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1. Kapitel: Ein Menschenfreund

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Spät nachmittags an einem kalten Februartag saßen zwei Gentlemen in einem gut ausmöblierten Speisesaal in der Stadt P. in Kentucky bei ihrem Wein. Bediente waren nicht anwesend, und die beiden Herren schienen mit dicht aneinander gerückten Stühlen etwas mit großem Interesse zu besprechen.

Wir haben bisher, um nicht umständlich zu sein, gesagt, zwei Gentlemen. Eine der beiden Personen schien jedoch bei genauerer Prüfung nicht unter diese Kategorie zu fallen. Es war ein kleiner, untersetzter Mann mit groben, nichtssagenden Zügen und dem prahlerischen und anspruchsvollen Wesen, das einem Niedrigstehenden eigen ist, der sich in der Welt emporzuarbeiten versucht. Er war sehr herausgeputzt und trug eine grell bunte Weste, ein blaues Halstuch mit großen gelben Tupfen, das zu einer angeberischen Schleife gebunden war, die zu dem ganzen Aussehen des Mannes vortrefflich paßte. Die großen und grobschlächtigen Hände waren reichlich mit Ringen besteckt, und mit einer schweren, goldenen Uhrkette pflegte er im Eifer der Unterhaltung mit offenbarem Behagen zu spielen und zu klappern. In seiner Rede bot er ungeniert und mutvoll der Grammatik Trotz und verbrämte sie in geeigneten Gesprächspausen mit Flüchen, die niederzuschreiben uns nicht einmal der Wunsch, anschaulich zu sein, erlaubt.

Der andere, Mr. Shelby, hatte das Äußere eines Gentlemans, und die Anordnungen des Hauses und seine wirtschaftliche Einrichtung machten den Eindruck von Wohlhabenheit und sogar Reichtum. Wie wir schon vorhin sagten, beide waren in ein ernstes Gespräch vertieft.

»So würde ich die Sache abmachen«, sagte Mr. Shelby.

»Auf diese Weise kann ich das Geschäft nicht abschließen – es ist rein unmöglich, Mr. Shelby«, sagte der andere und hielt ein Glas Wein gegen das Licht.

»Ich sage Ihnen, Haley, Tom ist ein ganz ungewöhnlicher Kerl; er ist gewiß diese Summe überall wert – er ist ordentlich, ehrlich, geschickt und verwaltet meine Farm wie eine Uhr.«

»Sie meinen so ehrlich, wie Nigger sind«, sagte Haley und schenkte sich ein Glas Branntwein ein.

»Nein, ich meine wirklich, Tom ist ein guter, ordentlicher, verständiger, frommer Bursche. Er lernte seine Religion vor vier Jahren bei einem Camp-Meeting; und ich glaube, er hat sie wirklich gelernt. Ich habe ihm seitdem alles, was ich habe, anvertraut – Geld, Haus, Pferde, und habe ihn frei im Lande herumgehen lassen und habe ihn stets treu und ordentlich gefunden.«

»Manche Leute glauben nicht, daß es fromme Nigger gibt, Shelby«, sagte Haley, »aber ich glaube es. Ich hatte einen Burschen in der letzten Partie, die ich nach Orleans brachte, den beten zu hören, war wahrhaftig so gut, als ob man in einem Meeting wäre; und er war ganz ruhig und sanft. Er brachte mir auch ein gut Stück Geld ein; denn ich kaufte ihn billig von einem Manne, der losschlagen mußte, und ich kriegte 600 für ihn. Ja, ich betrachte Religion für eine wertvolle Sache bei einem Nigger, wenn sie wirklich echt ist.«

»Nun, bei Tom ist sie echt, wenn sie jemals echt war«, war die Antwort. »Letzten Herbst ließ ich ihn allein nach Cincinnati gehen, um für mich Geschäfte abzumachen und 500 Dollar zurückzubringen. ›Tom‹, sagte ich zu ihm, ›ich traue dir, weil ich glaube, du bist ein Christ – ich weiß, du wirst mich nicht hintergehen.‹ Und Tom kommt auch wirklich zurück – ich wußte, daß er das tun würde. Einige schlechte Kerle, hörte ich, sagten zu ihm: ›Tom, warum machst du dich nicht nach Kanada auf die Beine?‹ – ›Ach, Master hat mir Vertrauen geschenkt, und ich könnte es nicht!‹ Man hat mir alles erzählt. Es tut mir leid, Tom zu verkaufen, das gestehe ich. Sie sollten mit ihm den ganzen Rest der Schuld getilgt sein lassen; und Sie würden es, Haley, wenn Sie nur einen Funken Gewissen hätten.«

