Читать книгу Die Krieger der Théluan - Hans P Vogt - Страница 6

Оглавление

Kapitel 3. Die Reise in die heilige Stadt. und die Abordnung der Théluan

1.

Nach acht Wochen bei den Péruan wurde im Dorf eine Abordnung der Théluan angekündigt. Die Botschafter waren erfolgreich bis in die Vororte der großen Stadt vorgedrungen und hatten ihre Nachricht weitergegeben. Nun näherte sich ein Tross von Kriegern und zwei hochgestellten Priestern der Théluan.

Als sie am nächsten Abend im Dorf eintrafen, war Dennis klar, dass die Erzählung des Takilada nicht übertrieben sein konnte. Das hier waren nicht die freundlichen Bewohner am großen Fluss, die Dennis in den Péruan kennengelernt hatte.

Die Fremden waren genauso dunkelhäutig, aber sie waren größer als die Péruan. Sie waren athletisch gebaut, und sie hatten die Haare nach hinten gebunden zu einem Knoten. Sie waren geschmückt mit bunten Hemden, und in den Knoten war ein Mix aus Federn und Perlen eingeflochten. Sie waren bewaffnet mit langen Messern, Bögen und Schilden aus einer Art dicht zusammengebundenem Schilfgeflecht. Um den Hals trugen sie eine Kette aus Leder, mit einem dünnen Goldblech, das eine Sonne darstellte.

Die beiden Priester waren deutlich an der langen Kutte zu erkennen, die mit einem Band um die Taille festgebunden war. Sie trugen Goldverzierungen im Haar und Ringe an den Fingern, die mit farbigen Steinen besetzt waren. Um den Hals trugen sie etwas, das aussah wie ein flacher Kragen aus Goldblech, mit gestanzten und gedrückten Symbolen und Sonnen.

Es war eine Art eisiger Wind, der mit der Ankunft der Krieger auf dem Dorfplatz einzog und vom Dorf Besitz ergriff. Dennis schauderte. Er stand auf und ballte unwillkürlich seine Hände zu Fäusten, wie um sich zu wehren. Und nun sahen die Krieger und die Priester der Théluan, dass sie wirklich einen Gott vor sich hatten. Die Boten der Péruan hatten nicht übertrieben.

Dennis war zwar in das einfache Kleid eines Stammesfürsten gekleidet, aber er war weiß, er hatte weißes Haar (die Indios hielten Dennis blondes Haar für weiß) und um diesen Fremden zeigte sich urplötzlich eine Art Feuerschein.

Ähnlich wie damals die Péruan hatten die Krieger sofort ihre Speere zum Wurf erhoben, wurden aber von ihren Priestern zurückgerufen, denn der Feuerschein entfachte sich zu einem gewaltigen Lichtschein aus Blitzen, der Dennis und die gesamte Gruppe der Péruan schützend umhüllte, wie ein Panzer. Das war für die Théluan zu viel.

Dennis hörte Schreckensrufe. Die Krieger ließen ihre Waffen fallen und warfen sich zu Boden. Selbst die Priester fielen auf die Knie und baten um Gnade.

Dennis war fast zum Lachen zu Mute.

Er ging durch seine Freunde hindurch zu den beiden Priestern, immer noch eingehüllt in diese Wolke aus zuckenden Blitzen und befahl ihnen, in der Sprache der Péruan, aufzustehen.

„Das hier“, sagte Dennis, „sind meine Freunde. Ihnen wird nichts geschehen. Sie stehen unter meinem Schutz.“ Er trat noch näher an die Priester heran, bis das elektrische Feld die Priester fast berührte. Dennis sah, wie sich die Haare der Priester aufluden, und sie begannen, wie rohe ungekochte Spaghetti vom Kopf zu stehen. Es knisterte im Haar. Die Priester waren bleich vor Angst.

Dennis befahl den Théluan sich hinzusetzen und ihre Waffen nicht anzurühren. Dann zog er sich in die Gruppe der Freunde zurück, und setzte sich auch auf den Boden.

Der Feuerschein um Dennis erlosch, und Dennis wandte sich an die Priester: „Mein Name ist Thénnis (er sprach das so aus, wie die Péruan ihn aussprachen). Ihr seid von weit hergekommen. Was wünscht ihr?“

Es dauerte eine Weile, bis einer der Priester antwortete. Sie standen immer noch unter Schock.

Es war eine eindrucksvolle Demonstration von Macht, die der Fremde ihnen da gezeigt hatte. Sie waren nun vollständig überzeugt, dass es sich hier um einen Gott handelte, vielleicht sogar um den großen mächtigen Sonnengott selbst. Der Name bewies das. Der Fremde sprach mit einem Akzent, der ihnen völlig unbekannt war. Er musste von weit her gekommen sein.

Die Priester schwiegen lange.

Dann begannen sie.

Die Péruan hätten eine Nachricht geschickt. Die Sonnenkönigin Quokalil habe Anweisung erteilt, den Fremden zu ihr zu bringen. Aber nachdem sie nun selbst gesehen hätten, dass Dennis ein Gott sei, würden sie in bitten, mit ihnen in die heilige Stadt Quedsa zu reisen.

Dennis fühlte Jubel in sich und zugleich Ungewissheit in die Zukunft, und Trauer. Nun musste er seine Freunde verlassen, und es waren wirklich gute Freunde geworden.

Dennis nickte den Priestern zu. Ja. Sie könnten am nächsten Tag abreisen, wenn die Priester dazu bereit seien.

Die Priester hörten das gern.

Dann lud Dennis sie, im Namen der Dorfbewohner, zum Abendessen ein. Die Fremden waren nun freundlich, ja achtungsvoll. Sie ließen es sich nicht nehmen, ordentlich zuzulangen.

