Читать книгу Der eiserne Gustav - Ханс Фаллада - Страница 30

8

Оглавление

Sie waren noch ein Stück die Frankfurter Allee hinausgegangen, die Häuser standen immer spärlicher. Dann kamen Gärten, kleine Feldstücke – und nun lag das erste richtige große Kornfeld vor ihnen: Roggen.

»Sieh mal, Bubi, Roggen, Korn, angemäht, aber nicht weitergemäht. Der ist längst reif. Denen ist auch der Krieg dazwischengekommen. Wer das nun wohl erntet?«

Er sah über die weiten Felder, alles war still und verlassen. Kein Mensch war an der Arbeit zu sehen, nur auf den Straßen liefen und fuhren sie eilig.

»Es wird schon so kommen, Bubi, wie ich heute früh zu Rabause gesagt habe: Die Frauen werden jetzt die Männerarbeit machen müssen.«

»Mutter auch?«

»Natürlich. Mutter auch.«

»Na, Vater ...«

»Was ist mit Mutter? Wenn sie muß, wird sie schon können. Ich will heute nachmittag auch sehen, daß ich mich stelle als Freiwilliger.«

»Aber du bist doch zu alt, Vater! Und dann hast du immer mit dem Herzen zu tun.«

»Ich habe gar nichts mit dem Herzen!«

»Doch – manchmal wirst du ganz blau, Vater!«

»Also! Ich werde mich stellen, und sie werden mich nehmen. Du wirst sehen!«

»Aber ...«

»Sie werden mich nehmen! Und nun halte den Mund, Bubi!«

»Dann nehmen sie mich auch, Vater!«

»Du sollst den Mund halten, Bubi!!«

Eine Weile gingen sie schweigend. Sie bogen in einen Feldweg, vor ihnen lag erhöht ein Bahndamm.

»Wohin geht denn die Bahn, Vater?«

»Nach Strausberg, Bubi. Und dann immer weiter nach dem Osten, bis nach Posen oder nach Rußland ...«

»Da kommt ein Zug, Vater!«

»Ja, ich sehe ihn auch ...«

Von Berlin her kam, hinter zwei schnaufenden Lokomotiven, ein Zug, ein Zug mit vielen Viehwagen, deren Türen zurückgeschoben waren. Aus den Viehwagen sahen Pferdeköpfe heraus, in den Türen standen Soldaten, feldgraue Soldaten, und auf den offenen Wagen standen – Bubi jubelte – Kanonen! Es war der erste Zug, der vor ihren Augen in den Krieg fuhr, und Vater und Sohn waren gleich aufgeregt.

»Vater! Vater! Sie fahren in den Krieg! Sie fahren gegen die Russen! Hurra, ihr!« schrie Bubi. »Haut sie tüchtig!«

Die Soldaten winkten lachend zurück. Auch der Vater schrie hurra und winkte. Wagen um Wagen ...

»Einundvierzig, zweiundvierzig ...«, zählte Bubi. Und: »Vater, was ist das? Das schwarze Dings mit dem Schornstein? Das sieht ja komisch aus! Ist das auch zum Schießen?«

»Das ist eine Feldküche, Heinz. Gulaschkanone sagt man auch«, erklärte der Vater. »Daraus wird bloß Essen geschossen ...«

»Vierundvierzig, fünfundvierzig ...«, zählte Heinz eifrig weiter. »Vater, es sind siebenundvierzig Wagen ohne den Kohlenwagen ...«

»Bubi!« flüsterte Hackendahl.

»Was denn, Vater?«

»Nicht so laut! – Bubi, kuck mal dahin, nach dem Busch rechts ... Aber nicht so, daß es auffällt, ganz unauffällig ... Siehst du den Mann im Weidengebüsch?«

»Doch!«

»Kuck weg, jetzt sieht er zu uns hin. Tu mal so, als ob du dein Schuhband bindest. – Was macht der Mann denn hier so allein im Busch? Das sieht doch ganz aus, als hätte er sich versteckt.«

Bubi knüpfte an seinem Schuhband, dabei schielte er.

»Vater, jetzt hat er was Weißes in die Tasche gesteckt, sieht ganz wie Papier aus. Ob er den Zug aufgeschrieben hat ...?«

»Was hat er den Zug aufzuschreiben?« knurrte Hackendahl.

»Die Soldaten, die Pferde, die Kanonen? Ob es ein Spion ist, Vater?!«

»Ruhig, Bubi, nicht so laut! Er sieht wieder her! Warum guckt er immer zu uns? Wir gehen ihn doch gar nichts an ...«

»Er hat ein schlechtes Gewissen, Vater – das ist ein Spion!«

»Man muß kaltblütig überlegen. Was hat er hier an der einsamen Stelle zu suchen? Wenn wir nicht ganz zufällig gekommen wären ...«

»Vater! Vater!! Jetzt pfeift er ... Ob noch mehr hier sind?«

»Möglich ist alles!«

»Vater, komm, wir gehen hin zu ihm, wir fragen ihn, was er hier sucht. Wenn er uns dann nicht ansehen kann, nehmen wir ihn fest.«

»Wir können ihn doch nicht festnehmen! Dann läuft er uns bloß weg.«

»Ich kann schneller laufen.«

»Aber du kannst ihn nicht allein festhalten – und ich komme nicht nach, wegen meines Herzens.«

»Siehst du? Doch dein Herz!«

»Ruhig jetzt! – Er hat gemerkt, daß wir ihn beobachten. Er haut ab. Gehen wir hinterher!«

