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4. Ein Kampf, der keiner ist

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Der Samurai erstarrte, als hätte ihm jemand eine Ohrfeige verpasst. Dann aber loderte seine Wut erst recht auf.

„Du lachst, Alter?“, schrie er. „Willst etwa du gegen mich antreten? Wohl kaum. Ich würde dich als würdigen Gegner auch nie akzeptieren. Aber warum lachst du? Natürlich, du lachst mich aus, du elender Greis. Eine solche Unverschämtheit ist mir noch nie widerfahren. Das wirst du mir büssen! Oder vielleicht stellt sich ja einer dieser mutigen Dorfbewohner vor dich hin und ist bereit, dich zu beschützen. So käme ich endlich zu meinem Kampf. Wir werden ja sehen.“

Beidhändig holte Kihei mit seinem Katana zu einem fürchterlichen Hieb aus, um den Alten zu köpfen. Dieser hatte aufgehört, laut zu lachen; stattdessen verklärte wieder das stilles Buddha-Lächeln seine faltigen Züge.

Kiheis Schwert schwebte über dem Kopf des Bettlers, das Gesicht des betrunkenen Kriegers war zu einer grässlichen Fratze verzerrt. Es hätte nur noch einen Augenblick gedauert, bis der alte Mann enthauptet niedergesunken wäre – wenn ich nicht, ohne mich lange zu besinnen, blitzschnell über das Geländer gesprungen wäre, das den leicht erhöhten Eingansbereich des Gasthauses umfasste. Ich packte einen an der Wand lehnenden Reisstampfer, hechtete zu Kihei, der mich verdutzt anglotzte, und zog den schweren Holzhammer mit beiden Händen entschlossen auf.

Zwar setzte mein Gegner reflexartig zu einer Parade an, doch sein Schwerthieb prallte am dicken Stiel des Reisstampfers wirkungslos ab. Die Klinge zersprang in zwei Teile, und Kihei empfing meinen gewaltigen Schlag.

Ich, ein einfacher Schreiberling, hatte den besten Schwertkämpfer des Reiches niedergestreckt.

Man muss aber bedenken, dass mich das unritterliche Gebaren des Samurai zuhöchst empörte und meine Angst vor dem berühmten Schwertkämpfer schwinden liess; zudem war meine überdurchschnittliche Körpergrösse in jungen Jahren mit Büffelkräften gepaart, sodass es mir keinerlei Mühe bereitete, meinen Gegner mit einem einzigen Hieb ausser Gefecht zu setzen. Dabei wurde ihm der halbe Schädel eingedrückt; aus der klaffenden Wunde quollen Blut und ein bräunlich-grauer Brei.

Zuerst fiel das Schwert auf den Boden, dann dessen Besitzer. In einer verkrümmten Stellung lag er tot auf dem Dorfplatz, die Augen unter dem zertrümmerten Schädel weit aufgerissen vor lauter Unglauben, dass es einer der Dorfbewohner wirklich gewagt hatte, gegen ihn anzutreten.

Schweigen – einen kurzen Augenblick, eine halbe Ewigkeit? Ich stand nur da und konnte es noch immer nicht glauben, dass ich einen Schwertmeister bezwungen und dabei einen alten Mann gerettet hatte.

„Harunobu hat den Samurai besiegt!“, tönte es plötzlich von einer hellen Bubenstimme. Und dann aus allen Ecken und Richtungen: „Harunobu hat den Samurai besiegt, er ist ein grosser Kämpfer!“

Jetzt, da der Wüterich darniederlag, wagten sich die Leute wieder aus ihren Häusern. Sie strömten auf den Dorfplatz, umringten mich und den Erschlagenen, beglückwünschten mich zu meinem Sieg und machten ein grosses Getöse, Männer, Frauen, Kinder, Alte, Arme, Wohlhabende.

„Heil dem starken Harunobu, der den Schwertmeister Kihei besiegt hat, Glück und Segen!“

So jauchzten sie, die Leute des Dorfes, und der Alte, den ich gerettet hatte, lächelte still.

Im Gewühl konnte ich eben noch erkennen, wie die beiden Knechte des Samurai das kleine Mädchen im gelben Kimono auf das Pferd setzten. Das Tier am Zügel führend, machten sie sich im Eilschritt aus dem Staub. Sie schienen keine Lust zu verspüren, sich vom Bezwinger ihres Herrn ebenfalls den Schädel einschlagen zu lassen.

Schwertmeister

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