»Nun, ich habe genausoviel Gewissen, als ein Geschäftsmann vertragen kann – ein klein wenig, um darauf zu schwören, wissen Sie«, sagte der Handelsmann scherzend, »und dann bin ich bereit, alles, was man verständigerweise erlangen kann, zu tun, um Freunden gefällig zu sein; aber das hier ist ein bißchen zu viel verlangt – ein bißchen zu viel.«

Der Handelsmann seufzte nachdenklich und schenkte sich noch ein Glas Branntwein ein.

»Nun, Haley, was machen Sie denn für einen Vorschlag?« sagte Mr. Shelby nach einer gelegenen Pause im Gespräch.

»Können Sie denn nicht noch einen Jungen oder ein Mädchen zu Tom zugeben?«

»Hm! – Ich könnte keinen gut entbehren, um Ihnen die Wahrheit zu sagen, nur die äußerste Not bringt mich dazu, überhaupt zu verkaufen. Ich gebe ungern einen meiner Leute hin, das ist die Sache.«

Hier ging die Tür auf, und ein kleiner Quadroonknabe, zwischen 4 und 5 Jahre alt, trat ins Zimmer. Es lag in seiner Erscheinung etwas merkwürdig Schönes und Gewinnendes. Das schwarze, seidenweiche Haar wallte in glänzenden Locken um das runde Gesicht mit Grübchen in Kinn und Wangen, während ein paar große dunkle Augen voll Feuer und Sanftheit unter den vollen, langen Wimpern hervorsahen, wie er neugierig in das Zimmer lugte. Eine bunte, rot und gelb karierte Kutte, sorgfältig gearbeitet und hübsch gemacht, hob den dunklen und reichen Stil seiner Schönheit noch mehr hervor, und eine gewisse komische Miene von Sicherheit mit Verschämtheit verbunden zeigte, daß es ihm nicht ungewohnt war, von seinem Herrn gehätschelt und beachtet zu werden.

»Heda! Jim Crow!« sagte Mr. Shelby, indem er dem Knaben pfiff und ihm eine Weintraube zuwarf. »Hier nimm das!«

Mit aller Kraft seiner kleinen Beine lief das Kind nach der Traube, während sein Herr lachte.

»Komm zu mir, Jim Crow«, sagte er.

Das Kind kam zu ihm, und der Herr streichelte den Lockenkopf und griff ihm unter das Kinn.

»Nun, Jim, zeige diesem Herrn, wie du tanzen und singen kannst.«

Der Knabe fing an, eines der unter Negern üblichen wilden und grotesken Lieder mit einer vollen klaren Stimme zu singen und begleitete den Gesang mit vielen komischen Bewegungen der Hände, der Füße und des ganzen Körpers, wobei er mit der Musik auf das strengste Takt hielt.

»Bravo!« sagte Haley und warf ihm das Viertel einer Orange zu.

»Nun, Jim, zeige uns einmal, wie der alte Onkel Cudjoe geht, wenn er die Gicht hat«, sagte sein Herr.

Auf der Stelle nahmen die biegsamen Glieder des Kindes den Anschein von Gebrechlichkeit und Verkrüppelung an, wie es mit gekrümmtem Rücken und den Stock des Herrn mit der Hand im Zimmer herumhumpelte, das kindische Gesicht in kläglichem Jammer verzogen, und bald rechts, bald links spuckend, ganz wie ein alter Mann.

Beide Herren lachten hell auf.

»Nun, Jim«, sagte sein Herr, »zeige uns, wie der alte Älteste Robbins den Psalm vorsingt.«

Der Knabe zog sein rundes Gesichtchen zu einer schrecklichen Länge und fing an, eine Psalmenmelodie mit unzerstörbarem Ernst durch die Nase zu singen.

