Читать книгу Eine spanische Eröffnung - Harald Kiwull - Страница 7
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Neben der Tankstelle bei Kilometer 1027 standen zwei schmutzige Riesenlaster mit spanischen Nummernschildern parallel zueinander geparkt. Von den Fahrern war weit und breit nichts zu sehen. Kein Fahrzeug an den Tanksäulen. Das gestreckte, flache Gebäude mit dem braunen Dach wirkte neu, aber schon etwas heruntergekommen. Auf der linken Seite war ein Café oder Restaurant integriert. Aber auch durch dessen Fenster war niemand zu erkennen. Alles wirkte irgendwie trostlos.
Ich fuhr in großem Bogen hinter das Haus. Mein roter Lancia war ziemlich auffällig, und es musste nicht unbedingt sein, dass man ihn schon von der Carretera N-340, auf der die Lastwagen mit Höchstgeschwindigkeit und extrem kurzen Abständen zueinander vorbeidonnerten, sehen konnte. Auch meine Freunde mit ihrem schwarzen Mercedes könnten dabei sein. Ich war sicher, dass sie auf der Suche nach mir waren. Und denen wollte ich nun wirklich nicht begegnen.
Ich stellte mich halbverdeckt so auf, dass ich aus dem Auto doch noch einen ganz guten Blick auf die Straße in Richtung Barcelona hatte. Von dieser Seite musste meine Sendung kommen. Aber es konnte dauern.
Meine Nachtruhe war nicht so ausgeprägt gewesen, und ich merkte, dass ich immer wieder leicht einnickte. Ich stieg deshalb aus dem Auto aus, ging einige Male hin und her, lehnte mich dann seitlich ans Auto. Ein kleiner Laster mit Hänger fuhr in die Tankstelle ein, und ich merkte auf. Aber es war wieder ein spanischer. Keiner aus Deutschland.
Drüben hinter der Carretera stieg das Gelände leicht an. Zunächst in der Ebene noch die ausgedehnten, grünen Artischockenfelder, dann ging es aber steil hinauf zu den schroffen, grauen Felsen der Sierra d‘Irta. Links oben die dunklen Gemäuer der Ruine des Castillo de Xivert. Und rechts auf dem letzten Gipfel die in der Nachmittagssonne glänzenden weißen Wände der Ermita Santa Lucía.
Es kam mir ganz unwirklich vor, dass ich erst gestern auf der anderen Seite der Bergkette flüchtend die Hänge hinaufgehetzt war.
Gegenüber in einer Ecke am Rand des leeren Parkplatzes stand ein dunkelgrauer Kombi mit schwarzen Seitenscheiben. Daneben ein Plastikstuhl unter einem Sonnenschirm. Wahrscheinlich wartete hier eine Vertreterin des horizontalen Gewerbes auf einen Kunden.
Am Anfang hatte ich nicht gewusst, was diese Plastikstühle und dahinter meist ein geparktes Auto zu bedeuten haben, die man vereinzelt an der Carretera sehen konnte, in den kleinen Einfahrten zu den Orangen- oder Artischockenfeldern. Irgendwann erklärte mir ein Bekannter, dass es Prostituierte waren, Frauen aus Osteuropa, vielleicht auch Spanierinnen, die hier ihrer Arbeit nachgingen. Es waren weiße oder rote Plastikstühle, aber mein Freund konnte mir nicht sagen, ob das etwas zu bedeuten hat. Eventuell, so überlegte ich, ergab sich daraus der Hinweis auf ein unterschiedliches, spezielles Angebot. Es hätte mich natürlich schon ziemlich interessiert, aber ich traute mich nicht anzuhalten, um diese Frage mit den Damen zu besprechen.
Ein röhrendes Signalhorn ließ mich hochschrecken. Ein schwarzer, langgestreckter Sattelzug bog von der Carretera in die Zufahrt zur Tankstelle. Der Fahrer betätigte zweimal die Lichthupe und schwenkte sein Gefährt dann in großem Bogen hinter das Gebäude neben mein Auto. Das Autokennzeichen begann mit dem vertrauten „KA“ für Karlsruhe.
Er bremste sein Gefährt ab. Das Fahrerhaus erzitterte, schüttelte sich wie ein mächtiges Tier, als mit einem tiefen, stotternden Brummen und zischenden Luftgeräuschen das Dröhnen des Motors verstummte.
