hat mich so zu behandeln. Mich zu vergewaltigen und zu demütigen. Aber das ist nicht wahr. Er hatte nicht das Recht. Und er muss dafür bestraft.

Ich gebe zu in dem Land, wo ich wohne, war es sein gutes Recht. Aber mal ehrlich. Kann das im Sinne der Götter sein?

Ich möchte ihn sterben sehen. Ich möchte, dass er leidet. Er wird niemals so leiden, wie ich gelitten habe. Oder die anderen. Denn ich war nicht sein einziges Opfer.

Ich sitze hier auf einem Schiff, das hinaus aufs Meer fährt. Hier draußen gibt es keine königliche Gerichtsbarkeit. Hier draußen gilt ein anderes Recht. Und das ist wichtig. Denn das Gesetz der Nehataner ist auf seiner Seite. Er durfte tun, was er tat. Niemand kann ihn dafür zur Rechenschaft ziehen. Aber nun befinden wir uns auf hoher See. Oder ist das nicht der Grund? Denn im Grunde war er nicht das einzige Monster. Und die anderen sind bereits Tod. Bei ihm bekomme ich meine Rache auf hoher See.

Oh, was für ein Wort. Rache. Wird es mich in irgendeiner Weise heilen? Nein, vermutlich nicht. Rache heilt nicht. Aber vielleicht fühle ich mich besser, ich weiß nicht. Er muss sterben, das ist für mich wichtig. Vielleicht kann ich dann mit all dem abschließen.

Wie kam es dazu? Wie konnte alles so passieren, wie es nun passiert ist?

Ich möchte euch meine Geschichte erzählen.

Jungfrau auf dem Sklavenmarkt

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