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Vorwort


„Solange Sie erklären, verstehe ich alles, aber wenn ich dann meinen Freunden davon berichten möchte, ist alles weg.“

Wie oft ich diesen Satz schon gehört habe! Wenn Wissenschaftler sich in die Öffentlichkeit begeben, kommen sie zwar nicht darin um, aber sie müssen akzeptieren, dass die komplizierten und komplexen Inhalte der modernsten Forschung sich leider nur sehr unvollständig, um nicht zu sagen unzureichend, transportieren lassen. Fast immer scheitert der Versuch, Wissenschaft der interessierten Öffentlichkeit nahe zu bringen, am hohen Abstraktionsgrad und der fehlenden Anschaulichkeit der wissenschaftlichen Inhalte. Gerade die hochinteressanten Fragen nach dem Allergrößten und dem Allerkleinsten, also dem Universum als Ganzes und der Struktur der Materie, führen oft in regelrechte Abgründe der Unvorstellbarkeit.

Bevor wir ins Unvorstellbare stürzen, klammern wir uns noch an den schwarzen, gestirnten Himmel über uns. Hier bietet der Kosmos zumindest noch die Lichter der strahlenden Sternengasbälle, die sich nicht völlig unserer Vorstellungskraft entziehen. Aber werden wir mit Zahlen konfrontiert, wird vielen von uns schon schwummrig. Ein Gasball, der viele hunderttausend Mal schwerer ist als die Erde und einen Radius von 700.000 Kilometern hat, verschmilzt in seinem Innersten Atomkerne miteinander - das kann man sich einfach nicht mehr vorstellen. Selbst moderne Jumbojets bräuchten Monate für die Umrundung eines solchen Giganten. Und davon soll es hundert Milliarden geben in unserer Milchstraße, die wiederum eine Ausdehnung von hunderttausend Lichtjahren hat? Nein, da hört es mit der Anschaulichkeit aber wirklich auf.

Schön sind sie ja schon, diese kosmischen Gebilde, die Spiralgalaxien, die Molekülwolken oder die Überreste von explodierten Sternen. Die vielen Bilder, die uns die Teleskope liefern, erfreuen das Auge eines jeden Betrachters. So manch einer vermutet da draußen unzählbare rätselhafte Geheimnisse, wenn nicht gar ein mystisches Geschehen in der unendlichen Weite des Weltraumes, in den gewaltigen Tiefen der Zeit. Bei solchen Dimensionen darf man keine Sofortmeldungen erwarten; immer braucht es Zeit, bis uns die Nachrichten vom Rand der erkennbaren Wirklichkeit erreichen. Selbst das Sonnenlicht, das in unser Auge fällt, ist schon acht Minuten alt. Wenn die staunenden Zuhörer erfahren müssen, dass eine Gleichzeitigkeit von kosmischem Geschehen und ihrer Wahrnehmung unmöglich ist, dann blickt der Wissenschaftler oft in völlig fassungslose Gesichter. Wie kann der Laie auch glauben, dass heute noch Objekte am Himmel zu sehen sind, die schon lange nicht mehr existieren? Wenn heute Abend Strahlen unseres nahegelegensten Sterns in unser Auge fallen, so könnten das seine letzten gewesen sein, falls ihre Quelle schon vor Jahren in einer Explosion zerstört worden wäre. Wie soll der Mensch, der gewohnt ist, sich auf seine sechs Sinne zu verlassen, damit klarkommen?

Noch verrückter sind die Vorgänge im Inneren der Materie. Wir bestehen wie alle Materie auf der Erde aus Atomen. Deren Winzigkeit ist so unglaublich, dass unsere Vorstellungskraft unweigerlich versagen muss. Ein Gramm vom Zeigefinger besteht aus hochstrukturierten Molekülen der Haut, die aus zirka einer Billion mal einer Billion Atomen aufgebaut sind. Und jedes dieser Atome besteht aus einem nahezu leeren Raum, mit nichts gefüllt als einem Hauch von Aufenthaltswahrscheinlichkeiten und einem allerwinzigsten Kern, der sich bei genauerer Betrachtung abermals als ein Nichts erweist. Tja, wie soll man das erklären?

