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Thailand und die Thais

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Die Thais hatten etwas, was ich nicht hatte – zumindest in meiner Vorstellung.

Mir schien, sie akzeptierten das Leben wie es war. Gelassen und ohne Aufhebens taten sie, was zu tun war. Natürlich: Ich wollte sie auch so.

Dass nicht wenige das mit der Hilfe von Beruhigungsmitteln tun, erfuhr ich erst Jahre später von einem Freund, der in Asien in der Pharma-Branche tätig ist.

Dazu kam: sie waren höflich, freundlich, nett und lächelten viel. Das ist angenehm – ob es nun, wie nicht wenige Westler wähnen, aufgesetzt und scheinheilig ist. Als wir in unserem Thai-Kurs gefragt wurden, was uns an Thailand gefalle, waren wir uns (von Japan bis zur Schweiz) alle einig: Die Thais. Und das Essen.

In der Schweiz hört man von Fremden auf diese Frage jeweils: Die Landschaft.

Hauptsache, es sieht gut aus, denn es ist der Schein, worum es geht. Dahinter ist nichts weiter, denn die Dinge sind, wie sie scheinen und wie sie scheinen, so sind sie. Deswegen konstatieren die Thais auch immer das Offensichtliche. Mache ich einen Thai auf einen wunderschönen Vogel aufmerksam, guckt der hin und sagt: Vogel.

Mich hat diese Sicht der Dinge, die mir, der ich dauernd nach Bedeutungsvollem suche, so recht eigentlich fremder nicht hätte sein können, fasziniert und befreit. „The Buddhist materialist analysis of phenomena is … not meant to attack the surface of things, but to destroy their depth“, schreibt Mont Redmond in seinem Wondering into Thai Culture. Die Dinge, auf der spirituellen Ebene, waren einfach und banal und offensichtlich. A rose is a rose is a rose. Nimmt man sich fürs Betrachten der Rose die nötige Musse, begreift man, dass die Rose auch gar nicht mehr zu sein braucht.

Mein Freund Sukit ist Arzt in Trang, einer Stadt im Süden des Landes. Eines Abends fragt er, ob ich zu einer Totenwache mitkommen wolle. Ich wisse nicht, ob ich als Fremder dahin gehöre, wehre ich ab. Aber es ist der Vater meines Schwagers, und den kennst du. Ich gehe mit.

Bei der Aufbahrungshalle angekommen, stellt Sukit mich den Anwesenden vor. Die meisten sind beim Essen – in Thailand begrüsst man sich nicht mit „Hallo, wie geht’s?“ sondern mit „Hast du schon gegessen?“ Einer, der sich als der Sarghersteller entpuppt und schon ziemlich betrunken ist, will unbedingt den Sarg aufmachen, um mir sein Werk auch von innen zu zeigen, und kann nur schwer davon abgebracht werden.

Als wir die Halle verlassen, bemerke ich vor der Tür ein grosses Schild auf dem der Name und das Alter des Verstorbenen angegeben ist. Achtzig ist er geworden. Ein hohes Alter, bemerke ich. Na ja, sagt Sukit, eigentlich ist er ja achtundsiebzig gewesen, doch es hätte ihm sicher gefallen, wenn er achtzig geworden wäre.

Sind die Thais wirklich anders als Schweizer? Genauer: Sind die Thais, die ich gesehen, getroffen und beobachtet, mit denen ich geredet, gegessen und getrunken habe, wirklich so viel anders als ich, der Schweizer?

Selbstverständlich – schliesslich sehen sie anders aus, sind sie in einer anderen Landschaft, in einem andern Klima herangewachsen. „Was macht ihr am liebsten?“ wurden thailändische Studenten gefragt. Sich hinlegen, Musik hören, essen – lauteten die Antworten, in dieser Reihenfolge. Und überhaupt: Wären sie nicht anders, hätte ich ja gleich in der Schweiz bleiben können.

Als The Nation einmal Thailänderinnen, die mit Amerikanern verheiratet waren, fragte, was sie denn ihren thailändischen Schwestern, die sich mit der Absicht trügen, einen Ami zu heiraten, mit auf den Weg geben würden: Den Amis sei wichtiger, so die Antwort, „to get the job done than to look good at work.“

In Valparaíso und anderswo

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