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Das Watt, die zweite

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In der Nacht hatte es stark geregnet. Als der Mann gegen sieben Uhr aufgestanden war, hatte er einen dumpfen Schmerz im Kopf gespürt, und die Wut war wieder in ihm hochgekommen. Eine Wut, die er nicht in den Griff bekam. Es musste wieder sein, hatte er schon am Morgen gewusst.

Es war ganz einfach gewesen, die Frau in seine Gewalt zu bekommen. Abends, nach Drehschluss hatte er auf einen günstigen Moment gewartet und die Maskenbildnerin abgepasst, als sie vor ihrem Hotel etwas frische Luft schnappen oder eine Zigarette rauchen wollte. Er hatte sie in ein Gespräch verwickelt, und sie hatte ihm geglaubt, als er sie unter einem Vorwand bat, ihm die paar Schritte zum kleinen Hafen zu folgen.

Wie naiv sie doch gewesen war. Ganz brav war sie mitgekommen.

Jetzt saß sie mit angstverzerrtem Gesicht mit ihm in einem Segelboot, in dem die Segel nicht gesetzt waren. Es wurde von einem alten Außenbordmotor, der hin und wieder Aussetzer hatte, angetrieben. Sie hatte erkannt, dass sie in eine Falle geraten war.

Er hatte ihre Füße zusammengebunden und ihr mit einem Knebel den Mund verschlossen. Er wusste nicht, dass sie selbst bei voller Bewegungsfreiheit nicht über Bord gesprungen wäre, denn schwimmen konnte sie nicht. Auch die Knebelung wäre nicht nötig gewesen, denn in der Weite des Jadebusens, auf dem mit der einbrechenden Nacht kein Schiff mehr war, hätte niemand ihre Schreie gehört.

Ein starker Ostwind hatte den ganzen Tag gezaust und graue Wolkenfetzen vor die Sonne getrieben. Mit dem Tidenwechsel waren die Wolken verschwunden, aber dafür war Nebel aufgetaucht und hatte sich wie ein Ölfilm auf die Wasseroberfläche gelegt. Grau dehnte sich die See, und sie fuhren durch die Wände der dicken Nebelbänke. Es war abfallendes Wasser, und der Mann rechnete aus, dass die Ebbe in einer Stunde ihren tiefsten Stand erreicht haben musste. Noch hatten sie die schwappenden Wellen des Jadebusens vor sich.

Es war das erste Mal, dass der Mann sprach, seit er die Frau gefesselt hatte. „Frauen an Bord bringen Unglück, sagt ein alter Seemannsspruch. Deshalb musst du weg.“

Der Mann spürte, wie eine neue Welle der Beunruhigung durch die Glieder der Frau brandete. „Es wird nicht mehr lange dauern“, fuhr er fort, „wir haben die Fahrrinne für die Tanker nach Wilhelmshaven gleich erreicht, und davor lassen wir uns trockenfallen.“

Inzwischen war das Wasser so weit gesunken, dass das Boot schon einige Male mit dem Kiel Grundberührung hatte. Und dann war es so weit. Das Boot schlingerte und machte keine Fahrt mehr. Der Mann stellte den Motor ab. Es dauerte nicht lange, und es legte sich leicht zur Seite.

Der Mann sah die Frau an. Jetzt, da er sich nicht mehr mit dem Manövrieren des Bootes beschäftigen musste, stieg wieder eine grenzenlose Wut in ihm hoch und staute sich auf. Diese Wut brauchte ein Ventil. Er hatte sich plötzlich nicht mehr unter Kontrolle. Mit beiden Händen umschloss er den Hals der Frau und drückte zu, bis die Augen seines Opfers hervorquollen, der Mund sich schloss und die gurgelnden Laute verstummten. Er ließ die Hände von der Frau, die daraufhin wie ein nasser Sack aufs Schiffsdeck fiel und die Schräge ein Stück herunterrutschte. Als die Frau tot war, gelang es ihm, die Kontrolle über sich selbst wiederzugewinnen. Er packte den Körper unter den Armen und zog ihn schleifend zur Fahrrinne.

Nachdem er sich aufgerichtet und ein paarmal tief durchgeatmet hatte, bückte er sich zur Frau hinunter und stieß sie mit beiden Händen ins Wasser. „Den Rest machen sicher die Schiffsschrauben der Öltanker“, murmelte er, „da bleibt nicht viel von dir übrig.“

Er ging zurück zum Boot und nahm aus dem Werkzeugkasten ein Beil. Mit wuchtigen Hieben schlug er ein Leck in den Schiffsboden. Das Beil schleuderte er dann in hohem Bogen in die Fahrrinne.

Inzwischen hatte ihn wieder die bleierne Schwere seiner Depressionen beschlichen, und er spürte, wie aus dem Watt ein muffiger Geruch nach abgestorbenem Seegras aufkam. Er musste sich schnellstens zurück auf den Weg zum Deich machen, damit es kein Wettlauf mit der aufkommenden Flut würde. Das Durchschwimmen oder Durchwaten einiger Priele würde für ihn kein Hindernis darstellen.

Ein Mordsdreh am Jadebusen

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