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Die Ballade von Woody Guthrie

Er sang von

Tramps,

von Arbeitslosen,

von schlecht Bezahlten,

Diskriminierten,

in den Gefängnissen Verprügelten.

Er forderte seine Zuhörer auf, hinzusehen.

Dorthin, wo es Armut gab

im reichsten Land der Welt,

in Gottes eignem Land.

In den USA.

Sein Leben lang war er auf dem Sprung.

From California, to New York Island.

Ja, und immer war er voller Melodien,

die wie ein Schwarm Vögel seinen Kopf umschwirrten.

Ein kleiner Mann,

mit verbeultem Gesicht.

Er erfand, die wahre Nationalhymne der USA:

This land is your land

This land is my land

From California to New York Island.

Er lauschte sie dem Rattern der

Güterzüge

und den knurrenden Mägen

der Kumpels ab, die mit ihm reisten.

From redwood forests to the Gulf Stream waters,

This land was made for you and me.

Er erfand den großen Blues

vom weiten Amerika,

seiner Verlorenheit

und seiner Glorie.

Er lebte als Hobo,

als einer der singt und wandert.

Er blieb ein Hobo,

ein Tramper,

ein vagabundierender Sänger,

eine Gestalt wie aus einer der Geschichten Jack Londons.

Einer, der

auf Güterzüge aufspringt,

den die Bremser jagen.

Der auf den Wagendächern

Kumpels trifft.

Der deren Geschichten und Lieder hört:

This train don’t carry no gamblers

Liars, thieves and big shot ramblers

This train is bound for glory.

So sah er das Leben der Armen,

sang von ihrem Schicksal,

in Kalifornien,

dem Staat, in dem immer die Sonne scheint,

in dem das Glück wohnt.

Where the handouts grow on bushes

And you sleep out ev’ry night

And the sun shine ev’ry day.

Oh, the birds and the bees and the cigarette trees,

The rock and rye springs where the whangdoodle sings,

In the Big Rock Candy Mountains.

Soweit die Verheißung, die Utopie, – aber in Wirklichkeit:

Hunderttausende gestrandet, pleite, hungrig,

ohne Job,

Elend,

aufgereiht an den Rändern der Highways.

Zusammengekauert im Unterholz.

Woody hörte, was die Leute erzählen in ihren Dschungel-Camps,

in den Notunterkünften der Bundesregierung,

vor den Mikrophonen der kleinen Rundfunkstationen,

sang zu deren Ermunterung:

In the Big Rock Candy Mountains

All the cops have wooden legs

And the bulldogs all have rubber teeth

And the hens lay softboiled eggs.

Als Tageslöhne zu dieser Zeit waren Cents und Nickels angesagt.

Es gab kaum starke Gewerkschaften,

aber viel Tränengas und Gewehre

in den Händen von angeheuerten schwarzen Sheriffs.

All dies ging ein in seine Lieder.

Er war immer unterwegs,

blieb auf dem Sprung:

Woody Guthrie.

Er kam aus Oklahoma,

Okfuskee County.

Wenn er singt,

I got no home in this world any more

(Ich hab in dieser Welt kein Zuhause mehr),

fragt man sich:

Wo liegen die Wurzeln zu dieser Klage?

Woher kommt dieses Quecksilber in den Fingern und Zehen?

Diese unbezwingbare Unruhe?

Wo hat sie angefangen?

Wenn man wissen will,

Warum er immer unterwegs war,

auf der Flucht vor was?

Auf der Suche nach was?

Warum er bei allem, was er unterwegs sah

und hörte,

doch nie fand,

wonach es ihn verlangte,

muss man zurückgehen in seine Kindheit.

Seine Großmutter war die erste Schullehrerin in dieser Gegend von Oklahoma.

Und das Haus in der Flussniederung am Deep Fork war voller Geschichten von Wildkatzen, dem Panther, den Coyoten und Berglöwen …, von den Kämpfen der ersten Siedler, die sich in Okfuskee County niederließen mit den Indianern.

