Читать книгу Schlag doch zu! Autobiografie - Harald Fiori - Страница 7
Schöner Lehreralltag
ОглавлениеIch hasste Lehrerkonferenzen, vor allen Dingen die, die sich ausschließlich mit der Bestrafung von renitenten Schülerinnen oder Schülern beschäftigen.
Neun Jahre war ich jetzt an dieser Schule und hatte alle guten Vorsätze und Pläne mittlerweile begraben müssen. Das Kollegium war insgesamt nicht besser und nicht schlechter als andere auch, aber einzelne Cliquen gab es und einzelne Kolleginnen und Kollegen, die eigentlich als Schande für den Lehrerberuf zu bezeichnen wären. Leider gab es weder im Kollegium noch in der Schulleitung noch in der Schulaufsichtsbehörde Kräfte, die stark genug waren, gegen Machenschaften vorzugehen, die den Schulalltag und vor allem das Zusammenspiel von Lehrern und Schülern vergiften konnten.
Zwar hatte ich noch nicht resigniert, war aber schon fast am Ende meiner Kräfte, die im Kampf gegen diese wenigen Störenfriede aufgebraucht worden waren. Auch neu hinzugekommene Kollegen vermochten nicht, das Betriebsklima zu verbessern. Und insbesondere die Häufigkeit von Klassen- und Lehrerkonferenzen zwecks Erteilung von Ordnungsmaßnahmen legten ein lebhaftes Zeugnis ab von der unheimlichen Spannung zwischen Lehrenden und Lernenden.
Besonders eifrig in dieser Branche tat sich der Kollege Kraft hervor.
Dabei hatten wir uns alle im Kollegium so gefreut, als dieser relativ junge Kollege an unsere Schule versetzt wurde. Endlich mal einer unter vierzig Jahren! Und dann auch noch mit der schwierigen Fächerkombination Musik und katholische Religionslehre.
Doch im Verhalten war dieser junge Kollege älter als alle, die schon sehnsüchtig auf ihre Pensionierung warteten. Seiner Meinung nach hatten Schüler grundsätzlich nur zu gehorchen, Rechte hatten sie eigentlich keine. Was ein Lehrer anordnete, hatte den Charakter eines Gesetzes. Spaß von Schülern untereinander oder gar gegenüber Lehrpersonen waren unerwünscht. Wenn schon Spaß erlaubt war, dann ausschließlich Spaß, den der Lehrer machte und den nur er auch als Spaß empfand. Dabei war es selbstverständlich, dass Schüler über Lehrerspäße zu lachen hatten. Wäre doch gelacht! Ehrfürchtig hatte ein Schüler zu warten, bis er vom Lehrer angesprochen wurde, durfte nicht etwa zuerst das Wort ergreifen. Gedient hatte der Kollege nicht, also gab es keine Beziehungen zum Militär. Er hätte auch das entschieden abgelehnt.
Denn sein Verhalten war nicht etwa militärisch, nur halt konsequent gegenüber unmündigen, zum Gehorsam verpflichteten Kindern. Ständig frustriert, dass genau diese Einstellung selbst bei anderen konservativen Kolleginnen und Kollegen nicht die erhoffte Zustimmung fand, war der junge Kollege auch deshalb keine besondere Bereicherung für das Kollegium, weil er in Folge dieser Frustration häufiger wegen Krankheit fehlen musste.
Wieder einmal war es ihm gelungen die Schulleiterin zu bewegen, eine Lehrerkonferenz einzuberufen, um einen Schüler der Schule zu verweisen. Denn über einen solchen Verweis konnte und durfte laut Allgemeiner Schulordnung ausschließlich die Lehrerkonferenz entscheiden. Mit eingeladen waren außer allen Lehrern und Lehrerinnen der Schule die Eltern des Schülers, ein Schüler seines Vertrauens, in diesem Fall noch ein Dolmetscher, weil der Vater des Jungen Libanese war und der deutschen Sprache nicht mächtig. Der Vater war zwar nicht allein erschienen, wohl ohne seine Ehefrau, hatte aber noch einen älteren Sohn mitgebracht, den Bruder Ahmeds.
Die Schulleiterin eröffnete die Konferenz:
„Sehr geehrte Damen und Herren, liebes Kollegium und Schüler, wir müssen heute über einen wirklich traurigen Anlass konferieren, der eine Ordnungsmaßnahme nach der Allgemeinen Schulordnung zum Thema hat. Der Schüler Ahmed Hamdu hat sich in unmöglicher Art und Weise so verhalten, dass er erheblich den Schulbetrieb gestört hat. Die Schwere seines Vergehens machte auch eine Lehrerkonferenz erforderlich, weil diese wahrscheinlich zu beschließende Ordnungsmaßnahme nicht von der Klassenkonferenz beschlossen werden darf. Was nun im Einzelnen geschehen ist, wird jetzt Herr Kraft vortragen. Bitte Herr Kraft!“
Herr Kraft setzte sich in Positur, würdigte weder den Schüler Ahmed noch seinen Familienangehörigen eines Blickes und begann:
„ Vor drei Tagen wollte ich zum Musikunterricht in unser zweites Lehrgebäude hinüber gehen, als mir eine Horde von Schülern entgegen trampelte, die eine Kette gebildet hatten und mir den Weg versperrten. Eilig, wie ich war, versuchte ich diese Kette zu durchbrechen, als Ahmed plötzlich zornrot im Gesicht auf mich einschrie, ich solle gefälligst meine Dreckfinger von ihm lassen, sonst würde ich ihn mal kennen lernen. Dabei ballte er in eindeutiger Pose seine Faust. Ich wies ihn zurecht und machte ihn auf die Unmöglichkeit seines Verhaltens aufmerksam, als er plötzlich schrie, ich sollte gefälligst nicht seine Mutter beleidigen, ich wäre ein alter Faschist oder Nazi, so genau konnte ich ihn nicht verstehen.
Jedenfalls drohte ich ihm sofort eine Maßnahme nach der Allgemeinen Schulordnung an und gebot ihm, sich schleunigst zu beruhigen und in seinen Unterricht zu gehen.
Unter lautem Schimpfen, dessen Inhalt ich hier nicht wiedergeben möchte, weil ich sonst vor Scham rot würde, verzog er sich in provozierender Art in die meiner eigenen entgegengesetzten Richtung, ständig Drohungen gegen meine Person ausstoßend. Das ist der Grund, warum ich die Schulleitung darum gebeten habe, diese Konferenz einzuberufen. Gleichzeitig habe ich auch eine Anzeige bei der Polizei gemacht. Denn ich sehe beim besten Willen nicht ein, dass ich mich in dieser Form von Schülern, besonders nichtdeutscher Herkunft, bedrohen lassen muss. Wir wollen doch hier keine amerikanischen Verhältnisse haben. Es muss in diesem Fall ein Exempel statuiert werden!“
Mehrere Kolleginnen meldeten sich zu Wort. Die Schulleiterin notierte kurz und forderte Frau Ahnschütz auf zu sprechen. Während es allgemein rumorte im Kollegium, meldete sich der Dolmetscher und bat darum, den Vorwurf von Herrn Kraft kurz übersetzen zu dürfen. Als er schnell auf Herrn Hamdu, den Vater des Delinquenten einredete, verfinsterte sich dessen Gesicht mehr und mehr. Er antwortete mehrmals dem Dolmetscher, der zum Schluss fragte, ob der Vater seinen Sohn zu diesen Vorwürfen befragen dürfe.