»Hurra! Bravo! Was für ein Blitzkerlchen!« sagte Haley. »Das Bürschchen ist ja prächtig. Ich will Ihnen was sagen«, sagte er und schlug Mr. Shelby auf die Schulter, »geben Sie das Kerlchen zu, und das Geschäft soll abgemacht sein. Das ist doch gewiß anständig, nicht wahr?«

In diesem Augenblick wurde die Tür leise geöffnet, und ein junges Quadroonweib, dem Anschein nach ungefähr 25 Jahre alt, trat ins Zimmer.

Man brauchte bloß das Kind und sie anzusehen, um in ihr sogleich die Mutter zu erkennen. Dasselbe große, volle, schwarze Auge mit den langen Wimpern, dasselbe seidenweiche, schwarze, lockige Haar. Ihre braunen Wangen röteten sich merklich, und die Glut wurde noch tiefer, als sie den Blick des Fremden in kecker und unverhohlener Bewunderung auf sich ruhen sah. Ihr Kleid saß wie angegossen und hob die schönen Verhältnisse ihrer Gestalt vortrefflich hervor. Eine kleine, schön geformte Hand und ein zierlicher Fuß waren Einzelheiten, welche dem raschen Auge des Handelsmannes, der gewöhnt war, mit einem Blick die Schönheiten einer vortrefflichen weiblichen Ware abzuschätzen, nicht entgingen.

»Nun, Elisa?« sagte ihr Herr, als sie stehen blieb und ihn zögernd anblickte.

»Ich suchte Harry, Sir, wenn Sie erlauben«, und der Knabe sprang auf sie zu und zeigte ihr die geschenkten Früchte, die er im Schoß seiner Kutte trug.

»Nun, so nimm ihn mit«, sagte Mr. Shelby, und sie entfernte sich rasch, das Kind auf dem Arm tragend.

»Beim Jupiter!« sagte der Handelsmann und wendete sich voll Bewunderung gegen ihn. »Das ist ein Stück Ware! Mit dem Mädchen können Sie jeden Tag in Orleans zum reichen Mann werden. Ich habe zu meiner Zeit mehr als tausend Dollar für Mädchen zahlen sehen, die nicht ein bißchen hübscher waren.«

»Ich mag an ihr nicht zum reichen Mann werden«, sagte Mr. Shelby trocken und entkorkte eine frische Flasche Wein, indem er den andern frug, wie das Getränk ihm schmecke, um dem Gespräch eine andere Richtung zu geben.

»Vortrefflich, Sir – prima Ware!« sagte der Handelsmann; dann schlug er wieder Shelby vertraulich auf die Schulter und setzte hinzu: »Wollen wir ein Geschäft mit dem Mädchen machen? Was soll ich dafür bieten? Was wollen Sie haben?«

»Mr. Haley, sie ist nicht zu verkaufen«, sagte Shelby, »meine Frau würde sie nicht für ihr Gewicht in Gold hingeben.«

»Ja, ja, das sagen die Weiber immer, weil sie nichts vom Rechnen verstehen. Man zeige ihnen nur, wieviel Uhren, Federn und Schmucksachen man für jemandes Gewicht in Gold kaufen kann, und das würde die Sache gleich anders machen, rechne ich.«

»Ich sage Ihnen, Haley, es kann nicht davon die Rede sein. Ich sage nein, und ich meine nein«, sagte Shelby mit Entschiedenheit.

»Nun, dann bekomme ich aber den Knaben, nicht wahr?« sagte der Handelsmann. »Sie müssen gestehen, daß ich ziemlich anständig für ihn geboten habe.«

»Aber was wollen Sie denn mit dem Kinde machen?« sagte Shelby.