Da waren der Treibsand und der Schlamm bei Überschwemmun­gen, der Wind, der blies und zuschlug von Ost nach West, sekundenplötzlich, der Blitz, der das Scheunendach zersplitterte, Zyklone mit dem Schwanz eines Drachen, Wolkenbrüche, die Monate der wüsten Trockenheit, die die Blätter lähmte, die Waldbrände, Präriebrände, die mehr nahmen, als der Mensch schaffen konnte.

In diesem Land wurde Woody geboren, das dritte Kind der Familie, und er hörte seine Mutter singen für seinen Bruder Roy und seine Schwester.

Der Vater hieß Charles Edward Guthrie und kam aus Texas.

Die Familie der Mutter waren Schotten.

Von der Großmutter lernte die Mutter alle Lieder und Balladen, die ihre Eltern aus der Alten Welt mitgebracht hatten. Nicht nur die Lieder aus Schottland und Irland lernte er, sondern dazu auch die Songs der Mexikaner und Spanier und solche, die die Schwarzen im Süden sangen.

Das war nicht alles, was Woody als Kind in sich aufnahm.

Sein Vater Charlie war jemand, der ständig redete, tanzte, trank und mit den Indianern handelte. Er konnte gebrochen Creek sprechen, er lehrte den Jungen, wie man in den indianischen Sprachen der Cherokee, Sioux, Osage und Seminolen zählt.

Der Vater war Sekretär am Gericht des County, und das Haus daheim durchzog der Geruch der großen Lederbände, Charlie war Grundstücksmakler und sang seinen Kindern die Squaredances und Blues der Pionierzeit vor. Er spielte Gitarre und Banjo in einer Cowboyband, bis er seine Gitarre aus familiären Gründen an den Nagel hängte.

Die Braunkohlenbergwerke, die Blei- und Zinkgruben um Henryetta waren nur siebzehn Meilen von Okemah entfernt, und das Kind hörte dort die Lieder der Arbeiter.

Die Eltern fuhren die sieben Meilen von der Farm der Großmutter in die Stadt, um dort zu handeln. Der kleine Woody stand auf dem Verdeck des Pferdewagens. Er hörte seinen Vater und die Mutter singen, mal sangen sie allein, mal zusammen: Kirchenlieder, Spirituals, Lieder wie die verlorene und heimatlose Seele zu erretten sei.

Okemah selbst war, wie Woody später schreiben sollte, ein Ort mit tanzenden, hart trinkenden, gellend jauchzenden, predigenden, lachen­den, weinenden, schießwütigen, Faustkämpfe austragenden, blutenden, glücksspielenden Einwohnern in einer Farm- und Ranchstadt, die sich in diesen Jahren in eine der ersten Städte des Erdölrausches verwandelte. Allerlei Gesindel spülte der neue Reichtum in die Stadt.

Der junge Woody trug Zeitungen aus, sang all die Lieder, die er aufschnappte, tänzelt durch die Straßen. Die ersten Phonographen kamen auf und schluckten die Pennies, die der Junge verdiente. Er hörte Lieder wie „The Dream of the Miners Child”, „Sinking of the Titanic“, „Drunkards Dream”, “Sailor Plea”, “It was sad when that Great Ship went down.”

Der Vater redete mit den Neuankömmlingen, machte mit ihnen Geschäfte und baute ein neues Haus mit sechs Zimmern.

Er war dem Tempo der neuen Zeit gewachsen, nicht so die Mutter, sie begann düstere Lieder zu singen, versank mehr und mehr in Melancholie, die dann wieder von plötzlichen Wutausbrüchen abgelöst wurde.

Dann brannte das neue Haus nieder. Die Familie zog mehrmals um, die Mutter bat den Vater, sich von den fragwürdigen Geschäften eines Grundstücksmaklers zurückzuziehen.

Der Junge hörte ihn sich in einem merkwürdigen Sprechgesang von indianischen und schwarzen Liedern artikulieren, wenn er die Straße herunterritt oder die Pferde rief. Alles hatte etwas von einem Lied. Aber mit den Geschäften ging es bergab. Der Vater sagte dem Sohn, er sei wohl der einzige Mann auf der Welt, der über dreißig Tage hin jeden Tag ein Grundstück verloren habe.