Sie reisten erst am übernächsten Tag ab. Die Dorfbewohner bauten eine Art Sänfte, die für Dennis bestimmt war. Der Takilada bestand darauf, dass die Sänfte mit dem Pantherfell ausgekleidet wurde. Außerdem gab es Verhandlungen zwischen den Priestern und dem Takilada. Sie führten dazu, dass am übernächsten Tag drei Mädchen und fünf junge Männer die Reise mit ihm gemeinsam antraten. Unter den Begleitern waren auch Faroa und Polia. Sie trugen Beutel mit Trockenfleisch und Früchten für unterwegs.

Dennis freute sich darüber, wusste er doch zu diesem Zeitpunkt den wahren Grund nicht, warum die acht Freunde mit ihm kommen mussten.

2.

Als sie am übernächsten Tag die Reise antraten, nahm Dennis in der Sänfte platz, die abwechselnd von jeweils vier der Krieger getragen wurde. Alle andern marschierten. Sie liefen erstaunlich schnell.

Dennis hatte am Anfang den Gedanken, die Sänfte im Dorf zu lassen und ebenso zu laufen, aber er hatte überlegt, dass das bei den Priestern Zweifel auslösen könnte. Als Gott, als der er angesehen wurde, musste Dennis dieses Spiel mitmachen.

Er sah schnell ein, dass er das mörderische Tempo keine zwei Stunden durchgehalten hätte, das die Théluan und die Péruan durch den feuchten und heißen Regenwald vorhielten.

Nach einigen schmalen Pfaden war die Gruppe auf einem breiten Weg durch den Dschungel gekommen, der ganz offenbar, wie eine Strasse angelegt war, um größeren Gruppen eine schnelle Fortbewegung zu ermöglichen.

Dennis Gruppe wurde sogar zweimal von Läufern überholt, die nur mit einem Lendenschurz bekleidet waren, aber einen ganz eigenartigen Haarschmuck trugen. Sie hatten Büschel von Kolibrifedern in den Pferdeschwanz gebunden, und trugen dort auch ein goldenes Emblem der Sonne.

Später erfuhr Dennis, dass dies die Boten der Théluan sind, die Nachrichten von den verschiedenen Teilen des Reiches zur Hauptstadt bringen. Es waren eigens ausgebildete Läufer, die ohne eine jede Pause den ganzen Tag durchliefen, und auf diese Weise bis zu 150 Kilometer an einem Tag zurücklegten.

Niemand sonst hatte ein so schnelles Informationssystem wie die Théluan. Das machte sie fast unangreifbar. Dennis sollte später erfahren, dass die Krieger der Thé (was übersetzt heißt, die Krieger der Sonne) im Kriegsfall auf dieselbe Weise vorwärts kommen und als ein Heer aus mehreren tausend Menschen immerhin bis zu 80 Kilometer am Tag zurücklegen konnten.

Am Abend rasteten sie an einem Fluss. Hängematten wurden in die Bäume gehängt. Die Gruppe schlief nach einem kurzen Mahl aus getrocknetem Fleisch und Früchten schnell ein.

Am nächsten Tag ging es im selben Tempo weiter. Da die Gruppe mit der Sänfte nicht so schnell vorwärts kam, schafften sie ungefähr 50 oder 60 Kilometer am Tag, aber selbst das war eine gewaltige Leistung.

Am zweiten Abend kamen sie in ein Dorf, das dem der Péruan ähnelte. Alle schliefen in Hängematten, aber Dennis konnte in dieser Nacht nicht mit Polia zusammensein. Er sprach mit ihr.

Sie versicherte ihm ihre Liebe. Aber sie sagte, sie könne nicht zu ihm kommen. Einen Grund gab sie nicht an.

Am nächsten Tag wurden zwei von Dennis Freunden zurückgeschickt. Dafür stießen acht neue Leute aus dem Dorf zu ihrer Reisegruppe. Auch jetzt waren es drei Mädchen und fünf junge Männer.

Sie kamen in ein weiteres Dorf. Dennis winkte Polia zu sich, aber Polia traute sich nicht. Das machte Dennis stutzig. Er ging zu ihr und sah, dass sie Striemen von Schlägen auf dem Rücken hatte. Das ging zu weit. Er winkte die Priester zu sich und stellte sie zur Rede.

Dennis erfuhr, dass Polia seit der Abreise Eigentum der Sonnengöttin sei und dass es ihr nicht mehr gestattet war, mit Dennis zu sprechen. Sie hatte das Verbot missachtet und war deshalb gezüchtigt worden. Dennis wurde ernstlich böse.

Polia - sagte Dennis - gehöre zu ihm. Er verlange, dass Polia anständig behandelt wird. Er verbrämte das mit einer unverhüllten Drohung. Dennis übertrieb maßlos. Was hätte er wirklich gegen diese Übermacht tun können? Aber er ahnte seine neue Position als Gott und er spielte diesen Trumpf geschickt aus, und wieder erhielt Dennis die Hilfe seines Bruders Patrick. Der Lichtschein, der sich um Dennis hüllte war diesmal anders. Als er die Priester berührte, stöhnten die heiligen Männer auf. Es war wie Stiche von tausend Nadeln. Überall. An den Händen, an den Beinen, unter der Kleidung, am Kopf, ja selbst an den Augäpfeln, was besonders schmerzhaft war. Sie fielen schließlich vor Dennis auf die Knie und baten um Gnade.

In dieser Nacht durfte Polia in seiner Hängematte schlafen und sie erzählte ihm in leisen Worten, dass sie und die anderen Mädchen und jungen Männer, Teil der Tributzahlung waren, welche die Sonnengöttin von den Péruan verlangt hatte. Manche jungen Männer würden Diener oder Krieger werden, viele würden in die Minen geschickt. Die Mädchen würden den Kriegern als Belohnung zur Sklavin gegeben oder sie wurden für heilige Zeremonien aufbewahrt. Als Tochter des Häuptlings sei sie für die Teilnahme an Riten ausgesucht worden.

