Читать книгу Schlag doch zu! Autobiografie - Harald Fiori - Страница 8

Die Wurzeln eines Lehrers

Оглавление

Geboren wurde ich am Sonntagmorgen, dem 02. Februar 1941, um 04.52 Uhr. Ob und wieweit das Geburtsdatum für einen typischen Lehrer von Bedeutung ist, kann ich leider wirklich nicht genau beurteilen, weiß allerdings, dass von den vielen tausend Lehrerinnen und Lehrern bestimmt nicht sehr viele am gleichen Tage und zur gleichen Stunde Geburtstag haben.

Das lässt natürlich den Schluss zu, dass ein Geburtsdatum für das Typische eines Lehrers nicht unbedingt ausschlaggebend sein muss.

Andererseits ist nicht nur in der Astrologie bekannt, dass die Geburtsstunde eines Menschen sehr bedeutend sein kann für seinen Charakter und für seinen beruflichen und sonstigen Werdegang.

Das Sternzeichen für Menschen, die in der Zeit zwischen dem 20. Januar und dem 19. Februar geboren sind, ist der Wassermann. Unter diesem Sternzeichen wurden bekannte Persönlichkeiten geboren, deren Weisheiten und Charaktere sicher auch zu einem künftigen Lehrer passen:

August Strindberg, geb. 22. Januar 1849 „Beneide niemanden, denn du weißt nicht, ob der Beneidete im Stillen nicht etwas verbirgt, was du bei einem Tausche nicht übernehmen möchtest.“

Francis Bacon, 22. Januar 1561 „ In der Nächstenliebe gibt es kein Übermaß.“

Gotthold Ephraim Lessing, 22. Januar 1729, “Gestern liebt ich, heute leid ich, morgen sterb’ ich, dennoch denk ich heut und morgen gern an gestern.“

Johann Gottfried Seume, 29. Januar 1763, „Das Los des Menschen scheint zu sein: nicht Wahrheit, nicht Freiheit und Gerechtigkeit und Glückseligkeit, sondern Ringen danach.“

Romain Rolland, 29. Januar 1866, „Das schlimmste Übel, an dem die Welt leidet, ist nicht die Stärke der Bösen, sondern die Schwäche der Besseren."“ Emanuel Swedenborg, 29. Januar 1688, Das Gewissen ist Gottes Gegenwart im Menschen.“

Thomas Morus, 7. Februar 1478, „Viele Menschen erkaufen sich die Hölle mit so großer und schwerer Arbeit, dass sie sich mit der Hälfte den Himmel hätten erkaufen können.“

Charles Dickens, 7. Februar 1812, „Nichts in der Welt wirkt so ansteckend wie Gelächter und gute Laune.“

John Ruskin, 8. Februar 1819, „Wir können stets fühlen, was recht, aber nicht immer wissen, was möglich ist.“

Berthold Brecht, 10. Februar 1898, „Ja, renn nur nach dem Glück, doch renne nicht zu sehr, denn alle rennen nach dem Glück, das Glück rennt hinterher.“

Abraham Lincoln, 12. Februar 1809, „Du kannst die Leute eine Zeitlang zum Narren halten, du kannst sie lange zum Narren halten, aber du kannst sie nicht für immer zum Narren halten.“

Talleyrand, 13. Februar 1754, „Frauen verzeihen manchmal einem Mann, der eine günstige Gelegenheit erzwingt, aber sie verzeihen niemals einem Mann, der eine solche nicht wahrnimmt.“

Zum Wassermann gehören folgende Zeichen und Elemente:

Planet: Uranus, Element: Luft, Metall: Uran, Farbe: Blau, Blume: Narzisse, Glückstag: Samstag, Glückszahl: Sieben, Edelsteine: Citrin, Saphir, Amethyst.

Zum Thema „Liebe“ gilt: Der im Wassermann-Zeichen geborene Mensch braucht Rat und Unterstützung und die Wärme eines liebenden Partners, um selbst den inneren Frieden zu finden. In der Liebe ist er sehr anspruchsvoll und kann sich deshalb vielfach erst in späteren Jahren zur Ehe entschließen, die öfters wechselnden Bedingungen unterworfen ist. Er fühlt sich vor allem hingezogen zu Widder, Waage, Schütze und Zwillinge.

