Читать книгу Des Kardinals Schnupftabakdose - Harland Henry - Страница 10
Achtes Kapitel
ОглавлениеAls am Montag abend die alte Marietta nach Tisch das Obst aufsetzte, fragte sie Peter: »Will der Signorino Kaffee nehmen?«
Peter warf einen Blick auf die in symmetrischer Abwechslung um goldgelbe Weintrauben geordneten Pfirsiche und Feigen und erkundigte sich dann: »Sind die auf meinem eigenen Feigenbaum, an meinem eigenen Weinstock gewachsen?«
»Ja, Signorino, und auch an Ihrem eigenen Pfirsichbaum,« erwiderte Marietta.
»Wachsen auf einem Feigenbaum keine Pfirsiche?« forschte er.
»Nein, Signorino.«
»Auch keine Feigen an einem Dornbusch – ich möchte wissen, warum eigentlich nicht!«
»Das wäre gegen die Natur,« lautete Mariettas Antwort.
»Marietta Cignolesi,« sprach Peter in strengem Ton und blickte ihr dabei fest in die Augen, »man hat mir gesagt, Ihr seid eine Hexe!«
»Nein,« erwiderte Marietta schlicht, ohne sich irgendwie zu ereifern.
»Ich verstehe –« fuhr er fort, »es gehört natürlich zu der Rolle, es abzuleugnen. Aber ich will Euch nicht mit Weihwasser besprengen, denn wenn Ihr Euch in eine schwarze Katze verwandeltet oder auf einem Besenstiel durch den Schornstein davonflöget, müßte ich es sehr bereuen. Aber ich wäre Euch trotz alledem dankbar, wenn Ihr Eure Zauberkünste in meinem Interesse spielen ließet. Ich habe nämlich etwas verloren – etwas, das viel köstlicher ist als Gold und Edelgestein.«
Mariettas runzliges Gesicht nahm einen erschrockenen Ausdruck an.
»In der Villa? Im Garten?« fragte sie ängstlich.
»Nein, Ihr gewissenhaftes, altes Geschöpf,« beruhigte Peter sie eilends, »nirgends in Eurem Machtbereich – darüber könnt Ihr Euch beruhigen. Laggiù, laggiù.« Dabei winkte er mit der Hand in die Ferne.
»Der Signorino sollte dem heiligen Antonius von Padua eine Kerze anzünden,« riet die katholische Hexe.
»Dem heiligen Antonius von Padua? Warum von Padua?«
»Jawohl, dem heiligen Antonius von Padua,« sagte Marietta.
»Ihr wollt sagen von Lissabon,« verbesserte Peter.
»Nein,« beharrte die alte Frau energisch, »von Padua!«
»Aber er ist doch in Lissabon geboren und gestorben.«
»Nein!«
»Doch, parola d'onore! Ihr meint ganz gewiß den heiligen Antonius von Lissabon.«
»Nein!« erklärte Marietta mit erhobener Stimme, um ihn desto sicherer zu überzeugen. »Es gibt keinen heiligen Antonius von Lissabon – er ist von Padua.«
»Warum haltet Ihr denn so halsstarrig an Eurer Meinung fest?« klagte Peter. »Das ist ja der reine Eigensinn! Wißt Ihr nicht, daß Nachgiebigkeit in Nebensachen das Leben versüßt?«
»Wenn man etwas verloren hat, so steckt man dem heiligen Antonius von Padua eine Kerze an,« erklärte Marietta, des Streites müde, aber entschlossen.
»Aber nur wenn man das Verlorene wieder kriegen will,« meinte Peter.
Höchlich verwundert blinzelte Marietta ihn an.
»Ich will das Ding, das ich verloren habe, gar nicht wieder haben,« fuhr Peter freundlich fort; »dieser Verlust erregt nämlich ein ganz neues, gar nicht unangenehmes Gefühl in mir. Übrigens habe ich es schon lange, schon vor etwa drei oder vier Jahren verloren – eines schönen Abends in der Comédie française. Aber es ist sehr wichtig für mich, die Person wiederzusehen, in deren Besitz es ist. Deshalb habe ich gar nichts dagegen, daß Ihr eine Hexe seid, Marietta. Sorgt nur dafür, daß ich die betreffende Person vermöge Eurer Beziehungen zu den Mächten der Finsternis spätestens morgen treffe. – Nein,« rief er mit aufgehobener Hand, »ich will keinen Widerspruch hören! Und im übrigen könnt Ihr Euch völlig auf meine Verschwiegenheit verlassen.
Sie ist die Liebste meines Herzens
Und lebt in diesem Tal!«
sang er vor sich hin.
» È del mio cuore la carina,
E dimor' nella nostra vallettina,«
übersetzte er gefällig. »Aber wenn sie auf dem höchsten Gipfel des Cornobastone lebte,« fügte er traurig hinzu, »könnte ich auch nicht weniger von ihr haben. Und jetzt könnt Ihr mir den Kaffee bringen – nur soll er Tee sein. Wenn nämlich Euer Kaffee Kaffee ist, kann ich die ganze Nacht nicht schlafen.«
Marietta nickte verständnisinnig dem Himmel zu, als sie sich in ihre Küche zurückschleppte.
Übrigens erschien am nächsten Nachmittag die Duchessa di Santangiolo am gegenüberliegenden Ufer des Flusses.