„Maximilian?“, rief mir der verblüffend junge, schlanke Bursche zu, der aus dem Laster sprang und mir die Hand entgegenstreckte. „Ich bin Harry.“
Harry war ziemlich plaudrig, vielleicht als Folge der langen, einsamen Fahrt, und erzählte mir bei einem Café con Leche im Tankstellen-Imbiss, dass eigentlich sein Vater die Tour hätte machen sollen. Aber der hatte sich den Fuß verstaucht. „Ich finde es nicht schlecht, dass ich auf diese Weise mal hierher komme und noch weiter nach Südspanien“, lächelte er mich an. „Ich war noch nie dort.“
Er erzählte mir, dass sein Vater große Stücke auf meinen Freund Jan hielt, weil der ihm mal in einer üblen Situation geholfen hatte. „Es ging damals um viel Geld“, schloss er etwas dubios.
„Jedenfalls soll ich Ihnen etwas übergeben.“ Er lief raus zu seinem Lastwagen und kam nach einem kurzen Augenblick mit einem kleinen Päckchen in braunem Packpapier zurück. „Hier ist die geheimnisvolle Sendung.“ Er zwinkerte mir zu. „Ich schätze, das ist die leichteste Fracht, die unser Vierzigtonner jemals quer durch Europa gefahren hat.“
Als ich keine Anstalten machte, es zu öffnen, sah er mich etwas neugierig an. „Mein Vater hat gesagt, ich bräuchte nicht zu wissen, was drin ist. Drogen seien es jedenfalls nicht.“ Er grinste mich an. „Und schließlich sind Sie ja Richter, wie ich gehört habe.“
Er setzte hinzu: „Mein Vater hat mir übrigens auch noch aufgetragen, ich soll Ihnen von ihrem Freund Jan ausrichten, er wünscht Ihnen ein sensibles Händchen.“
Wahrscheinlich bereute er jetzt, dass er das Paket nicht unterwegs unauffällig geöffnet hatte.
Ich sagte lieber gar nichts dazu.
„In ein paar Kilometern bei Torreblanca fahre ich wieder auf die Autobahn“, rief er mir noch munter durch das geöffnete Seitenfenster zu, als er mit donnerndem Motor anfuhr.
Den Karton mit zwei Flaschen „Pruno“ vom Ribera del Duero, die ich zum Abschied und Dank überreichte hatte, waren von ihm mit der Bemerkung „Woher wussten Sie, dass ich Rotwein mag?“, schon unter seinem Sitz verstaut worden.
Punkt eins meiner Planung ist erfolgreich abgehakt, dachte ich auf dem Rückweg nach Alcossebre. Aber auf der ganzen Strecke, auch den Berg hinauf nach El Pinar, registrierte ich sehr sorgfältig den Verkehr um mich herum. Erfreulicherweise tauchte kein Mercedes mit deutschem Kennzeichen auf. Die fröhlichen Menschen auf den Straßen und vor den Cafés am Meer passten nicht so recht zu meiner angespannten Stimmung.
Oben auf der Terrasse rief ich Jan an, gab die Erfolgsmeldung durch und bedankte mich noch einmal bei ihm. Als er mich fragte, ob ich schon wüsste, wie es weitergeht, antwortete ich ihm: „Ich muss abwarten, ob Paquita mir Informationen bringt.“
Mit den Worten „Grüße unbekannterweise an deine Mata Hari von Alcossebre“ verabschiedete er sich, nachdem ich versprochen hatte, ihn auf dem Laufenden zu halten. Ich fand das aber gar nicht lustig.
Ich setzte mich in den Lehnstuhl an der Brüstung neben dem kleinen Tisch, mein Arbeitsplatz von heute Morgen. Der wunderbare Blick hinunter in den Ort und in die Ferne über das Meer vermochte mich nicht zu entspannen.
Ich begann die Verpackung meines Frachtgutes zu lösen, als mir plötzlich ein Gedanke kam.
Die Ganoven wollten etwas von mir. Sie waren in das Haus in der Sierra eingedrungen. Zu dem Zeitpunkt wussten sie natürlich, dass ich nicht im Haus war. Also wollten sie nicht in erster Linie mir an den Kragen, sondern sie suchten irgendwas. Das hatten sie offenbar nicht gefunden, und deswegen waren sie hinter mir her, wohl um mich mehr oder weniger höflich zu befragen.
Warum sollten sie eigentlich ihre Suche auf Alcossebre beschränken. Ich griff zum Handy.