»Nun, ich habe einen Freund, der sein Geschäft beginnen will und hübsche Knaben kaufen möchte, um sie für den Markt aufzuziehen. Ganz und gar ein Modeartikel – man verkauft sie als Bediente usw. an reiche Kerle, die hübsche Kerle bezahlen können. Es putzt ein großes vornehmes Haus, wenn so ein wirklich schöner Bursche die Tür öffnet und aufwartet. Sie werden gut bezahlt; und der kleine Teufel ist ein so komisches, musikalisches Kerlchen, daß er vortrefflich passen würde.«

»Ich möchte ihn lieber nicht verkaufen«, sagte Mr. Shelby gedankenvoll. »Die Sache ist, Sir, ich bin ein menschlicher Mann und kann es nicht über mich bringen, den Knaben seiner Mutter zu nehmen.«

»O wirklich – hm! Ja – das ist so eine Sache. Ich verstehe vollkommen. Es ist manchmal verwünscht eklig, mit Weibern durchzukommen. Wenn sie erst zu schreien und zu heulen anfangen, kann ich es nicht ausstehen. Das ist verwünscht eklig; aber wie ich die Sache einrichte, vermeide ich das gewöhnlich, Sir. Wenn Sie nun das Mädchen auf einen Tag oder eine Woche fortschickten? Da läßt sich die Sache ganz ruhig abmachen – und alles ist vorbei, wenn sie wiederkommt. Ihre Frau schenkt ihr dann noch ein Paar Ohrringe oder ein neues Kleid oder so was zur Entschädigung.«

»Ich fürchte, das geht nicht.«

»Ich sage Ihnen, es geht! Diese Leute sind nicht wie die Weißen, müssen Sie wissen; sie halten es aus, wenn man es nur recht anfängt. Sehen Sie«, sagte Haley und nahm eine aufrichtige und vertrauliche Miene an, »die Leute sagen, diese Art Handel mache die Menschen hartherzig; aber ich habe das nie gefunden. Die Sache ist, daß ich mich nie dazu bringen konnte, das Ding anzugreifen, wie es manche Burschen tun. Ich habe gesehen, wie einer Frau das Kind aus den Armen gerissen und verauktioniert wurde, während sie die ganze Zeit über jammerte und schrie wie verrückt; – sehr schlechte Politik – macht sie manchmal ganz untauglich zum Verkauf. Ich weiß von einem wirklich schönen Mädchen in Orleans, das durch so ein Verfahren ganz und gar ruiniert wurde. Der Mann, der das Weib kaufen wollte, wollte ihr Kind nicht haben, und sie war eine von der rechten, stürmischen Art, wenn ihr Blut einmal in der Hitze war. Ich sage Ihnen, sie drückte das Kind an ihre Brust und schwatzte und machte einen grauenhaften Lärm. Die Haut schauert mir noch, wenn ich daran denke; und als sie das Kind wegnahmen und sie einsperrten, wurde sie verrückt und starb in acht Tagen. Ein reiner Verlust von 1000 Dollar, Sir, bloß durch solche Behandlung. – Das ist die Sache. Es ist immer das beste, die Sache menschlich zu machen, so ist meine Erfahrung.«

Und der Handelsmann lehnte sich mit einer Miene tugendhafter Entschiedenheit in den Stuhl zurück und schlug die Arme über der Brust zusammen. Offenbar hielt er sich für einen zweiten Wilberforce.

Der Gegenstand schien den Herrn besonders zu interessieren, denn während Mr. Shelby nachdenklich eine Orange schälte, fing Haley mit schicklicher Bescheidenheit, aber als zwänge ihn die Macht der Wahrheit, noch ein paar Worte zu sagen, von neuem an:

»Es nimmt sich nicht gut aus, wenn sich ein Mann selber lobt; aber ich sage es nur, weil es die Wahrheit ist. Ich glaube, ich stehe in dem Ruf, die schönsten Herden Neger auf den Markt zu bringen – wenigstens hat man mir es gesagt, und gibt man es mir einmal zu, so muß es für alle hundertmal gelten –, und stets in gutem Zustand – dick und ansehnlich –, und es gehen mir so wenig zugrunde, als jedem andern Kaufmann in dem Geschäft, und ich schreibe das alles meiner Behandlung zu, Sir, und Menschlichkeit, Sir, möchte ich sagen, ist der große Pfeiler meiner Behandlung.«

Mr. Shelby wußte nicht, was er sagen sollte, und warf daher bloß ein »So?« ein.

»Man hatte mich wegen meiner Ideen ausgelacht und deshalb beredet. Sie sind nicht populär, und sie sind nicht gewöhnlich; aber ich habe an ihnen festgehalten, Sir, ich habe an ihnen festgehalten und habe mich wohl dabei befunden; ja, Sir, sie haben ihre Fahrt bezahlt, kann ich wohl sagen.« Und der Handelsmann lachte über seinen Witz.

