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17. Juni 1921

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»Schon wieder ne Deern.« Der junge Wachtmeister Dirk Murken legte seinem Chef, Kriminalkommissar Logemann, im Bremer Polizeipräsidium die Vermisstenmeldung auf den Schreibtisch.

Harm Logemann überflog die Zeilen: Paula Lehmkuhl, zehn Jahre alt, vermisst seit gestern Nachmittag im Bereich Findorff-Utbremen. »Verdammter Schiet«, entfuhr es ihm, »und wieder eine Paula.«

Murken räusperte sich: »Ich habe schon alles Nötige veranlasst, die Suchaktion ist eingeleitet.«

Kommissar Logemann nahm seinen Mantel vom Haken. »Kommen Sie, Murken, wir wollen uns vor Ort umsehen.«

Auf dem Weg ins Bremer Findorffviertel rekapitulierte Logemann die bisherigen Vorgänge: »Seit dem siebten Juni sind jetzt vier Mädchen zwischen neun und elf Jahren mit dem Vornamen Paula aus den Stadtvierteln Findorff und Utbremen spurlos verschwunden.«

Murken ergänzte: »Paula Stein, Paula Schütte, Paula Cordes und gestern Paula Lehmkuhl. Alle mit dem Vornamen Paula, wie Ihre Tochter, Herr Kommissar.«

»Das weiß ich auch, verdammt noch mal; aber bevor meiner Tochter ein Haar gekrümmt wird, werden wir den oder die Entführer hinter Schloss und Riegel gebracht haben, so wahr ich Harm Logemann heiße.«

Murken sagte nichts mehr.

Inzwischen waren die beiden auf dem Weg zum Findorffer Polizeirevier in der Fürther Straße angekommen. Ein Pferdegespann der Bremer Haake-Beck Brauerei, schwer mit Holzbierfässern beladen, kreuzte gerade die Hemmstraße. Der Kutscher ließ seine Peitsche knallen.

Als die beiden Beamten das Revier betreten hatten und mit Revierleiter Lüder Schnaars ein paar Begrüßungsfloskeln ausgetauscht hatten, erstattete der seinen Bericht: »Heute früh machten Cord und Becka Lehmkuhl eine Vermisstenmeldung. Ihre zehnjährige Tochter Paula ist seit gestern Nachmittag verschwunden. Sie hat gegen vierzehn Uhr, nachdem sie ihre Hausaufgaben gemacht hatte, das Haus verlassen, um mit dem Moor-Express nach Worpswede zu fahren und ihre Tante, Meta Tietjen, zu besuchen. Sie wollte in ihrem Garten Johannisbeeren pflücken und sich von der Tante einen Vers in ihr Poesiealbum schreiben lassen. Nachdem die kleine Paula gestern nicht zurückgekommen ist, haben die Eltern etwas leichtgläubig angenommen, dass ihr Kind – wie schon so oft – bei ihrer Tante übernachtet hätte. Die Tante ist aber heute Morgen mit dem ersten Moor-Express nach Bremen gekommen und hat vor einem geplanten Einkauf die Lehmkuhls besucht, weil Paula den Korb mit frischgepflückten Johannisbeeren in Worpswede vergessen hatte. Meta Tietjen hat ausgesagt, dass ihre Nichte den Moor-Express um achtzehn Uhr genommen hatte. Sie hat das Mädchen zur Bahn gebracht, die Abfahrt des Zuges nach Bremen jedoch nicht mehr abgewartet. Die Frau ist – natürlich genau wie die Eltern – total verzweifelt und macht sich Vorwürfe, dass sie die kleine Paula nicht zum Übernachten bei sich überredet hat.« Harm Logemann kratzte sich am Hinterkopf.

»Links und rechts der Gleise sind Suchmannschaften mit Spürhunden unterwegs; den Zugführer Hein Steinke können wir in einer halben Stunde bei der Ankunft aus Worpswede befragen«, sagte Murken.