Sein Charakter wird so beschrieben:

Der Wassermann-Typ ist ein Empfindungsmensch, mit einem großen Maß an Aufgeschlossenheit und Interesse für alles Zukünftige, Unbekannte und Unerforschte. Er ist hilfsbereit und zeigt ein offenes Herz für die Nöte und Sorgen seiner Mitmenschen. Gerechtigkeitsliebe und ein ausgesprochener Freiheitsdrang beherrschen sein Leben.

Für den Beruf, für seine Arbeit gilt:

Dem Wassermann-Typ verhilft seine Intelligenz, falls er sie am richtigen Ort einzusetzen versteht, zu außerordentlichen Möglichkeiten. Wenn sich auch seine genialen Ideen im beruflichen Leben nicht immer realisieren lassen, helfen ihm seine Fähigkeiten, das Bestmögliche zu leisten. Unabhängigkeit bedeutet ihm mehr als äußere Zeichen des Erfolgs.

Welch‘ ein Glück für Schüler, wenn sie einen Lehrer finden, der sowohl hilfsbereit ist und noch dazu ein offenes Herz für die Nöte und Sorgen seiner Mitmenschen zeigt. Ganz besonders angenehm dürfte sich auch die Gerechtigkeitsliebe auswirken. Eine Paarung mit der Eigenschaft, im Beruf lieber unabhängig zu sein als erfolgreich, machen einen solchen Menschen auch noch frei von Zwängen und Vorschriften, ein weiteres gutes Verhalten, das für optimale Betreuung von Kindern und Jugendlichen sorgen könnte.

Angelangt bei diesem Punkt einer Biographie kommt die Erkenntnis, dass bestimmt nicht nur der Zeitpunkt der Geburt entscheidend ist, sondern außerdem auch der Geburtsort, in diesem Fall die Stadt Essen im Ruhrgebiet, noch entscheidender könnte sich der Hergang der Geburt und die näheren Umstände ausgewirkt haben, aber der entscheidendste Punkt ist sehr wahrscheinlich das Elternhaus, das ganz bestimmt bei der Prägung eines Menschen die größte Rolle spielt, sogar dann, wenn ein Kind gar nicht bei den Eltern aufwächst. Das zum Beispiel ist die angeborene Prägung durch die Erbfaktoren. Bleibt nun die Frage, ob Lehrer typische Erbfaktoren haben. Diese Lebensgeschichte könnte darüber Auskunft geben.

Ein sehr wichtiges GEN hatte ich offensichtlich damit geerbt, dass ich Sprössling einer „gut bürgerlichen Familie“ war. Jedenfalls betonte meine Mutter immer wieder, dass sie aus einer gut bürgerlichen Familie stammte. So, wie sie das ausdrückte, hörte es sich für mich immer an, als wäre eine gut bürgerliche Familie gesellschaftlich etwa unmittelbar unter einem Königshaus anzusiedeln oder wenigstens fast einem Hochadel gleichzusetzen.

Was gut bürgerlich genau bedeutete, wusste ich eigentlich nie so richtig, bis ich als Lehrer einmal mit meinen Schülern die Satire „Wo kommen die Löcher im Käse her?“ von Kurt Tucholsky las.

Wer nicht mehr genau weiß, worum es in dieser Satire geht, darf die folgende kurze Inhaltsangabe lesen:

In einer gut bürgerlichen Familie wurden Gäste erwartet, Verwandte, Freunde, Bekannte. Kurz vor dem Eintreffen dieser Menschen stellte der kleine Sohn die Frage: „Wo kommen die Löcher im Käse her?“ Da niemand ihm diese Frage richtig beantworten konnte, selbst das Lexikon nicht alle Auskünfte parat hatte wegen fehlender Seite, kam es zu einem entsetzlichen Streit zwischen allen Familienmitgliedern, Verwandten und Freunden, weil niemand dieser gut bürgerlichen Menschen sich die Blöße geben wollte, etwas nicht zu wissen.

Dieses Glänzen mit einer soliden Halbbildung, ohne jedoch ein einziges Mal auch nur Unkenntnis andeutungsweise zuzugeben, sollte in dieser Satire von Tucholsky als besonderes Merkmal des sogenannten gebildeten Bürgertums dargestellt werden.

Wie in der Satire war die Familie meiner Mutter so gebildet, dass sie höchste Hochachtung verdiente.