Jan meldete sich sofort. „Sag bloß nicht, dass es schon was Neues gibt?“
„Jan, du musst mir noch einen Gefallen tun. Wenn die Typen hier etwas suchen, dann tun sie es sicher auch bei mir zu Hause.“
Vor einiger Zeit war ich in eine gemütliche, ebenerdige Wohnung in Ettlingen am Vogelsang eingezogen. Nach meinem Auszug aus dem ehelichen Haus hatte ich zunächst über Monate in einem etwas gewöhnungsbedürftigen Zimmer mit schrägen Wänden, Kochecke und Dusche im Dachgeschoss eines Hotels gewohnt. Neben all dem Merkwürdigen dort oben war es zeitweise auch ganz kurzweilig gewesen mit den eigenartigen Mitbewohnern unterm Dach. Schließlich hatte ich dann diese Wohnung in einem alten romantischen Haus gefunden. Dort fühlte ich mich sehr wohl.
Aber schon einmal war bei mir eingebrochen worden und daraus hatte sich ein Drama ergeben, das ich schließlich nur mit Mühe und Not überstanden hatte. Ich war sozusagen ein gebranntes Kind.
„Jan, ich habe die große Bitte an dich, dass du meine Wohnung in Ettlingen kontrollierst.“
Ich hatte damals sicherheitshalber außerhalb des Hauses einen Schlüssel deponiert, auch falls ich ihn selbst mal verlieren sollte. Jan wusste von diesem Versteck. Er war der Experte. Wenn er nichts feststellen würde, dann würde die Polizei auch nichts Auffälliges bemerken. Und ich schon gar nicht.
„Okay, ich kläre das“, war er sofort bereit. „Aber nach dem, was du erzählt hast, waren sie bei dir in Spanien im Haus, ohne Spuren zu hinterlassen. Also Profis. Da werde ich wohl auch nichts finden. Aber ich versuche es.“
„Und“, setzte er noch hinzu, „du solltest dir mal Gedanken machen, was sie von dir wollen!“
Als hätte ich das nicht schon gemacht. An fast nichts anderes konnte ich seit der Jagd auf mich denken.
Schon weit von unten war der dunkle, auf- und abschwellende Ton des Motorrades zu hören, vor den Kurven gedrosselt und danach voll aufgedreht, ab und zu gedämpft durch die dazwischen liegenden Waldstücke. Der Fahrerin machte die Fahrt den Berg hinauf ganz offenbar Vergnügen.
Ich stieg die Außentreppe empor und ging hinüber zum großen Tor am Eingang des Grundstückes. Gerade rechtzeitig öffnete ich es. Paquita in ihrem engem Lederdress mit schwingendem hellem Zopf bog jetzt mit gemächlicher Geschwindigkeit um die letzte Kurve den Hang herab. Sie schob ihren Gesichtsschutz am Helm hoch, lächelte mir strahlend zu und streckte die rechte Faust mit erhobenem Daumen aus, als sie durchs Tor und an mir vorbeifuhr.
Eine halbe Stunde später, sie war zuvor wortlos in ihren Räumen verschwunden und ich hatte mich wieder an meinen Platz ganz vorn auf der Terrasse gesetzt, sprang sie trotz ihrer ziemlich hochhackigen Schuhe immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe herab. Schlank, sportlich, ein beeindruckender Anblick. Sie trug jetzt einen hellen, schwingenden, knöchellangen Rock aus einem dünnen Stoff und eine schwarze Bluse. Ihre Haare hatte sie wieder zu einem kunstvollen Knoten hochgedreht.
Sie packte mich, gab mir einen Kuss und ließ sich in den zweiten Terrassenstuhl fallen. Von dem Weißwein, den ich vorsorglich kurz vorher in einem Kühler aus dem Haus geholt hatte, goss ich ihr ein Glas voll und füllte meines erneut.
Sie stieß mit mir an, ganz offenbar sehr guter Laune.
„Du scheinst ja ziemlich erfolgreich gewesen zu sein?“, fragte ich sie.
„Vielleicht“ blinzelte sie mir zu, zuckte mit den Schultern und blickte dann betont gelangweilt mit einem kleinen Lächeln zur Seite. „Erst du! Was hast du denn da in dem Päckchen?“
Ich befasste mich erneut mit meiner Sendung und riss die Verpackung auseinander. Ein kleines braunes Lederetui etwa so groß wie zwei Handflächen nebeneinander kam zum Vorschein.