Der Kommissar nickte: »Gut gemacht, Murken, also auf zum Bahnhof.«

Es fiel leichter Nieselregen, als sie auf dem nahegelegenem Bahnhof der Kleinbahn Bremen-Findorff – Worpswede eintrafen. Ungefähr zehn Leute warteten auf die Ankunft des Moor-Express aus Worpswede. Darunter einige junge Städter, die einen Ausflug an die Hamme ins Teufelsmoor machen wollten, und ein junger Maler, der in Bremen Malfarben, Pinsel und Leinwand gekauft hatte und zurück in sein Atelier in der Künstlerkolonie Worpswede wollte. Eine Großfamilie, Vater, Mutter und fünf Kinder – gewachsen wie die Orgelpfeifen –, die mit Botanisiertrommeln und Schmetterlingsnetzen ausgerüstet war, wollte eine naturkundliche Exkursion ins Teufelsmoor unternehmen. Auf einer Bank der Station saßen zwei Invaliden des Weltkrieges. Einer der beiden hatte nur einen Arm und ein durch Granatensplitter entstelltes Gesicht. Der andere war blind.

Als der Stationsbeamte die in Kürze erfolgende Ankunft des Zuges per Lautsprecher ankündigte, stürmte in großer Eile eine junge, sportliche Frau mit einer flotten Mütze schräg auf den blonden Locken auf den Bahnsteig, blieb vor den beiden Polizeibeamten stehen und stellte sich vor: »Lena Geffken vom Bremer Kurier. Ich habe von der neuen Vermisstenmeldung erfahren. Haben Sie schon Erkenntnisse? Wann gibt es eine Pressekonferenz oder zumindest eine Pressemitteilung? Unsere Leser haben ein Anrecht auf Informationen!«

Harm Logemann unterbrach den Redeschwall der Reporterin: »Nun mal langsam, junges Fräulein, wenn es etwas Neues gibt, werden Sie es erfahren.«

Sein Mitarbeiter, Dirk Murken, konnte seinen Blick nicht von der attraktiven Reporterin lassen, bis ihm sein Chef in die Seite stieß: »Da kommt der Zug, Murken, sprechen wir doch mal mit dem Zugführer«, und zu der jungen Reporterin gewandt, »und zwar ohne Sie.«

Unter lautem Getöse und Gequietsche der Zugbremsen und dabei dicke Rauchwolken aus dem Schornstein der Dampflok stoßend, kam der Moor-Express zum Stehen. Frauen mit Kopftüchern, in dicken, groben, langen Röcken unschwer als Moorbäuerinnen zu erkennen, schleppten große Körbe mit Obst, Gemüse und lebendem Federvieh wie Gänsen, Enten, und Hühnern aus dem Zug auf den Bahnsteig. Sie hofften, auf dem nahen Markt auf der Bürgerweide Abnehmer dafür zu finden.

Hein Steinke, der Zugführer, sprang aus seiner Lok und kämpfte sich durch das Getümmel der aussteigenden und wartenden Menschen zum Dienstraum des Stationsbeamten durch.

Auch Logemann und Murken begaben sich dorthin.

Nach der Begrüßung schüttelte Hein Steinke den Kopf. »Tut mir leid, ich habe wieder nichts Auffälliges während der Fahrt gesehen. Und auf den Stationen ist mir auch nichts aufgefallen. Auch Helmke, mein Heizer, hat seine Augen offengehalten – ihm ist ebenso nichts Ungewöhnliches aufgefallen.«

Logemann knirschte mit den Zähnen und wandte sich an den Wachtmeister: »Murken, die nächste Fahrt machen Sie mit, einmal Worpswede hin und zurück. Sehen Sie sich auf den Stationen um und schauen Sie sich die ein- und aussteigenden Leute genau an. In Worpswede gehen Sie zur Polizeistation und bitten den Ortspolizisten Johann Behrens – ein alter Kriegskamerad von mir –, mit Ihnen die Tante von Paula Lehmkuhl aufzusuchen. Vielleicht kann diese Meta Tietjen uns irgendwelche Hinweise geben.«

»In Ordnung, Chef.«

»Ich muss dann auch mal wieder, wenn ich den Fahrplan einhalten will«, ließ sich Zugführer Steinke vernehmen, hob grüßend seine Hand an die Dienstmütze und verließ den Raum.

»Na los, Murken, worauf warten Sie«, blaffte Logemann den Wachtmeister an, der daraufhin schleunigst dem Lokführer folgte.