Als Dennis nachfragte, schüttelte Polia den Kopf. So genau wusste sie nicht, was in der großen Stadt mit ihr passieren würde, aber sie fragte Dennis, ob er damals sehr überrascht war, als sie sich zu ihm legte. Als Dennis nickte, erzählte Polia, dass es ihr verboten war zu heiraten. Schon als kleines Mädchen sei sie ausgewählt worden für die heiligen Zeremonien. „Viele Mädchen in meinem Alter sind bereits verheiratet“. Sie durfte zwar mit Dennis zusammen sein, weil ihr Vater das erlaubt hatte, aber als Auserwählte hätte sie eigentlich Jungfrau bleiben müssen. Polias Vater hatte sich über dieses Gebot nur hinweggesetzt, weil Dennis etwas besonderes sei. Sie hoffte jetzt, dass der Vater, oder das Dorf, nicht dafür bestraft würden, wenn das herauskäme.

Dennis war wieder geschockt. Hoffentlich hatte er da nicht etwas Unbedachtes getan. Er überlegte lange, dann erklärte er Polia, er würde versuchen, sie und ihr Dorf zu schützen.

„Ich weiß noch nicht wie“ sagte Dennis offen, „ich kenne die Gebräche und Sitten der Théluan noch nicht. Aber ich werde einen Weg finden.“

Polia hatte schon bemerkt, dass Dennis nicht allmächtig war. Er war in Menschengestalt zu ihnen gekommen, er wusste vieles nicht, was er von den Péruan erst lernen musste, aber er hatte göttliche Fähigkeiten, die nur er hatte. Sie vertraute Dennis.

3.

Am nächsten Morgen gab es in dem Dorf dasselbe Prozedere. Fünf junge Männer wurden ausgewählt und vier der Mädchen mussten mitkommen. Eine der beiden Häuptlingstöchter nahm jetzt Polias Platz ein.

Das Gelände stieg nun langsam an. Sie kamen nicht mehr so schnell vorwärts. Immer wieder gab es reißende Flüsse, die überquert werden mussten.

Sie kamen in weitere Dörfer. An den Hängen gab es Felder, die von Bauern mit einfachen Pflügen per Hand bearbeitet wurden. Auf anderen Feldern stand die Frucht in Blüte. Die Menschen lebten hier in niederen Lehmhütten mit Schilfbedeckungen. Sie waren nicht mehr nackt, so wie die Péruan, sondern sie trugen einfache Kittel, die vier Öffnungen hatten - wie Dennis eigenes Hemd auch - und einfach über den Kopf gezogen wurden. Manchmal waren sie mit einem Riemen um die Taille gebunden. Auch diese Menschen liefen alle barfuss.

Ab jetzt wurden keine lebenden Tribute mehr bezahlt. Die Gruppe wurde um Karawanen aus Lamas vergrößert, welche Säcke mit Mais, Hirse und Kartoffeln trugen. Es gab Treiber, welche mit langen dünnen Stecken hinter den Tieren herliefen, und ihnen durch leichte Schläge auf das Hinterteil mitteilten, ob sie links oder rechts laufen sollten.

Die Gesellschaft wurde immer größer und sie kamen nicht mehr so schnell voran.

Das Gelände stieg immer weiter an. Es waren erste große Berge zu sehen. Als Berliner Junge kannte Dennis Berge nur aus dem Fernsehen oder von seinem Flug über die Alpen.

Diese Berge ähnelten in der Höhe den großen Mittelgebirgen, wie etwa dem Schwarzwald und den Voralpen in Europa. Es gab schmale Täler mit reißenden Flüssen und gigantischen Wasserfällen, es gab Terrassen an den Steilhängen, wo Kartoffeln, Hirse und Mais angebaut wurden, und es gab Hochebenen mit einzelnen Kegelbergen, die daraus hervorragten. Auf den Kuppen gab es keinen Baumbewuchs mehr. Wenn das hier so weiterging, dann musste das irgendwann mächtig steil werden.

Auf den Hochebenen gab es weitere Dörfer aus flachen Adobehäusern. Überall war die Gesellschaft am nächsten Tag um etliche Lamas und Treiber größer geworden. Dennis verstand langsam, warum die Abordnung so lange gebraucht hatte.

Zugleich war es eine unvergleichliche Landschaft. Der Regenwald war längst übergegangen in einen leichten Baumbewuchs, der in den Tälern und Hochebenen immer wieder durch Felder abgelöst wurde. Oben auf den Kuppen hatte sich anfangs noch dichter Baumbestand gezeigt, doch je höher die Berge wurden, desto mehr wurden die Bäume durch niederes Gebüsch und schließlich durch Gräser abgelöst.

Dennis hatte zu seiner Kleidung ein langes Hemd bekommen und eine Decke, denn je höher sie kamen, desto kälter wurde es nachts. Dennis war froh, dass er sein Pantherfell, sein Sweatshirt und seine Winterjacke hatte und dass Polia abends zu ihm in die Hängematte schlüpfte.

Dann hörten die Bäume ganz auf, so dass sie auf dem Boden schlafen mussten.

Sie waren nun seit vier Wochen unterwegs, als die Priester abends zu Dennis kamen, und ihm mitteilten, dass sie in drei Tagen in die heilige Stadt kommen würden. Polia dürfe diese Nacht noch bei Dennis verbringen, dann müsse sie alleine schlafen. Das Ritual verlange das.

Dennis nickte. Das war ein triftiger Grund.

In den letzten Tagen hatte er seine Uhr viel besser auf die Sonnenzeit einstellen können, so dass sie jetzt die Tageszeit ziemlich genau anzeigte.

Dennis und Polia waren in dieser Nacht das letzte Mal auf ihrer Reise zusammen. Dennis fragte sie nochmals nach der großen Stadt aus, aber Polia wusste nichts. Sie war nie dort gewesen. Die Boten hatten immer nur von sehr vielen Häusern und unermesslichem Reichtum erzählt.

