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„Habt ihr alle eure Zutaten fürs Frühstück dabei?“, fragt Beatrix Munterbauer, unsere Klassensprecherin, etwa fünfzigmal hintereinander. Und zwar jeden einzeln. Sie trägt ein Klemmbrett in der Hand mit einer Liste darauf, als sei sie die Trainerin eines Football-Teams. „Sondra, hast du den Käse mitgebracht?“

Sondra kratzt sich am Kopf. „Nein, wieso?“

Bea stöhnt auf. „Weil auf meiner Liste steht, dass du den Käse mitbringst!“

„Ach so. Hab ich vergessen.“

„Und du, Ben?“ Bea kommt auf mich zu, als sei sie meine Lehrerin. „Hast du deine Sachen dabei?“

„Ein Päckchen Butter“, sage ich und öffne meine Schultasche. „Hab ich dabei.“

Heute hat Herr Jung, unser Klassenlehrer, Geburtstag. Beatrix hatte die glorreiche Idee, ihn mit einem gemeinsamen Frühstück in der Klasse zu überraschen. In der zweiten Stunde haben wir bei ihm Deutsch. Und dann soll schon alles auf einem großen Tisch bereitstehen. Nicht jeder fand die Idee gut. Nachdem Bea aber lang und umständlich auf jeden einzeln eingeredet hat, haben sich schließlich alle bereit erklärt mitzumachen. Und immerhin ist Frau Munterbauer, die Mutter von Bea, Elternpflegschaftsvorsitzende oder so was. Also die Klassensprecherin von den Eltern sozusagen. Die bombardiert die Mamas mit ungefähr hundert E-Mails pro Woche. Und diese Woche hatten sie mehrfach den Betreff: „Frühstück für Herrn Jung“.

Mama hat mir ein Päckchen Butter in eine Brotdose gepackt. Ich hol die Dose aus der Schultasche und drück sie Bea in die Hand.

„Wieso Butter?“, fragt Bea und schaut auf ihre Liste. „Du solltest Margarine mitbringen.“

„Ist doch dasselbe.“

„Nein, das ist überhaupt nicht dasselbe!“, empört sie sich.

Raul, der zufällig neben Bea steht, hebt seinen Finger: „Da muss ich ihr recht geben. Butter ist aus Milch hergestellt, Margarine aus Pflanzen.“

„Na und?“ Ein bisschen nerven mich die zwei. „Beides schmiert man sich als Unterlage aufs Brot, damit die Wurstscheibe nicht runterfällt.“

„Jetzt haben wir zweimal Butter und keinmal Margarine auf unserem Frühstücks-Buffet!“, jammert Bea. Ich schüttel den Kopf und sag lieber nichts mehr dazu. Als ob das so schlimm wäre! Ich ess hier sowieso nur Nutellabrote, falls jemand Nutella dabei hat. Und da schmier ich mir nie was drunter. Weder Butter noch Margarine.

„Ich hab auch Butter mitgebracht!“, ruft Mandy und hält ein völlig weich gewordenes Stück Butter in der Hand. Die Butter quillt zwischen ihren Fingern raus und sieht aus wie weiße Knete.

„Was hast du denn mit der gemacht?“, ruft Bea erschrocken.

„Wieso?“ Mandy schaut sich die weiße Matsche in ihrer Hand genauer an. „Ich hab sie in meinem Federmäppchen aufbewahrt, damit ich sie nicht verliere.“

„Ohne Verpackung?!“

„Natürlich mit. Die Verpackung hab ich schon mal abgemacht. Die wollen wir doch sowieso nicht mitessen. Aber die Butter war so hart, die konnte man gar nicht schmieren. Also hab ich sie in meinen Händen ein bisschen warm gehalten. Jetzt ist sie schon viel weicher.“

Bea verzieht angewidert ihr Gesicht. Mandy legt das weich gedrückte Stück Butter auf den vorbereiteten Geburtstagstisch in der Nähe der Tafel. Mein Päckchen Butter liegt bereits darauf.