Diesbezügliche Fragen meinerseits konnte meine Mutter auch mit Beweisen und schriftlichen Dokumenten beantworten. Dabei war natürlich ihre eigene Herkunft von ganz besonderer Bedeutung. Ihre leibliche Mutter verstarb zwar wenige Wochen nach ihrer Geburt, aber trotzdem war deren Herkunft entscheidend für den Beweis erwähnenswerter Abstammung:

Sie stammte nämlich aus dem Hause Dollheiser. Herr Dollheiser, der Vater meiner Großmutter, also, wurde von meiner Mutter mit besonderer Hochachtung erwähnt, da er in Köln stadtbekannt war als Erfinder und Fabrikant.

Dabei hatte er eine ganz bedeutende Erfindung gemacht, die meine Mutter leider nicht so genau beschreiben konnte. Angeblich handelte es sich um Lichter, die laufen können.

Meine Frage, die ich schon in sehr jungen Lebensjahren stellte, warum denn eine solch großartige Erfindung nicht zu mehr Wohlstand in unserer Familie geführt hätte, beantwortete meine Mutter grundsätzlich dahingehend, dass schließlich zwei Weltkriege der Familie alles genommen hätten.

Zum Beweis der Unsterblichkeit ihres „Erfindergroßvaters“ holte Mutti bei solchen Gesprächen oft ein in braunes Leder gebundenes altes ehrwürdig aussehendes Album hervor, auf dem mit goldenen Lettern eingraviert zu lesen war:

Liebe Erinnerungen

gesammelt von

Jean Dollheiser

Bei solcher achtunggebietender Schrift, die ich auch dann noch nicht gut lesen konnte, als ich schon lange und hervorragend ( jawohl „hervorragend“, denn damals war auch die Volksschule noch hervorragend in ihren Leistungen, wie ich später oft zu hören bekam, wenn meine eigenen Leistungen nicht ganz den Erwartungen gewisser Personen entsprach.) das Lesen und Schreiben in der Volksschule gelernt hatte, musste doch jeder Mensch glauben, dass es sich um etwas ganz Besonderes handeln müsse.

Von enorm großem Ansehen zeugte auch ein Messingverschluss, -leicht oxidiert-, mit dem man dieses Album sicher verwahren konnte vor unbefugter Einsichtnahme oder versehentlicher Öffnung.

Vom Inhalt dieses Albums wurden mir dann schon in frühen Kindergartentagen Aufzeichnungen gezeigt, die sehr gedruckt und vor allen Dingen äußerst beeindruckend aussahen.

Erst als Erwachsener habe ich dann lesen können, was dieses Album enthielt:Gleich auf der dritten Seite sind Zeitungsausschnitte eingeklebt, die Bilder von Fässern, Installationen, Leitungen und Apparaturen zeigen. Zwei größere Zeitungsartikel weisen auf den Firmennamen hin. Auf der einen kann man lesen, dass Joh. Dollheiser, in der Peterstraße 21 zu Köln als Generalvertreter Industrielle Beleuchtungen anbietet, nämlich „Doty’s Petroleum-Gas-Fackel“, die auch abgebildet ist. Dazu folgt in sehr kleiner Schrift eine Beschreibung, die mit den Worten beginnt: „Leuchtkraft von ca. 1000 Kerzen ...... . Neben dieser Anzeige sieht man eine weitere ebenso große Annonce des Inhaltes: „J. Dollheiser, Gas & Wasserleitungsanleger, Klempner & Apparatenfabrikant in ‚COELN a/Rh’, Peterstrasse 21 nebst Beschreibungen aller Arbeiten, für die er sich empfiehlt. Zwischen den Anzeigen und Bildern stehen Tagessprüche oder Kalendersprüche, wie sie möglicherweise an diesem Tag in der Zeitung gestanden hatten, fein säuberlich eingeklebt, zum Beispiel: „Genieße deine Kraft, Man lebt nur, wenn man schafft (Alter Spruch)“

oder

„Der Undank ist immer eine Art Schwäche.