Dann traf die Familie eine weitere Katastrophe. Nach einem Streit mit der Mutter übergoss die Schwester Clare ihr Kleid mit Kohlenöl und zündete sich an.

Ihr Verbrennungen waren so schwer, dass sie daran starb. Die Anfälle von Wahnvorstellungen bei der Mutter wurden schlimmer und schlimmer. Eines Tages warf sie eine Kerosinlampe nach ihrem Mann, der auf dem Sofa lag und Zeitung las. Auch Woodys Vater wurde schwer verletzt. Zur Genesung fuhr er auf die Weizenfarm der Schwes­ter nach Texas. Die Mutter musste in die Staatliche Irrenanstalt in Norman eingeliefert werden. Sie verließ die Heilanstalt bis zu ihrem Tod nie mehr.

Woody trampte nach Süden, kam nach Houston, Galveston, nahm verschiedene Jobs an, pflückte Obst, war Holzfäller, half bei der Zementherstellung und beim Bohren nach Wasserquellen. Er war nun dreizehn, vierzehn Jahre alt. Er hatte seine Mundharmonika dabei und spielte in Friseursalons, an Schuhputzständen, vor Billardhallen. Er lernte alle Tricks, ohne die man auf der Straße nicht überleben kann.

Er kam in die Erdölstadt Pampa, bekam einen Job in einem Geschäft. Er besaß eine alte, geborstene Gitarre. Jeff, der Halbbruder des Vaters, lehrte den Jungen die Akkorde. Und es dauerte nicht lange, da spielten die beiden in der Stadt, auf Veranstaltungen der Handelskammer, bei Rodeos, auf Messen. Sie spielten, wo immer sich eine Chance für sie bot, und indem sie spielten, lernten sie ihre Instrumente beherrschen.

In diesen Tagen begann auch Woody zu singen.

Jeff und seine Frau Allene kauften sich feinere Kleider und traten als Zauberschau auf. Das ging so mehrere Jahre. Umherziehen, Sams­tag/Sonntag in Schulhäusern auftreten, immer unterwegs, bis irgendwann der Schlamm in den Ebenen an den Rädern kleben blieb oder sie mit leerem Tank und dünnen Brieftaschen in einen der Staubstürme gerieten, die durch die Ölfelder, die Weizenfelder und die Rinderweiden rasten und die Familien, die dort wohnten, um ihre gesamte Habe brachten und die Vagabundierenden zwang, die alte kurvenreiche Straße nach Westen einzuschlagen.

Woody heiratete ein irisches Mädchen, Mary Jennings, und die beiden lebten in einem elenden Schuppen in einer der Erdölstädte, bis sie kaum noch Kleider, kein Geld, keine Nahrungsmittel, aber zwei Kinder besaßen, zwei Mädchen, Sue und Teeny.

Woody brach bald wieder zu einem Erkundungstramp auf. Er hatte eine Handvoll Pinsel und eine Gitarre dabei. Er strich am Tage Fensterrahmen, malte Poster, Show-Plakate, Straßenschilder und abends machte er Musik. Ein paar Mal fuhr er die Westküste rauf und runter. In Glendale traf er die Crissman Familie. Das Ehepaar hatte zwei Töchter. Mary Ruth und Lefty Lou. Letztere war ein hochgewachsenes, schmalgesichtiges Missouri-Farm-Girl mit einer rauen Stimme, zu der Woody seine Gitarre anschlug.

Ihre Lieder gingen über den Sender KFVD in den Äther.

Die Station gehörte einem Wahlkampfmanager, und sie waren so erfolgreich, dass es Fanpost zu Tausenden schneite und man sie auch nach Mexiko einlud.

Woody wollte nach New York.

Es ging über Gebirge und durch Wüsten.

Bei seinem Bruder Roy borgte er sich 35 Dollar für Benzingeld.

