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Die Marjorie Anne durchpflügte türkisblaues Wasser. Nie zuvor hatte Teela Warren einen so schönen Tag erlebt. Am hellblauen Himmel zogen kleine weiße Wolken dahin. Eine sanfte Brise wehte ihr ins Gesicht, während sie im Bug des Schiffs stand.

Bald würde sie Tampa erreichen, die rauhe Stadt, die rings um den Militärposten Fort Brooke entstanden war, das Tor zur Wildnis. An Bord hatte sie manchmal das süße Versprechen künftiger Abenteuer vernommen. Nicht immer war das Wetter so mild gewesen. Wütende Stürme hatten die Marjorie Anne umhergeschleudert. Aber es hatte ihr gefallen. Sie fühlte dabei irgend etwas Wildes, etwas, das ihr die Freiheit verhieß, etwas, das sie vergessen ließ ...

Glücklicherweise wurde ihre Eskorte bei jedem Unwetter seekrank. Trenton Wharton war fast eins neunzig groß und über zweihundert Pfund schwer, Buddy MacDonald noch größer und schwerer. Mühelos konnten sie ein halbes Dutzend erwachsener Männer auf einmal hochstemmen und eine mutwillige junge Frau in die Schranken weisen. Aber einer Schiffsreise zeigten sie sich nicht gewachsen.

Das spielte natürlich keine Rolle. Auf dem Atlantik konnte sie ihnen ohnehin nicht entwischen und ihr Gesicht nur in den Wind halten und träumen. Von der Freiheit.

Ihre Finger umklammerten die Reling, und sie sah das Land immer näher rücken.

Wann Teela und Michael Warren begonnen hatten, einander zu verabscheuen, wußte sie nicht. Vielleicht ließe sich einiges ändern, wenn sie die Zeit zurückdrehen könnte. Als er ihre Mutter geheiratet hatte, war sie noch sehr jung gewesen, der geliebte Vater erst seit einem knappen Jahr tot. Warren behandelte die Stieftochter wie einen seiner Soldaten. Um ihr Disziplin beizubringen, schlug er sie manchmal sogar mit Reisig. Die Mutter versicherte, er sei ein guter Mann, aber eben ein Soldat und fest entschlossen, in seinem Haushalt ebenso strenge Ordnung zu halten wie in seinem Heer.

Aber er war kein guter Mann, wenn er auch täglich betete und regelmäßig zur Kirche ging.

Der Mutter zuliebe versuchte Teela, das Gute in ihm zu entdecken, doch sie sah nur seine Grausamkeit.

Er genoß es, andere Menschen leiden zu sehen. Oft genug hörte sie das Vergnügen aus seiner Stimme heraus, wenn er mit Freunden und Offizieren im Salon des Plantagenhauses in Charleston saß und seine Erlebnisse schilderte. Er liebte den Krieg und freute sich am Tod seiner Feinde.

Mit besonderer Vorliebe tötete er die Indianer, diese ›Ausgeburten der Hölle‹, wie er sie nannte.

Gemeinsam mit Andy Jackson hätte er die Creek bekämpft. Dann war Jackson Präsident der Vereinigten Staaten und erst vor kurzem von seinem Freund Martin Van Buren abgelöst worden.

Nun lebte Jackson zurückgezogen auf seiner Plantage. Seine Überzeugung, die Indianer müßten weiter nach Westen ziehen, bestimmte die amerikanische Politik immer noch. Daran hatte sich nach den Creek-Kriegen und der traurigen Auswanderung der Cherokees nichts geändert. Die Rothäute mußten Florida verlassen – von diesem Grundsatz wich die Regierung nicht ab. Die Indianer waren jedoch ebensofest entschlossen, in ihrer Heimat zu bleiben. Auf diese Weise dauerten die Kämpfe an, die Michael Warren so beglückten.

1812, im Krieg gegen die Briten, war er mehrfach für seine Heldentaten ausgezeichnet worden. Doch diese Orden bedeuteten ihm nicht viel. Den Kampf gegen die Indianer nahm er viel wichtiger.