Nachdem der Stationsbeamte das Signal zur Abfahrt des Zuges gegeben hatte, verließ der Moor-Express unter lautem Pfeifen den Findorffer Bahnhof zur Rückfahrt nach Worpswede.

Dirk Murken machte es sich auf einer der harten Holzbänke in einem der ersten Abteile so bequem wie möglich, schaute aus dem Fenster und ließ das Bremer Blockland an sich vorbeigleiten.

»Hier bin ich im Februar Schlittschuh gelaufen, die Wiesen werden im Winter immer unter Wasser gesetzt.«

Murken drehte sich überrascht um. Lena Geffken, die Reporterin vom Bremer Kurier, hatte das Abteil betreten. Sie setzte sich gegenüber von Murken auf den anderen Fensterplatz. »Ist Ihr Chef immer so muffköpfig?«

Murken hatte sich von seiner Überraschung erholt. »Nein, aber man muss ihn ja verstehen. Vier Mädchen verschwinden einfach so ohne jede Spur. Er leitet die Ermittlungen, bekommt Vorwürfe von oben und kann immer noch keine Ergebnisse vorweisen. Und dann der Druck der Presse, für den Sie ja auch wohl mitverantwortlich sind.«

»Nein – bis vorgestern jedenfalls nicht. Ich bin neu in der Lokalredaktion. Der Kollege, der zuständig war, hat gekündigt. Er hat ein Angebot von der Hamburger Abendpost bekommen.«

Murken riss sich vom Anblick der blonden Haare, der blauen Augen, der kleinen Stupsnase und der schnuckeligen Figur los. »Ich bin im Dienst.«

Lena Geffken lächelte. »Ich auch, da können wir ja zusammen ermitteln.« Dabei nahm sie ihre Mütze ab und schüttelte ihre blonden Locken.

Lautes Pfeifen der Lokomotive kündigte den Halt auf der Bahnstation Lilienthal an. Der Regen hatte inzwischen aufgehört. Mit einigen anderen Fahrgästen verließen der Wachtmeister und die Reporterin den Zug, um sich während des fünfzehnminütigen Aufenthaltes auf dem Bahnhofsgelände umzusehen. Aufmerksam betrachteten sie die ein- und aussteigenden Fahrgäste. Es waren wieder nur unauffällige Bürger; Lilienthaler, die in Bremen Einkäufe getätigt hatten und jetzt mit ihren vollen Taschen und Körben nach Hause wollten.

Murken und Lena Geffken stiegen wieder in den Zug. Auf den Bahnhöfen der Ortschaften Falkenberg, Worphausen und Mooringen bot sich ihnen das gleiche Bild: unauffällige Bürger, Bauern und Landarbeiter. Kinder waren weder im Zug noch auf den Bahnstationen zu sehen.

Schweigend fuhren sie der Endstation Worpswede entgegen. Als das Pfeifen der Lokomotive die Ankunft ankündigte, brach Murken die Stille zwischen ihnen: »Ich fahre noch nicht wieder zurück nach Bremen. Ich werde mich in der Bahnhofsgaststätte mal umhören und in Worpswede noch eine Zeugin befragen.«

»Ich muss leider zurück in die Redaktion. Ich arbeite gerade an einem Artikel über das Überseemuseum in Bremen und bin heute noch mit dem Museumsleiter verabredet.«

Auf dem Bahnhof verabschiedete Murken sich: »Schade, ich hoffe, dass wir uns auch mal privat sehen.«

Lena Geffken stieg wieder in den abfahrbereiten Zug und rief Murken aus dem Abteilfenster des anfahrenden Moor-Express zu: »Nun mal nicht so schnell, junger Mann. Aber Sie wissen ja, wo Sie mich finden können.« Damit verschwand sie im Abteil.

Murken sah sich um und betrachtete den von Heinrich Vogeler gestalteten Bahnhof, erinnerte sich an seinen Auftrag und ging zügigen Schrittes zur am Ende des Bahnhofsgebäudes gelegenen Gaststätte.