Ich hielt es Paquita hin, die es eifrig ergriff, den schwarzen Reißverschluss aufzog und die beiden Hälften auseinanderklappte. Überrascht blickte sie auf die zierlichen Instrumente aus silbernem Metall, die sie vor sich hatte. Fein säuberlich nebeneinander in Lederschlaufen aufgereiht, fast wie ein Arztbesteck.
Es war ungefähr vor fast zwei Jahren gewesen. Ich hatte mit meinem Freund Jan, dem Privatdetektiv, in Karlsruhe eine kleine Kneipentour gemacht. Wir sprachen über seine Arbeit und seinen letzten Erfolg. Ich lobte ihn, und es gab wirklich genug Grund dafür. Als wir sehr spät in der Nacht zu ihm schwankten, ich sollte bei ihm übernachten, stoppte er vor seiner Haustür und fragte mich, ob er mir mal zeigen sollte, wie erfolgreich er sei.
Natürlich war ich einverstanden und hochinteressiert dazu.
Er zog aus seiner Manteltasche dieses kleine, braune Ledertäschchen, öffnete es und hatte zu meiner Verblüffung mit zwei Instrumenten daraus in Nullkommanichts trotz Sicherheitsschloss die Tür aufgesperrt.
Er erzählte mir dann, dass er vor einiger Zeit einem Einbrecher half, der ausnahmsweise in einem Fall zu Unrecht verdächtigt wurde. Dem blieben damit der Widerruf einer Bewährung und eine hohe weitere Freiheitsstrafe erspart. Das Ganze hatte den Ganoven so geschockt, dass er seinem Beruf abschwor und, um nicht auf falsche Gedanken zu kommen, aus Dankbarkeit Jan sein Einbruchsbesteck schenkte.
Ich war total beeindruckt, und als mir Jan die kleinen Stangen mit Häkchen in die Hände drückte, versuchte ich es, und nach einigem Hin und Her und mit seiner Anleitung schaffte ich es dann auch.
Ich erzählte Paquita, die fasziniert zuhörte, diese Geschichte. „Später habe ich mir dann von Jan einmal sein Einbruchsbesteck ausgeliehen und bin damit eingebrochen“, schloss ich und lächelte ihr zu.
Sie sah mich ziemlich fassungslos an. „Das hast du dir doch ausgedacht!“
„Nein wirklich. Ich bin reingekommen. Es war nicht einfach und auch ziemlich aufregend, aber ich habe es geschafft!“
Jetzt wirkte sie leicht entsetzt. „Aber du bist doch Richter! Ich glaube nicht, dass die spanischen Richter sowas tun. Und wieso bist du eingebrochen?“
Ich nahm einen großen Schluck aus meinem Weinglas. „Ich war damals in einer großen Notlage. Ich musste mich verteidigen. Jemand hatte es auf mich abgesehen.“
Paquita sah mich nur etwas zweifelnd an.
Ich entschloss mich, mit dem eigentlichen Knüller herauszurücken. „Und ich plane auch jetzt hier einen Einbruch. Deswegen habe ich mir das Werkzeug schicken lassen.“
Um ihr keine Zeit für eine Antwort zu lassen, erklärte ich, dass ich den Kerlen ausgeliefert sei, wenn ich nicht Näheres über sie in Erfahrung bringen würde. Wahrscheinlich handelte es sich bei den beiden auch nur um die Handlanger. Ich müsste unbedingt versuchen herauszubekommen, wer und was dahinter steckt. Und dafür müsste ich bei ihnen in ihre Unterkunft. Müsste sie durchsuchen in der Hoffnung, dass ich etwas finde, aus dem ich Rückschlüsse ziehen kann.
Ich hielt erschöpft inne.
Nach einer Pause sagte ich: „Aber dafür muss ich sie erst mal finden.“
Paquita lehnte sich zurück, breitete die Arme nach beiden Seiten aus und grinste verschmitzt. „Dafür hast du ja schließlich mich!“
Ich fand, dass sie sich ziemlich schnell beruhigt hatte. Wohl doch eine Abenteurernatur. „Sag bloß? Hast du die beiden aufgestöbert? Ich kann es nicht glauben. Du hattest doch kaum Zeit dafür.“
Jetzt lehnte sie sich zu mir vor.
„Um ehrlich zu sein, nicht ich allein. Ich habe meine sämtlichen Kollegen mobilisiert. Paco aus Peñíscola, Joaquin aus Torreblanca und Ana aus Alcala de Xivert. Alle auf ihren Postmotorrädern. Die habe ich auf die deutsche Bande angesetzt! Die ganze Post im Umkreis!“
Sie blickte mich erwartungsvoll an.