Am nächsten Morgen hatte Dennis einen Plan. Er rief die Priester zu sich. „Die Sonnengöttin habe nach ihm verlangt,“ begann Dennis. Er selbst könne sehr gut für sich alleine sprechen, aber wie sähe das denn aus, wenn Dennis der Sonnenkönigin ohne Diener gegenüberträte. Wenigstens Faroa und Polia müsse man ihm lassen. Dennis verstehe den Ritus. Er wolle nicht gegen die Traditionen der Théluan verstoßen, aber es sei respektlos, wenn er ohne Gefolge vor der Königin steht, selbst wenn das Gefolge nur aus zwei Dienern bestand.

Die Priester besprachen sich lange. Dennis Vorschlag war angemessen. Sie nickten. Sie würden auch dafür sorgen, dass Dennis bei seiner Gegenüberstellung über eine Schar ausgewählter Krieger verfügt, die ihn begleiten würden. Man würde das arrangieren. Vorerst solle das in den letzten drei Tagen der Reise so bleiben, wie die Tradition das verlangt.

Eine Leibwache also. Dennis war zufrieden. Nun war zu hoffen, dass die Priester nach ihrer Ankunft ihr Versprechen auch einhalten würden. Aber Dennis war zuversichtlich, dass er dann einen Weg finden würde. Im Stillen betete er zu Patrick um Hilfe.

In den nächsten zwei Tagen kamen sie immer wieder durch Dörfer aus Lehm. Doch nun waren die Dörfer befestigt. Es gab Mauern, es gab bewachte Tore, es gab Schießscharten und sogar richtige Strassen aus großen viereckigen Pflastersteinen, die mitten durch die Dörfer führten. Es gab Seitengassen, in denen reges Treiben herrschte. Es gab verschiedene Handwerker.

Es wurde geklopft und gehämmert. In den Gassen hingen Tücher und Felle zum trocknen. Dennis hörte Schleifgeräusche.

Alle waren in solche Sackkleider gehüllt, wie Dennis sie bereits kannte. Es gab Brunnen, aus denen die Menschen ihr Wasser schöpften und in großen braunen Tonkrügen nach Hause trugen und es gab Hunde. Viele Hunde, die scheinbar herrenlos in den Gassen umherliefen. Sie waren abgemagert und scheu.

Nachts blieben sie in Herbergen aus doppelstöckigen Gebäuden, die von Mauern umfasst waren und große Innenhöfe und Stallungen für Tiere hatten. Dort wurden auch die Lamas von Helfern versorgt. Als Lichter wurden tönerne Gefäße mit einem Docht verwendet, die Öl enthielten. Es gab Toiletten, aber das waren einfache Löcher im Boden. Man verrichtete die Notdurft im Stehen. Papier gab es nicht. Es gab getrennte Waschräume für Priester, Soldaten und die Begleitmannschaft mit Steinböden aus Ton. Auch fließendes Wasser gab es nicht. Nirgendwo. Es gab tönerne Krüge und breite Schüsseln für das Waschwasser. Wenn man wollte, dann wurde ein Knecht herbeigerufen, der das kalte Wasser aus den Krügen über dich ausschüttete wie eine lebende Duschbrause.

Autos gab es nicht. Dennis sah keine Sattelitenschüsseln. Es gab keine Glühbirnen und kein Radio. Es gab nicht einmal Fahrräder.

Dennis wurde klar, das diese große Stadt absolut nichts von dem haben würde, was er an Zivilisation kannte. Er war nicht nur auf einem anderen Kontinent gelandet, sondern er war ganz offensichtlich in einem Jahrhundert gelandet, das weit vor der ersten Erfindung der Eisenbahn lag. Autos, einen Fernbus, eine Botschaft, eine Mission oder gar einen Flughafen würde er hier nicht finden. Auch das Nahrungsangebot war völlig anders, als er das aus Europa kannte.

Obwohl Dennis das zuletzt schon geahnt hatte, es verwirrte und es bestürzte ihn. Um so mehr beschloss Dennis, das Beste aus der Situation zu machen. Wie gut, dass die Théluan ihn als Gott betrachteten. Er würde seinen Vorteil daraus ziehen. Zugleich war sich Dennis der Gefahr bewusst, wenn der Schwindel aufgedeckt werden würde. Das musste er verhindern. Er dachte erneut an Patrick und hoffte, dass er in jeder Situation vorausschauend, weise und angemessen reagieren würde.

Dennis verstand jetzt, wie wichtig es gewesen war, dass er sich des Beistandes der beiden Freunde aus dem Dorf versichert hatte, und in der heiligen Stadt eine eigene Leibgarde erhalten sollte. Das konnte ihm einmal das Leben retten.

Dennis hatte auf der langen Reise erlebt, dass die Krieger den Befehlen der Priester bedingungslos gehorchten. Auch in all den Dörfern taten die Péruan und die Théluan genau das, was die Priester von ihnen verlangten. Widerspruch gab es nicht. Sie spielten in dieser Welt offenbar eine sehr wichtige Rolle. Es würde gut sein, sich langfristig der Freundschaft der Priester zu versichern.

4.

In den zwei letzten Tagen hatte sich die Landschaft etwas abgesenkt. Die Berge blieben, waren nun aber nicht mehr so hoch. Das Gebüsch wurde durch lichten Wald abgelöst, immer wieder unterbrochen durch Terrassen, die landwirtschaftlich genutzt wurden. Der Wald war anders als der Regenwald. Nicht so hoch. Es waren andere Baumsorten als die Urwaldriesen. Immer wieder sah Dennis Befestigungsmauern mit Türmen. Es gab jetzt sogar offene Wasserleitungen aus Tonsteinen, die von den Flüssen in die niedergelegenen Vorstädte führten.

Dann überquerten sie eine Bergkuppe. Unter ihnen lag ein breites Tal in dem ein Fluss lief, mit vielen Schleifen und kleinen Seitenarmen. Er war begrenzt von flachen Bergkämmen.