Ahmed antwortet sehr kurz, und der Vater schien etwas beruhigt. Frau Kern, die Schulleiterin, wollte wissen, was die beiden gesprochen hätten. Der Dolmetscher erklärte, dass der Vater nur gefragt hätte, ob alles stimme, was Herr Kraft vorgetragen hatte. Ahmed habe geantwortet, das meiste wäre nicht ganz richtig. Er würde es später richtig stellen, wenn er dran sei.
Nun forderte Frau Kern Frau Ahnschütz, die sich als erste gemeldet hatte, auf, ihren Beitrag zu leisten. Auch Frau Ahnschütz setzte sich in Positur, räusperte sich und begann:
„Ahmed ist ein Schüler, der auch in meinem Unterricht dadurch auffällt, dass er häufig stört und vor allen Dingen aggressiv wird seinen Mitschülern gegenüber. Ihm ist ein solches Verhalten, wie Herr Kraft es vorgetragen hat, durchaus zuzutrauen und er soll es nur ja nicht abstreiten. Das glauben wir nicht.
Hast du nicht neulich erst mit Christian eine Schlägerei anfangen wollen, Ahmed? Und das mitten im Unterricht?! Nein, ich will jetzt dazu nichts hören. Es hat mir gereicht, wie du ihn als Hurensohn beschimpft hast und noch dazu sofort mit der Faust auf ihn losgesprungen bist. Nur mit Hilfe von Saudin und Volker konnten wir dich zurückhalten. Auch ich bin der Meinung, dass Ahmed zu aggressiv ist und eigentlich auf unserer Schule nichts zu suchen hat. Ganz abgesehen davon, dass er auch nicht besonders gut aufpasst und häufig ohne Hausaufgaben zum Unterricht erscheint!“
„Frau Penner, bitte“, forderte Frau Kern die nächste Kollegin auf, mir zunickend, weil ich mich an dieser Stelle zum zweiten Male meldete.
Frau Penner wandte sich sofort Ahmed zu: „Na, da hörst du es auch von anderen. Hast du nicht erst vorgestern in der Hofpause ebenfalls vor dem Christian gestanden mit geballten Fäusten. Auch da konnte ich nur mit Mühe dich davon abhalten zuzuschlagen. Ich glaube wirklich, dass du lernen musst, dich zu beherrschen und unterzuordnen!“
Herr Weinstein war dran: „Dass Ahmed übermäßig aggressiv ist, kann ich nur bestätigen. Aber auch uns Lehrern gegenüber ist er äußerst vorlaut. Erst neulich meinte er in meinem Physikunterricht, ich könne ihn mal. Ich sollte nicht dauernd auf ihm herumhacken. Dabei hatte ich nur zum zehnten Male festgestellt, dass er wieder einmal seine Unterlagen nicht mitgebracht hatte. Oder möchtest du das abstreiten, Ahmed?“
Ahmed hatte sich spontan aufgerichtet und gemeldet und antwortete sofort, als Herr Weinstein ihn dazu ermunterte:
„Sie wissen doch genau, Herr Weinstein, dass ich niemals ein Buch von Ihnen erhalten habe. Deshalb kann ich auch keines mitbringen und auch keine Hausaufgaben machen, wenn Sie welche aus dem Buch aufgeben. Das habe ich Ihnen doch auch schon mehr als zehnmal gesagt, aber immer wieder hacken Sie auf mir rum Aber Sie hören sowieso nie zu, wenn ich was sage, ist ja auch viel zu laut bei Ihnen in der Klasse, wenn Sie da sind!“
„Nun wird‘ mal nicht unverschämt!“ mischte sich sofort Frau Kern ein, „da merkt man doch, wie wenig Achtung du vor uns Lehrern und vor der Schule hast, wenn du hier schon so frech wirst, vor dem gesamten Kollegium! Außerdem hast du nur zu reden, wenn ich dich dazu auffordere! Und jetzt halt gefälligst deinen Mund. Von dir möchte ich jetzt nichts hören! Herr Fiori bitte!“ Ahmed wollte sofort auf diese Rüge reagieren, kam aber, so zurecht gewiesen, nicht dazu, weshalb ich das Wort ergriff:
„ Ich habe den Ahmed selbst nicht im Unterricht, kenne ihn aber sehr gut vom Schulhof her. Wann immer ich Hofaufsicht hatte, ist mir Ahmed niemals unangenehm oder besonders aggressiv aufgefallen. Deshalb möchte ich darum bitten, dass er selbst ausreichend Gelegenheit erhält zu einer Stellungnahme.“
Immer wieder bat der Dolmetscher um eine kurze Unterbrechung, damit er alles übersetzen könne. Alle Lehrerinnen und Lehrer trugen etwas dazu bei, um zu erklären, wie aggressiv Ahmed meistens sei. Der Schüler seines Vertrauens, Adnan Kayali erklärte kurz, dass Ahmed nicht angriffslustiger wäre als andere, dass er aber häufiger provoziert würde. Zum Beispiel würde Christian immer wieder den Ahmed als Dieb beschimpfen oder als Zigeuner oder als Hurensohn. Dann sähe Ahmed natürlich rot und würde zuschlagen. Aber das wäre doch auch sehr normal.
Frau Kern meinte dazu zwar, dass sie selbst auch nicht ständig zuschlüge, wenn ihr danach zumute wäre. Deshalb fände sie das Verhalten von Ahmed auch gar nicht normal. Aber es wäre halt bezeichnend, dass auch der Schüler seines Vertrauens zugäbe, dass Ahmed häufig zuschlüge. Nun war Ahmed an der Reihe, selbst einmal zu den ganzen Vorwürfen Stellung zu nehmen:
„ Ich gebe zu, dass ich an dem Tag, als wir den Spaß mit Herrn Kraft gemacht hatten, schon unheimlich wütend geworden war. Aber es war nicht so, wie Herr Kraft es erzählt hat. Wir hatten aus Spaß so eine Kette gemacht, um zu sehen, wie Lehrer darauf reagieren. Wir wollten natürlich keinen lange aufhalten oder am Gehen hindern. Wir haben auch mit anderen Schülern das so gemacht. Aber keiner hat so reagiert wie Herr Kraft. Er schwenkte sofort auf mich zu, stieß mit der linken Faust gegen meinen rechten Arm, packte mich dann mit der rechten Hand am Oberarm, dass es richtig weh tat, und knirschte mit den Zähnen. Er meinte, dass er doch wohl noch ein wenig stärker wäre und ich solle gefälligst sofort auf die Seite gehen. Aber er hat so leise gesprochen, dass es außer mir keiner hören konnte. Dann habe ich ihn angeschrieen, er soll mich loslassen. Da hat er dann gebrüllt, was mir einfiel, wo ich überhaupt herkäme, ich sollte wieder in den Libanon verschwinden, wo meine Mutter dann das Zelt putzen dürfte. Da wurde ich noch wütender und schrie, er sollte meine Mutter nicht beleidigen. Dann hat er mich weggeschuppt, dass ich fast gefallen wäre und hat gedroht, dass ich von der Schule fliegen würde und er eine Anzeige machen wollte. Ich habe vor lauter Wut alles Mögliche gesagt, was ich heute nicht mehr weiß. Dafür möchte ich mich auch entschuldigen, aber ich bin auch sehr stark provoziert worden.“
Frau Kern ließ ihm noch Zeit, das seinem Vater zu erzählen in der Landessprache und sagte dann:
„Du gibst also zu, dass du Herrn Kraft beschimpft hast und dass du ihn wohl auch bedroht hast. Wir dürfen jetzt dich, deinen Vater, deinen Bruder, den Dolmetscher und Adnan bitten, nach draußen zu gehen und zu warten, bis wir mit der Beratung fertig sind. Dann rufen wir alle wieder herein und verkünden, was wir beschlossen haben.“
Während alle hinausgingen, redeten der Dolmetscher und Ahmed auf den Vater ein, wahrscheinlich um ihm zu erklären, was jetzt folgte.
