Читать книгу Flucht aus dem Adventskalender - Harry Voß - Страница 6
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2. Dezember
Herr Stiefel hinter der Nummer Einundzwanzig schüttelte seinen weich gesäumten Stiefelrand: „Sein ganzes Leben lang freut man sich darauf, in das große Haus einziehen zu dürfen, um in den Genuss des Schokoladengenießers zu kommen. Und jetzt, sitze ich in so einem billigen Ding, das so minderwertig hergestellt ist, dass die Bewohner schon bei der leichtesten Berührung des Hausbesitzers aus ihren Betten kippen und in den Keller fallen!“
„Leichteste Berührung würde ich das nicht nennen“, rief Frau Stern, die unter der ersten Reihe der Schokoladentäfelchen auf dem inneren Rand des Pappkartons lag. „So, wie der an dem Haus gerüttelt hat – das hält der stärkste Hausbewohner nicht aus!“
„Wie Sie sehen, hab ich es ausgehalten“, gab Herr Stiefel zurück. „Ich bin eben aus zähem Leder genäht!“
Herr Schneemann rümpfte seine Schokoladenmöhrennase: „Aus zähem Schokoladenleder, was?“
„Sie hat keiner gefragt“, raunzte Herr Stiefel zurück.
Herr Schneemann verschränkte seine Arme: „Wie spät ist es eigentlich?“
„Fünf Uhr“, antwortete Frau Uhr ein Stockwerk tiefer.
„Ich glaub, ich spinne“, regte sich Herr Schneemann auf. „Fünf Uhr war es doch vor zwei Stunden schon, als ich das letzte Mal gefragt habe!“
„Bei ihr ist es immer fünf Uhr“, brummte Herr Stiefel. „Ihre Uhr ist aus Schokolade, die kann nicht funktionieren.“
„Ich verbitte mir solche Unterstellungen!“, schimpfte Frau Uhr. „Vor zwei Stunden habe ich gesagt, es ist fünfzehn Uhr, Herr Schneemann! Fünfzehn Uhr bedeutet drei Uhr Nachmittag. Wenn Sie die Uhr beherrschen würden, dann wüssten Sie das!“
„Ruhe da oben!“, unterbrach sie Frau Ente. „Er kommt!“
Die Zimmertür war bereits weit geöffnet. Schritte näherten sich dem engen Haus. „Die Zwei“, murmelte der Junge, der gestern mit Flo angesprochen worden war, und zwei Sekunden später: „Ach, da!“
Der Besitzer Flo lehnte wieder seine flache Hand an das Haus. Es knirschte. Frau Blume und Herr Zwerg versuchten, sich mit letzter Kraft an ihrer Sitzschale festzuhalten, aber dann stürzten sie schreiend ab und landeten unsanft neben Frau Stern im Keller. Die Tür mit der Nummer Zwei wurde aufgerissen, Herr Mond aus seinem Bett gepult.
„Tschüss, Herr Mond!“, rief Frau Ente.
„Der größte Tag meines Lebens!“, jauchzte Herr Mond. Dann verschwand er im Reich des großen Schokoladengenießers.
„Mama, ein Mond!“, rief der Junge mit vollem Mund seiner Mutter zu, während er das Zimmer verließ.
„Na toll“, kam es von Frau Blume aus dem Keller. „Morgen bin ich dran! Und wie soll der Besitzer mich hier unten finden?“
Keiner im Haus antwortete.
„Ich bin am Sechzehnten dran“, erklärte Herr Zwerg, der sich mühsam aufrichtete und neben Frau Blume setzte. „Ich hab noch etwas Zeit, um nach oben zu kommen.“
„Wie schön für Sie. Und wissen Sie auch schon, wie Sie bis dahin nach oben kommen wollen?“
„Nein. Aber ich habe ja noch 14 Tage Zeit, mir das zu überlegen.“
„Ich kann Ihnen jetzt schon verraten, Herr Zwerg, dass Sie es nicht schaffen werden! Sehen Sie Ihren Platz da oben im zweiten Stock? Wie um alles in der Welt wollen sie da hochfliegen?“
Herr Zwerg lächelte. „Das weiß ich auch nicht. Aber Sie riechen gut, Frau Blume.“
Frau Blume stöhnte laut auf. „Ich bin nicht in diesen Adventskalender gekommen, um mich von einem Zwerg anquatschen zu lassen. Ich bin hier, um in das gelobte Land zu kommen: in das große und ewige Reich des Schokoladengenießers.“
„Ich auch, Frau Blume.“
„Mein ganzes Leben träume ich davon, eins zu werden mit dem großen BLUBB des Schokoladengenießers!“
„Ich auch, Frau Blume, ich auch!“
Frau Blume schaute verklärt nach oben: „Auf der Zunge macht es HMMMM. Im Hals macht es AAAAH. Und dann gehen alle Schokoladentäfelchen auf im großen, ewigen BLUBB des Schokoladengenießers.“
„Ich könnte Ihnen ewig zuhören“, schwärmte Herr Zwerg.
Frau Blume stellte streng ihre Blütenblätter auf: „Und damit ich das nicht verpasse, Herr Zwerg, muss ich jetzt sofort nach oben kommen! Sonst gibt es kein ‚Hm’ und kein ‚Ah’ und kein BLUBB! Weder für mich, noch für Sie! Verstanden?“