Читать книгу Der leise Ruf des Schmetterlings - Hardy Krüger jr. - Страница 7

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Prolog


»Entscheidest du dich für die Kälte, die Dunkelheit, oder hörst du auf, gegen den Strom zu schwimmen?«

Er wachte auf und sah die Schatten an der Decke seines Zimmers! Sein Körper fühlte sich schwer an und die Knochen taten ihm weh, doch er lächelte und konnte das Gefühl der Zufriedenheit gar nicht beschreiben. David kannte die kleine Wohnung in der Gasse, die sich Vicollo del Gallo nannte und zur Piazza Campo de’ Fiori führte. Er schloss die Augen wieder und lauschte dem Treiben der Stadt. Autos, Motorinis, Menschen, die lauthals stritten oder sich Liebesbekenntnisse zuriefen. Ciao Bella! Ein buntes Treiben. Wo buntes Leben ist, dort findest du auch Sinnlichkeit. ›Hier ist genau der richtige Ort, um mein Leben neu anzufangen‹, dachte er. Dann fiel ihm der letzte Satz seines Traumes wieder ein: Es war der Moment der Wahrheit und der Schönheit – der Geist des Universums.

Ein Mann auf dem Weg in sein zweites Leben. Eigentlich war es schon sein drittes, wenn man bedenkt, dass sein Herz nicht mehr schlagen wollte. Er war bereits auf dem Weg in die nächste Dimension. Oder sagen wir, in eine andere Form des Daseins. Das wusste auch sie. Seine große Liebe. Sie wollte nicht, dass er dieses Leben beendete, weg von ihr. Sie hatte ihn wieder zurückgebracht. Seine Seele war damit einverstanden. Das Leben, das er bis zum heutigen Tag gelebt hatte, war schön und doch mit sehr viel Trauer verbunden. Es gab allerdings keinen Grund für ihn, jetzt schon zu gehen. Der Schmerz jedoch war zu groß.

Sein Leben bestand aus bedingter Liebe und Hoffnung für einen Moment der Zuneigung, des Allein-Großwerdens und der Rebellion gegen Vater und Mutter. Sein Leben war voller Sehnsüchte, die ihn immer weiter trieben in ein nicht selbstbestimmtes Leben voller Exzesse, um schließlich in einer Suchtklinik zu enden, voller Schmerz mit diesem Gefühl der Sinnlosigkeit seines Lebens. David wollte immer nur Liebe geben und zerbrach an ihr. Sie war die Einzige, die ihm die Liebe gegeben hatte und sich seiner Liebe sicher sein konnte. David hasste sich für seine Schwäche, sich nicht für ein Leben mit ihr entschieden zu haben, als er es konnte. Er wusste auch nicht, warum er gezögert hatte. Was hielt ihn damals zurück? Es war ein Moment zu lange, da suchte sie sich den Halt in den Armen eines anderen Mannes. Der Schmerz war so groß, wie die Kehle trocken war und nach Alkohol schrie.

David hatte zu lange versucht, gegen den Strom zu schwimmen, gegen den Lebensfluss seiner Seele. Wenn du das machst, dann wird dir früher oder später die Kraft ausgehen, das war ihm klar.

So groß dein Wille auch sein mag und dein Verstand dir sagt, dass es richtig sei, gegen dich selbst zu kämpfen, es war der falsche Weg. Wenn du dein Inneres nicht akzeptierst, dann wird dir die Luft ausgehen und du stehst an dem Punkt der Entscheidung. Du hast nur noch ein paar Züge zu atmen, bevor dich die Strömung des Verstands hinunterziehen wird und du ertrinkst. Entscheidest du dich für die Kälte, die Dunkelheit, oder hörst du auf, gegen den Strom zu schwimmen? Lässt du dich treiben, holst tief Luft und beginnst, du selbst zu sein? Das Ziel kennst du nicht. Du weißt nicht, wohin dich dieser Fluss führen wird. Aber eines ist klar, er hält dich am Leben. Er trägt dich und lässt dich schweben.

Alles, was David in seinem Leben getan hatte, war aus dem Herzen gelebt. Es gab nichts, was er nicht für andere Menschen tun würde. Er hatte geliebt und war ehrlich in der Liebe zu den Frauen, die das Leben mit ihm teilen durften. Die Liebe war auch spürbar gewesen und die Seelen waren verbunden. Die Liebe seiner Kinder war größer als die, die das Universum ihm schenken konnte. Aber auch der Schmerz des Verlustes seines geliebten Sohnes. Eines Tages wachte er auf und das Herz seines kleinen Sohnes hörte auf zu schlagen. Nur für einen gefühlten kurzen Augenblick. Aber lange genug, um dieses physische, so vertraute Leben zu beenden. Da war er, der »Moment des Augenblicks«! Der Moment der Entscheidung.

Man kann es nicht als den Moment der Wahrheit bezeichnen, denn die war abhängig von der Perspektive. Es war der Moment deiner Entscheidung. David spürte, wie seine Seele ihn bat:

»Gib mir die Chance, dir zu zeigen, wie wundervoll das Leben sein kann. Höre auf meine Stimme. Ich habe dich oft gerufen, doch du konntest mich nicht hören. Erst als du auf der Intensivstation lagst, die Drähte an deinem Körper befestigt waren und dein Leben an dir vorbeizog. Erst als das Piepsen der Geräte, an dem dein Leben hing, das einzige Geräusch im Raum war, hast du den Ruf hören können. Ganz leise. All das, was dich in deiner Vergangenheit geprägt und verformt hat, musst du liegen lassen und der Liebe vertrauen lernen. Du bist hier, um zu lieben, nicht um darum zu betteln, zu hoffen und dann dafür bestraft zu werden, so wie du es in deiner Kindheit kennengelernt hat. Die Menschen, die dir das angetan haben, haben es selbst nicht besser gewusst. Es braucht sehr viel innere Weisheit und Kraft, besser zu sein und deinen Kindern die wahre Liebe zu schenken. Es sind nicht die Fragen von Schuld, sondern von Schwäche, nichts, was du nachahmen solltest. Oder weitergeben. Nein! Das ist das Werk eines Menschen, der es nicht anders kann, weil er sich selbst nicht spürt. Er weiß nicht, wie wundervoll er eigentlich ist.« David war ihnen nicht böse, denn sie haben es nicht anders gewusst. Nicht anders gekonnt.

David lag damals hellwach im Geiste, klar im Bewusstsein. Der Ruf war wie ein lieblicher Gesang, der aus dem Tiefsten seines Seins gekommen war. Ein Licht, das ihn wärmte, ihm Hoffnung gab. Es begleitete ihn in seinen Träumen, wenn er eingeschlafen war. Langsam kehrte die Seele in seinen Körper zurück und wärmte auch diesen. So lange, bis er wieder stärker wurde.

In diesem Moment des Augenblicks spürte David Liebe. Sie war so schön und tief, wie er sie noch nie vorher erlebt hatte. Zart wie der Flügel eines Schmetterlings, der deine Wange streichelt. Die Liebe nahm ihn bei der Hand und ließ ihn spüren, wie wundervoll er war. Er hatte so viel zu geben und noch so viel zu fühlen, dass es noch lange nicht Zeit war zu gehen. Noch nicht. Der Fluss des Lebens, der Seele war lang und schön. Lass Liebe, wahre Liebe zu dir und in dein Leben. Dort, wo Liebe ist, wirst du auch das Glück finden.

Der leise Ruf des Schmetterlings

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