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In erstaunlich kurzer Zeit erreichte Jarrett McKenzies Schiff den heimatlichen Kai am Flußufer. Die Sonne hatte den Zenit eben erst überschritten. Schon seit mehreren Stunden stand Teela im Bug und schaute sich fasziniert um.

Jarrett beobachtete sie lächelnd. Warrens Tochter! Wer hätte das gedacht? Stieftochter, verbesserte er sich. Darauf hatte sie energisch hingewiesen.

Doch sie war in Michael Warrens Obhut aufgewachsen und irgendwie dem Bösen entronnen, das ihm wie eine unheilbare Krankheit anzuhaften schien. Ein lebhaftes, kluges, offenherziges Mädchen – und bildschön ...

Zum Glück führte er eine gute Ehe. Sonst wäre es ihm vielleicht schwergefallen, seiner Frau zu erklären, warum sich ein so reizvolles Geschöpf an Bord seines Schiffes befand, noch dazu ohne Anstandsdame.

Teela Warrens kastanienrotes Haar schimmerte im Sonnenlicht, die grünen Augen, die ein herzförmiges Gesicht mit einer zierlichen kleinen Nase und provozierend geschwungenen dunklen Brauen beherrschten, glichen einer Sommerwiese. Für eine Frau war sie ziemlich groß, und sie besaß eine Schlanke, wohlgeformte Figur. Ihr rastloses Temperament wirkte genauso bezaubernd wie ihre offensichtlicheren Vorzüge. Sicher würde sie Tara ebensogut gefallen wie ihm.

Und es freute ihn diebisch, daß er einen Entschluß gefaßt hatte, der Warren ärgern würde.

Am vergangenen Abend hatte er sich eine Zeitlang mit Teela unterhalten. Liebevoll erzählte sie von ihrer Mutter und gab zu, die Klatschgeschichten würden der Wahrheit entsprechen. Sie habe vor dem Traualtar tatsächlich nein gesagt. Aber ihr sei nichts anderes übriggeblieben. Das amüsierte ihn. Allem Anschein nach war sie eine Kämpfernatur. Und wenn sie glaubte, man würde sie hier verurteilen, mußte sie diese Wildnis voll tapferer Flüchtlinge erst noch richtig kennenlernen.

Er würde sie sehr gern in seinem Haus beherbergen, so lange sie es wünschte. Doch sobald der Stiefvater nach ihr schicken würde, konnte Jarrett nichts mehr tun. Nicht Warren hatte ihn um seine Gastfreundschaft gebeten, sondern ein alter Freund, Lieutenant Tyler Argosy. Dessen Brief hatte er erhalten, als er nach Tampa geritten war, um Vorräte zu kaufen. Tyler – oder ein tüchtiger junger Soldat namens John Harrington – sollte das Mädchen eskortieren, weil beide das Terrain und die Gefahr kannten, die von seiten der Indianer drohte. Wie Jarrett erfahren hatte, wollte Warren seine Stieftochter mit Harrington verheiraten, der einer gutsituierten, in politischen Kreisen einflußreichen Familie entstammte.

Sicher wird John Harrington der geplanten Hochzeit mit gemischten Gefühlen entgegenblicken, dachte Jarrett belustigt. Da er die junge Dame nicht kennt, muß er sie für eine weibliche Version von Michael Warren halten. Und nun erwartet ihn eine angenehme Überraschung ...

Jarrett befahl seinen Leuten, das Schiff zur Anlegestelle zu steuern, und ging zu Teela, die an der Steuerbordreling stand. »Was halten Sie von Cimarron, Miss Warren?«

Verwundert schüttelte sie den Kopf. »Höchst ungewöhnlich ...« Nicht einmal in Charleston, wo man großen Wert auf prächtige Residenzen legte, hatte sie ein schöneres, eleganteres Haus gesehen. Mächtige Säulen säumten die Veranda, die sich an der ganzen weißgetünchten Fassade entlangzog. Trotz des kühlen Wetters war die Tür geöffnet.

Während Jarrett McKenzie und die Besatzungsmitglieder an Land sprangen, eilte eine schöne blonde Frau über den Rasen herab und winkte eifrig.