Dieses Mal hatte ich mich als erster gemeldet. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass es sich ganz genau so zugetragen hatte, wie Ahmed erzählt hatte. Deshalb nahm ich eindeutig Stellung für den Jungen:
„ Immer wieder wurde jetzt von Ahmeds Fehlverhalten berichtet im Unterricht oder auf dem Schulhof. Dabei wurde betont, dass Ahmed nicht so ganz ordentlich ist in Hinsicht auf seine Hausaufgaben. Ich finde, dass sein sonstiges Verhalten eigentlich nicht in dieser Konferenz besprochen werden sollte, wenn es darum geht, den schwerwiegenden Vorwurf einer tätlichen Bedrohung zu behandeln.“
Sofort mischte sich Frau Schalleer ein, ohne übrigens ausdrücklich von der Schulleiterin zum Reden aufgefordert worden zu sein:
„Das ist doch wohl völliger Unsinn, Herr Fiori. Aber Ihre Einstellung ist ja weitgehend bekannt. Natürlich müssen wir uns ein Bild machen von dem Gesamtverhalten eines Schülers, über den wir hier verhandeln, sonst können wir wohl kaum zu einem gerechten Urteil kommen! Hier geht es darum, den unangenehmen Charakter eines auffälligen Schülers öffentlich darzulegen und zu berücksichtigen!“
Frau Kern erteilte mir wieder das Wort: „Fahren Sie fort, Herr Fiori, aber Frau Schalleer hat natürlich recht, wir können das einmalige Fehlverhalten eines Schülers nur dann richtig beurteilen und würdigen, wenn wir auch sein sonstiges Benehmen in der Schule berücksichtigen. Im Übrigen fällen wir hier keine Urteile, Frau Schalleer, sondern wir beschließen über eine Ordnungsmaßnahme, wir sind ja keine Richter. Bitte, machen Sie weiter, Herr Fiori!“
Mir tat der Junge schon leid, es hatte wohl wenig Zweck, hier für seine Rechte einzutreten, aber ich wollte es wenigstens versuchen:
„Also, ich bin schon der Meinung, dass es für die Beurteilung eines einmaligen Fehlverhaltens nicht ganz so wichtig ist, wie der Junge sonst im Unterricht mitarbeitet oder ob er immer seine Hausaufgaben gemacht hat. Doch in diesem Fall möchte ich schon mein eigenes Erlebnis erzählen, das ich nur wenige Minuten vor Herrn Kraft mit Ahmed und der Gruppe gehabt hatte. Auch ich eilte zuvor am gleichen Tage hinüber in unser Zweitgebäude, als mir die Jungen, die eine Kette gebildet hatten, entgegen kamen und lachend sagten, dass ich dort nicht durch käme ohne etwas dafür zu tun.
Ich setzte eine drohende Miene auf und rief, dass ich jedem eine Sechs geben würde, wenn ich nicht sofort durchgelassen würde. Die Jungen lachten über den Scherz und meinten, davon wären sie wenig beeindruckt, denn ich hätte sie ja in keinem Fach und könnte keinem eine Sechs geben.
Also änderte ich meine Taktik und versprach dem, der mich auf der Stelle durchließe, eine Eins. Wieder lachten alle, aber sofort öffnete sich die Kette an mehreren Stellen, so dass ich ungehindert meinen Weg fortsetzen konnte. Einige fragten dann nur noch, hinter mir herrufend, in welchen Fächern ich denn die Einsen verteilen wollte. Ich antwortete fröhlich, in Chinesisch, Japanisch und Koreanisch, worauf die Jungen lachend weiter zogen und ihre Kette neu bildeten. Ich denke, wir sollten nicht jeden Scherz, den Schüler mit uns machen wollen, gleich als persönlichen Angriff aufnehmen.
Das ist bis jetzt mein Haupteinwand gegen eine Ordnungsmaßnahme, die in dieser Konferenz beschlossen werden soll.“
Sofort gab es wieder Wortmeldungen von mehreren Kolleginnen und Kollegen. Die Diskussion, die sich nun ergab, wurde sehr wenig sachlich geführt.
Frau Schalleer wurde richtig böse: „Das ist doch mal wieder typisch. Herr Fiori ermuntert mit seinem unpädagogischen Verhalten Schüler ja gerade dazu, sich unverschämt und frech gegenüber uns Lehrern zu verhalten. Er hätte gleich energisch gegen diese Art der Scherze vorgehen müssen, dann wäre Herrn Kraft das nicht passiert! Es ist einfach unmöglich, dass Schüler die Frechheit besitzen, mit Lehrpersonen gleiche Spiele zu machen wie mit Mitschülern!“
Frau Kern antwortete sofort: „Also, es geht hier nicht um Herrn Fiori und sein Verhalten gegenüber Schülern. Hier geht es darum, dass Ahmed unangemessen heftig Herrn Kraft gegenüber reagiert hat. Natürlich haben Sie Recht, dass Schüler sich nicht erlauben dürfen, mit Lehrern so zu spielen. Wir sind schließlich nicht ihre Eltern oder lieben Verwandten. Gott sei Dank nicht. Wir haben auch nicht zu klären, Herr Fiori, ob Herr Kraft sich vielleicht nicht ganz angemessen verhalten hat. Deshalb wollen wir wirklich tunlichst vermeiden, hier über Kollegen und ihre Reaktionen zu diskutieren.“
Trotzdem wurde heftig weiter diskutiert, wie unverschämt doch Ahmed gewesen wäre und dass er ja selbst zugegeben hätte, dass er sich falsch verhalten hätte. Erschwerend käme hinzu, dass er sich zwar für seine Ausdrucksweise entschuldigt hätte, aber ansonsten überhaupt keine Reue gezeigt. Man müsse nun wirklich ein Exempel statuieren. Es war nicht einer dabei, der auch nur im Ansatz der Meinung war, dass der Junge nur auf eine üble Provokation reagiert hatte. Auch eine erneute Wortmeldung meinerseits konnte das Kollegium nicht umstimmen. Deshalb versuchte ich es noch einmal, mit formalen Argumenten:
„ Im § 13 der „Erzieherischen Maßnahmen“ steht, dass eine Ordnungsmaßnahme nur dann überhaupt in Betracht kommt, wenn alle anderen erzieherischen Maßnahmen nicht zu einer Verhaltensänderung geführt hatten. Ich frage jetzt hier, welche anderen erzieherischen Maßnahmen sind überhaupt bisher ergriffen worden, um eine Aggressivität dieses Schülers in den Griff zu bekommen oder in erwünschte Bahnen zu lenken? Zu den möglichen erzieherischen Maßnahmen gehört zum Beispiel auch, dass der Beratungslehrer konsultiert werden kann, wenn besondere Probleme auftreten, die sich nicht ohne weiteres lösen lassen. Ich muss feststellen, dass ich weder von erzieherischen Maßnahmen etwas gehört habe noch bin ich in meiner Eigenschaft als Beratungslehrer überhaupt nur ein einziges Mal gefragt worden.
