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Elftes Kapitel
ОглавлениеAls Beatrice und Emilia miteinander zwischen den allgegenwärtigen Pappeln und wilden Rosenbüschen über eine der blumigen Wiesen an der Hügellehne streiften und über alte, mit Cyklamen und Löwenzahn bedeckte Mauerreste kletterten, begegneten sie der alten Marietta, die mit einem Korb am Arm von der Höhe herunterkam.
Marietta knickste bis zur Erde.
»Wie geht es Euch, Marietta?« fragte Beatrice.
»Ich kann nicht klagen – danke, Euer Durchlaucht. Ich habe freilich fast immer den Hexenschuß, und vorige Woche ist mir ein Zahn abgebrochen. Aber ich kann nicht klagen. Und Euer Hoheit?« fragte Marietta keck zurück.
Beatrice lächelte. » Bene, grazie. Doch sagt, Euer neuer Herr, der junge Engländer, er ist doch hoffentlich freundlich und leicht zufriedenzustellen?«
»Freundlich – ja, Exzellenz. Auch leicht zufriedenzustellen. Aber –« Marietta zuckte die Schultern und schüttelte zweimal bedeutungsvoll den Kopf.
»Oh –?« dabei zog Beatrice verwundert die Brauen in die Höhe.
»Sehr liebenswürdig, Euer Durchlaucht, aber einfältig, so einfältig,« erwiderte die alte Marietta und tippte sich mit dem braunen Zeigefinger vielsagend an die Stirn.
» Wirklich?« fragte Beatrice verwundert.
»Ja, Hoheit, es ist so,« erwiderte Marietta. »Artig und gut wie ein Kanarienvögelchen, aber dumm – so dumm!«
»Ihr setzt mich in Erstaunen,« gestand Beatrice. »Wie äußert sich das denn?«
»Durch die Fragen, die er stellt, Durchlauchtigste, und durch das, was er sagt.«
»Zum Beispiel –?« forschte Beatrice.
»Zum Beispiel, Hoheit,« Marietta suchte in ihrem Gedächtnis – »nun, zum Beispiel heißt er gebratenes Kalbfleisch ein Huhn. Neulich mache ich ihm Kalbsbraten zum Frühstück und er sagt: ›Marietta, dies Huhn hat keine Flügel.‹ Aber jedermann weiß doch, daß Kalbfleisch kein Huhn ist. Woher sollte denn das Kalbfleisch Flügel nehmen?«
»Allerdings – woher?« stimmte Beatrice teilnahmvoll zu, und es gelang ihr schnell, das Lächeln zu unterdrücken, das sich auf ihre Lippen drängte. »Aber vielleicht spricht er nur nicht gut Italienisch,« schlug sie vor.
» Machè, potenza! Es spricht doch jedermann Italienisch!« rief Marietta.
»Wirklich?« fragte Beatrice.
»Natürlich, Durchlaucht – jeder Christenmensch,« erklärte die Alte.
»Oh, das hab' ich nicht gewußt,« sagte Beatrice bescheiden, »aber wenn er Italienisch spricht, so ist es allerdings töricht von ihm, Kalbfleisch ein Huhn zu heißen.«
»Ach, Euer Herrlichkeit, das ist nur eine seiner Dummheiten,« fuhr Marietta, sich an ihrem Gegenstand erwärmend, fort, »das ist nur eine seiner Dummheiten! Er fragt mich: ›Wer hat denn den Monte Sfiorito mit Tünche angeschmiert?‹ Und wenn ich ihm sage, das sei keine Tünche, sondern Schnee, dann sagt er: ›Wie könnt Ihr das wissen?‹ Aber jedermann weiß doch, daß es Schnee ist. Tünche!«
Das lebhafte alte Weib gab ihrem ganzen Körper einen Ruck, um ihren Gemütszustand deutlicher zum Ausdruck zu bringen, dabei ertönte aber aus dem Inneren des Korbes, der die Bewegung mitmachen mußte, ein klägliches Quieksen.
»Was habt Ihr denn in Eurem Korb?« fragte Beatrice.
»Ein kleines Ferkelchen, Herrlichkeit, – un piccolo porcellino,« entgegnete Marietta.
Dabei lüpfte sie den Deckel vorsichtig und zeigte das angstvolle Gesicht eines kleinen Spanferkels.
» E carino? Ist es nicht lieb?« fragte sie mit beinahe mütterlichen Stolz.
»Was in aller Welt wollt Ihr denn damit machen?« erkundigte sich die verwunderte Herzogin.
Der stolze Glanz in Mariettas Augen wich dem Ausdruck einer düsteren Entschlossenheit.
»Es schlachten, Hoheit,« lautete die grimmige Antwort: »es mit Mandeln, Trauben, Rosmarin und Zwiebeln füllen, es sauersüß kochen und es mit Rosetten von roten Rüben verziert meinem Signorino als Sonntagsbraten vorsetzen.«
»Oh – oh – oh!« erschauerten Beatrice und Emilia unisono. Dann setzten sie ihren Spaziergang fort.