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Hafenstadtwelten

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Der große Überseehafen kannte keine Ruhe und war in der Nacht immer hell erleuchtet. Zusätzlich krönten Lampen die Spitzen der Ladekräne an den festgemachten schlafenden Riesen. Rote, grüne und weiße Lichter. Die Schiffe klebten förmlich nach den langen Reisen an den Mauern der Kajen. Überall in der Luft lagen Geräusche von Arbeit und Betrieb.

Im Süden der Stadt lag der Fischereihafen, eine sichtbar andere Hafenwelt. Ständig rumpelten Traktoren mit Fischabfällen durch den Fischereihafen, kreischende Möwen segelten über ihnen und alle Räuchereien sendeten ihre Duftnoten aus. Kam der Wind aus Südwesten verband sich oft damit der Durchzug von dicken Nebelwänden. Man hörte noch die Möwen und Nebelhörner der Schiffe, sieht aber die Hand vor Augen nicht mehr. Stadt und Hafen sind ineinander verwachsen und mitten in der Stadt türmen sich zwischen den Häusern Schiffe auf.

Fast die ganze Wasserseite der Stadt bestand aus Molen, Kajen, Kränen, Schuppen, Docks und Seeschiffen. Es gab Werftbetriebe mit ihren großen Trockendocks, militärischen Anlagen, die Passagierschiff - Fahrgastanlagen, auch Kaje der Tränen genannt, die weißen Bananendampfer und anderen Auffälligkeiten des Mikrokosmos Seehafen.

Hinzu kam der milde Salzgeruch des Meeres, der Geruch von Teer und Farbe, von Schornsteinen und Küchen. Die Schlepper zogen die Schiffe in die Fahrrinne hinaus und kamen zum Hafen zurück. Jedes Schiff nahm Abschied über seine kräftigen Sirenen und fuhr durch die Flussmündung ins Meer hinaus. Zuletzt sah man seine hohen Schornsteine am Horizont versinken. Wir hatten uns an das Erscheinen und Weiterziehen dieser Meeresgiganten gewöhnt. Im täglichen Gezeitenwechsel kommen mit den Wellen die Schiffe und die Fremden an ihr Ziel. Schon aus der Ferne sah man die gewaltigen Schornsteine auf Hafen und Stadt zukommen. Geflaggt im schönsten Sonnenschein oder hell erleuchtet durch nächtliche Nebelschwaden.

Auch, wenn in 3 Schichten jeden Tag rund um die Uhr gearbeitet wurde, dauerte das End- und Beladen eines Frachtschiffes seine 3 bis 5 Tage. In dieser Zeit hatte der Großteil von der seemännischen Besatzung Freizeitanspruch und das konnte 3 bis 5 Tage Landgang bedeuten. Auf den im Hafen liegenden Schiffen war es in dieser Zeit oft verboten Alkohol und Frauen mit an Bord zu bringen. Daher drängte es die Reisenden aus aller Herren Ländern zu den halbseidenen Mädchen in den nahen Bars und Absteigen. Sie wirkten dabei wie ganz normale Seeteufel, etwa so wie agile Piraten mit intakten Kanonen, die mit Dollars von Bord kamen um junge Fregatten zu entern und zu besegeln.

Zurück an Bord träumten sie dann wieder von trunkenen Nächten, mit fremden Frauen in ungemachten Betten und freuten sich schon auf das nächste Mal. Schließlich gingen die Seefahrer aus wochenlanger Männergesellschaft mit Alkoholverbot von Bord. Aus Monotonie und endlosen Überstunden. Zu jener Zeit waren die Matrosen fast ständig auf See und so wurden die kurzen Landgänge zum Ventil mit Alkohol und Sex. Am Hafenbecken, in Reichweite einer der vielen Rotlichtbars mit Schnaps und Freudenmädchen, endete ihre Durststrecke und begann ein bezahlbares Abenteuer, bis auf weiteres. Weil dann Hure, Kondition und Geldbeutel die Regie übernahmen.

In der Seefahrt hat man gut verdient und der Dollar war ihre grüne Munition, mit der sie in die Tingeltangel Läden einfielen, wo die verlockenden Mädchen mit unkeuschem Sinn bereits auf sie warteten. Damals trug die in bar ausgezahlte Heuer im Umfeld der Häfen zu Rekordumsätzen bei.