Deshalb bin ich der Meinung, dass diese Konferenz eigentlich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht hätte einberufen werden dürfen. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass ein Verweis von der Schule nur dann ausgesprochen werden darf, wenn vorher eine solcher Verweis schriftlich angedroht worden ist. Auch das ist nicht geschehen. Deshalb können und dürfen wir heute keinesfalls beschließen, dass Ahmed der Schule verwiesen wird.“
Frau Kern reagierte etwas genervt: „Also Herr Fiori, wir bedürfen Ihrer Belehrung nicht, denn das ist klar, dass nach § 18 und 19 AschO der Verweis erst ausgesprochen werden darf, wenn vorher in einer Lehrerkonferenz beschlossen worden war, die Androhung eben dieses Verweises auszusprechen. Was die erzieherischen Maßnahmen betrifft, so ist es so, dass ich hier gehört habe, dass Ahmed oft genug ermahnt worden ist. Das reicht doch wohl, oder an welche Maßnahmen hatten Sie sonst gedacht? Ich vertraue darauf, dass meine Kolleginnen und Kollegen sich da sehr korrekt verhalten haben. Was nun den Kontakt zu Ihnen angeht, so kann ich nur erwähnen, dass ich Sie schon mehrfach gebeten habe, Ihre Tätigkeit als Beratungslehrer hier an der Schule transparenter zu machen.“
In diesem Augenblick meldete sich Herr Kraft noch einmal zu Wort: „Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle wieder einmal fest, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Ganz besonders aber von Herrn Fiori. Bei seinem Fall damals war es ganz klar, dass der Schüler die Schule verlassen musste, und niemand hat dagegen gestimmt. Aber er setzt in diesem Fall alle Hebel in Bewegung, um mich lächerlich zu machen und den Schüler zu schonen!“
Was meinte er nur? Ich wusste wirklich im Moment nicht, wovon eigentlich die Rede war. Dann fiel mir ein, dass tatsächlich einmal ein Schüler mir Schläge angedroht hatte. Aber das war völlig anders, als hier in diesem Fall. Vor allen Dingen hatte ich nicht, wie Herr Kraft, eine Konferenz einberufen und dem Schüler die Zukunft verbaut. Im Gegenteil, ich hatte damals dafür gesorgt, dass der Schüler zwar eine andere Schule besuchen musste. Aber da ging es darum, dass er wegen seines Leistungsvermögens in einer anderen Schulform besser aufgehoben war und dort dem erstrebten Abschluss näher gebracht werden konnte. Dieser Vorfall war nun absolut überhaupt nicht mit dem vergleichbar, was hier gerade verhandelt wurde. Aber brachte es etwas, wenn ich jetzt darauf einging, um das klar zu stellen? Ich wollte gerade den Mund öffnen, als Frau Kern sagte:
„Und jetzt möchte ich die Debatte beenden und bitte um Abstimmung, was wir mit Ahmed machen wollen. Mein Vorschlag ist, dass wir zunächst absegnen, dass ich ihn ad hoc schon für vier Tage von jeglichem Unterricht ausgeschlossen hatte. Des Weiteren schlage ich vor, dass wir ihm den Verweis von der Schule androhen. Ich bitte um das Handzeichen. Wer ist dafür? Wer ist dagegen? Wer enthält sich? Ach, ich vergaß, Enthaltungen sind, glaube ich, nicht statthaft!“
Die Abstimmung war eindeutig. Alle waren für die Vorschläge von Frau Kern mit meiner Gegenstimme.
Frau Kern bat die Wartenden wieder hinein, verkündete und begründete den Beschluss und schloss die Sitzung.
Nachdem der Dolmetscher Herrn Hamdu alles übersetzt hatte, erhob sich der, hob die Faust und drohte Herrn Kraft mit den Worten: „Sie sind eine Nazi. Meine Sohn hatte Recht. Meine Sohn sollte nicht gehen in solche Schule zu solche Lehrer!“
Am nächsten Morgen hatte ich in den beiden ersten Stunden Deutsch in meiner Klasse, einem neunten Schuljahr. Wir übten die Konstruktionsbeschreibung, weil gerade parallel im Technik-Unterricht Konstruktionen durchgeführt wurden und dazu eine Beschreibung benötigt und hilfreich war. Außerdem gehörte diese Art Beschreibung auch dringend zum vorgeschriebenen Stoffplan im Fach Deutsch in einer Klasse, die als Abschlussklasse fungiert. Und es gehörte selbstverständlich zu meinen Lieblingsaufgaben, solche Vorschriften zu befolgen.
Bisher hatte die Arbeit mit diesem Thema allen viel Freude gemacht und alle waren mit Eifer bei der Sache. Nur an diesem Morgen schleppte sich die Zeit dahin. Die Mädchen und Jungen waren sehr unkonzentriert, immer wieder kam es vor, dass jemand eine Frage überhaupt nicht verstanden hatte. Andere träumten vor sich hin, insgesamt aber herrschte eine Unruhe, die man mehr spüren als beschreiben kann. So kam es, dass ich das zu behandelnde Thema verließ und den Klassensprecher fragte, was denn eigentlich los wäre.
