Читать книгу Bon Courage - Band 3 - Hannelore Gottschalk - Страница 8
27 27 A Ankunft in Blois
ОглавлениеWir sind an der Loire, dem Tal der Schlösser. Am mittleren Lauf des Flusses staffeln sich dort unter blauschimmernden Schieferdächern die eng aneinandergerückten weißen Häuser von Blois, überragt vom königlichen Schloß und der Kathedrale. Die 50.000 Einwohner zählende Hauptstadt des département Loir-et-Cher liegt inmitten eines landwirtschaftlichen Gebietes. In ihrer langen Geschichte, die bis auf das römische Blesum zurückreicht – der mittelalterliche Grafschaftsname Blésois weist noch darauf hin – hat sie sich von vielen Schlägen erholen müssen, zuletzt von den heftigen Bombardements des Jahres 1940, deren Schäden sie nach Kriegsende durch einen beispielhaften Wiederaufbau mit Bürgerfleiß und architektonischem Geschick zu überwinden verstand. In der geschäftigen Stadt, die durch ihre Elektro- und Lederindustrie bekannt ist, herrscht bei aller Betriebsamkeit eine typisch französische Atmosphäre, in der sich uns, fern jeder Hektik, in einladenden Restaurants oder Hotels die Annehmlichkeiten des savoir-vivre mitteilen.
Le château de Blois
Rund um die cathédrale St-Louis, einem bis ins 12. Jahrhundert zurückdatierbaren Bau, der nach einem vernichtenden Orkan im 17. Jahrhundert wiedererrichtet wurde und eine Krypta aus dem 10. und 11. Jahrhundert auf noch älteren Fundamenten aus der Karolingerzeit besitzt, duckt sich das Dächergewirr des Altstadtviertels mit seinen hangauf- und -abwärts strebenden Treppengassen. Maison des Acrobates heißt ein Gebäude an der Place St-Louis, das seinen Namen von den geschnitzten Figuren und Tänzern am wohlproportionierten Holzfachwerk erhielt, während die belebte Rue Denis Papin an den 1647 in Chitenay bei Blois geborenen Physiker erinnert, der – in bezeichnender Reihenfolge von der Küchentechnik ausgehend – 1681 den Dampfkochtopf erfand und in späteren Jahren die atmosphärische Dampfmaschine, ein Tauchschiff und 1707 das erste Schiff mit Schaufelradantrieb.
Vom prächtigen Terrassengarten des Ancien Evêché, des ehemaligen Bischofspalasts, der an die Apsis der Kathedrale anschließt und heute als Hôtel de Ville dient, bietet sich eine reizvolle Aussicht. Palais und Garten sind Schöpfungen von Jacques Gabriel (1667–1742), dem bedeutenden Pariser Baumeister, nach dessen Entwurf 1720 auch die elegante Brücke über die Loire ausgeführt wurde, auf die wir von der Rue Denis Papin aus stoßen.
Blois – le pont Jacques Gabriel
Mit keinem Bauwerk aber – auch nicht mit der imposanten Basilika von St-Nicolas, einer ehemaligen Benediktiner-Abteikirche des 12. Jahrhunderts, in der bereits der Geist von Chartres zu atmen scheint – ist die Geschichte von Blois so eng verbunden wie mit der königlichen Pracht seines Schlosses. In diesem château an der Loire spiegeln sich nicht nur Epochen der französischen Architektur vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. Schloß Blois, ursprünglich eine mittelalterliche Wehrburg der Grafen von Blois, war als Residenz zur Zeit Ludwigs XII. (1462–1515) und seines Nachfolgers Franz I. (1494–1547) von nicht geringerer Bedeutung als später das Versailles Ludwigs XIV.
Louis d’Orléans, der 1498 als Ludwig XII. den Thron bestieg, ließ das alte Schloß, in dem er 1462 geboren wurde, zu einem höfisch noblen Wohn- und Regierungssitz umgestalten. Die an vielen Stellen angebrachten Initialen »L« und »A« stehen für Louis und Anne de Bretagne, seine Gemahlin. Unter den zahlreichen Emblemen finden wir auch das Stachelschwein Ludwigs XII. sowie den Feuersalamander, das für unsterblich gehaltene Wappentier Franz I. Dieser absolutistisch regierende Fürst, dessen Ehrgeiz nach der deutschen Kaiserkrone stand und der in vier erfolglosen Kriegen einen erbitterten Kampf gegen Karl V. führte, ließ den prächtigen Renaissanceflügel bauen. Künstler aus Italien, die er aus seinem Feldzug mitgebracht hatte, waren die Gestalter. Das Meisterstück dieses ganzen Gebäudetrakts, der durch Sandstrahlgebläsearbeiten erst seit kurzem wieder in neuer Helligkeit erglänzt, ist der weltberühmte Treppenturm. Als kunstvoll skulptierte Spirale windet er sich hofseitig empor, mit figuren- und ornamentge-schmückten Loggien, die bei königlichen Festen als Tribüne dienten.
Doch auch Mord und Intrige hat Château de Blois gesehen. Im Renaissanceflügel, mit der Hauptattraktion der Königsgemächer, können wir das historische Schlafzimmer besichtigen, in dem Heinrich III., der Enkel Franz I. und Lieblingssohn der ränkereichen Katharina von Medici, 1588 seinen Gegner, den Herzog von Guise, der das Haupt der katholischen Liga war, auf heimtückische Weise ermorden ließ.
Im Kabinett der Katharina von Medici (1519–1589), die auf Schloß Blois verstarb und Mutter dreier französischer Könige war, gibt es hinter der aus 237 verschieden geschnitzten und vergoldeten Platten bestehenden Holzvertäfelung vier Geheimschränke. In ihnen soll neben Papieren und Juwelen auch Gift aufbewahrt worden sein. Ob allerdings Katharina, die aus Florenz stammende Tochter Lorenzos II. von Medici und Schwiegermutter der Maria Stuart – auch sie weilte, jung verwitwet, eine Zeit mit dem Dichter Pierre de Ronsard auf Schloß Blois – tatsächlich eine Giftmischerin gewesen ist oder nur eine legendenumwobene skrupellose Regentin, wer kann das heute noch mit Gewißheit sagen? Halten wir uns lieber daran, daß sie es war, die den Grundstein zur berühmten cuisine française legte. Als sie nämlich ihre schon damals den Gaumenfreuden kulturvoll aufgeschlossene toskanische Heimat verließ, um Heinrich von Orléans, den späteren König Heinrich II., zu heiraten, brachte sie eine Schar von Köchen und Zuckerbäckern als Startkapital für Frankreichs hohe Schule der Kochkunst mit in ihr neues Domizil.
Nach unserem Ausflug in die Geschichte sind wir wieder ganz in der Gegenwart. Auch in Frankreich wird der Muttertag gefeiert: la fête des mères. Da braucht man natürlich ein Geschenk, un cadeau. Und das besorgt Monsieur Pécule im Bankhaus Fric & Fils. In der folgenden Szene lernen Sie nicht nur das unregelmäßige Verb valoir (wert sein, gelten) kennen, sondern auch eine neue Zeitform: le plus-que-parfait, die Vorvergangenheit.
Louis d’Orléans