Wegen seiner militärischen Pflichten hielt er sich nur selten zu Hause auf. Solange die Mutter lebte, war Teelas Leben einigermaßen erträglich, da die Army ihren Stiefvater zumeist von der Plantage fernhielt. Aber während des letzten Sommers, als man ihn zum Kommandanten im sogenannten ›Höllenloch‹ Florida ernannt hatte, war Lilly Warren gestorben.

Teela hatte sich gelobt, so lange daheim zu bleiben, wie die kranke Mutter sie brauchen würde. Danach wollte sie der Plantage, ihrem einstigen Erbe, den Rücken kehren. Auf der Eigentumsurkunde stand nun Michael Warrens Name, obwohl Teelas leiblicher Vater das Haus eigenhändig gebaut hatte.

So schwer ihr der Abschied von ihrem Heim auch fiel – sie konnte nicht mehr mit Warren unter einem Dach wohnen.

Bedauerlicherweise war sie noch minderjährig. Nach dem Begräbnis der Mutter erklärte der Stiefvater, wie er sich Teelas Zukunft vorstellte. Unmißverständlich teilte sie ihm mit, sie würde abreisen und seine Anweisungen nicht länger akzeptieren. Das war ein verhängnisvoller Fehler. Er sperrte sie in ihrem Zimmer ein und ließ sie von seinen Soldaten bewachen. Trotzdem gelang es ihr zu fliehen, doch sie wurde gewaltsam zurückgebracht – von dem Mann, den sie auf Wunsch ihres Stiefvaters heiraten sollte.

Vor dem Traualtar sagte sie einfach nein. Natürlich war Warren wütend über die Blamage. Am Abend schlug er sie mit seinem Gürtel. Aber wenn er ihr auch Tränen in die Augen trieb, er konnte sie nicht zur Kapitulation zwingen.

Als die Kämpfe zwischen der Regierung und den Seminolen einen neuen Höhepunkt erreichten, hielt sich Warren zumeist in Florida auf. Daheim wurde Teela strenger denn je bewacht, eine Flucht war unmöglich.

Immer heftiger tobte der Krieg. Im Sumpfgebiet, das die Indianer so gut kannten, konnten sie wie aus heiterem Himmel zuschlagen, sich verstecken, plötzlich wieder aus dem Dunkel auftauchen und erneut angreifen. Zahlreiche Soldaten fielen. Vielleicht würde auch Michael Warren sterben ...

Es war falsch, um den Tod eines Menschen zu beten, und Teela wollte es auch nicht tun. Statt dessen hoffte sie, er würde einfach im Sumpf verschwinden.

Aber er war nicht verschwunden. Er hatte seine Stieftochter nach Florida beordert. Nun stand sie an der Reling der Marjorie Anne und näherte sich der Küste des wilden Landes, in dem ein so brutaler Krieg geführt wurde.

Seufzend beobachtete sie die Wellen. In diesem Land hatten schon viele die Freiheit gesucht. Teela las manchmal in Zeitungen und Magazinen die Berichte über Sklaven, die ihren Herrn entflohen und sich den Indianern anschlossen. Seit Jahrzehnten wurden die Creek und andere Indianer von den Weißen immer weiter nach Süden getrieben und gesellten sich zu fast ausgestorbenen Stämmen. Nun wurden die Creek, die Seminolen, die Muskogee sprachen, und die Mikasukis, die den Hitichi-Dialekt pflegten, von den Weißen unter dem Sammelnamen Seminolen zusammengefaßt – Cimarrons, Renegaten, Flüchtlinge.

Verträge waren unterzeichnet und gebrochen worden. Immer neue Kämpfe tobten. Und nach dem wilden Gemetzel, das als Dade-Massaker in die Geschichte einging, verschlimmerte sich die Situation. Wie Teela den Zeitungsartikeln entnahm, huldigten die Seminolen einem neuen Helden, ihrem Kriegerhäuptling oder mico Osceola. Unter seiner Führung lernten die Indianer, zu kämpfen und davonzulaufen, zu töten und zu zerstören und dann im Sumpf zu verschwinden. Obwohl die Weißen glaubten, ein paar tüchtige Army-Truppen müßten genügen, um die Unruhen zu beenden, stürzten die Seminolen das Land in einen schrecklichen Krieg. Die Amerikaner waren Expansionspolitiker, die neue Gebiete erschließen wollten, ganz egal, ob dort Indianer lebten oder nicht. Und so befahlen sie den Seminolen, nach Westen auszuwandern, in die Reservate.