In New York sang er auf Kundgebungen der Gewerkschaft IWO und schrieb Artikel für eine kommunistische Parteizeitung.

Er traf Alan Lomax, einen Mann, der amerikanische Volkslieder und Blues sammelte, der ihn mit nach Washington nahm und viele Stunden Volksmusik für die Sammlung der Library of Congress mit Woody aufnahm.

Woody spielte Schallplatten unter dem Titel „The Dust Bowl Ballads“ ein.

Er schickte Mary und die Kinder nach Oklahoma, trat in Radio-Sendungen in New York auf, konnte sich einen Pontiac kaufen.

Er kreuzte wieder hinüber nach Kalifornien und sang vor den Männern, die am Columbia River im Arbeitsbeschaffungsprogramm der Roosevelt-Regierung den Bonnevillle und den Grand Coulee-Staudamm bauten.

Und so weiter und so weiter … Quecksilber in den Füßen und in den Fingern.

Kaum einer der großen Folksänger, mit dem er nicht auftrat:

Pete Seeger, Cisco Houston oder das Bluesgenie Blind Sonny Terry, der auf seiner Mundharmonika wie ein Wildtaube gurren konnte! Er traf den Bluessänger Huddie Leadbetter aus Louisiana in New York und von ihm erzählt er:

„Nach dem Frühstück setzte sich Leadbelly in der Wohnung, in der seine Frau Marta und er in der Tenth Street East lebten, ans Fenster und stimmte seine zwölfsaitige Stella, ließ die Finger auf und nieder über den Hals gleiten, etwa so wie ein Museumsaufseher verzückt seine Finger über den Rahmen des besten Bildes gleiten lässt, und wenn man ihn dann um ein Stück bat, damit man warm würde für die Jagd nach einem Job oder nach Kohle, legte er los. Was er dann spielte, gefiel mir besser als alles, was er sonst auf der Bühne oder in Studios brachte …

Er hatte ein langsame, leichte und tiefe Art an sich und ließ mich spüren, was für eine Stärke in den kleinen Bällen seiner Fingerkuppen saß, und seine Einfälle glichen der Farbe der Lichter, die vom Himmel in sein Gesicht fielen.

Ich ging mit Leadbelly überall dorthin, wo er auftrat, in die Schulen, die Kirche, das Theater, das Radio-Studio, in die Cocktail-Clubs und zu einer Outdoor Rally, und wir redeten, argumentierten und theoretisierten über die Zustände, die unser Leben und die Welt um uns vergifteten.

Was die Leute an ihm schätzten, war seine kämpferische Kraft. Die­selbe Kraft von Männern, die aus einem Kriegsgefangenenlager heraus­wollen, und die sie singen, weinen und tanzen macht, wenn sie sich aus einem Todeslager befreit sehen.

Leadbelly hatte jede Unze dieser Kraft, um sich am Leben zu halten, auf der Straße gefunden, die er gekommen war. Die Straße, auf der er gekommen war, war rau und wild, sie war schmutzig, hatte viele Schlaglöcher, und man kam auf den Hund, verkam, wurde nackt und hungrig.

Es war ein Straße mit verwahrlosten alten Schuppen so alt, vielleicht sogar älter als der seines Daddys und des Daddys seines Daddys. Voranzukommen war schwer, und man schritt gegen starken Wind aus. Er rauchte nicht, spielte nicht Poker oder Würfeln. Er vertat seine Zeit nicht mit derlei. Der Künstler in ihm war ein hungriges Wesen, hungrig darauf, sich selbst in den besten Kleidern zu sehen, in der besten Straße, im besten Zimmer, im besten Wagen der besten Welt. Er wusste, er konnte seinen Leuten, den Schwarzen, überall helfen weiterzukämpfen und ihren Mut zu bewahren, wenn er auftrat. Das war das Gefühl, das er in seiner Seele vorfand, und das Gefühl, das ihn bei der Berührung seiner ersten Gitarre überkommen hatte. Das war die Vision, die er hatte. Das war seine Art. Das Empfinden, das aus der Musikbox in seinen Hände sprang, ein Gefühl sage ich, das dem Heimatlosen Mut macht, seinen Geist sich ausdehnen ließ und ihn sagen hieß: „Das ist meine Art.“ 1

Während des Krieges auf Schiffen der Handelsmarine, wurde Woody zweimal torpediert, kam in die USA zurück, ließ sich von seiner ersten Frau scheiden und heiratete eine Tanzlehrerin, Marjorie Mazia.