Weit in der Ferne erkannte Dennis eine Bergkuppe, die vollständig mit Häusern bebaut war. Quer durch das Tal lief ein großes Bauwerk. Dennis konnte auf die Entfernung nicht einschätzen, was es war.

Die Gruppe hielt an. Alle fielen auf die Knie. Sie hoben die Hände zur Sonne und verneigten sich dreimal. Dennis hütete sich, an diesem Ritus teilzunehmen. Als Gott durfte er sich keine Blöße geben. Er war der einzige, der sich nicht verneigte. Als die Träger die Sänfte hingestellt hatten, um sich zu verbeugen, erhob sich Dennis. Anders als alle anderen breitete er seine Arme aus. Er blickte hinauf zur Sonne, dann streckte er ihr seine Hände theatralisch entgegen und bat Patrick, ihm wenigstens ein kleines elektrisches Feld zu schicken.

Dennis hatte Glück. Wieder zeigten sich die blauen Verästelungen des elektrischen Feldes. Wieder begann dieser zauberhafte Schein um Dennis zu leuchten, und nun waren alle in der Gruppe endgültig überzeugt, dass sie in der Begleitung und im Schutz eines mächtigen Gottes gereist waren. Sie beobachteten dieses Schauspiel andächtig und voller Respekt. Einige berührten den Boden mit ihren Gesichtern.

Als die Gruppe endlich aufstand, traten die beiden Priester zu Dennis und erklärten, dort auf dem Berg, das sei die große und mächtige Stadt Quedsa, die den Palast und die heiligen Stätten der Sonnengöttin Quokalil umschließt und bewacht.

Dennis nahm die Erklärung freundlich an, dann hatte er einen Geistesblitz. Er legte den beiden Priestern die Hände auf die Schultern und dankte ihnen beredt für die sichere Reise.

Er tat das selbstbewusst und wie selbstverständlich, und ohne einen möglichen Widerspruch zu dulden. Es war die Geste eines Fürsten, ja eines Königs, der seinen Unterthanen für ihre wertvollen Verdienste dankt, und durch die Gewährung einer großzügigen Berührung seine vollste Zufriedenheit ausdrückt.

Das war Schmierentheater, aber die Priester waren sichtbar beeindruckt.

Niemand sonst aus der ganzen Gruppe hätte es gewagt, so mit ihnen zu sprechen. Nur die kleine Gruppe der mächtigen Hohepriester, die in der heiligen Stadt wohnten, hätte sich das erlauben dürfen, und natürlich ein König der Théluan oder ein Gott. Sie akzeptierten in diesem Moment vollständig Dennis Vorherrschaft über ihre eigene mächtige Kaste der Priester, ja, sie fühlten sich geehrt, dass „der von Gott Gesandte“ ihnen vor der gesamten Reisegruppe diese hohe Auszeichnung verlieh.

Sie verbeugten sich tief und dankten Dennis für seine freundlichen Worte.

Innerlich lachte Dennis über diesen gelungenen Schachzug. Vielleicht hatte er gerade den ersten Schritt getan, um die Priester, wenn nicht als Freunde, so doch als getreue Anhänger zu gewinnen.

Die Gruppe setzte die Reise fort. Es ging hinunter ins Tal und sie folgten dem Flusslauf.

Es gab zunächst keine Ansiedlungen mehr. Je näher sie der Stadt kamen, desto schwerer wurde die Luft. Dann begannen erneut Ansiedlungen mit flachen Hütten. Das hier waren keine Handwerker. Es stank. Es gab viele fest gemauerte Becken.

Dennis sah Menschen, die in diesen Becken standen, und mit langen Stangen darin herumstocherten, immer wieder und immer wieder. Er sah Berge an Stroh und Schilf, die von Menschen mit langen Messern kleingehäckselt und in diese Becken geworfen wurden. Sie wurden in etwas untergemischt, was offenbar in diesen Becken schwamm. Der Gestank war unerträglich.

Als Dennis nachfragte, wurde erklärt, dies seien die Abfälle der großen Stadt, die hier zu Erde verarbeitet würden. Dennis verstand. Es waren Jauchegruben, nur durch Menschenkraft betrieben. Das musste ein Quell von Krankheiten sein. Dennis staunte zugleich. Wenn hier so viel Mist verarbeitet wurde, dann mussten hier wirklich viele Menschen wohnen.

Als sie das letzte Becken hinter sich gelassen hatten, wurde die Luft langsam, ganz langsam wieder besser. Dennis erkannte in der Ferne eine riesige Staumauer, die das ganze Tal verschloss und aus der an beiden Seiten Wasser schoss, um sich im Fluss unterhalb der Staumauer zu vereinen.

Daneben lag ein breiter, hoher Kegelberg, der fast vollständig von Häusern zugedeckt war. Weiter oben musste es einen großen freien Platz geben und auf der Spitze des Berges lagen eine gewaltige Pyramide und mehrere große, stufenförmige Gebäude.

Vom Tal, das in unmittelbarer Nähe des Staudammes keine dieser Güllegruben mehr hatte, führte schließlich ein sehr steiler, gewundener Weg bis hinauf zur Krone des Staudammes. Zwischen zwei gewaltigen Tortürmen aus Stein lag ein bewachtes Tor, wo die Priester sich ausweisen mussten. Dennis sah jetzt, dass der Grat des Staudammes begehbar war. Man konnte von dort aus das ganze Tal beobachten und als sie das Tor passierten, stieß einer der Wachen in ein Horn. Er gab ein Signal aus mehreren an- und abschwellenden Tönen.

Auch auf dem Staudamm gab es Wachen mit Speeren. Auch sie hatten Hörner umhängen, die sie jetzt an den Mund setzten und in das Signal der Torwache einstimmten.

5.

Hinter dem Tor lag eine gepflasterte Straße, der sie ein kurzes Stück folgten. An einem der Gebäude wurde ein mächtiges Flügeltor geöffnet, durch das die Reisegruppe eintrat. Das Anwesen wirkte wie eine Festung. Es gab einen Innenhof, der von Gebäuden vollständig umschlossen wurde.

