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Krankheit

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„Du hast mir Deine Schönheit, Deine Süße und Deine Zärtlichkeit geschenkt “.

Dieses Zitat stammt aus einem Brief, den Fides von einem Liebhaber erhalten hat. Francois, so hieß der Liebhaber, hat Fides eine Woche lang ihre Liebe geschenkt. Bei mir waren es 33 Jahre.

Nach diesen 33 Jahren tritt bei Fides eine Veränderung ein. Sie wird lieblos und gleichgültig zu Ihren Töchtern und zu mir, vernachlässigt ihr Äußeres und verliert auch beim Tennis den Ehrgeiz. Diese Veränderung geht sehr langsam vor sich. Es vergehen nochmals 10 Jahre bis diese Veränderung als eine unheilbare Krankheit diagnostiziert wird.

Ich versuche immer wieder die Mauer, die sie um sich gezogen hat zu durchbrechen. In den ersten Jahren gelingt das auch manchmal. Die Mauer wird aber immer dicker und höher und es gelingt mir immer seltener sie zu durchbrechen.

Nach 5 Jahren steht die Mauer und ist undurchdringlich.

Ich hab keine Erklärung für die Veränderung die in ihr vorgegangen ist. Sie weigert sich einen Arzt zuzuziehen. Zeitweise denke ich, dass sie alkoholkrank ist.

Nach einiger Zeit gebe ich auf.

Die Töchter leiden sehr unter der Lieblosigkeit und Stumpfheit der Mutter. Besonders hart ist das für das kleinere Mädchen.

Fides hat vor ihrer Krankheit Familienfeste und auch Sonntage immer sehr sorgfältig und auch stilvoll gestaltet. Das ist jetzt vorbei.

Fides war immer der Mittelpunkt in unserer Familie. Sie hat mir auch immer den Rücken frei gehalten, so dass ich mich auch ganz dem Beruf widmen konnte. Die Erziehung und emotionale Betreuung der Mädchen lag in Ihren Händen.

Das rächt sich jetzt. Ich kann diesen Mittelpunkt nicht ersetzen. Die Familie fällt auseinander.

Die Mädchen suchen die fehlende Zuwendung bei ihren Freundinnen und wenden sich von beiden Eltern ab.

Ich musste einige berufliche Niederlagen einstecken.

Fides ist wie besessen davon mich diese Niederlagen nicht vergessen zu lassen.

Ich vermeide es zu Hause zu sein. Mein Beruf gibt mir dafür viele Möglichkeiten.

Fides verliert jetzt auch sehr schnell ihre Schönheit.

Ihren schönen Körper verunstaltet sie mit zu vielen Pfunden.


Sie hat die beiden Mädchen mit großer Zuneigung und Empathie aufgezogen.

Das kleine Mädchen ist schon in der Pubertät als die Krankheit von Fides auch für die Kinder spürbar wird. Bei dem größeren Mädchen beschleunigt die Krankheit die ohnehin schon teilweise vollzogene Abspaltung von der Familie.

Ich empfinde Ekel vor meiner Frau.

Meine Versuche am Leben meiner Töchter teilzuhaben scheitern kläglich.

Ich flüchte in die Arbeit. Mein Gefühlsleben vereist.

Arbeit in der Firma gibt es reichlich. Unser wichtigster Kunde ist ein internationaler Konzern. Wir hatten vor 3 Jahren seine Ausschreibung für alle europäischen Produktionsstätten gewonnen.

Der Auftragswert war bei mehreren Millionen.

Wir stecken gerade in der Vorbereitung für die finnische Produktionsstätte, als der Vorstand beschließt nur mehr Software von SAP zu beziehen und alle Verträge mit anderen Lieferanten zu kündigen. Diese Entscheidung liegt im Trend und wird von der Presse auch unterstützt. Weg von den kleinen Softwarehäusern, hin zu den großen international tätigen Softwarehäusern. Den kleinen Softwarehäusern wird nur eine sehr geringe Überlebenschance eingeräumt.

Unsere Besonderheit ist ein Konfigurator mit dem Produkte mit großer Variantenvielfalt auf einfache Art abgebildet werden können. Es gelingt uns bei kleineren Firmen mit unserem Konfigurator zu punkten. Trotzdem muss ich Mitarbeiter entlassen und in ein kleineres Büro ziehen.