Manche wurden tatsächlich vertrieben, aber viele blieben in den Sümpfen, wo sie sich schnell wie der Wind bewegten, lautlos wie das Flüstern der Abenddämmerung, und weiße Siedler niedermetzelten – Männer und Frauen und Kinder. Doch auch ganze Indianerdörfer wurden von den Weißen ausgerottet.

Trotzdem kämpften die Seminolen weiter, wobei sie eine geradezu unheimliche Raffinesse entwickelten. Hilflos stand die gut ausgebildete Army der U.S.-Regierung dem Guerillalampf der Ureinwohner gegenüber.

Nur ein Mann wie Michael Warren würde darauf bestehen, seine Stieftochter unter so gefährlichen Umständen nach Florida zu holen, dachte Teela. Aber er war der Ansicht, sie müßte seinen Befehlen gehorchen, oder sie würde es verdienen, von Wilden ermordet zu werden. Außerdem stand ein Waffenstillstand bevor. Im März hatte man einen neuen Vertrag ausgehandelt.

Doch diese Vereinbarungen wurden ebensowenig eingehalten wie die vorangegangenen. Die Soldaten fielen erneut über Indianerdörfer her, die Seminolen griffen die Farmen und Plantagen der Weißen an.

Während Teela zur Wildnis der Halbinsel segelte, dauerte der Krieg an, entlang der Ostküste bis zum Atlantik und an der Westküste am Golf von Mexico.

Wenn Teela ihren Stiefvater auch haßte, sie freute sich auf Florida, die exotischen Vögel, über die sie so viel gelesen hatte, und die Sonnenuntergänge. Nicht einmal die Moskitos fürchtete sie oder das beschwerliche Leben im Militärstützpunkt Fort Brooke, wo Warren stationiert war.

Zu Lillys Lebzeiten hatte sich Teela bemüht, die Wünsche der Mutter zu erfüllen, Gäste bewirtet, oft auf dem Spinett gespielt und Balladen gesungen, Teeparties und Bälle besucht, charmant geflirtet, wie es ihre Gesellschaftsschicht erwartete. Regelmäßig ging sie zur Kirche, betreute Arme und Kranke. Das alles tat sie gern. Vor allem die Krankenpflege verschaffte ihr eine tiefe Befriedigung, und sie hätte gern Medizin studiert.

Aber nun war Lilly gestorben, ein neues Leben begann. Von wachsender Abenteuerlust erfaßt, blickte sie diesem wilden Land entgegen, seiner Schönheit und seinen Gefahren. Allerdings mußte sie auch mit Problemen rechnen. Michael Warren hatte sie sicher nicht grundlos zu sich bestellt. Vermutlich würde er sie wieder verloben, diesmal mit einem reichen alten Mann, der stark genug wäre, eine widerspenstige Frau zu zähmen.

Niemals, gelobte sie sich. Michael Warren konnte sie nicht zu einer Heirat zwingen. Und da ihn der Krieg vollauf beschäftigte, sah sie in der Wildnis von Florida bessere Chancen, ihre Freiheit zu gewinnen, als in Charleston, wo man strenge gesellschaftliche Regeln befolgte.

Plötzlich ertönte die Schiffsirene, und Teela beobachtete hektische Aktivitäten an Bord. Die Besatzung trimmte die Segel und wendete die Marjorie Anne, um den Hafen des Forts anzusteuern.

Fasziniert schaute sie zu den hohen Wällen und Türmen hinüber. Mehrere armselige Holzhäuser umgaben die Festung. Aber die kleine Gemeinde Tampa lag in einer atemberaubenden Landschaft. Der grün schimmernde Fluß verlor sich zwischen dichten Bäumen. Im aquamarinblauen Wasser der Bucht schienen unzählige Diamanten zu funkeln. Weiße Strände erstreckten sich an der Küste wie leuchtende Seidentücher, die man hingeworfen hatte, um alles Häßliche zu verbergen.