Sie waren erwartet worden. Die Lamas wurden abgeladen, die Träger warfen ihre Lasten zu Boden. Die beiden Priester kamen zu Dennis und baten ihn um ein wenig Geduld. Dann sah er sie in Gesprächen mit mehreren bunt geschmückten Théluan vertieft. Offenbar wurde Bericht erstattet.

Die Priester kehrten wieder, und riefen auf dem Weg Polia, Faroa und mehrere Krieger zu sich. Sie baten Dennis, wieder in der Sänfte Platz zu nehmen und verließen den Hof. Sie eilten im Laufschritt die Strasse entlang, wobei die Krieger mit ihren Schwertern rhytmisch auf die Schilde klopften und riefen: „macht Platz, macht Platz für die Krieger der Sonnenkönigin.“ Sie bogen schließlich in ein Gewirr aus Gassen ein, in denen verschiedene Waren vor den Türen lagen. Zeltdächer waren zwischen die Häuser gespannt um Schatten zu spenden und es gab ein Gewimmel an Menschen.

Ein Teil der Krieger lief voraus und sorgte durch Zurufe und rhytmisches Klopfen für Platz. Dennis wurde auf seiner Sänfte hindurchgetragen. Polia, Faroa und der Rest der Krieger folgten im Laufschritt.

Dann blieben die beiden vordersten Krieger stehen, pochten mit ihren Speeren an ein großes Tor aus Holz, und verlangten Einlass.

Die Flügeltüren öffneten sich und sie gelangten in einen gewaltigen Innenhof von etwa 20m Seitenlänge, der von dreistöckigen Gebäuden umgeben war. Hier waren die Dächer nicht mit Stroh gedeckt, sondern sie hatten richtige Ziegel. An dem Haupthaus gab es eine Freitreppe, die von beiden Seiten her begehbar war. Dennis sah einen Ziehbrunnen und Tiere, ähnlich wie in einem Bauernhof und doch fremd, Lamas und Truthähne. Sonst nichts. Aber es gab Knechte und Mägde.

Dann öffnete sich die Tür des Haupthauses und ein Théluan trat hervor, der nach seiner Kleidung zu schließen, eine sehr hochrangige Persönlichkeit sein musste. Er kam die Treppe hinunter, ging zu Dennis und verbeugte sich leicht. Er heiße „Basuna“ und er sei der Herr dieses Hauses, das ab sofort Dennis Haus sein solle (er meinte das nicht wörtlich, aber Dennis verstand). Er und seine Diener stünden Dennis zu seiner Verfügung.

Er klatschte in die Hände, Diener erschienen und sie geleiteten Dennis die Treppe hinauf in einen großen Raum, der dicht mit Teppichen und Fellen ausgelegt war. Es gab hier eine Feuerstelle und einen sehr flachen Tisch. Entlang der einen Wand gab es Polster, die ebenfalls mit Fellen belegt waren.

Dennis wurde gebeten, Platz zu nehmen.

Dann dankte Basuna Dennis für die Ehre, Gast in seinem Haus zu sein. Wenn er sich frisch machen wolle, dann würden die Diener für seine Wünsche sorgen. Wenn er etwas zum anziehen bräuchte, dann solle er das sagen. Auch Essen und Trinken gäbe es bald. Es sei für alles gesorgt.

Dennis nickte, das sei sehr freundlich. Dann bat Dennis darum, die Priester, Polia und Faroa herbei zu holen.

Als sie eintraten, dankte er den Priestern noch einmal für ihre Reisebegleitung und den sicheren Schutz. Dann wandte er sich an Basuna.

„Das hier“ sagte Dennis „sind meine Gefährten aus dem Dorf der Peruan. Sie sind meine Diener und sie sind mir ans Herz gewachsen. Ich möchte, dass sie gut versorgt werden, und dass sie das Privileg erhalten, mich persönlich zu bedienen. Sie sollen Befehle erteilen dürfen. Wenn sich ihre Knechte nicht sicher sind, ob sie die Befehle ausführen dürfen, dann sollen sie mich fragen. Vielleicht gibt es in dieser Stadt Gebote oder Verbote, die mir noch fremd sind. Dagegen möchte ich nicht verstoßen. Doch müssen sie gestatten, dass Ihre Diener meine beiden Vertrauten mit Respekt und Hochachtung behandeln.“

Für Basuna war das ganz und gar nicht ungewöhnlich. Es zeigte ihm, dass der Fremde mit wenig Gefolge aber doch mit zwei Vertrauten gereist war. Und er war es ganz offensichtlich gewohnt, Befehle zu erteilen. Das hob Dennis in seinem Ansehen. Basuna hatte zwar gehört, dass die Priester Dennis für einen Gott hielten, doch er hatte bisher, außer Dennis weißer Haut, noch keinen schlagenden Beweis, dass das auch wirklich stimmte. Er sah die fremde Kleidung, die Dennis trug.

Auch das war für ihn neu, er konnte das nicht zuordnen. Der Fremde musste immerhin etwas Besonderes sein.

Basuna war abgebrüht. Immerhin war er ziviler Berater der Sonnenkönigin, im Range eines Ministers, und zur Sonnenkönigin hatten außer den Hohepriestern nur wenige Personen wirklichen Zugang. Er hatte sich bereit erklärt, den Fremden aufzunehmen und zu prüfen. Er würde sich an seine Aufgabe halten, bis er durch die Sonnenkönigin andere Befehle erhalten würde.

Dennis wandte sich an die beiden Priester. Er erinnerte sie an ihr Versprechen, Dennis eine Leibgarde von Kriegern zusammenzustellen. Sie stünden weiterhin zu seiner Verfügung, sagten sie, und Dennis solle sich keine Gedanken machen, er könne sich am nächsten Tag seine Mannschaft selbst aussuchen. Sie würden hier im Haus bleiben, um über Dennis zu wachen.