Diese Beispiele von Menschlichkeit hatten etwas so Pikantes und Originelles, daß Mr. Shelby nicht umhin konnte, zur Gesellschaft mitzulachen. Vielleicht lachst Du auch, lieber Leser, aber Du weißt, daß heutzutage die Menschlichkeit in einer großen Verschiedenartigkeit seltsamer Gestalten erscheint, und daß menschliche Leute nie müde werden, Sonderbares zu sagen und zu tun.

Mr. Shelbys Lachen ermutigte den Handelsmann, fortzufahren.

»Es ist merkwürdig, aber ich könnte es niemals andern Leuten begreiflich machen. Da war der Tom Loker, mein alter Kompagnon in Natchez unten; der war ein gescheiter Kerl, der Tom, aber ein wahrer Teufel mit den Negern – aus Prinzip müssen Sie wissen, denn ein gutherzigerer Bursche ist nie geboren worden; es war sein System, Sir. Ich habe oft Tom Vorstellungen darüber gemacht. ›Aber, Tom‹, habe ich zu ihm gesagt, ›wenn deine Mädchen schreien und heulen, was nutzt es denn, wenn du ihnen eins über den Kopf gibst und mit der Peitsche unter ihnen herumfährst? 's ist lächerlich‹, sage ich, ›und nützt zu nichts. Ich sehe nicht ein, was ihr Heulen schaden soll?‹ sage ich. ›Es ist Natur, und wenn die Natur sich nicht auf die eine Weise Luft machen kann, so tut sie es auf eine andere; außerdem, Tom‹, sage ich, ›verdirbst du deine Mädchen damit; sie werden kränklich und melancholisch, und manchmal werden sie häßlich, vorzüglich gelbe Mädchen. Warum heiterst du sie nicht lieber auf und sprichst freundlich mit ihnen? Verlaß dich darauf, Tom, ein wenig Menschlichkeit bei passender Gelegenheit reicht viel weiter, als all dein Schimpfen und Prügeln, und es lohnt sich besser‹, sage ich, ›verlaß dich drauf.‹ Aber Tom konnte sich nicht daran gewöhnen, und er verdarb mir so viele Mädchen, daß ich mich von ihm trennen mußte, obgleich er ein gutherziger Kerl und ein tüchtiger Geschäftsmann war.«

»Und finden Sie, daß Ihre Art und Weise, das Geschäft zu machen, bessern Erfolg hat als die Toms?« fragte Mr. Shelby.

»Gewiß, Sir. Sehen Sie, wenn ich irgend kann, nehme ich mich mit den unangenehmen Auftritten, wie mit dem Verkaufen von Kindern und so, ein bißchen in acht, schicke die Mädchen aus dem Wege – aus den Augen, aus dem Sinn, wissen Sie ja –, und wenn es geschehen ist und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, gewöhnen sie sich natürlich daran. Es ist nicht wie bei den weißen Leuten, die von Haus aus gewöhnt sind, zu erwarten, daß sie ihre Kinder und ihre Weiber behalten werden. Nigger, wissen Sie ja, die ordentlich erzogen sind, erwarten so etwas ganz und gar nicht; darum vertragen sie so etwas leichter.«

»Ich fürchte dann, die meinigen sind nicht ordentlich erzogen«, sagte Mr. Shelby.

»Wohl möglich. Hier in Kentucky verzieht man die Nigger. Sie meinen es gut mit ihnen, aber es ist im Grunde keine wirkliche Güte. Sehen Sie, gegen einen Nigger, der in der Welt herumgestoßen und an Tom und Dick und Gott weiß wen verkauft wird, ist es keine Güte, ihm Ideen und große Erwartungen beizubringen und ihn gut zu erziehen; denn er fühlt das Herumstoßen hernach nur um so tiefer. Ich will darauf wetten, Ihre Nigger würden ganz melancholisch sein an einem Ort, wo ein echter Neger aus den Plantagen singen und jauchzen würde, als wäre er besessen. Natürlich hält jedermann seine Verfahrensweise für die beste, Mr. Shelby, und ich glaube, ich behandle die Neger genausogut, als es der Mühe wert ist, sie zu behandeln.«

»Wohl dem, der mit sich zufrieden ist«, sagte Mr. Shelby mit einem leichten Achselzucken und einigen Empfindungen unangenehmer Art.