»Gleich legen wir an, Miss Warren.« Teela drehte sich zu dem leichenblassen Trenton um. Auch das Gesicht des armen seekranken Buddy war fast so weiß wie die Sandstrände.

»Sieht nicht besonders aus«, meinte er entschuldigend, »aber mit der Zeit gewöhnt man sich dran.« Er stammte aus Tennessee, ein sommersprossiger Farmerssohn, in der militärischen Tradition aufgewachsen. Die Soldatenpflicht ging ihm über alles. Aber er besaß ein gutes Herz, und sie war gerührt, weil er sie aufzumuntern versuchte.

»Oh, es sieht wundervoll aus«, widersprach sie, und sie mußte nicht einmal lügen. So schäbig die kleine Stadt auch wirkte – die Küste und das Meer und der Himmel erstrahlten in magischer Schönheit.

Inzwischen hatten sie den Hafen erreicht. Gellendes Geschrei ertönte, halbnackte Männer kletterten in der Takelage umher, während das Schiff an seinem Liegeplatz schaukelte und vertäut wurde. Die Laufplanke sank hinab, aber bevor irgend jemand an Land gehen durfte, eilten die Soldaten an Bord und sprachen mit dem Captain.

»So ist das immer«, erklärte Trenton. »Zuerst müssen Informationen ausgetauscht werden.«

»Jedenfalls ist es eine gute Neuigkeit, daß Tampa noch steht und noch nicht in Schutt und Asche liegt«, bemerkte Buddy.

Nachdem die Soldaten das Schiff verlassen hatten, kam der freundliche alte Captain Fitzhugh zu Teela. Bei seinem Anblick mußte sie ein Lächeln unterdrücken. Er war ein seltsamer kleiner Mann, mit rundem Bauch, dünnen Beinen und winzigen Füßen, das Gesicht voller weißer Barthaare. Ständig schien er sich irgendwelche Sorgen zu machen. »O Miss Warren, ich bin ganz verzweifelt! Eigentlich wollte Ihr Stiefvater Sie hier begrüßen, Aber er mußte nach Norden reiten, um die Heiden zu bekämpfen.« Mit einer dramatischen Geste bekreuzigte er sich.

»Ach, wie schade!« log Teela, und ihre Augen glänzten.

»Nur keine Bange. Unsere guten Freunde Josh und Nancy Reynolds, die einen großartigen Laden in der Stadt betreiben, kümmern sich um Sie und bringen Sie nach Cimarron. Dort wartet ein Army-Trupp, der Sie zu Ihrem Vater eskortieren wird.«

»Vielen Dank, Captain.« Erleichtert atmete sie auf. Also durfte sie das Wunder dieser neuen Welt vorerst allein genießen. Sie ergriff Fitzhughs Arm und ließ sich die Laufplanke hinabführen, um ihren Fuß zum erstenmal auf Florida-Boden zu setzen.

Auf dem Kai stand eine hübsche, rundliche Frau. Braune Locken hingen unter einem breitrandigen Hut herab. Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte sie Captain Fitzhugh, dann reichte sie Teela die Hand. »Willkommen, Miss Warren! Wie schön, daß Sie endlich da sind! Wir haben schon so viel von Ihnen gehört. Ich bin Nancy Reynolds, und das ist Josh«, fügte sie hinzu und zeigte auf einen hochgewachsenen, kräftig gebauten Mann, der hinter ihr stand.

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Warren. Keine Angst, hier beurteilen wir die Leute nicht nach Charleston-Maßstäben .«

»Josh!« schimpfte Nancy und stieß ihren Ellbogen zwischen seine Rippen.