Ich war sprachlos. Paquita aber platzte beinahe vor Stolz.
Schließlich fasste ich mich. „Paqui, was hast du, um Himmels Willen, deinen Kollegen erzählt? Das gibt doch einen Riesenärger, wenn die Typen irgendwas spitz gekriegt haben!“
Paquita wedelte beruhigend mit der Hand. „Keine Sorge. Ich habe denen gesagt, dass dein Auto vor der Post ein bisschen angefahren worden ist, eine Schramme, und ein schwarzer Mercedes mit deutschem Kennzeichen hat vorher daneben gestanden. Du bist ein Freund von mir und wolltest das klären. Sie sollten beim Herumfahren einfach nur aufmerksam sein.“
Zufrieden lehnte sie sich zurück.
„Wenn ich das in Karlsruhe erzähle, glaubt es mir kein Mensch“, stöhnte ich. „Der Karlsruher Landrichter Knall verursacht die Bildung einer speziellen kriminellen, motorisierten Vereinigung mittels Unterwanderung der gesamten Post an der Costa Azahar, die ,banda correos criminal‘“.
Paquita kicherte vor sich hin. „Ja, genau!“
Ich riss mich zusammen. „Also, was haben deine Komplizen feststellen können?“
„Joaquin war erfolgreich. Er fährt Torreblanca und Umgebung ab, auch Torrenostra am Meer. Und dort hat er tatsächlich den Mercedes in einer Einfahrt vor einem Haus gefunden.“
Ich kannte Torrenostra. Von Alcossebre aus war ich oft auf dem Fahrrad auf kleinen Wegen durch die Orangen- und Mandarinenfelder mit den goldglänzenden, reifen Früchten gefahren. Nicht sehr weit, eine wunderbare Tour, immer mit Blick aufs Meer. Im letzten Jahr hatten sie unvermittelt alle Bäume abgeholzt und riesige Reklameschilder für einen geplanten Golfplatz samt Apartmenthäusern aufgestellt. Na bravo! Die Verwirklichung des Vorhabens stand natürlich wie üblich absolut in den Sternen. Erfreulicherweise!
Ich konzentrierte mich wieder. Diese spanische Bausünde hatte ja nun wirklich nichts mit meinem Problem zu tun.
„Es ist ein altes Haus nahe beim alten Turm, dem ,Torre Vigía‘, an der Strandpromenade“, setzte sie den Satz fort und sah mich stolz an. „Ich bin keine schlechte Assistentin, oder?“ Ihre Augen strahlten. „Ich glaube, jetzt ist ein Cava fällig!“
Schon sprang sie die Treppe hinauf und war nach wenigen Augenblicken mit einer Flasche „Anna de Codorníu“, einem spanischen Sekt, und zwei Gläsern zurück, feucht beschlagen, offenbar direkt aus dem Eisfach.
Nach zwei herrlichen Schlucken blickte ich auf die wunderbaren, etwas bauchigen, altertümlichen Gläser. „Auch in den Räumen, die ich gerade bei dir bewohne, stehen überall fast historische Gegenstände herum. Eine Glasvitrine ist voll mit altem Zeug: Faustkeile, kleine Steinfiguren, alte Teller und Schalen. Hast du das gesammelt?“
Ich merkte, dass meine Frage ihre Stimmung beeinträchtigte. „Entschuldige, dass ich neugierig bin. Das geht mich ja wirklich nichts an.“
„Nein, nein. Es ist doch klar, dass dich das interessiert“, sagte sie leise und sprach dann weiter: „Meine Eltern sind bei einem Unfall ums Leben gekommen, auf dem Weg zum Flugplatz nach Barcelona. Sie hatten einen Flug nach Vietnam gebucht.“
Sie sah mich traurig mit ihren schönen Augen an. „Tödlich verunglückt vor einem Flug um die halbe Welt auf den paar Kilometern mit dem Auto, wirklich absurd. Mein Vater wollte dort an Ausgrabungen teilnehmen, er hat für einen Archäologen gearbeitet.“
Als sie merkte, dass ich sie etwas erstaunt ansah, riss sie sich zusammen, nahm einen großen Schluck aus ihrem Glas und blickte nachdenklich über das Meer.
Schließlich wandte sie sich mir zu und grinste. „Ja, Paquita und das Postmotorrad ist nun wieder eine ganz andere Geschichte.“