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4. Geldschulden als qualifizierte Schickschulden (§§ 270 Abs. 1 und 4, 269)

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Geldschulden sind im deutschen Recht in den §§ 270 Abs. 1, Abs. 4 und 269 als qualifizierte Schickschulden ausgestaltet, nicht etwa als Bringschulden.[44] Insofern unterscheidet sich das deutsche Recht signifikant von den wohl meisten anderen Rechtsordnungen und auch etwa von Art. 7 der Principles of European Contract Law[45] und § 57 des Wiener Kaufrechts[46]. §§ 269 und 270 führen zur Ausgestaltung der Geldschuld als Schickschuld mit einer gewichtigen Einschränkung: Der Schuldner trägt gem. § 270 Abs. 1 das Verlustrisiko. Geldschulden sind daher eine eigentümliche Kombination aus Schickschuld und Bringschuld: Wie bei der Bringschuld trägt der Schuldner das Verlustrisiko. Das Verzögerungsrisiko liegt jedoch wie bei Schickschulden beim Gläubiger.[47] Wenn A 1.000 Euro schuldet, die Zahlung Ende November fällig ist und der Schuldner A zehn 100 Euro-Banknoten per Post an den Gläubiger B schickt, wird A nicht von seiner Zahlungspflicht frei, wenn der Brief nie bei B ankommt. Wenn die Zustellung des Briefs jedoch verzögert wird, so dass B ihn erst am 6. Dezember erhält, gerät A nicht in Verzug.

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An der Qualifikation der Geldschuld als qualifizierte Schickschuld ändert auch die Zahlungsverzugsrichtlinie nichts[48] – entgegen mancher Stimmen in der Literatur.[49] Im Anwendungsbereich der Zahlungsverzugsrichtlinie[50] endet der Verzug bzw wird der Verzug nur ausgeschlossen, wenn die geschuldete Summe innerhalb des Fälligkeitszeitraums beim Gläubiger eingeht. Die Zahlungsverzugsrichtlinie gilt jedoch zunächst ohnehin nur im unternehmerischen Geschäftsverkehr. Sie greift also nicht ein, wenn Verbraucher an der Transaktion beteiligt sind. Und auch im Anwendungsbereich der Richtlinie lässt sich ein richtlinienkonformes Ergebnis innerhalb der Anwendung der Verzugsregeln erreichen: Eine verzögerte Leistung iSd § 286 Abs. 1 wird vermutet, so lange der Zahlungsbetrag für den Gläubiger nicht verfügbar ist. Der Gläubiger kann also Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung verlangen, außer der Schuldner kann nachweisen, dass er für die Verzögerung nicht verantwortlich ist (vgl § 286 Abs. 4). Um ein richtlinienkonformes Ergebnis zu erreichen, müssen die §§ 269, 270 also nicht missachtet werden.[51] Dieses Ergebnis – und die Qualifizierung der Geldschuld als qualifizierte Schickschuld – entspricht auch der Rechtsprechung des BGH. Der BGH hatte 2017 in einem Mietrechtsfall darüber zu entscheiden, ob Verzug mit der Mietzinszahlung vorlag.[52] Dafür war die Rechtsnatur der Geldschuld entscheidend. Der Schuldner hatte die Überweisung rechtzeitig aufgegeben, der Gläubiger allerdings die Miete erst nach Fälligkeit erhalten. Dem BGH zufolge sind Geldschulden qualifizierte Schickschulden, bei denen der Gläubiger das Verzögerungsrisiko trägt. Zudem war nach dem BGH eine anderslautende AGB-Klausel, die das Verzögerungsrisiko dem Schuldner zuwies, gem. § 307 Abs. 1 unwirksam.

BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil

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