Beim Betreten des Gastraumes stellte er fest, dass das Lokal sehr gut besucht war. Er setzte sich an einen der letzten freien Tische und betrachtete die Gäste. Der Kleidung nach zu urteilen handelte es sich überwiegend um Torfbauern. Aber auch einige städtisch gekleidete Männer waren unter den Gästen. Am Tisch neben ihm saß ein junger Mann in einem langen Mantel, der offensichtlich angetrunken war und in sein leeres Bierglas starrte. Die Wirtin, eine etwas aufgedunsene, verschlagen wirkende und Murken an ein Eichhörnchen erinnernde Frau, brachte dem jungen Mann gerade ein neues Bier, wandte sich dann Murken zu und fragte nach seinen Wünschen. Er bestellte einen Kaffee und richtete sein Augenmerk auf drei Gäste an einem großen Tisch; offenbar der Stammtisch.

Die Männer, von denen zwei der Kleidung nach zu urteilen Torfbauern waren und der dritte, der elegant – mit gestärktem Hemd mit Stehkragen, Fliege und einem Dreiteiler – wie ein Städter am Sonntag gekleidet war, diskutierten lautstark – wie Murken unschwer mitanhören konnte – über die vermissten Mädchen.

Einer der drei, ein bulliger Glatzkopf, sagte gerade: »Man müsste dem Cord mal gehörig auf den Zahn fühlen, ich habe das ungute Gefühl, dass dieser Idiot etwas mit dem Verschwinden der Mädchen zu tun hat.«

Der neben ihm Sitzende – ein kleiner, gnomenhaft wirkender Mann – pflichtete ihm bei: »Ja, ich habe auch schon daran gedacht, dass dieser Schwachkopf Dreck am Stecken hat.«

Murken stand auf, ging zu dem Tisch mit den Männern und gab sich als im Fall der verschwundenen Mädchen ermittelnder Polizeibeamter zu erkennen. Mit einer Handbewegung lud der Glatzkopf ihn an ihren Tisch ein. Er stellte sich als Viehhändler Friedrich Wahlers aus Hüttenbusch vor, den neben ihm sitzenden Gnomenhaften als Berend Lankenau, Großbauer in Mooringen. Der Elegante, ein Mann mit leichtem Bauchansatz, wallendem Haupthaar und einem gewaltigen Schnurrbart, der an den eines ungarischen Pusztabauern erinnerte, stellte sich selbst vor: »Mein Name ist Frederic Arend, ich bin Kunsthändler, habe eine Galerie in Bremen. Ich halte in Worpswede Ausschau nach noch unbekannten Malern.«

Die bisher sehr angeregt geführte Unterhaltung der drei, die sie jetzt unterbrochen hatten, verriet Murken, dass ihre geröteten Gesichter nicht von der schon kräftigen Junisonne, sondern vom Alkohol stammten. Während der Viehhändler und der Großbauer zwei frische Biere und leere Schnapsgläser vor sich auf dem Tisch stehen hatten, trank der Kunsthändler Rotwein. Die Flasche Rotspon, die vor ihm stand, war halb geleert.

Murken kam zur Sache: »Wie war das mit dem Cord eben in Ihrem Gespräch?«

Viehhändler Wahlers polterte los: »Ja, ja, der Cord, Cord Wischhusen, den sollten Sie sich mal vornehmen, da war vor Jahren schon mal was mit zwei Bauernmägden.«

Der gnomenhafte Großbauer ergänzte: »Der gilt hier als der Dorftrottel, ich meine aber, dass das ein ganz durchtriebener Bursche ist.«

Während ihres Gesprächs verließ der angetrunkene junge Mann die Gaststätte. Kunsthändler Arend deutete hinter ihm her: »Der Lür, ein Jammer, ein so talentierter Maler, wenn nur der Suff nicht wäre. Die Amerikaner sind ganz scharf auf junge Worpsweder.«

Murken räusperte sich. »Den Cord Wischhusen, wo finde ich den?«

Lankenau machte eine ausholende Armbewegung: »Den finden Sie überall und nirgends. Er hilft den Bauern bei der Arbeit. Dafür bekommt er zu essen und darf bei ihnen im Stall schlafen. Oder er hilft den Künstlern beim Ausbau ihrer Ateliers. Wo er im Moment ist, kann ich nicht sagen.«