Ali antwortete auch sofort: „Also das mit dem Ahmed aus der achten ist schon eine Riesensauerei. Der Kraft soll sich mal ja zurückhalten. Der spinnt doch wohl!“
Sofort unterbrach ich ihn: „Daher also weht der Wind. Zunächst einmal ist das immer noch der Herr Kraft für dich. Zweitens möchte ich nicht mit euch über Lehrer diskutieren oder überhaupt nur sprechen. Wenn ihr also von der Lehrerkonferenz etwas wisst, dann können wir sachlich darüber reden und klären, was euch daran beunruhigt. So und nun fang bitte noch einmal an!“
Ali knurrte: „Wir haben gehört, was gestern in der Lehrerkonferenz gelaufen ist und dass Ahmed bestraft wurde. Das finden wir nicht richtig. Denn Herr Kraft hat ganz eindeutig den Ahmed so provoziert, dass er gar nicht anders reagieren konnte. Ahmed ist zwar kein Engel, aber in diesem Fall ist Herr Kraft einfach zu weit gegangen. Ahmed wollte nur einen Scherz machen, und was macht Herr Kraft daraus? Er macht daraus ein Verbrechen!“
Katja hatte sich gemeldet: „Wir finden alle, dass es ungerecht war, was gestern mit Ahmed passiert ist. Wir wissen ganz genau, dass Herr Kraft ständig an ihm rumnörgelt und wir wissen auch, dass er etwas gegen Ausländer hat!“
Nun musste ich wohl wieder eingreifen, weil das Gespräch abermals in Richtung Kritik an einem Lehrer abdriftete. Genau das aber wollte ich unbedingt verhindern:
„Passt mal bitte auf! Ihr redet schon wieder schlecht über Herrn Kraft. Das kann und darf ich nicht zulassen, will es auch nicht! Wenn wir darüber sprechen, dann nur über den Fall und meinetwegen auch über das Verhalten von Ahmed. Ihr habt vielleicht Recht, dass Ahmed wirklich nur einen Scherz machen wollte und Herr Kraft das nicht richtig verstanden hat. Jedenfalls fühlte Herr Kraft sich bedroht, und das können wir Lehrer uns natürlich nicht gefallen lassen! Und nur deshalb wurde eine Ordnungsmaßnahme ausgesprochen, die den Schulbetrieb hier in ordentlicher Form gewährleisten soll. Für Ahmed ist das eigentlich überhaupt nicht so schlimm. Denn wenn er sich bis zum Schuljahresende ordentlich verhält und nicht mehr unangenehm auffällt, dann passiert ihm überhaupt nichts. Ich denke, das kann er doch sehr gut. Und deshalb müsst ihr euch auch eigentlich nicht darüber aufregen, denn auch wenn es Unrecht war, so hat Ahmed keine Nachteile davon. Voraussetzung ist natürlich, dass er sich wirklich zusammenreißt. Er sollte auch keinerlei Schlägereien mehr beginnen. Wenn er wirklich von Mitschülern angegriffen wird, soll er sich ausnahmsweise zurückziehen oder an einen Lehrer wenden, wenn einer in der Nähe ist. Sagt ihm das bitte! So, nun hoffe ich, dass wir ordentlich weiter arbeiten können!“
Nur Melanie äußerte danach noch, dass Herr Kraft schon Möglichkeiten finden würde, um Ahmed weiter zu provozieren, bis er sein Ziel erreicht hätte und Ahmed tatsächlich von der Schule flöge. Mahmud glaubte nicht, dass Ahmed ganz ohne Prügelei auskäme bis zu den Ferien. Und dann wäre er automatisch dran, auch wenn er selber gar nicht die Schlägerei begonnen hätte.
So ganz motiviert wie sonst waren sie danach zwar immer noch nicht bei der Sache, aber wenigstens kamen wir zu einer einigermaßen vernünftigen Konstruktionsbeschreibung und erarbeiteten eine Aufstellung von Regeln, wie eine solche aufgebaut werden konnte.
Nach den beiden Deutschstunden musste ich wieder hinüber in das andere Gebäude, um dort im siebten Schuljahr Religionsunterricht zu erteilen. Frau Kern begleitete mich. Fröhlich grüßten mich ständig Kinder, die ebenfalls pendelten, mit den Worten: „Guten Morgen, Herr Fiori!“
Immer erwiderte ich den Gruß und fügte sofort die Mahnung an, dass ich doch nicht alleine sei, sie möchten wohl auch bitte Frau Kern grüßen. Manche entschuldigten sich und riefen: „Guten Morgen, Frau Kern!“ Andere murmelten nur etwas, und einige verzogen das Gesicht, sagten aber nichts. Ich verstand Frau Kern in dieser Hinsicht nicht. Sie war regelrecht beleidigt, dass die Kinder sie nicht grüßten, machte aber überhaupt keine Anstalten, diesen Zustand so oder so zu ändern. Ich wollte ihr, der fast Gleichaltrigen, auch keine Lehre erteilen. Immerhin war sie ja auch meine Vorgesetzte.
Wenn Schulleiter auch immer betonten, sie seien nur „Primus inter Pares“, so war sie jedoch in vieler Hinsicht weisungsbefugt. Trotzdem sagte ich aber, dass man Kinder nur dann zur Höflichkeit brächte, wenn man mit gutem Beispiel voranginge. Ich jedenfalls hätte nie Probleme damit gehabt, die Kinder auch zuerst zu grüßen. Die Folge dieser Angewohnheit war nun, dass jetzt die Kinder immer mich zuerst grüßten und das besonders freundlich. Frau Kern meinte, das läge vielleicht auch ein wenig an meiner Art, mich bei Kindern beliebt zu machen.
Das saß wieder einmal. Ich fand es eigentlich unverschämt, dass immer wieder Kolleginnen oder Kollegen Anspielungen machten, ich sei besonders schülerfreundlich und würde oft Dinge zulassen, die eigentlich verboten wären. Genau das empfand ich selbst nicht so. Ich dachte von mir, dass ich der strengste Lehrer an dieser Schule wäre. Denn ich hatte oft das Gefühl, dass ich die Kinder mit meinen hohen Anforderungen bis an den Rand ihrer Möglichkeiten brachte.
Hatte ich doch zum Beispiel fünf Jahre zuvor gegen den Willen der Fachkonferenz Deutsch durchgesetzt, dass meine Klasse 10 B die „Judenbuche“ von Annette von Droste Hülshoff gelesen und interpretiert hatte, obwohl eine Kollegin ganz besonders energisch dagegen protestiert hatte mit den Argumenten, damit seien unsere Schüler an der Hauptschule hoffnungslos überfordert.
Sie selbst hätte schon während ihrer eigenen Schulzeit unter dieser Lektüre gelitten, aber sie wäre ja auf dem Gymnasium gewesen. Schüler einer Hauptschule wären aber sicher nicht in der Lage, ordentlich an dieser Literatur mitzuarbeiten, würden auch den Text wohl keinesfalls verstehen, erst recht nicht interpretieren können.
Genau mit diesen Argumenten hatte ich dann meine Klasse motiviert, gerade diese Lektüre auf eigene Kosten anzuschaffen. Denn das wollte niemand von ihnen auf sich sitzen lassen, dass sie etwas nicht könnten, was zum Beispiel Schüler eines Gymnasiums ohne Probleme fertig brächten. Auch meinten sie nicht, dass sie durch irgendeinen Unterricht überfordert werden würden. Sie hatten schließlich von mir selbst gelernt, dass es eigentlich überhaupt nichts gäbe, was ein Mensch nicht könne, wenn er nur wolle.
Andererseits brachte ich schon eine Menge Verständnis dafür auf, was Schüler hindern könnte, ordentlich in der Schule mitzuarbeiten. Wir machten dann oft länger oder arbeiteten die Probleme auf. Dabei durfte auch der eine oder andere Scherz nicht fehlen. Denn ohne ein wenig Freude oder eine lustige Pause konnte einfach eine schwierige Aufgabe nicht bewältigt werden. Meiner Meinung nach war ich wegen meines Humors bei den Schülern so beliebt und nicht etwa deshalb, weil ich fünfe gerade sein ließ, wie mir oft vorgeworfen wurde.