Und dann gibt es da noch die wirklich allergrößte Herausforderung für den gesunden Menschenverstand: die Verbindung des Allergrößten mit dem Allerkleinsten, wenn sich das Universum in seine Existenz wirft. Spätestens hier ist Schluss mit lustig!

Oder vielleicht nicht, vielleicht muss man sich gerade im Angesicht solcher Grenzfragen wieder an eine zutiefst menschliche Eigenschaft erinnern: Stellen wir uns doch der Welt mit einer gesunden Portion Humor! Das Absurde der abstrakten Modelle von Kosmos und Materie ist schließlich ganz offensichtlich. Mit unserer normalen Alltagswelt hat das alles nichts zu tun und doch könnte man sich gerade darüber freuen, dass unser Verstand, der ja nur an dieser normalen Alltagswelt getestet worden ist, sich an die Grenzen des gerade noch irgendwie Erkennbaren heranwagt. Und das tut er offensichtlich mit großem Erfolg. Aber warum funktioniert das so gut? Wieso kann der Mensch, selbst ein Teil der Natur, sich nicht nur fragen, was es mit der Natur auf sich hat, warum findet er auch noch Antworten, die er verstehen kann?

Hier eröffnet sich für Wissenschaftler, die an die Öffentlichkeit gehen, eine wichtige Perspektive. Es geht eben nicht nur darum, alle Einzelheiten wahrheitsgetreu zu präsentieren in der Hoffnung, dass alle verstehen, worum es geht. Es geht vielmehr um die Potenz der Vernunft, um die Möglichkeiten, die unser Bewusstsein bietet. Hier fordern wir unsere ganz grundsätzliche Fähigkeit heraus, sich über unsere normalen Sinne und deren Anschauungen hinwegzusetzen. Ein öffentlicher Vortrag über Sachthemen der Wissenschaft kann somit zu einem Fest des Verstandes werden. Traue nicht nur deinen Augen und Ohren, verlange nicht die unmittelbare Einsicht und Anschauung im wörtlichen Sinne, sondern stelle dir vor, es gäbe mehr, als du siehst, riechst, schmeckst und hörst. Stelle dir vor, es gäbe auch das, was du denken kannst. Nicht alles, was du denkst, gibt es auch, aber vieles!

So wie ein Musikliebhaber, der womöglich zuhause am Piano mehr oder weniger gut Musik macht, sich am Spiel eines Virtuosen erfreut und spürt, was musikalisch möglich ist, ohne jedoch selbst in allen Einzelheiten der Kompositionslehre und der Instrumentenbeherrschung ein Experte zu sein, so könnte sich auch der Dialog von Öffentlichkeit und Wissenschaft auf einer Ebene der grundsätzlichen Fragen vollziehen. Deshalb sollten wir Wissenschaftler vor allem Bilder schaffen, Motive, die das Denken anregen. Und wenn das gelungen ist, gilt es die Brücke zu bauen: „Was hat das alles mit mir zu tun?“ Im besten Falle wird der Wissenschaftler zum Reiseführer, der die Besucher durch das faszinierende Reich der abstrakten Modelle geleitet.

Im Dialog mit Josef hat sich die Möglichkeit eröffnet, diese Einblicke tiefer und umfassender darzulegen, als es mir jemals vorher gelungen ist - bis an die Grenzen meiner eigenen Vorstellungskraft. Angesichts der dabei entstandenen großartigen Geschichten vom Rand der Zeit, von den Untiefen der Elementarteilchen, dem kosmischen Materiekreislauf und unserer kosmischen Herkunft ist die Begeisterung garantiert. Ob Sie es am Ende allerdings Ihren Freunden erklären können?