… bis 1953 eine seltene, unheilbare Krankheit - Huntingtons Chorea - ihn zu lähmen begann.

Anfang der fünfziger Jahre – das waren schlimme Zeiten für die Folksänger und Musiker in den USA.

Es war die Zeit der Hexenjagden des Senators McCarthy auf Kommunisten und solche, die auch nur im Entferntesten in Verdacht standen, mit den „Roten“ zu sympathisieren.

Der große schwarze Sänger Earl Robinson fand keine Engagements mehr und fristete sein Leben als Musiklehrer in einer Privatschule.

Sonny Terry und Brownie McGee zogen sich in die relative Sicherheit und Obskurität Harlems zurück.

Burl Ives, Sänger und Volksliedsammler, kooperierte mit dem Untersuchungsausschuss für Unamerikanische Aktivitäten des Kommunistenjägers McCarthy und belastete seine alten Gefährten.

Frech schrieb Irwing Silver, der nie ein Blatt vor den Mund nahm, in der Zeitschrift „Sing Out“:

„Man kann auf Burl Ives Zukunft gespannt sein, man hat noch nie jemanden singen gehört, der vorher auf dem Bauch gekrochen ist.“

Woody war aus dem Krankenhaus entlassen worden.

Zurück lagen Zustände von Benommenheit und aggressive Ausbrüche, wegen derer die Ärzte seiner zweiten Frau Majorie in Hinblick auf die Kinder zur Scheidung geraten hatten.

Die Krankheit verschlimmerte sich über jene acht Jahre hin, die ihm noch blieben. Als Ursache diagnostizierten die Ärzte seine jahrelangen Alkoholexzesse, eine Erbanlage von Seiten der Mutter. Seinen Ärzten misstraute Woody. Tatsächlich konnten sie ihm ja auch kaum helfen. Eines der Lieder aus dieser Zeit hat den Text:

Christus, du bist noch mein bester Doktor,

Jesus, du bist doch mein bester Doktor,

Christus, du bist mein bester Doktor,

Du heilst all meine Schmerzen.

Auch seine zweite Ehe scheiterte. Anneke, seine dritte Frau, lief davon, ließ sich schließlich in Mexiko von ihm scheiden. Ihre gemeinsame Tochter Lorina gab sie zur Adoption frei.

Die letzten Jahre in Woodys Leben waren traurig, mehr als traurig. Vor allem belastete ihn die Vorstellung, er könne seinen Kindern die tückische Krankheit vererbt haben. Die Chancen dafür standen nach Auskunft der Ärzte fünfzig zu fünfzig.

Er schrieb nichts mehr.

Aber plötzlich entstand dann ein Mythos um ihn.

Es hieß:

Woody Guthry war der Sohn eines reichen Ranchers und ist von daheim davongelaufen.

Woody fährt mit einem Schiff nach Alaska.

Er hat einen Mann getötet.

Er ist an Syphilis gestorben.

Er trampt immer noch irgendwo auf Güterzügen.

Um diese Zeit wurden Woodys Lieder durch ein neues Interesse an Folksongs wieder weit verbreitet und beliebt, Reminiszenzen aus romantischer Zeit, von der kaum einer wusste, wie hart das Leben, das junge Leute jetzt als frei und ungebunden bewunderten, damals in Wirklichkeit gewesen war.

Woodys Songs waren plötzlich „in“, spielten relativ hohe Tantiemen ein.

Sie beliefen sich jährlich auf um die 50.000 Dollar.

