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Verlobung meiner Eltern, Wohnung meiner väterlichen Großeltern, 1934 Danach kann es doch eigentlich keine so starke Ablehnung gegen meine Mutter als Ehefrau von Heinz Paulsen gegeben haben. Vielleicht hat sich das Ganze durch meine Anwesenheit geändert und die Familie meines Vaters glaubte an eine vorübergehende Liebschaft. Durch mein Unterwegssein und meine Geburt wurden nun Tatsachen geschaffen, die Verpflichtungen auslösten. Es wurde ernst. Möglich dass erst jetzt die Ablehnung meiner Mutter deutlich zum Ausdruck gebracht wurde. Meine Mutter als Tochter eines Gastwirts, gelernten Fleischers und Kochs und einer Hausfrau war nicht standesgemäß, so jedenfalls sagte es mir meine Großmutter einmal. Warum meine Mutter sich scheinbar mehr zu der Arztfamilie Tews in Landsberg in dieser Zeit hingezogen fühlte, sich dort oft mit mir aufhielt und dann nach Berlin ging, um mich dort zu entbinden, ist mir verborgen geblieben. Ich vermute, es gab meinetwegen Auseinandersetzungen mit ihrem Vater. Über mögliche Treffen oder eine Beziehung zu meinem Vater während der Schwangerschaft und danach ist mir leider nichts bekannt. Auch hier nur die Vermutung, die Schwangerschaft hat die Beziehung auseinandergebracht. Die Eltern meines Vaters waren scheinbar dagegen. Damit war meine Mutter in doppelter Weise in die Enge getrieben. Einmal war sie von meinem Vater verlassen und zum anderen hatte sie Probleme mit ihrem Vater. So entband sie in einem Krankenhaus in Berlin-Neukölln. Wahrscheinlich wohnte sie bei ihrem Onkel Richard, zu dem und dessen Frau Else sie schon früher gute Beziehungen unterhielt. Mein Opa hatte in den 20er-Jahren seinem Schwager Richard die Else Wunnicke aus dem Dorf Zechow bei Landsberg als Ehegattin empfohlen. Er kam als fahrender Händler damals in zahlreiche Dörfer und lernte dadurch viele Menschen kennen, was seinen Schwager veranlasste, ihn zu fragen, ob er nicht eine junge Dame kennen würde, die für ihn als Ehefrau geeignet wäre. Tatsächlich wurde Else dann seine Ehefrau. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor, zu deren Tochter ich heute noch in Verbindung stehe. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass 1945 Richard und Else mit ihrer Villa im Französischen Sektor angekommen waren und Einquartierung von französischen Offizieren hatten. Else, noch relativ jung und sehr hübsch, fand Anklang bei einem der Offiziere. Onkel Richard ließ sich scheiden, aber nur, um seine Else später erneut zu heiraten, nachdem die Franzosen abgezogen waren. Irgendwann zwischen 1936 und 1938 zogen wir nach Oranienburg und später in das Dorf Malz bei Oranienburg, wo wir bei einem Bauern in einem Mansardenzimmer wohnten. An diese Zeit kann ich mich noch gut erinnern. Ich müsste damals etwa 3 bis 4 Jahre alt gewesen sein. Meine Mutter hatte sich mit einem Lebenspartner zusammengetan, mit dem wir in Malz in einem Bauernhaus lebten. Es war eine schlimme Zeit. Der Mann war oft betrunken und schlug meine Mutter regelmäßig. Ich erinnere mich, wie er sie einmal mit Holz „bearbeitete“, das unmittelbar vor unserer Wohnungstür im 1.Stock aufgeschichtet war. Auch kann ich mich lebhaft daran erinnern, wie uns einmal meine Oma Helene besuchte und sie mit mir spazieren ging. Wir machten an einer kleinen Brücke halt und pflückten Blumen, Sie war sehr, sehr