„Wieso hast du überhaupt Butter mitgebracht und nicht Marmelade?“, bohrt Bea weiter. „Auf meiner Liste steht, du bringst Marmelade mit!“

„Ja, ich weiß“, sagt Mandy. „Aber meine Mutter hat gesagt, ich soll die Butter mitnehmen. Von der haben wir noch so viel.“

Bea fasst sich mit der freien Hand an den Kopf. „Und wir? Wir haben jetzt auch zu viel davon!“

Der Unterricht beginnt. Erste Stunde. Frau Starke, unsere Englisch-Lehrerin, hat einen fremden Jungen mit in die Klasse gebracht. „Das ist Adrian“, stellt sie ihn vor. „Er gehört ab heute mit zu eurer Klasse. Sein Vater hat hier in der Stadt eine neue Arbeitsstelle begonnen und darum ist die Familie hierher gezogen.“ Sie schaut Adrian aufmunternd an. „Ich denke mal, du wirst dich hier recht schnell wohlfühlen. Das ist eine sehr nette Klasse.“

Adrian lächelt. Selbstbewusst und siegessicher. Kein bisschen schüchtern, obwohl er hier niemanden kennt. Das beeindruckt mich. Adrian wirkt wie einer, der sich nicht unterkriegen lässt. Seine blonden Haare sind zu einer topmodernen Frisur gestylt. Seine Kleidung sind Markenklamotten, das seh ich von meinem Platz aus. Seinen Rucksack hat er lässig über die rechte Schulter gehängt.

„Bei mir ist noch ein Platz frei!“, ruft Tobias durch die Klasse, obwohl das überhaupt nicht stimmt. An seinem Tisch sitzt noch Torben. Auf der anderen Seite sitzt Sondra.

Frau Starke wundert sich ebenfalls: „Neben dir ist doch gar kein Platz frei. Da sitzt doch Torben.“

„Torben kann sich woanders hinsetzen!“

Torben macht große Augen: „Was?“ Mit seiner Zunge leckt er sich eine Ladung Rotz von der Lippe.

Frau Starke zeigt auf einen freien Platz in der ersten Reihe: „Hier, neben Samir ist noch ein Platz frei.“

Das ist der Moment, in dem Samir aufhorcht. Samir ist erst seit zwei, drei Monaten hier in der Klasse. Er versteht fast kein Wort Deutsch. Seine Familie ist aus Syrien nach Deutschland gekommen. Die ganze Familie hat an einem mehrwöchigen Sprachkurs teilgenommen, aber viel mehr als „Ja“, „Nein“ und „Aha“ kommt von ihm nicht. Er sitzt den ganzen Vormittag da und starrt an die Tafel. Aber ich glaube nicht, dass er viel kapiert. Wenn sein Name fällt, dann schreckt er auf. So wie jetzt. „Ah! Ja!“, sagt er erfreut und stellt seine Tasche vom Nachbarstuhl auf den Boden. Anscheinend hat er doch verstanden, dass Adrian da sitzen soll.

„Hallo“, sagt Adrian, als er sich neben ihn setzt.

„Hallo“, sagt Samir. Sein Gesicht zeigt, dass er am liebsten ganz viel sagen möchte. Aber ihm fallen die Wörter auf Deutsch nicht ein. Also bleibt es bei einem fröhlichen: „Ja. Gut. Alles.“ Er nickt freundlich. Adrian nickt auch. Aber er sagt nichts.

„Und dann hab ich noch eine unerfreuliche Neuigkeit“, fährt Frau Starke fort und schaut in die Klasse. „In der vergangenen Nacht wurde hier in der Schule eingebrochen. Jemand hat mehrere sehr teure technische Geräte gestohlen. Eine Fensterscheibe ist zerbrochen und die Tür zum vorderen Technikraum ist aufgebrochen.“

Alle machen erstaunte Gesichter und flüstern erschrocken mit den Tischnachbarn.

„Wenn ihr irgendetwas mitbekommt, dann sagt bitte einem Lehrer Bescheid. Bis jetzt fehlt noch jede Spur.“

Julian meldet sich: „Ich weiß, wer’s war!“

Frau Starke zieht die Augenbrauen hoch: „Ja? Wer denn?“

„Der Hausmeister!“

Frau Starke zuckt mit dem Kopf: „Herr Merkendorf?“

„Ja. Hat Maria gesagt, hat Elisabeth gesagt, hat Hanna gesagt. Die kegeln zusammen.“

„Wer kegelt zusammen?“

„Die alle.“

„Elisabeth und Hanna kegeln mit Herrn Merkendorf?“

„Ja. Hat Maria gesagt.“

„Welche Maria?“

„Maria Höflich aus der Nebenklasse.“

Jetzt muss ich doch mal eingreifen: „Quatsch, Julian! Maria hat nur gesagt, der Hausmeister hat das heute Morgen entdeckt! Wer es war, das weiß niemand!“

„Ach so.“ Julian stützt seinen Kopf in beide Hände und schaut verträumt in die Klasse. Es sieht aus, als müsste er sich das Gespräch von heute Morgen noch mal durch den Kopf gehen lassen.

Ich muss mir in der großen Pause unbedingt mal das kaputte Fenster anschauen. Vielleicht finde ich was heraus.

Ben und Lasse - Agenten mit zu großer Klappe

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