Aber wir wollten nicht darüber streiten. Dann kam sie mit einem Anliegen heraus, was mir ein wenig Kopfschmerzen verursachte. Mit ihrer leisen Stimme raunte sie:
„Herr Fiori, ich habe eine Bitte, dass Sie sich in ihrer Eigenschaft als Beratungslehrer einmal mit Herrn Kraft unterhalten. Ich bin der Meinung, dass er wirklich Probleme hat im Umgang mit den Schülern. Zu oft ruft er nach der Polizei. Ich möchte das nicht, dass ständig nach außen getragen wird, wenn hier in der Schule mal etwas nicht so läuft, wie wir uns das wünschen. Würden Sie das wohl tun bei irgendeiner sich ergebenden Gelegenheit?“
Das war genau die Art, wie ich als Beratungslehrer nicht agieren sollte und es auch bestimmt nicht wollte. Wenn jemand das Bedürfnis hatte, sich mit mir über seine Probleme zu unterhalten, sollte grundsätzlich die Initiative von ihm aus gehen. Denn meine Tätigkeit als Beratungslehrer setzte voraus, dass ich seine Probleme anhörte und mich auf seine Auffassung einstellte und mich auch auf seine Seite stellte und seine Nöte verstehen würde.
Das hieß, dass ich grundsätzlich mich seiner Probleme positiv annehmen musste, um dann im Gespräch zu klären, welche Möglichkeiten er selbst finden konnte, diese Probleme zu lösen. Nur wenn der Ratsuchende selbst keine Möglichkeit sah, dann sollte ich kraft der Vernetzung der Beratung ihm eine möglichst kompetente Hilfe nennen und vielleicht auch die Verbindung dorthin aufnehmen. Und genau dieses Prinzip wurde natürlich durchbrochen, wenn ich die Initiative ergreifen musste. Dann war ich es nämlich, der im Grunde ein Problem hatte.
Trotzdem versprach ich Frau Kern, dass ich Herrn Kraft ansprechen wollte.
Inzwischen hatten wir unser Ziel erreicht und begaben uns in unsere Unterrichtsräume. Denn Frau Kern musste nicht in ihr Büro sondern ebenfalls sofort in den Unterricht.
Auch während der Religionsstunde im siebten Schuljahr kam es zu ähnlicher Unruhe wie in meiner eigenen Klasse. Auch hier musste ich mich kurz auf ein Gespräch über die gestrige Lehrerkonferenz einlassen und Herrn Kraft gegen meine eigene Überzeugung verteidigen. Ob ich besonders glaubwürdig klang, bezweifelte ich.
Es sollte am gleichen Tag noch dicker kommen.
Nach der letzten, der sechsten Stunde baten mich Katja und Melanie um ein vertrauliches Gespräch. Ich blieb deshalb gleich mit ihnen im Klassenzimmer.
Dabei fiel mir ein, dass genau davor oft gewarnt worden war. Gerade ein männlicher Lehrer mit zwei Schülerinnen im vertraulichen Gespräch wäre der Gefahr einer Verleumdung ausgesetzt. Gab es doch hinreichend Beispiele dafür, dass Schülerinnen den Lehrer anzeigten wegen angeblicher sexueller Belästigungen oder Schlimmeres. Seine Unschuld zu beweisen, fiel dann dem betroffenen Lehrer mehr als schwer. Solche Fälle waren nur dann gut ausgegangen, wenn so ein Mädel hinterher den Mut aufbrachte, die Wahrheit zu sagen, dass sie dem Lehrer eigentlich nur einen Denkzettel verpassen wollten, an der Beschuldigung selbst aber absolut kein Körnchen Wahrheit sei. Trotzdem hatten dann solche Kollegen einen guten Ruf oftmals verloren.
Obwohl mir diese Gedanken durch den Kopf gingen, ließ ich mich auf das Gespräch ein. Tatsächlich hatte ich auch überhaupt keine Befürchtungen, dass die Mädchen irgendetwas anderes im Schilde führten, als mich wirklich zu bitten, ihnen bei der Lösung eines Problems behilflich zu sein. Die Mädel hatten sehr großes Vertrauen zu mir und ich vertraute ihnen ebenfalls völlig. Außerdem gehörte es sowieso zu meinem Alltag als Beratungslehrer, dass sich Jungen oder Mädchen allein ratsuchend an mich wandten, dabei strikte Vertraulichkeit erwartend.
Ich fragte infolgedessen, was sie denn auf dem Herzen hätten.
Katja kam sofort zur Sache: „Herr Fiori, wir beide möchten gerne an Ihrem Religionsunterricht teilnehmen und wollen nun fragen, ob wir das von der nächsten Stunde an dürfen.“
Das kam etwas überraschend, aber ich musste mich wohl darauf einlassen: „Nun bin ich aber wirklich sehr überrascht. Ihr wisst doch, dass ich evangelisch bin und dementsprechend evangelische Religionslehre erteile. Ihr beide aber seid katholisch und würdet bei mir also Dinge lernen, die mit eurer Kirche nicht in Einklang zu bringen wären. Warum um Himmels willen wollt ihr denn auf einmal zu mir? Auch andere Lehrer machen einen guten Unterricht. Bei mir müsst ihr viel schreiben und oft ist der Unterricht auch gähnend langweilig. Also, warum?“
Melanie antwortete dieses Mal: „Ja, wir wollen deshalb zu Ihnen, weil Sie selbst erklärt haben, dass Arbeitgeber bei der Vergabe von Lehrstellen darauf achten, dass Schüler am Reli-Unterricht teilgenommen haben und sich nicht etwa abgemeldet haben. Das aber würden wir auch machen, wenn wir nicht bei Ihnen teilnehmen können. Wir wollen auf jeden Fall eine Note in Reli auf dem Zeugnis haben!“
Ich wusste immer noch nicht, wo eigentlich die Ursache für diese Bitte lag: „Dann sagt mir doch bitte einmal, warum ihr denn nicht weiter am katholischen Religionsunterricht teilnehmen wollt. So ohne weiteres ist ein Wechsel wirklich nicht möglich! Da müssen schon schwerwiegende Gründe vorliegen.“
Beide drucksten herum, bis sich Katja ein Herz fasste: „Wir möchten gerne von Herrn Kraft weg!“
Jetzt wurde es mir langsam zu bunt: „Also, meine Lieben, wenn ihr schon wieder auf die Lehrerkonferenz anspielen wollt, und jetzt alle Schülerinnen und Schüler ankommen und den Unterricht von Herrn Kraft boykottieren wollen, dann spiele ich nicht mit! Das könnt ihr euch von der Backe kratzen!“
Beide protestierten heftig: „Nein das ist überhaupt nicht der Grund. Damit hat das absolut nichts zu tun. Wir wollen von Herrn Kraft weg, weil, na ja, weil die Jungen immer nach seinem Unterricht so blöd sind. Sie fassen uns an die Brust oder sogar an den Hintern oder vorne an. Ali hat sogar schon mal einen Besen genommen und mit dem Besenstiel versucht, einigen Mädchen vorne ins Geschlechtsteil zu stoßen!“
Ich verstand immer noch nicht: „Was hat das denn aber mit Herrn Kraft zu tun? Ich werde mir die Jungen ganz gehörig zur Brust nehmen, da könnt ihr euch drauf verlassen! Das ist ja eine Erzschweinerei. Aber ich habe, ganz ehrlich, immer noch nicht begriffen, warum ihr deshalb aus dem Religionsunterricht von Herrn Kraft herauswollt?! Kann mir das jetzt mal eine von euch so erklären, dass auch ich das begreifen kann?“
Katja fasste sich endlich ein Herz: „Also, das müssen Sie verstehen. Wir möchten nicht von Herrn Kraft geküsst werden. Das macht er nämlich mit den Mädchen aus Klasse 10.“
So fragte ich: „Wieso, versucht er denn, euch zu küssen im Unterricht? Das höre ich jetzt zum ersten Mal. Stimmt das?“
Melanie ergänzte: „Nein, das macht er natürlich noch nicht, aber wir denken, dass er das möchte. Er kommt immer so komisch nah während der Unterrichts. Dann berührt er einen von hinten mit dem Gesicht am Kopf oder er streicht, wie zufällig mit dem Arm über unsere Brust. Manchmal umarmt er einen auch ganz fest, angeblich, um beim Schreiben zu helfen. Jedenfalls ist uns sein Verhalten ganz unangenehm, und wir wollen nicht, dass es so weiter geht, oder wir eine schlechte Note bekommen, wenn wir uns seine Annäherungsversuche nicht gefallen lassen!“
Allmählich wurde mir die Sache doch unheimlich. Herr Kraft war nicht gerade der Typ Kollege, der mir besonders sympathisch war. Einerseits sollte ich ihn von der Schulleiterin her beraten und mich in seine Situation versetzen, dabei wohlwollend seine Interessen beachten, andererseits verabscheute ich von ganzem Herzen das, was mir die beiden Mädel gerade anvertraut hatten. Hinzu kam, dass ich seine Art, ständig nach Strafen oder nach Polizei zu rufen ebenso nicht verstand und nicht teilte. Wie sollte ich mich da nur verhalten?