Dennis war zufrieden.

Danach wurde er von den Dienern Basunas in einen Waschraum geführt. Er bekam sauberes Wasser aus Tonkrügen. Er bekam neue Kleidung, die viel wertvoller war, als seine bisherige Tracht des Stammesfürsten und es wurde ihm bedeutet, wenn er ein Bad wolle, auch das könne man schnellstens arrangieren.

Man erklärte, dass man für Polia und Faroa bereits eigene Räume vorbereitet und ihnen eine Erfrischung gibt, bevor man sie wieder zu Dennis schickt, damit sie ihm dienen.

Dennis nickte und wurde auf seinen Wunsch zurück in den großen Raum geleitet, in dem nun allerlei Obst ausgebreitet war. Es gab flache Fladen von Brot, die herrlich dufteten und es gab verschiedene Krüge mit Getränken.

Dennis war zwar hungrig, aber er wollte auf seine Begleiter warten. In der Zwischenzeit ließ er sich erklären, was in den Krügen war. Es gab Wasser, Fruchtsaft und sogar Wein und Bier. Das letztere verstand Dennis nicht ganz. Er roch an den Krügen und ließ sich etwas in ein Gefäß aus Ton eingießen, um das zu kosten. Er sei ein Gott, erklärte Dennis, der keine vergorenen Säfte trinkt. Er wolle sich mit Wasser und Säften begnügen.

Wenige Minuten später erklangen mehrere kleine Glöckchen, dann betrat Basuna den Raum. Er wurde von zwei jungen Mädchen begleitet, die ihm mit leicht geneigtem Kopf folgten.

Eine davon trug einen Stab mit bunten Federn, die andere ein Gebinde aus kleinen goldenen Glocken, die sie von Zeit zu Zeit schüttelte.

Bevor sich Basuna setzte, wedelte das Mädchen mit dem Federstab über die Felle und Teppiche, als würde sie Staub entfernen.

Basuna setzte sich. Er hatte jetzt ein anderes Gewand an. Festlich. Auch er trug jetzt goldene Ringe an den Händen, und hatte auf den Schultern seines Gewandes kunstvoll verzierte goldene Bleche mit verschiedenen Symbolen und Sonnen. Er würde mit Dennis speisen.

Dann klatschte er in die Hände und befahl, dass Dennis Diener jetzt herbeigebracht werden. Sofort.

Dennis vermutete, dass jetzt eine Art Machtspiel folgen würde, und er hoffte, dass Polia und Faroa ihre Rolle als Diener gut erfüllen. Für sein Ansehen war das wichtig.

Dennis musste sich ihretwegen keine Sorgen machen. Polia war wie eine kleine Elfe. Sie reichte ihm Brot und Obst. Sie schenkte nach, sie wartete still und ergeben auf Befehle, und sie kam jedem Befehl zuvor, als würde sie schon ahnen, was Dennis von ihr verlangt. Polia kümmerte sich nur um Dennis. Nur um ihn.

Faroa blieb abseits stehen. Er beobachtete. Er wartete auf Befehle. Er gab Polia ein oder zweimal ein leises Zeichen. Es war wie eingespielt.

Basuna hatte seine eigenen beiden Dienerinnen. Er sah die Bedienung durch Polia und Faroa und er nickte Zustimmung.

Nun konnte man reden.

Basuna versuchte vorsichtig und geschickt, Dennis auszuhorchen. Dennis war durch seine Tätigkeit für die Kids und die Stiftung soweit gereift und souverän, dass er die Absichten Basunas sofort erkannte. Er beantwortete Fragen sehr vorsichtig, und versuchte seinerseits Basuna auszufragen.

Es war ein Spiel zweier Taktiker.

Immerhin erfuhr Dennis, dass die Stadt sich um den ganzen Berg zog und rundherum befestigt war. Der Palast der Königin befand sich oben, neben dem großen Heiligtum, der Sonnenpyramide. Basuna hatte als einer der wenigen Zugang.

Dennis sprach Basuna auf seine Leibgarde an. Basuna nickte. Wenn die Priester das versprochen hätten, dann würden sie sich daran halten.

Dennis hatte seine eigene Kleidung wieder sicher verstaut. Er trug nun eine kunstvoll verzierte Kutte mit eingewebten Goldfäden. Seine Arme waren nackt.

Basuna sah erstmals, dass Dennis am ganzen Körper hellhäutig war, wenn auch nicht so weiß, wie die Sonnengöttin. Er sah das kleine Sonnensymbol auf Dennis Arm, es machte Eindruck. Er bemerkte Dennis Geschick im Gespräch und seinen fremden Akzent. Basuna hatte auch von Dennis Feuerschein gehört, den er um sich bilden konnte wie einen Schutzwall. Basuna sah Dennis blaue Augen, die tiefgründig wie ein See waren. Niemand im Reich der Sonnengöttin hatte jemals solche Augen gesehen. Auf Basuna übte das den größten Reiz aus. Er konnte sich in diesen Augen verlieren. Er musste sehr vorsichtig sein.

Noch hatte Dennis keine Zeichen seiner Macht gesetzt. Aber Basuna begann im Laufe des Gesprächs vorsichtig daran zu glauben, was man ihm erzählt hatte. Basuna kannte sich in taktischen Schachzügen aus. Er wusste, wie man Gegner mit Worten niederringt und gefügig macht.

Dennis war größer als Basuna, aber Basuna sah, dass Dennis trotz allem ein junger Mann war. Er sah das an Dennis Haut, an seinen Zähnen, an seinen glatten Händen und Beinen. Den Füssen fehlte die typische Hornhaut der südamerikanischen Indios. Dieser Fremde war es nicht gewohnt, zu laufen. Mit solchen Füßen nicht.

Obwohl Basuna alle erdenklichen Kniffe anwendete, um Dennis aus der Reserve zu locken, gelang ihm das nicht.