Murken bedankte sich und ging zur Theke, um seinen Kaffee zu bezahlen. Die Wirtin hielt Murken nach dem Bezahlen leicht am Ärmel fest. Sie beugte sich dicht an sein Ohr und flüsterte: »Ich will ja nichts gesagt haben, aber der Lür, ich meine den jungen Kunstmaler, der eben am Tisch neben Ihnen gesessen hat, führt immer so komische Selbstgespräche. In letzter Zeit – immer wenn ich ihm sein Bier bringe – höre ich da was von Paula und den Mädchen und so. Und vor ein paar Monaten soll da auch schon mal was mit einem Mädchen gewesen sein, das ihm in seinem Atelier Modell gesessen hat.«

»Vielen Dank, Frau ...«

»Meyerdierks, Grete Meyerdierks«, antwortete die Frau beflissen.

Murken nickte noch einmal dankend und verließ die Gaststätte, um den Ortspolizisten Johann Behrens aufzusuchen.

Die Polizeistation in der Lindenallee war geschlossen. Ein Nachbar steckte seinen Kopf aus der Klöntür des Hauses: »Wenn Sie den Johann Behrens treffen wollten, sieht das heute schlecht aus. Der ist gerade wegen einer Grenzstreitigkeit in Lüninghausen.«

Murken dankte für die Auskunft und ließ sich von dem Nachbarn den Weg zu Meta Tietjen beschreiben: »Ganz einfach, hier die Straße hinunter. Dann links in die Hembergstraße. Gleich auf der rechten Seite liegt das ehemalige Wohnhaus von Paula Modersohn-Becker und Otto Modersohn. Otto wohnt aber nicht mehr darin. Er ist ja schon 1908 nach Fischerhude gezogen. Meta wohnt in einer alten, etwas verfallenen Kate ein Stück hinter dem Modersohn-Haus. Sie können es gar nicht übersehen. Es ist das letzte Haus der Straße.« Murken nickte noch einmal dankend und machte sich auf den Weg.

Das letzte Haus auf der rechten Seite der Straße war eine kleine, alte, reetgedeckte Kate ohne Schornstein, deren Wände aus Felssteinen und Lehm bestanden. Direkt davor war ein Torfstich, in dem aber niemand arbeitete. Neben der Kate war eine Ziege angepflockt und graste auf dem mageren Boden. Hinter dem Haus befand sich ein kleiner Gemüsegarten mit Beerensträuchern und ein paar Obstbäumen.

Murken klopfte an die schief in den Angeln hängende Tür. Nachdem er ein undeutliches Gemurmel ausmachte, trat er ein. Die Kate bestand aus einem einzigen Raum. Auf der linken Seite, in einem offenen Stall, stand eine Kuh, die gerade Heu aus einer Raufe fraß. In der Mitte des Raumes war eine offene Feuerstelle, über der ein Topf mit einer köchelnden Suppe hing. Rechts im Raum war eine kammerartige Abtrennung, in der sich so etwas wie ein Alkoven befand. Darin lag eine ältere Frau auf einem Strohbett.

Murken stellte sich vor und sagte dann: »Sie sind sicher Meta Tietjen.«

Die Frau seufzte tief: »Ja, das bin ich. Haben Sie schon etwas über meine Nichte Paula und die anderen Mädchen erfahren?« Nachdem Murken diese Frage verneint hatte, fuhr Meta Tietjen fort: »Ein Jammer, ich mache mir solche Vorwürfe, dass ich nicht mit der Kleinen nach Bremen gefahren bin. Ganz krank bin ich geworden. Dabei müssten meine Kuh und meine Ziege unbedingt gemolken werden.« Nachdem Murken angeboten hatte, in der Nachbarschaft jemanden dafür zu suchen, hob Meta Tietjen abwehrend die Arme: »Nein, nein, es geht schon wieder. Ich stehe gleich auf, hole die Ziege herein und erledige das. Meine Suppe ist ja auch fertig.« Murken fragte sie noch, ob ihr jemand Auffälliges am Bahnhof begegnet sei, als sie ihre Nichte zum Zug gebracht hatte. »Nein, da war ja außer uns niemand.« Dabei brach Meta Tietjen in Tränen aus.

Für Murken war klar, dass er hier nicht mehr erfahren würde, und verabschiedete sich, um die Heimfahrt nach Bremen anzutreten.

Paulas Töchter

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