Am liebsten würde ich öffentlich herausschreien, was für eine blöde Person er ist. Aber genau das konnte ein Bumerang werden. Denn er konnte jederzeit den Spieß umdrehen und behaupten, ich steckte mit den Schülern unter einer Decke und wollte ihn nur fertig machen. War das, was er mit den Mädchen da tat, schon als strafbare Handlung anzusehen? Hatte es Sinn, schon jetzt gegen ihn vorzugehen? Wichtiger schien mir tatsächlich, die Mädchen vor Übergriffen zu schützen. Das musste also zuallererst geschehen. Nur hatte ich noch nicht ganz verstanden, was die mehr als derben Späße der Jungen mit dem Verhalten von Herrn Kraft zu tun hatten. Wo war da irgendein logischer Zusammenhang?
Diese Frage galt es zuerst zu klären: „Wo ist denn da ein Zusammenhang zwischen dem blöden Verhalten eurer Mitschüler und den unschönen Annäherungsversuchen von Herrn Kraft? Könnt ihr mir das auch noch erklären?“
Dieses Mal ergriff wieder Katja das Wort: „Ja, haben Sie das denn nicht verstanden? Die Jungen kriegen das mit auch im Musikunterricht und machen sich lustig über diese dämlichen Berührungsspielchen von Herrn Kraft und meinen, wir hätten das gern. Dann spielen sie hinterher immer weiter und ärgern uns mit noch viel massiveren Übergriffen. Dabei fragen sie dann immer, ob uns das Spaß macht, wenn sie das machten. Oder ob wir es lieber von Herrn Kraft hätten. So, und deshalb wollen wir unbedingt von Herrn Kraft weg und wollen wenigstens nicht mehr an seinem Religionsunterricht teilnehmen! Bitte, bitte helfen Sie uns!“
Das erschien mir tatsächlich wirklich erforderlich und das allerwichtigste im Augenblick. Wir vereinbarten, dass beide Mädchen schon am nächsten Tag einen schriftlichen Antrag von den Eltern mitbrächten, auch von ihnen beiden unterschrieben, dass alle damit einverstanden wären, demnächst am evangelischen Religionsunterricht teilzunehmen und nicht mehr am katholischen. Beide Mädchen versprachen feierlich mit ihren Eltern über die wahren Gründe für diesen Wechsel zu sprechen. Andererseits baten sie mich, das nicht an die große Glocke zu hängen, weil sie befürchteten, dass sich Herr Kraft fürchterlich an ihnen rächen könnte.
Obwohl ich immer wieder danach einige Andeutungen bei der Schulleiterin machte, hatte sie nicht verstehen wollen, was die eigentlichen Gründe waren, für die mit ihrer Genehmigung durchgeführte Maßnahme eines Wechsels in meinen Religionsunterricht. Sie glaubte angeblich fest daran, dass es nur die Anhänglichkeit von Schülerinnen ihrem Klassenlehrer gegenüber war, die diese veranlasst hatten, einen Unterrichtwechsel zu beantragen.
Mehr als ziemlich eindeutige Anspielungen aber wollte ich nicht machen, weil auch ich fürchtete, einen solchen Prozess nicht zu überstehen. Überdies hatte ich auch in meiner Ausbildung zum Beratungslehrer gelernt, gerade im Umgang mit derartigen Sachverhalten besonders behutsam zu Werke zu gehen und nur dann eine solche Verhaltungsweise offen zu legen, wenn absolut sicher war, dass ein Mensch mit diesen Veranlagungen auch wirklich überführt werden und vor allen Dingen von den Opfern seiner Tätigkeiten getrennt werden konnte.
Ein Vorgehen gegen diesen Kollegen musste äußerst behutsam erfolgen. Doch auch eine von mir selbst initiierte Lehrerkonferenz, bei der eigentlich seine Neigung offen gelegt werden sollte, schlug ins Gegenteil aus, da ich selbst nicht genug Rückhalt im Kollegium hatte und besonders die Schulleiterin absolut nicht verstand, um was es eigentlich ging.
Einer weiterführenden Maßnahme wurde ich zum Schluss des Schuljahres enthoben, da der Kollege aus persönlichen Gründen zum Schuljahresende aus dem aktiven Schuldienst ausschied. Damit war ich natürlich meine Sorgen los, nicht aber das Gefühl, hier vielleicht doch kläglich versagt zu haben.
Aber auch so hatte ich reichlich Arbeit damit, musste auch innerlich damit fertig werden. Dazu war es hilfreich, in irgendeiner Form vernetzt zu sein, so dass ich wenigstens mit einem anderen Kollegen, auch Beratungslehrer, über mein Problem sprechen konnte, dem ich auch voll vertrauen durfte, weil auch er, wie jeder Beratungslehrer oder Berater zu besonderer Geheimhaltung verpflichtet war.