Mitte der 60ziger Jahre liefen monatlich 1000 Schiffe die bremischen Häfen an. Mit einer Besatzungsstärke von 40 bis 50 Mann kamen somit um die 50.000 Seeleute in die Stadt am Meer gespült. 50 fremde Staaten fuhren mit ihren Schiffen regelmäßig die Häfen an. Diese großartige Erscheinung eines Giganten der Seefahrt konnte Sehnsüchte von Tagträumern bedienen. Bei den Passagierschiffen ist es vor allem Amerika, als Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Am Güter- oder Bananenhafen Pier klingt die Ferne noch exotischer mit Sumatra, Sansibar oder Venezuela. So wird die Hafenstadt oft zur reizvollen Bühne menschlicher Komödien und Tragödien. Heimatferne Seeleute und leichte Mädchen feierten an den Abgründen der Wirtschaftswunderjahre, frei von Sperrstunden. Der reichlich vorhandenen Rotlichtbezirk, mit seinen verführbaren Mädchen in verqualmten Lokalen, klebte dicht am großen Hafen. Harte Kerle, die echte Entbehrungen hinter und vor sich hatten, füllten diese Bars. Sie kamen um ihre Geilheit abzustoßen, sie kamen um zu trinken, sie kamen um zu reden und mancher kam für die größte aller Illusionen, wegen der Liebe!

Ja, wenn die Schiffe am Kai lagen hatte das Laster seinen ersehnten Landgang. Ob weißer, schwarzer oder gelber Hautfarbe: Alle heimatfernen Seefahrer brachte das Meer und trug sie wieder fort. Die Luft brannte vor Sex und es roch nach Geld, so blieb es über viele Jahre.

Tag und Nacht sangen die Sirenen der ein- und auslaufenden Schiffe. Wenn zusätzlich die amerikanischen Truppentransporter den Hafen erreichten, brannte die Luft noch intensiver im Rotlichtbezirk. Dann loderte das Laster im 3 Schichten Betrieb. Das hemmungslose Feiern musste mit dem Eintritt in die "Bums-Lokale" (so Vater) gewährleistet sein. Es war wie eine Droge, die man suchte und fand. Ein Zirkus, in dem gesoffen, getanzt, gehurt und gelitten wurde. Diese begehrten Lasterhöhlen boten den Gästen aus fernen Ländern allerlei "Tingel-Tangel". Es gab wilde Musikkapellen, Tanzgruppen mit viel Flitter, Striptease Tänzerinnen mit Extras, sowie Cabaret Girls mit Haut und Charme. Oft kam es in den Bars zu massiven sexuellen Handlungen und man trieb es miteinander vor den Augen der anderen Zecher. Auf einem Barhocker, Tisch oder in einer Ecke.

Das gehörte zu der großen Party und es war ständig große Party. In der Hauptsache lebten Statisten im Dunstkreis der Sünde, die aus ihrer sortierten und geplanten Welt herausgefallen waren, fallen wollten oder niemals eine bürgerliche Existenz besaßen. In Einzelfällen gab es Exzentriker, die eine Zeit hier eintauchen wollten.

Es kamen harte Kerle, unglücklich Verliebte, Zocker, Vagabunden, Tänzer, Musiker, Spieler, Söldner und solche die es werden wollten. Betrüger, Ausgewiesene und Verstoßene, Glückssucher, Verbrecher, Engel und Teufel, Käufer und Verkäufer, schlaue und dumme Köpfe, Väter und Mütter, Jäger und Gejagte. Männer, die Frauen liebten und deswegen hier ankamen, Mädchen und Frauen die geliebt werden wollten, Licht- und Nachtgestalten, unternehmerische Charaktere, die von einem eigenen Bordell träumten, Menschen die einen Pass besaßen, oder mal einen besaßen, nie einen hatten und haben werden. Naive Dinger liefen Ganoven hinterher, wenn sie der Überzeugung waren diese Nachtgestalten vermochten ihnen ein stückweit in die erstrebte Welt zu verhelfen. Sie wollten zuhören und waren leicht zu beeindrucken. Einem Schwamm gleich, wenn er mit Wasser in Berührung kam.

Am anderen Ende der Stadt lag der Fischereihafen. Die Welt der Fischdampfer-Rabauken. Nur äußerst herbe Kerle schaukelten an Bord dieser Eisen Pötte durch die Nordmeere. Ein nasskalter Job: Fische fangen und an Bord hieven. Tag und Nacht mit Wellengang, Stürmen, Eis und Schnee. Oft waren es verruchte Seebären, die laut und gewalttätig in die Hafenkaschemmen einfielen. Auf diesen freudlosen Seelenkäufer Dampfern und in den drittklassigen Spelunken konnte man auf Gestalten treffen, die woanders in Ketten gelegt wurden.

In der Nähe vom Fischereihafen gab es die finstersten Bars und Bordelle, die auf Neonlicht mit verlockenden Namen und Angeboten warben. Ständig bedroht das Inventar zerlegt zu bekommen, was auch mit guter Regelmäßigkeit geschah. Es kam vor, dass für umsichtige Seeleute, mit bewegter Vergangenheit, die Fischdampfer zur neuen Heimat wurden. Zu offensichtlich war die persönliche Übereinstimmung mit Steckbrief und Haftbefehl.

Ständig ist der Teufel los (Buch 1)

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