nett zu mir – wie dann auch in meinem späteren Leben. An einem großen Wasser angelangt, warf ich ein kleines rotes Rad von einem Spielzeugwagen in ein großes Wasser und fragte, ob das Rad auch bei Onkel Richard ankommen werde. Meine Oma bestätigte ganz ernsthaft mein Wunschdenken. Einmal hatte mich meine Mutter allein gelassen (das kam sicher öfter mal vor), wenn sie wegging, hatte ich immer fürchterliche Angst und weinte sehr. An diesem Tag bin ich ins Dorf gelaufen und kam an einen Waldrand. Ich ging einen schönen Waldweg entlang und fand einen kleinen Karren, den ich hinter mir herzog. Langsam füllte ich ihn mit allen möglichen Gegenständen, die ich unterwegs im Wald fand. Ich erinnere mich an eine emaillierte Kaffeeflasche mit Schnappverschluss. Voller Stolz über meinen Ausflug und die gefundenen Sachen kehrte ich irgendwann um. Ich kam erst gegen Abend in das Dorf zurück. Dort gab es einen riesigen Menschenauflauf. Meine Mutter hatte das ganze Dorf zusammengetrommelt, um mich zu suchen. Da niemand meine Wegrichtung kannte, war man am Dorfausgang stehen geblieben und diskutierte gerade darüber, wo ich nun hingegangen sein könnte. Als mich meine Mutter wieder in ihre Arme schließen konnte, war sie unheimlich glücklich und ich auch. Hier lernte ich auch erstmals Spargel kennen, den uns „unser Bauer“ auf dem Feld zeigte. Meine Großeltern erfuhren dann irgendwann von den Zerwürfnissen mit dem Partner meiner Mutter. Jedenfalls stand eines Tages ein LKW vor unserem Haus, auf den die Sachen meiner Mutter aufgeladen wurden, und ehe der Partner meiner Mutter nach Hause kam, waren wir schon weg in Richtung Landsberg. Das hatte mein Großvater über die Firma Neuleib in Landsberg organisiert, bei der er eine Großgarage und einen sich über mehrere solcher Großgaragen hinziehenden Boden gemietet hatte. Es waren alles LKW-Garagen und ein sehr langgestreckter Boden, auf dem mein Opa seine Felle lagerte, die er von den Bauern als Zugabe für die Schlachtungen erhielt, die er neben seiner Handelstätigkeit auf den Bauernhöfen durchführte. Er war gelernter Koch und Fleischer, war aber jetzt selbstständiger Händler für Wolle, Strümpfe und sonstige Textilien. Bis zum Krieg war er stets mit einem Opel Blitz unterwegs. Dann hat man ihm die Autoreifen für den Krieg entzogen, so musste er alles mit einem Lastenfahrrad bewältigen. Das muss sich etwa 1939 oder 1940 abgespielt haben, denn 1941 wurde ich schon in Landsberg eingeschult. An die ersten Jahre in Landsberg kann ich mich nicht gut erinnern, wohl aber an einige Ereignisse während der Schulzeit. Wir wohnten zunächst einmal in der Wohnung meiner Großeltern. Auf der Wiese seitlich des Grundstücks und in dem gegenüberliegenden Kirchgarten der Lutherkirche haben wir als Kinder oft gespielt. Da mehrere Kinder im Haus wohnten, kamen wir auch öfter im Hof zusammen, spielten dort an einer Schaukel oder auf dem gegenüberliegenden Zirkusgelände. Im Sommer wie im Winter war aber auch „der Kanal“, ein nicht weit entfernter künstlicher Wasserlaufmit dem Namen Brenkenhof-Kanal, unser Spielplatz. Im Winter liefen wir dort Schlittschuh, im Sommer war baden und angeln angesagt. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich hatte mir im Volksbad, einer Schwimmhalle, selbst das Schwimmen beigebracht, da war ich etwa 8 Jahre alt.

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