»Nun, was meinen Sie?« sagte Haley, nachdem sie beide eine Weile lang schweigend Nüsse gegessen hatten.

»Ich will mir die Sache überlegen und mit meiner Frau sprechen«, sagte Mr. Shelby. »Unterdessen, Haley, wenn Sie die Sache ruhig abgemacht wissen wollen, so ist es das beste, Sie lassen hier herum nicht bekannt werden, weshalb Sie da sind. Es wird sonst unter meinen Burschen ruchbar, und es wird dann nicht besonders leicht sein, einen meiner Kerle fortzuschaffen, das versichere ich Ihnen.«

»O gewiß werde ich mir nichts merken lassen. Aber ich sage Ihnen, ich habe verwünscht wenig Zeit und möchte so bald als möglich wissen, worauf ich mich verlassen kann«, sagte er, indem er aufstand und den Überrock anzog.

»Nun, so kommen Sie diesen Abend zwischen 6 und 7 wieder her, und Sie sollen Antwort haben«, sagte Mr. Shelby, und der Handelsmann entfernte sich grüßend.

»Ich wollte, ich hätte den Kerl die Treppe hinunterwerfen können mit seiner unverschämten Zuversicht«, sagte Mr. Shelby zu sich, als die Tür ordentlich zu war, »aber er weiß, wie sehr er mich in der Hand hat. Wenn mir jemand jemals gesagt hätte, daß ich Tom unten nach dem Süden an einen dieser Kerle verkaufen würde, so hätte ich gesagt: ›Ist dein Diener ein Hund, daß er das tun sollte?‹ Und jetzt muß es geschehn, soweit ich sehen kann. Und auch Elisas Kind! Ich weiß, ich werde darüber einigen Trödel mit meiner Frau haben, und auch wegen Tom. Das kommt von den Schulden – o weh! Der Kerl kennt seinen Vorteil und benutzt ihn aufs äußerste.«

Das Sklavenwesen in seiner mildesten Form ist wahrscheinlich im Staat Kentucky zu finden. Das allgemeine Vorherrschen von Kultursystemen von ruhiger und allmählicher Art, ohne das periodisch eintretende Bedürfnis, die Leute übermäßig zu beschäftigen, welches der landwirtschaftlichen Industrie der südlichen Distrikte eigen ist, macht die Arbeit des Negers zu einer gesunderen oder vernünftigeren, während der Herr, mit einem allmählicheren Erwerb zufrieden, nicht der Versuchung zur Hartherzigkeit ausgesetzt ist, welcher die schwache Menschennatur oft unterliegt, wo der Aussicht auf plötzlichen und raschen Gewinn kein schwereres Gewicht die Waage hält, als die Interessen der Hilflosen und Unbeschützten.

Mr. Shelby war ein Mann, wie man sie oft und stets gern findet, gutherzig und liebevoll und geneigt, seine ganze Umgebung mit freundlicher Nachsicht zu behandeln, und er hatte es nie an etwas fehlen lassen, was zum physischen Wohlsein der Neger auf seiner Besitzung beitragen konnte. Er hatte jedoch stark und unüberlegt spekuliert, war tief verschuldet, und auf ihn laufende Wechsel auf bedeutende Summen waren Haley in die Hände gekommen. Dies wird genügen, um das eben erzählte Gespräch zu erklären. Elisa hatte, während sie sich der Tür näherte, genug von der Unterhaltung gehört, um zu wissen, daß ein Handelsmann ihrem Herrn für jemanden ein Gebot mache.

Sie wäre gern an der Tür stehengeblieben, um zu horchen, als sie draußen war; aber ihre Herrin rief sie gerade, und sie mußte forteilen. Dennoch glaubte sie, den Handelsmann auf ihr Kind bieten gehört zu haben, konnte sie sich geirrt haben? Ihr Herz schwoll und bebte, und sie drückte den Kleinen unwillkürlich so fest an sich, daß er sie erstaunt ansah.