Dennis reagierte freundlich und bestimmt, immer ohne Zorn, immer höflich und immer in einer Weise, die Basuna zeigte, dass es Grenzen gab, die Basuna nicht verletzen dürfe.

Zwischen den Zeilen zeigte Dennis deutlich, er, der Thénnis, könne auch anders, und er lächelte manchmal Basuna hintergründig an, so dass sich Basunas Nackenhaare fröstelnd aufstellten.

Basuna schätzte Dennis Geschick, mit Worten umzugehen, obwohl er der Sprache der Théluan nicht ganz mächtig war.

Er erkannte an, dass Dennis trotz seiner Jugend die taktische Klugheit eines reifen Mannes besaß, der über viel Macht verfügt.

Dennis wollte von Basuna eins wissen. Ob er sich mit seiner Leibgarde in der ganzen Stadt frei bewegen könne, oder ob es Gebiete gibt, die nur bestimmten Personen zugänglich waren.

Auch das war für Basuna ein Beweis von Persönlichkeit. Dennis dachte voraus. Basuna verstand zunehmend, warum er sich „der Thénnis - der von der Großen Sonne Geschickte“ - nannte.

Basuna teilte Dennis mit, dass er überall hin gehen könne. Das Gebiet des Palastes und des heiligen Tempels solle er jedoch vermeiden. In die unteren Stadtteile (er sprach das aus wie Schmutz), solle Dennis vorerst nicht gehen, ohne sich mit ihm abzusprechen.

Dennis lag noch etwas auf dem Herzen. Er wünsche, dass Polia ihm nachts Gesellschaft leiste, und Faroa eine Kammer in seiner unmittelbaren Nähe habe. Das sei bereits arrangiert, sagte Basuna.

Dass sich der Thénnis der Dienste seiner Dienerin auch in der Nacht bediente, war für Basuna selbstverständlich. Er machte das selbst nicht anders.

Basuna hatte für heute genug gehört. Er würde der Königin Bericht erstatten. Er bat Dennis darum, sich zurückziehen zu dürfen. Morgen sei auch noch ein Tag. Für Dennis sei inzwischen eine Schlafstube hergerichtet worden. Auch über die Diener des Basuna könne er Tags und Nachts verfügen. Er brauche nur zu rufen. Als Dennis nickte, klatschte Basuna in die Hände.

Er stand auf und wurde von seinen Mädchen hinausbegleitet.

Dann kamen einige Diener und brachten Dennis zu seinem Schlafgemach.

Dennis bat Faroa, sich gleich schlafen zu legen, damit er morgen fit ist. Es gäbe Aufgaben. Polia nahm er mit sich. Er hatte nicht viel aus Basuna herausgeholt, dieser Mann war aalglatt. Vielleicht hatte Polia irgendetwas wichtiges von den Dienern aufgeschnappt.

Sie hatten das erste Mal seit Dennis Ankunft in der Vergangenheit ein richtig komfortables Schlafgemach mit vier festen Wänden, ganz anders als diese Herbergen, in denen sie übernachtet hatten und Dennis genoss das, indem er Polia ausgiebig und mehrfach liebte. In den Pausen fragte er sie aus.

Alle Diener - soviel wusste Polia - waren das persönliches Eigentum von Basuna. Sie waren nicht nur seine Diener. Er hatte sie gekauft. Er konnte mit ihnen machen, was er wollte.

„Die beiden Mädchen versüßen ihm die Nächte“, sagte Polia.

Außerdem musste Basuna eine bedeutende Persönlichkeit im Reich der Sonnengöttin sein. Dennis nickte. Sie mussten sehr viel mehr über diese Gesellschaft und ihre Regeln in Erfahrung bringen, um nicht unterzugehen. Dennis schärfte Polia ein, sie solle sich bei den Dienern umhören.

„Noch etwas. Ich habe dich und Faroa als meine Diener und als meine Vertraute vorgestellt, um uns alle zu schützen. Du hast gehört, dass ich von Basuna verlangt habe, dass die Diener euch gehorchen. Seid freundlich aber bestimmt. Lasst es nicht zu, dass man euch Befehle erteilt. Sagt einfach, ich habe das nicht erlaubt. Darüber wird nicht diskutiert. Einwände lehnt ihr ab. Wenn Basuna oder die Priester das dennoch versuchen wollen, dann verweist sie an mich. Sagt, Ihr habt eure Befehle, ihr gehorcht nur mir. Denk daran Polia: dies ist ein Machtspiel. Wenn ich euch und euer Dorf beschützen soll, dann müssen wir uns alle an diese Regel halten, oder wir werden gemeinsam untergehen. Wir müssen sehr viel mehr lernen über die Machtspiele in der großen Stadt.“

Polia war zwar erst zwölf, aber sie war die Tochter eines Anführers und sie hatte die Reife der in der Wildnis lebenden Indios. Sie hatte mit Aufmerksamkeit das Geplänkel zwischen Dennis und Basuna verfolgt. Das war ganz großes Palaver, wie man das nur unter Häuptlingen macht. Sie kannte das aus ihrem Dorf. Die Péruan hatten dafür sogar einen Begriff: Mau Mau. Sie hatte Dennis nie zuvor so reden hören. Das hier war großes Mau Mau wie es nur unter Häuptlingen geführt wird. Sie hatte Dennis bewundert. Sie ahnte intuitiv, dies sei der richtige Weg, um sie und ihr Dorf zu beschützen und sie war froh, dass ihr Vater ihr damals die Erlaubnis erteilt hatte, sich zu Dennis zu legen. Das Leben in der großen Stadt war fremd und gefährlich.

Sie nickte und kuschelte sie sich an Dennis. Sie würden das gemeinsam durchstehen. Dann führte sie Dennis wieder an ihre geheimen Stellen. Vielleicht lag ja sogar eine wunderbare Zukunft vor ihnen.

Die Krieger der Théluan

Подняться наверх