Ein paar Jahre später bekommt Fides einen Schlaganfall.

In der Klinik wird Ihre Krankheit als vaskuläre Demenz diagnostiziert. Das ist eine Krankheit bei der Gehirnzellen nach und nach absterben. Die Krankheit ist unheilbar und führt zur Demenz. Die Aufnahme ihres Gehirns zeigt Beschädigungen ähnlich wie bei Städten im 2ten Weltkrieg durch die Bombenangriffe der Alliierten.

Durch den Schlaganfall wird ihr Gehirn zusätzlich beschädigt. Sie wird zu einem Pflegefall.

In der Pflege ist sie so aggressiv, dass ich sie in eine Psychiatrische Klinik bringen muss. In der Klinik wird sie für die Pflege eingestellt d.h. sie bekommt jetzt sehr starke Medikamente die ihr die Aggressivität nehmen.

Als sie nach 3 Monaten entlassen wird ist ihre Empathie wieder hergestellt. Ihre Bewegungsfähigkeit und ihre Fähigkeit zu sprechen, aufgrund der Nebenwirkung der Medikamente aber stark eingeschränkt.

Tote Gehirnzellen können nicht mehr zum Leben erweckt werden. Den Ärzten war es aber gelungen Gehirnzellen, die für Bewegungen zuständig sind, in Gehirnzellen umzufunktionieren, die für Empathie sorgen.

Es war für mich ein bewegender Moment als ich in die Klinik komme und sie mich erstmals seit 15 Jahren nicht mit einem angeekelten Gesicht begrüßt.

In der Klinik gibt es eine Frau, die an der gleichen Krankheit leidet wie Fides. Sie verweigert jeden Kontakt mit Ihrem Ehemann. Der Ehemann ist verzweifelt. Ich beobachtete eine Szene wie er sich weinend auf die Knie wirft und stammelt: „ich bin‘s doch“. Seine Frau wendet sich angeekelt ab.

Fides konnte bei der Aufnahme in die Psychiatrie noch aufrecht gehen. Bei der Entlassung sitzt sie im Rollstuhl.

Meine Frau lebt in einer Wohnung in einem Hochhaus in einem Vorort und wird von einem Pflegedienst betreut. Ich habe in der Wohnung meiner Frau mein Büro. Ich betreibe inzwischen eine ein Mann Firma. Ich entwickle Software für Handwerker. Für meine alte Firma mit den stattlichen Industriekunden musste ich vor ein paar Jahren Konkurs anmelden.

Unser Familienhaus musste ich verkaufen, um die Schulden zu bezahlen. Geblieben ist uns eine Eigentumswohnung in der Fides jetzt wohnt und ich mein Büro habe.


Ich wohne in der Innenstadt. Täglich verbringe ich rund 10 Stunden in einem Zimmer in der Wohnung meiner Frau, das ich als Büro nutze.

Zweimal am Tag wechsle ich ihre Windeln. Am Morgen und am Abend erledigt das der Pflegedienst. Ich bereite das Mittagessen für uns beide und wir essen zusammen. Frühstück und Abendessen für Fides bereitet der Pflegedienst. Die Wochenenden lasse ich sie allein in der Betreuung des Pflegedienstes. Nach mehreren Versuchen habe ich einen guten Pflegedienst gefunden, dem ich sie guten Gewissens anvertrauen kann.

Seit ich weiß, dass die hässlichen Jahre mit meiner Frau krankheitsbedingt waren, verschwindet auch mein Ekel vor ihr.

Fides ist zu einem Kleinkind mutiert. In der Nahrungsaufnahme ist sie gierig. Sonst ist sie ohne Interesse. Sie sitzt stundenlang bewegungslos vor dem Fernseher. Wir essen immer schweigend. Fides kann nur einzelne Worte sprechen. Ich weiß nicht was ich ihr erzählen könnte. Ich bin immer froh, wenn ich in mein Arbeitszimmer zurückkehren kann. Ich freue mich immer auf das Wochenende das ich allein verbringen kann.

Fides. Chronik eines Frauenlebens.

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