Ich habe nie gesehen,

dass tüchtige Menschen undankbar gewesen wären.“

Es sind insgesamt zehn Sprüche oder Weisheiten bis zum letzten Spruch:

„ Gut gekaut, ist halb verdaut.“

Mit solcher akribischen Genauigkeit diese liebenswerten, teilweise altmodischen, doch niemals ungültig gewordenen Sprüche als „Liebe Erinnerungen“ festzuhalten in einem solch wertvollem Album, lässt ein rechtes Licht werfen auf die vornehme Herkunft unserer Familie, denke ich. Auch auf den weiteren Seiten dieser Sammlung findet man nichts Anderes als Zeitungsanzeigen, Sprüche und Kalenderblätter. Nur die Bezeichnungen für den erfindungsreichen Großvater Dollheiser ändern sich von Anzeige zu Anzeige und werden nicht nur in Schriftarten und Aufmachung sondern auch in der Orthografie immer wieder anders geschrieben und gestaltet.

So kann man auf der nächsten Seite staunend lesen:

Wichtig für Bierbrauer u. Restaurateure, welche im Besitze von Bierluftdruckpumpen sind.

Empfehle Universal-Compressions-Anstichhahn ohne Hohlraum, zum Einschlagen..................................................................usw.

Jean Dollheiser, Peterstrasse 21 zu COELLN a/Rh.

Spezialist in Bierluftdruckpumpen mit Wasserdruck oder Kohlensäure,

Köln, Peterstraße 21. Telephon-Anschluß 580.

Vollgeklebt mit Sprüchen und Gedichten, die teilweise nach Wochentagen geordnet sind, offenbart sich mir, dem zutiefst beeindruckten, staunenden Leser, unter anderem:

Es giebt gar keine wirksamere innere

Mission als den Ehestand für zwei

Rechtschaffene Menschen.

Paul Heyse.

Oder

„Zu weit getrieben

verfehlt die Strenge ihres weisen

Zwecks,

und allzu straff gespannt, zerspringt

der Bogen.

Schiller

Schön ist auch:

Es ist kein Gräslein je so klein,

Das nicht zu etwas nutz thät sein.

Derartige Sprüche zu lesen, mag wirklich sehr vergnüglich sein, aber es soll hier nicht der gesamte Inhalt dieses „ehrwürdigen“ Albums wiedergegeben werden, obwohl gerade die Auswahl der Sprüche einen tiefen Einblick geben könnte in die Moral, Bildung und Ehrenhaftigkeit meiner Vorfahren.

Bereits auf der nächsten Seite ist der Text des Liedes „Üb immer Treu und Redlichkeit“ abgedruckt. Immerhin sind die nächsten 58 Seiten nur mit solchen Texten säuberlich beklebt, bis wieder eine Werbeanzeige erscheint, dieses Mal in großen Buchstaben bietet Joh. Dollheiser als Apparaten Fabrikant „Verbesserte Archimedische Schrauben-Ventilatoren & Rauchleiter“ an. Eine Auswahl von nur drei Sprüchen auf dieser Seite zeigt die ehrenwerte Gesinnung:

„Recht ist hüben zwar wie drüben,

Aber danach sollst du trachten;

Eigne Rechte mild zu üben,

Fremde Rechte streng zu achten!“

Emanuel Geibel

„Ein Leben viel in Gesellschaft ist

eine stete Flucht vor der Leere

in sich selbst.“

Rahel von Varnhagen

„Erwünschte Arbeit ist der Leiden Arzt“

Shakespeare

Auf der Seite davor ist allerdings ein Zeitungsartikel eingeklebt, der ein wenig Aufschluss gibt über die Tätigkeit:

„Die Patent-Regenerativ-Gas-Wenham-Lampe scheint eine grosse Zukunft zu haben und berufen zu sein, dem elektrischen Licht erfolgreiche Concurrenz zu machen. Man sieht sie schon überall in Anwendung, da ihre Vortheile ganz bedeutend sind. Ausserordentliche Gas-Ersparniss, in Folge dessen geringere Hitze, Reinheit, Intensität, Gleichmässigkeit und Beständigkeit des Lichtes machen diese Lampen für Hotels und Restaurants nicht nur, sondern auch für grössere Geschäfte, in denen kein elektrisches Licht angelegt, fast unentbehrlich. Der Vertreter für diese Lampen ist Joh. Dollheiser in Köln, Peterstrasse 21, der mit dem Diplom zur goldenen Medaille ausgezeichnet wurde.“

Ein einziges Zeitungsblatt weist auf die ungefähre Zeit hin, in der diese Anzeigen und Sprüche offenbar im Kölner Merkur abgedruckt wurden, diese Zeitung stammt vom 20. Juli 1894.

