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2. Ein junger Mann in Miyamoto

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Meine ersten Kinderjahre verbrachte ich in einem kleinen Fischerdorf am Nordufer der Insel Honshu. Damals hörte ich noch auf den Namen Bennosuke. Die Menschen um mich herum waren so, wie Menschen sein sollten: einfach und ungehobelt, knorrig wie Stücke vom Wurzelholz, gesellig und von fröhlicher Unschuld. Man kann diesen Schlag nicht hoch genug schätzen.

Mein Vater war Fischer und Kleinbauer wie alle anderen im Dorf. Schon in frühesten Jahren erlernte ich den Umgang mit Boot und Netz, aber auch die Kunst des Reispflanzens und das Einspannen der starken Wasserbüffel.

An Kraft mangelte es auch mir selber nicht; früh schoss ich in die Höhe und setzte Muskeln an. Bereits als Zwölfjähriger konnte ich es beim Ringen mit jedem erwachsenen Dorfbewohner aufnehmen, und als Erwachsener war ich jederzeit und überall einen Kopf grösser als die grössten meiner Zeitgenossen.

Fischer wollte ich nicht werden, auch zum Beackern der Reisfelder verspürte ich keine Neigung. Deshalb bat ich meinen Vater, zum Kalligrafen Kazuaki in die Lehre gehen zu dürfen. Mein Vater hatte keine Einwände, denn erstens stand für die Übernahme von Haus und Hof ein jüngerer Bruder bereit, und zweitens haftete dem Beruf des Schönschreibers ein heiliger Glanz an, dem sich auch die künstlerisch unbedarfte Natur meines Vaters nicht ganz und gar verschliessen konnte.

Also zog ich drei Tage nach meinem dreizehnten Geburtstag mit Billigung meiner guten Eltern los, um mich bei Meister Kazuaki vorzustellen. Er fand an meiner geschickten Hand Gefallen – und vielleicht ebenso an meiner Grösse und Kraft, denn der Meister war bejahrt und gebrechlich, und in jenen unruhigen Zeiten war es für einen alten Mann ganz gut, einen jungen Beschützer um sich zu wissen, vor allem, wenn das Haus ein kalligrafisches Lebenswerk von fast unbezahlbarem Wert enthielt.

Fortan also lebte und lernte ich unter meinem Jünglingsnamen Harunobu im Bauern- und Handwerkerdorf Miyamoto, das sich von meinem Heimatdorf nur darin unterschied, dass es nicht ans Meer grenzte. Die Häuser, Felder und Gärten waren dieselben wie im Ort meiner Kindheit und die Menschen ebenso ungeschliffen.

Mein Meister hingegen war feinsinnig und milde. Mit unversiegbarer Geduld unterwies er mich in seinem Handwerk und führte mich Schritt für Schritt in dessen Geheimnisse ein. Ich lernte, dass Schönschreiben nicht Kunst, sondern Meditation ist und nur von dem würdig ausgeübt werden kann, der sich mit all seinem Sinnen und Trachten darauf konzentriert.

„Man soll seine Arbeiten gründlich erledigen“, pflegte mein Meister zu sagen. Und: „Man soll nichts auf die leichte Schulter nehmen.“

Diese einfachen, aber tiefen Worte beherzigend, wurde ich nach und nach ein Könner im Umgang mit Bambuspinsel, Tusche und Reispapier; die Schriftzeichen flossen mir geschmeidig aus der Hand entfalteten auf der weissen Fläche ein Eigenleben wie Zierfische im Teich.

Meister Kazuaki war zufrieden mit mir.

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