Im Herbst 2014Harald Lesch


„Erfolg ist ein Mosaik, an dem sich viele beteiligen.“

(Franz Schmidberger)

An einem kalten Wintertag saßen wir uns im Tonstudio gegenüber. Ich hatte noch Haralds aufmunternde Worte im Ohr: „Das wird ganz entspannt – wir quatschen einfach ein bisschen dummes Zeug.“ Vermutlich wollte er mir Mut zusprechen auf meiner Mission Impossible als Medienneuling im direkten Schlagabtausch mit dem Vollblutprofi.

Geplant waren 60 Minuten zum Thema „Das Universum verstehen“. Nachdem Harald – der sich selbst als rhetorisch inkontinent bezeichnet – erst mal losgelegt hatte, waren daraus schnell 260 Minuten geworden und kein Ende in Sicht. Unser besonderer Dank gilt an dieser Stelle dem Produzenten Herbert Lenz, der bewundernswerte Flexibilität und Nervenstärke bewiesen hat. Nach einem weiteren Studiotermin fand das Hörbuch doch noch ein gutes Ende und alle Beteiligten beteuerten, dass sie niemals daran gezweifelt hätten.

Im Anschluss wurden die Dialoge niedergeschrieben, Carolina Haut glättete mit Liebe zum Detail unsere sprachlichen Unzulänglichkeiten, die Kollegen der NASA und ESA stellten großzügig ihr neuestes Bildmaterial zur Verfügung und unser gemeinsamer Freund Jörn Müller brachte seinen Erfahrungsschatz ein, insbesondere sein feines Gespür dafür, wo noch Erklärungsbedarf besteht.

Während des ursprünglichen Dialoges hatten sich drei Schwerpunkte herauskristallisiert: die Urknall-Hypothese sowie der aktuelle Forschungsstand zum Weltall und dem Phänomen Leben. Die Themen unterscheiden sich deutlich im Schwierigkeitsgrad, sind allerdings weitgehend selbsttragend. Wem also der theoretische Hintergrund des Urknallmodells zu abgedreht erscheint, der kann jederzeit Mut zur Lücke beweisen und unmittelbar zum Kapitel Weltall springen.

Die zahlreichen Rückmeldungen haben uns motiviert, unter http://www.Urknall-Weltall-Leben.de eine Internetseite zum Buch einzurichten, mit stets aktualisierten Nachrichten und Videos aus der Wissenschaft sowie einem Forum. Vielen Dank an alle, die dort offene Fragen, Änderungs- und Erweiterungsvorschläge hinterlassen haben und das hoffentlich auch in Zukunft tun werden. Das gesamte Feedback ist in die vorliegende dritte Auflage des Buches eingeflossen. Die laufende Pflege des Manuskripts gewährleistet, dass sich alle Zahlen und Fakten auf dem aktuellen Stand befinden. Dabei ist ein vierter Schwerpunkt hinzugekommen, der die aktuellen Grenzfragen der theoretischen Physik behandelt.

Unter dem Titel des Buches haben wir auch einen YouTube-Kanal eingerichtet, auf dem Sie laufend neue Videos von Harald und mir zu unterschiedlichen Themen finden.

Wir hoffen, der vorliegende Dialog wird Ihnen ebenso viel Freude bereiten wie uns und laden Sie herzlichst ein, die/der Dritte im Bunde zu sein. Aber noch eine Warnung vorweg – seien Sie sich des Risikos bewusst: Die Faszination Wissenschaft ist ein trojanisches Pferd, mit dessen Hilfe man in die Köpfe der Menschen gelangt. Sobald Ihnen bewusst wird, welche glücklichen Umstände in diesem Universum vom Urknall bis heute Morgen zusammenspielen mussten, damit das Phänomen Leben und damit unsere eigene Existenz überhaupt möglich ist, werden Sie vielleicht diese Welt und sich selbst mit neuen Augen sehen. Sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt!

Im Herbst 2014Josef M. Gaßner
Urknall, Weltall und das Leben

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