Trotzdem kam ich der Bitte meiner Schulleiterin nach und sprach Herrn Kraft an: „Herr Kraft, manchmal habe ich den Eindruck, dass Sie Probleme damit haben, im Umgang mit den Schülern den richtigen Umgangston zu treffen. Jedenfalls scheint es so, dass Sie häufiger als andere Angriffen ausgesetzt sind. Gerne bin ich bereit, mich mit Ihnen zusammen zu setzen. Dann könne wir ja mal darüber sprechen, wie solche Dinge vielleicht von uns allen oder auch von Ihnen gelöst werden können, auch ohne Gewaltandrohungen.“
Herr Kraft lief puterrot an, ließ mich fast nicht ausreden und reagierte sehr heftig:
„Wenn ich mich mit irgendjemandem darüber unterhalten möchte, dann nur mit jemandem, bei dem ich eine kleine Chance sehe, dass ich meine Ansichten überhaupt zu Gehör bringen kann. Sie aber wären der letzte, mit dem ich über so etwas sprechen möchte. Bei Ihnen hätte ich ja nicht den Deut einer Möglichkeit, meine Meinung überhaupt vorbringen zu können. Nein, ganz bestimmt möchte ich mit Ihnen niemals ein Gespräch führen über Pädagogik und über den Umgang mit jungen Menschen oder Schülern!“
Damit wandte er sich ab und ließ mich stehen wie einen Bettler.
Schon vierzehn Tage später gab es wieder eine Lehrerkonferenz, initiiert von Herrn Kraft gegen den Schüler Ahmed. Meine Kinder aus meiner Klasse hatten also Recht behalten. Ich hatte natürlich eindeutig Vorurteile gegen Herrn Kraft und glaubte nicht ein einziges Mal daran, dass der Schüler Ahmed schuldig sein könnte, an dem, was ihm nun zur Last gelegt werden würde. Dabei wusste ich überhaupt nicht, worum es ging. Ich hatte nur gerüchteweise gehört, dass Ahmed Herrn Kraft tatsächlich tätlich angegriffen hätte.
Herr Kraft trug vor, Ahmed hätte ihn völlig überraschend und ohne jeglichen Grund plötzlich auf der Straße angegriffen, als er gerade nach der letzten Unterrichtsstunde auf dem Heimweg gewesen wäre. Nur die Tatsache, dass einige Mädchen aus der zehnten Klasse ihm zu Hilfe geeilt wären, hätte Schlimmeres verhütet. Aber er hätte ja mit einer solchen Tat eigentlich rechnen müssen, nachdem was in der letzten Konferenz schon für Drohungen ausgesprochen worden wären. Nicht umsonst hätte er Anzeige bei der Polizei erstattet. Jetzt jedenfalls müsste er darauf bestehen, dass dieser Schüler der Schule verwiesen werden müsste.
Ahmed erklärte, dass Herr Kraft ihn mehrfach immer wieder aufgefordert hätte, es ihm doch endlich zu zeigen.
„Seit Tagen spricht mich Herr Kraft immer wieder an. Dann sagt er, deine Mutter ist doch Putzfrau. Sie sollte lieber zu Hause aufpassen, dass alles in Ordnung ist. Aber dazu hat eine Putzfrau wohl keine Zeit! Immer wieder habe ich ihm gesagt, er solle damit aufhören. Er solle meine Mutter nicht beleidigen. Meine Mutter wäre keine Putzfrau , sie wäre eine ordentliche Frau. Bei uns in der Familie wäre keine Putzfrau. Vielleicht wäre seine Mutter ja eine Putzfrau! Manchmal habe ich auch gar nicht geantwortet, damit er mir nichts anhängen konnte. Jedenfalls lasse ich mir nicht gefallen, dass er immer meine Mutter beleidigt“, erklärte Ahmed leidenschaftlich.
Auch an dem Tag wieder hätte er ihm leise zugerufen: „Na dann komm doch, du Bastard, wenn du dich traust. Jetzt ist doch keiner da, jetzt kannst du doch endlich beweisen, was du für ein Held bist. Komm her, ich bin ganz allein!“
Ja, und da hätte er rot gesehen und wäre auf Herrn Kraft losgegangen. Aber in dem Augenblick wären ja die blöden Weiber aus der zehnten um die Ecke gekommen. Die hätten sich dann zwischen ihn und Herrn Kraft gestellt. Sonst hätte er dieses Mal wirklich Herrn Kraft verprügelt, weil er einfach nicht mehr ertragen konnte, immer und immer wieder von Herrn Kraft in dieser Form angegangen zu werden.
Natürlich stritt Herr Kraft vehement ab, dass er den rabiaten Flegel überhaupt angesprochen hätte, er wüsste doch, wie diese ungebildeten Menschen mit dieser Mentalität aus dem Libanon reagierten. Schon deshalb hätte er alles vermieden, was den Jungen irgend wie hätte provozieren können. Alle versammelten Lehrerinnen und Lehrer glaubten ihm, nur ich nicht, ich glaubte dem Jungen.
Auch die Zeugenaussagen der Mädchen bestätigten eigentlich nicht, dass Herr Kraft nicht der Urheber des eskalierten Streites war. Die Mädchen hatten vor der Konferenz auf Wunsch von Herrn Kraft ausgesagt. Danach hatte Herr Kraft sie gebeten, in seiner Nähe zu bleiben, weil er einen Angriff von Ahmed befürchtete. Er begründete seine Angst damit, dass andere Schüler ihn gewarnt hätten. Es wurde nicht geklärt, welche Schüler das gewesen sein sollten.
Die Mädchen hatten also wenige Schritte hinter Herrn Kraft direkt hinter der Ecke aufgepasst, hätten aber nicht das geringste Wort gehört aus dem Munde von Herrn Kraft, bis er gerufen hätte: „Hilfe, der Ahmed will mich verprügeln!“
Ja, und dann wären sie halt dazwischen gegangen und hätten Mühe gehabt, den Ahmed zu beruhigen, der immer wieder versucht hätte, auf Herrn Kraft loszugehen.
Ich glaubte Ahmed immer noch jedes Wort.
Nicht so aber die versammelte Lehrerkonferenz. Ahmed wurde der Schule verwiesen und hatte keine Chance mehr, in Kürze einen Schulabschluss zu erwerben. Da half auch mein Einwand nicht, dass wir doch dem Jungen wenigstens die Möglichkeit eröffnen sollten, an einer anderen Schule den Schulabschluss zu erhalten. Ahmed war nicht mehr schulpflichtig, weshalb ihn auch eine andere Schule nicht nehmen musste.
Die Emotionen waren hoch gegangen während der Konferenz. So war es nicht verwunderlich, dass sich einige Lehrerinnen und Lehrer noch zu einem Gespräch fanden im Lehrerzimmer, obwohl es schon spät abends war.
Kopfschüttelnd diskutierten einige darüber, dass Ahmed sich so aufgeregt hätte, wenn jemand behauptete, seine Mutter wäre eine Putzfrau. Schließlich wäre es doch nicht unehrenhaft, sich mit Putzen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich meinte, dass er vielleicht zu stolz wäre auf seine Familie und deshalb nicht haben könnte, dass ausgerechnet seine Mutter einer so niedrigen Arbeit nachginge.
Na, da hatte ich wohl wieder ins Fettnäpfchen getreten. Frau Langer regte sich auf, wie ich denn wagen könnte, das Putzen als niedrige Arbeit zu bezeichnen. Ihre eigene Mutter wäre Putzfrau gewesen und sie selbst wäre stolz darauf. Schließlich hätte der Fleiß ihrer Mutter dazu geführt, dass sie hätte studieren können!
Mich machte diese Diskussion nachdenklich. Ich überlegte, wo denn meine eigenen Wurzeln lagen und ob meine Mutter wohl jemals gewollt hätte, dass sie selber sich als Putzfrau verdingen musste.