»Los, Vater!«

»Langsam doch, Bubi, nur nicht den Kopf verlieren! Es muß ganz so aussehen, als gingen wir spazieren, er darf keinen Verdacht schöpfen ...«

»Er geht zur Chaussee rüber.«

»Natürlich, er will sich unter den Leuten verkrümeln ...«

»Den kriegen wir doch noch, Vater ...«

»Hast du gesehen, er hat sich wieder nach uns umgedreht! Er hat schon Angst!«

Vater und Sohn waren gleichermaßen im Feuer, Jugend wie Alter brannten lichterloh. Sie gingen dem verdächtigen Manne nach, sie taten so unverdächtig, daß sie dem Harmlosesten aufgefallen wären. Sie zeigten sich mit ausgestrecktem Arm eine Lerche im Himmelsblau und ließen den Kerl nicht einen Moment aus dem Auge. Wenn er langsamer ging, blieben sie stehen. Bubi pflückte eine Blume, Vater summte: »Gloria, Viktoria.« Dann gingen sie weiter, und der Mann, der sich nach ihnen umgedreht hatte, lief schneller ...

»Er reißt aus, Vater!«

»So schnell kann ich auch noch laufen!«

Aber Hackendahl keuchte schon. Es war nicht nur das Herz, es war nicht nur die Hitze – es war die Aufregung: ein Spion! Die Chaussee war ganz nah, die Chaussee war voller Leute ...

»Wir können einem Radfahrer Bescheid sagen«, tröstete Hackendahl. »Ein Radfahrer holt ihn immer ein ...«

Der Mann hatte die Chaussee fast laufend erreicht. Aber nun floh er nicht weiter, er hielt ein paar Männer an, er sprach aufgeregt mit ihnen ...

»Ob das seine Spießgesellen sind?« fragte Bubi.

»Wir werden gleich sehen ...«, stöhnte Hackendahl atemlos, blaurot.

Die Männer, der Verfolgte in ihrer Mitte, sahen den beiden stumm entgegen.

»Das sind sie!« rief der Mann aus dem Busch, unnötig laut.

Hackendahl trat auf die Straße, eng scharten die Männer sich um ihn und den Sohn, ihre Gesichter sahen drohend aus.

»Meine Herren!« sagte Hackendahl. »Das ist ein ...«

»Hören Se mal«, sagte ein junger blaßgesichtiger Mann, »wat haben Se denn da eben an der Bahn jemacht?«

»Der Mann da«, rief Hackendahl und wies mit dem Finger, »hat sich in einem Busch versteckt und Notizen über einen Militärzug gemacht!«

»Ich?!« schrie der andere. »So eine Unverschämtheit! Jetzt kehrt der den Spieß um! Ich habe genau gehört, wie Ihr Rotzjunge die Wagen gezählt hat – Sie Spion, Sie!«

»Sie sind ein Spion!« schrie Hackendahl und wurde noch röter. »Mein Junge hat genau gesehen, wie Sie was Weißes in die Tasche gesteckt haben!«

»Und Sie ...?!« schrie der andere. »Wer hat so getan, als pflückte er Blumen? Sehen Sie wie Blumenpflücken aus? Sie sind ja schon ganz rot vor schlechtem Gewissen!«

Verwirrt hatten die Männer die sich steigernden Beschuldigungen angehört. Unschlüssig sahen sie von einem zum anderen, tauschten fragende Blicke.

»Vielleicht sind alles beides Spione?« fragte einer. »Und wissen bloß nichts voneinander?«

»Warum haben Sie sich denn im Busch versteckt?« fragte ein ernster, bärtiger Mann den Blassen. »Das klingt doch sehr verdächtig.«

»Ich habe ein natürliches Bedürfnis befriedigt«, erklärte der Blasse.

»Was Weißes hat er in die Tasche gesteckt!« rief Hackendahl.

»Klopapier!« rief der andere. »Ich trage immer Klopapier bei mir – für alle Fälle!«

Und er wies es vor.

»Und warum hat Ihr Junge die Wagen gezählt?« fragte der ernste Bärtige wieder. »Das klingt doch sehr verdächtig.«

»Aber nur so!« rief Hackendahl zornig. »Jungen machen das immer so!«

»Das ist keine Begründung«, entschied der andere. »Kommen Sie mal mit – in der Frankfurter Allee werden wir schon einen Schutzmann treffen!«

»Aber ich kann mich ausweisen!« rief Hackendahl. »Ich habe Papiere!« Er schlug auf seine Tasche. »Ich war zur Pferdemusterung. Ich bin der Lohnfuhrunternehmer Hackendahl ...«

»Zeigen Sie mal her!« Der Bärtige sah die Papiere durch. »Das ist freilich in Ordnung – entschuldigen Sie bitte, Herr Hackendahl.«

»Bitte, bitte! Aber der Kerl ...«

»Bitte sehr, ich kann mich auch ausweisen! Ich gehe zur Musterung. Ich bin der Lehrer Krüger.«

Einige lächelten. Andere brummten ernst.

»Entschuldigen Sie auch, Herr Lehrer Krüger. Sie waren also alle beide keine Spione. Geben Sie sich die Hand ...«

»Herr Hackendahl, es tut mir sehr leid ...«

»Herr Krüger, Sie haben nur Ihre Pflicht getan ...«

»Gehen wir doch gemeinsam zurück ...«

Sie taten es, alle waren zufrieden, ein wenig gehoben. Nur Heinz zottelte unzufrieden nebenher; daß es nun doch kein Spion gewesen war, wurmte ihn sehr ...

Der eiserne Gustav

Подняться наверх