Leicht verwirrt hob Teela die Brauen. Offenbar war die Geschichte von der vereitelten Hochzeit bis in die Wildnis gedrungen. Doch das störte sie nicht, im Gegenteil. Immerhin hatte sie das Interesse des warmherzigen Ehepaars erregt. »Danke, Mrs. Reynolds – Mr. Reynolds. Ich bin ja so froh, daß ich hier bin.«

»Tatsächlich?« fragte Josh und musterte sie ungläubig. »Die meisten jungen Damen würden unsere abgeschiedene, arme kleine Stadt verachten.«

»Nun, obwohl sie in einer so entlegenen Gegend leben, haben Sie schon von mir gehört.«

»Oh, für Klatschgeschichten haben wir nichts übrig ...«, begann Nancy, dann lachte sie etwas verlegen. »Sicher werden Sie sich wohl in unserer Wildnis fühlen.«

»Das reinste Paradies!« behauptete Josh.

Zwanzig Minuten später betraten sie den Laden. Die Reynolds versorgten mehrere Händler und Marketender, die regelmäßig ins Landesinnere zogen, mit Waren. Wie Josh seinem Gast erklärte, war dort nicht mehr viel von der Zivilisation der Weißen übriggeblieben. Zu oft hatte die Army ihre verschiedenen Posten verlassen müssen. Entweder wurden die weißen Siedler von den Indianern vertrieben oder von Fieberkrankheiten, die schon mehr Menschen hinweggerafft hatten als der Krieg.

Aber trotz diverser Schwierigkeiten florierte das Geschäft der Reynolds. Sie verkauften Lebensmittel, Arzneien, Werkzeuge, Kleider, Stiefel, Alkohol und sogar Nutztiere, außerdem Kokosnüsse und die Federn exotischer Vögel, von Indianern gesammelt.

Hinter dem Laden lag eine Wohnküche, ein großer, zugiger Raum. Im Herd knisterte ein helles Feuer. Die Frühlingstage waren immer noch kühl. Überall schwirrten kleine Kinder herum, das älteste hatte eben erst seinen siebten Geburtstag gefeiert.

Was für ein sonderbares Paradies, dachte Teela. Aber während sie mit den Kindern Verstecken spielte, erkannte sie, daß sie schon lange nicht mehr so glücklich gewesen war. Josh bediente einige Kunden, und Nancy suchte derbe Stiefel für ihren Gast hervor.

Was für ein gemütliches Heim, dachte Teela. Wenn doch Michael Warren niemals hierherkommen würde ...

Sie lag gerade auf den Knien und warf der dreijährigen Tochter des Hauses einen Ball zu, als sie plötzlich spürte, daß sie beobachtet wurde. Verwirrt wandte sie sich zur Tür und begegnete dem Blick eines großen Mannes mit ebenholzschwarzem Haar.

»Verzeihen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken.« Er sah ungewöhnlich gut aus, kraftvoll und elegant zugleich.

Kreischend rannte das kleine Mädchen zu ihm. »Onkel Jarrett! Onkel Jarrett!«

Er schwenkte sie hoch in die Luft, küßte ihre Wange und stellte sie wieder auf den Boden. Inzwischen hatte Teela sich erhoben und schaute ihn abwartend an. »Miss Warren, ich bin Jarrett McKenzie. Meine Frau und ich wohnen weiter unten am Fluß, und wenn Sie einverstanden sind, würden wir Sie gern bei uns aufnehmen, bis Lieutenant Argosy zurückkehrt und Sie zu Ihrem Vater bringt.«

»Ja, natürlich, vielen Dank.«

»Sicher sind Sie sehr enttäuscht, weil Sie Ihren Vater nicht angetroffen haben.«

»Meinen Stiefvater.«

»Ah ... Es muß schwierig für Sie sein, ohne ihn, in diesem fremden Land ...«

»So leicht bin ich nicht zu erschrecken, Mr. McKenzie.«

»Sehr gut«, erwiderte er lächelnd. »Mein Schiff liegt im Hafen. Am besten lasse ich Ihr Gepäck gleich an Bord bringen, Miss Warren. In einer Stunde möchte ich aufbrechen, solange es noch hell ist.«

»Danke.« Als er sich zur Tür wandte, die in den Laden führte, rief sie leise: »Mr. McKenzie!« Er drehte sich um und hob die Brauen. »Warum tun Sie das für meinen Stiefvater? Irgendwie habe ich das Gefühl, Sie mögen ihn nicht besonders.«

Unbehaglich zuckte er die Achseln. »Nun, ich würde Sie nicht allein in diese Wildnis schicken, Miss Warren.«

»Jedenfalls mögen Sie meinen Vater nicht.«

»Das habe ich nicht behauptet«, entgegnete er zögernd.