Die Krankheit, unter der Woody litt, war inzwischen genauer erforscht worden, Studien über die Erblinien hatten ergeben, dass in Familien, bei denen sie auftrat, angeblich eine Tendenz zu Kinderreichtum, Sexual­delikten, Depressionen und Selbstmord bestand.

Dann, als sich seine Krankheit dramatisch verschlechterte und er das Krankenhaus nicht mehr verlassen konnte, entdeckte ihn und seine Lieder als Vorbild ein junger Sänger aus dem amerikanischen Mittelwesten, der später unter dem Namen Bob Dylan weltberühmt wurde.

Einer seiner frühesten Songs, den er zu einer Melodie aus dem Jahr 1913 sang, trägt den Titel „Song to Woody“:

Hey, Woody Guthrie, but I know that you know

All the things that I’m a-sayin’ an’ many times more.

I’m a-sing’ you the song, but I a-can’t sing enough

’Cause there’s not many men that does the things

That you’ve done

Eines der letzten Ereignisse, die Woody vor seinem Sterben freudig wahrnahm, war eine Aufnahme seines Sohnes. Arlo Guthrie hatte einen langen talkin blues geschrieben, der erzählt, wie er wegen Umweltverschmutzung in Stockbridge, Massachusetts verhaftet worden war und später dieses Vergehen dazu benutzt hatte, sich als Vorbestrafter der Einberufung zum Militär und damit der Teilnahme am Krieg in Vietnam zu entziehen.

Dieser Sprechgesang, der Arlo mit neunzehn einen größeren finanziellen Erfolg brachte, als Woody ihn während seines ganzen Lebens gesehen hatte, wurde zusammengehalten von einem einprägsamen Chorus, einem kleinen Lied, das der Folksänger zur Radiowerbung für das Restaurant eines Freundes verfasst hatte:

You can get anything you want at Alice’s Restaurant

Walk right in, it’s around the back.

Just half a mile from the railroad track.

You can get anything you want at Alice’s Restaurant.

Jener Text aber, der Woodys Leben auf den Punkt bringt, ist weitgehend unbekannt geblieben. Man könnte ihn den Blues seines Lebens nennen:

„Das Wort, das ich sagen will,

ist leicht zu sagen.

Das Wort, das ich wirklich sagen will,

ist schwer zu finden.

Das Merkwürdige an diesem Wort ist,

dass es nicht ein bestimmtes Wort darstellt,

sondern anklingt an den Ton eines jeden Wortes.

Es ist das Wort, das in all den anderen Worten enthalten ist,

das Wort, das unseren Worten Ausprägung und Gestalt gibt

und einen klaren Sinn.

Es ist das freie Wort,

das kein Gefängnis einsperren kann,

keine Zelle wegschließen,

keine Kette fortschleifen,

kein Seil für das Lynchen erwürgen,

keine Waffe verletzen kann.

Ich behaupte, dieses Wort ist das eine Wort,

das Demokratie definiert,

sie lebendig erhält,

jene Demokratie, die mich am Leben erhält,

und ich halte dieses eine Wort am Leben,

weil es all jene Menschen am Leben erhält,

die da leben, arbeiten, lieben,

denen es darum geht,

mehr zu wissen und mehr zu empfinden.

Das ist das Wort,

das ich auffinden und aussprechen möchte.“ 2

Am 3. Oktober 1967 starb Woody Guthrie.

Am Abend vor seinem Ableben hatte ihn seine zweite Frau Marjorie im Krankenhaus besucht und einen Priester dazugebeten, um, obwohl Woody nicht katholisch war, den 23. Psalm für ihn zu lesen:

„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln …“

Die Leiche wurde eingeäschert.

Als Marjorie die Urne mit der Asche zugestellt bekam, soll sie zu ihrem Sohn Arlo gesagt haben:

„Was, meinst du, hätte Woody bei einer solchen Gelegenheit nun wohl vorgeschlagen zu tun?“

„Ich schätze, er hätte gesagt: ‚Auf, gehen wir zu Nathan’s und bestellen wir uns einen hot dog!‘ “

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