Wann immer ich als kleiner Bub einen Gegenstand in seine Einzelteile zerlegte oder einen alten Wecker auseinander nahm, erwähnte meine Mutter ihren Großvater, von dem ich ihren Worten zu Folge den Erfindergeist geerbt haben musste. In gleichem Zusammenhang erwähnte Mutter dann ebenfalls, dass sie ihre „rheinische Frohnatur“ dem Erbgut jener Kölner Vorfahren zu verdanken hätte, wovon ich dann allerdings noch nicht so sehr viel geerbt haben konnte.

Vor so viel bewundernswerter Erbmasse verblasste sehr wahrscheinlich das Erbgut ihres eigenen Vaters, meines Großvaters, der im gleichen Jahr, dem Geburtsjahr meiner Mutter, am 14. September 1901, im Alter von 34 Jahren gestorben war. Von diesen Großeltern meiner Mutter wurde weniger erzählt, ohne dass dieses Schweigen begründet wurde. Heinrich Leggewie war der Sohn eines Heinrich Leggewie aus Essen und dessen Ehefrau Maria Elisabeth, geborene Kleinebrahm, ebenfalls aus Essen. Beide Urgroßeltern waren Nachkommen einer größeren Bauernschaft bzw. eines größeren Hofes.

Ob nun die bäuerliche Herkunft Ursache dafür war, dass von diesen Großeltern weniger erzählt wurde oder einfache Unkenntnis, mag ich nicht entscheiden. Jedenfalls wurde von der Familie des Vaters meiner Mutter weniger gesprochen, wohl von ihrem Vater selbst. Denn dieser hatte den hochehrenwerten Beruf eines Markscheiders.

Genau konnte mir meine Mutter nie beantworten, was denn ein Markscheider sei oder zu tun hatte. Sie wusste nur, dass er in irgendeinem Zusammenhang stand mit dem Bergbau. Dabei sprach meine Mutter immer mit solch einer Ehrfurcht von diesem Beruf, dass sich bei mir der Eindruck verfestigte, ein Markscheider müsse ein Mann sein, der weit über der Direktion eines Bergwerkes in einer Landesvermessungsanstalt tätig sei und weisungsbefugt.

Da es aber um Gene geht, die den Lehrer prägen könnten, sei erwähnt, dass ich der Aussage meiner Mutter nach, ganz offensichtlich eine hohe mathematische Begabung geerbt haben müsse von eben diesem „Markscheidergroßvater“, der leider viel zu jung gestorben war.

Solche Aussagen bekam ich allerdings nur dann zu hören, wenn ich ausnahmsweise einmal schwierigere Rechenoperationen schneller und leichter lösen konnte als andere Familienmitglieder.

Vor allem aber Mutti stand mit Zahlen auf dem Kriegsfuß, ganz speziell aber mit geometrischen Begriffen, die angeblich in dem Lyzeum, das sie besucht hatte, überhaupt nicht in Mathematikstunden unterrichtet wurden. Wie ich erst spät feststellte, gab es für meine Mutter zum Beispiel keinen gravierenden Unterschied zwischen Millimetern und Zentimetern, wie überhaupt jegliche Messerei und Rechnerei ihr wenig Vergnügen bereiteten. Deshalb nahm mir in der Familie auch niemand übel, wenn ich im Fach Mathematik eher ausreichende, manchmal sogar mangelhafte Leistungen zeigte, trotz der ererbten mathematischen Begabung.

Ein Zeugnis, ausgestellt vom katholischen Oberlyzeum zu Dortmund, vom 3. April 1919 mag verdeutlichen, dass bestimmte Fächer tatsächlich nicht unterrichtet wurden, andere wieder, die in heutigen Schulen weniger stark im Vordergrund stehen, dort offensichtlich eine starke Position einnahmen. Das Zeugnis trägt im Kopf die Bezeichnung „Frauenschulklasse II, was bedeutet, dass meine Mutter damals die Sekunda, zehnte oder elfte Klasse, besuchte, ob Ober- oder Untersekunda wird nicht erwähnt, ebenso nicht, wie weit ein mögliches Abitur noch entfernt ist. Mutti erzählte nur immer, dass ihr Pflegevater es nicht unbedingt für erforderlich hielt, dass ein Mädel ihrer Herkunft tatsächlich das Abitur brauchte. Nach heutigen Maßstäben hätte auch der ausgewiesene Fächerkanon dazu nicht gereicht.

Schlag doch zu! Autobiografie

Подняться наверх