»Elisa, was fehlt dir heute?« sagte ihre Herrin, als sie den Wasserkrug und den Stickrahmen umgeworfen und ihrer Herrin zerstreut einen langen Nachtmantel anstatt des seidenen Kleides, das sie hatte holen sollen, dargereicht hatte.

Elisa schrak auf. »Ach, Missis!« sagte sie und erhob die Augen; dann stürzten ihre Tränen hervor und sie setzte sich auf einen Stuhl und fing an zu schluchzen.

»Aber Elisa, Kind! Was hast du?« sagte ihre Herrin.

»Ach, Missis, Missis!« sagte Elisa. »Ein Handelsmann spricht mit dem Herrn im Speisezimmer! Ich habe es gehört.«

»Nun, was schadet das, Närrchen?«

»Ach, Missis, glauben Sie wohl, daß der Herr meinen Harry verkaufen würde?« Und das arme Mädchen warf sich in einen Stuhl und schluchzte krampfhaft.

»Ihn verkaufen! Nein, du törichtes Mädchen! Du weißt, daß dein Herr niemals mit diesen Handelsleuten aus dem Süden Geschäfte macht und keinen seiner Leute verkauft, solange sie sich gut aufführen. Und wer soll denn deinen Harry kaufen? Meinst du denn, alle Welt ist so vernarrt in ihn wie du? Komm, beruhige dich und hake mir das Kleid zu. So, nun flechte mir das Haar in den hübschen Zopf, den du neulich gelernt hast, und horche nicht mehr an den Türen.«

»Also, Missis, Sie würden niemals Ihre Einwilligung geben, daß . . .«

»Unsinn, Kind! Natürlich würde ich es nicht. Warum sprichst du so? Ebensogut würde ich eins meiner Kinder verkaufen lassen. Aber wahrhaftig, Elisa, du wirst viel zu stolz auf den kleinen Burschen. Es darf nur einer die Nase zur Tür hereinstecken, so glaubst du gleich, er müsse ihn kaufen wollen.«

Wieder beruhigt durch den zuversichtlichen Ton ihrer Herrin setzte Elisa rasch und geschickt ihre Toilettendienste fort und lachte sich selbst aus wegen ihrer Furcht.

Mrs. Shelby war eine Frau von hoher geistiger und sittlicher Bildung. Neben der natürlichen Großmut und dem Edelsinn, welche oft die Frauen von Kentucky auszeichnen, besaß sie ein lebhaftes, sittliches, ein religiöses Gefühl und Grundsätze, die sie mit großer Energie und Geschicklichkeit in praktische Ausübung brachte. Ihr Gatte, der keine besondere Religiosität beanspruchte, hatte doch große Ehrfurcht vor der Konsequenz ihrer religiösen Überzeugung und hatte vielleicht ein wenig Scheu vor ihrer Meinung. Jedenfalls ließ er ihr ganz freie Hand in ihren wohlwollenden Bemühungen um das Wohlbehagen, den Unterricht und die Erziehung ihrer Leute, obgleich er selbst keinen tätigen Anteil daran nahm. Obgleich er nicht gerade an die Lehre von den überflüssigen guten Werken der Heiligen glaubte, so schien er doch im Grunde auf eine oder die andere Weise zu denken, daß seine Frau Frömmigkeit und Wohlwollen genug für zwei habe, und sich mit einer dunklen Hoffnung zu schmeicheln, durch ihren Einfluß an Eigenschaften, auf die er keinen besonderen Anspruch machte, in den Himmel zu gelangen.

Die schwerste Last auf seiner Seele nach seiner Unterredung mit dem Handelsmann war die unvermeidliche Notwendigkeit, seiner Gattin das besprochene Arrangement mitzuteilen und den Vorstellungen und dem Widerstand die Spitze zu bieten, die er schon voraussetzen konnte.

Mrs. Shelby, die von ihres Gatten Geldverlegenheit nicht das mindeste wußte und die nur die allgemeine Gutherzigkeit seines Charakters kannte, war in der vollständigen Ungläubigkeit, mit der sie Elisas Befürchtung aufnahm, ganz aufrichtig gewesen. Wirklich schenkte sie der ganzen Frage keinen einzigen Gedanken mehr; und da sie mit den Vorbereitungen zu einem Abendbesuch beschäftigt war, hatte sie die Sache bald vergessen.

Onkel Toms Hütte

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