»Mr. McKenzie, ich mag ihn auch nicht.«

Zu ihrer Verwunderung lachte er. »Dann hoffe ich, Sie bleiben möglichst lange bei uns in Cimarron.« Mit diesen Worten verließ er die Küche.

Sie sah ihn erst wieder, als die Reynolds sie an Bord seines Schiffes begleiteten und ihr zahlreiche Ratschläge erteilten. Im Sumpfgebiet mußte sie sich vor Fieberkrankheiten hüten, vor Insektenstichen, Schlangen und Krokodilen.

»Glücklicherweise gibt’s nur vier gefährliche Schlangen«, erklärte Nancy, »die Klapperschlange, die Zwergklapperschlange, die Korallenotter und die Wassermokassinschlange. Wenn Sie die in Ruhe lassen, tun sie Ihnen nichts.«

Das Schiff war nicht so groß wie Marjorie Anne, und die Besatzung bestand nur aus fünf Mann. Während Teela den gutgemeinten Anweisungen lauschte, sah sie, wie einer der Seemänner die Augen verdrehte, und sie mußte lächeln.

Dann erklang die tiefe Stimme ihres Gastgebers hinter ihr. »Allem Anschein nach ist sie eine intelligente junge Dame, Nancy«, meinte Jarrett, »und sie kann sicher gut auf sich aufpassen.«

»Wer gewarnt ist, der ist auch gerüstet«, entgegnete Nancy. »Also, meine Liebe, seien Sie vorsichtig!« mahnte sie und umarmte Jarrett. »In diesem Beutel ist eine Decke für das Baby. Gib dem kleinen Schatz einen Kuß von mir. Und Tara auch. Sag ihr, ich besuche sie bald. Wahrscheinlich traut sie sich nicht hierher. Die Siedler glauben, die Seminolen könnten Tampa jederzeit angreifen.«

»Sicher nicht, solange ich in der Nähe bin«, erwiderte Jarrett und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Dann küßte er ihre Wange und schüttelte Joshs Hand. »Und jetzt verschwindet von meinem Schiff! Die Fahrt dauert gute vierundzwanzig Stunden, und ich will endlich meine Frau und mein Kind wiedersehen.«

»Wenn wir Ihnen helfen können, wir sind jederzeit für Sie da, Teela!« rief Nancy, während ihr Mann sie energisch an Land führte.

Das Schiff legte ab, und Teela winkte dem freundlichen Ehepaar zu. Dann hielt sie den Atem an. Zwei uniformierte Männer rannten den Kai entlang.

»Ihre Freunde?« fragte McKenzie.

»Nicht direkt«, antwortete sie etwas beklommen. »Meine Eskorte.«

»Wachhunde?«

»Eigentlich sind’s keine üblen Burschen.«

»Sollen wir zurückfahren und sie an Bord holen?« erbot er sich höflich.

»O nein, bitte nicht.«

»Sicher können die beiden den Weg nach Cimarron auch allein finden.«

Seufzend blickte sie ins Wasser. »Vielleicht sollten wir doch umkehren. Mein Stiefvater wird sich furchtbar aufregen, wenn er hört, wir hätten meine Beschützer absichtlich zurückgelassen.«

»Tatsächlich?«

Teela wandte sich zu ihm und sah einen fast teuflischen Glanz in seinen Augen.

Verschwörerisch flüsterte er ihr zu: »Dann müssen die beiden natürlich hierbleiben ... Volle Kraft voraus!« befahl er seinen Leuten. »Setzt alle Segel! Verschwinden wir von hier, so schnell wie möglich.«

Lächelnd beobachtete Teela die Aktivitäten, hochzufrieden mit den ersten Erfahrungen, die sie in der fremden Wildnis gesammelt hatte.

Verstrickung des Herzens

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