Tara McKenzie, dachte Teela, die Frau, die der Captain vergöttert. Am letzten Abend hatte er kaum ein Thema angeschnitten, das sich nicht um seine Gemahlin und seinen kleinen Sohn drehte. Nun rannte er ihr entgegen, mit ausgebreiteten Armen. Er hob sie hoch, preßte sie an seine Brust, und sie küßten sich – so leidenschaftlich und zärtlich, daß Teela rasch wegschaute.

Glücklicherweise gab es genug zu sehen. Am Kai herrschte reges Leben und Treiben, obwohl er nur zu einem einzigen Anwesen gehörte. Mehrere Männer liefen aus dem Haus und von den Feldern heran, schüttelten den Besatzungsmitgliedern die Hände, schleppten Kisten und Fässer den Hang hinauf. Als sie Teela entdeckten, lächelten sie ihr freundlich und neugierig zu.

»Miss Warren!« Nun hatte sich der Hausherr wieder an sie erinnert. Sie wandte sich zu dem Ehepaar, das am Fuß der Laufplanke stand, und ging an Land. Zu ihrer eigenen Verblüffung empfand sie eine plötzliche Scheu.

Doch dazu bestand kein Grund. Tara McKenzie umarmte sie herzlich. »Willkommen auf Cimarron! Wie ich gestehen muß, bin ich etwas überrascht, denn ich habe Tylers Brief entnommen, Jarrett würde ein Kind hierherbringen.«

»Ein Kind bin ich nicht mehr«, erwiderte Teela, »aber ich befinde mich immer noch in der Obhut meines Vormunds.«

Tara nickte. Was dieses Thema anging, behielt sie ihre Meinung für sich. »Wir freuen uns über Ihren Besuch. Und Sie sind gerade rechtzeitig angekommen. Heute abend geben wir eine kleine Party, um den Geburtstag meines Mannes zu feiern. Unsere kleine Gemeinde wird Sie sicher mit offenen Armen aufnehmen – vor allem, weil wir endlich wieder Gesprächsstoff brauchen«, fügte sie scherzhaft hinzu.

»Jag ihr doch keine Angst ein!« mahnte Jarrett.

»Oh, sie wird sich genauso an den Tratsch und Klatsch gewöhnen wie ich. Kommen Sie, meine Liebe, ich zeige Ihnen das Haus.«

Arm in Arm wanderten die beiden Frauen über den gepflegten Rasen, und Tara zeigte ihrem Gast, in welcher Richtung die nächsten Nachbarn wohnten.

»Haben Sie hier keine Angst vor den Indianern?« fragte Teela.

»Nein«, erwiderte Tara schlicht. Mittlerweile hatten sie die Veranda erreicht. Dort stand eine große schwarze Frau, ein Baby im Arm.

Lächelnd wollte Tara nach dem Kind greifen, aber Jarrett kam ihr zuvor. »Darf ich, Jeanne?« bat er höflich, obwohl es schließlich sein eigener Sohn war. Als er das Baby in die Luft schwenkte, kreischte es fröhlich.

»Ian McKenzie«, verkündete Tara, und Teela beobachtete das Kind entzückt. »Herzlichen Glückwunsch! Was für ein hübscher kleiner Junge!«

»Danke. Möchten Sie ihn mal halten?«

»Wenn Sie’s erlauben ...«

Jarrett reichte Teela seinen Sohn, der grinsend einen einzelnen Zahn entblößte und nach ihrem Haar griff. Belustigt hielt sie die winzigen Fingerchen fest. Zum erstenmal, seit sie gemeinsam mit ihrer Mutter Arme und Kranke gepflegt hatte, spielte sie wieder mit einem Baby.

»So ein süßes Kind!« rief sie begeistert und drückte Ian an sich, der angenehm nach Seife duftete. Dann legte sie ihn in die Arme der farbigen Kinderfrau.

»Freut mich, daß Sie sich so schnell mit ihm angefreundet haben.« Tara führte ihren Gast in die Eingangshalle.

Bewundernd musterte Teela das glänzend polierte Parkett und die Tapete, die der neuesten europäischen Mode entsprach. »Oh, das glaube ich einfach nicht. Ein solches Haus! Hier!«

»Danke«, entgegnete Jarrett, »das betrachte ich als Kompliment.«

»So war’s auch gemeint.«

»Jetzt haben Sie auf Cimarron ein Zuhause gefunden, für alle Zeiten, wenn Sie wollen«, erklärte Tara lachend, »nachdem Sie gelobt haben, was dem Herzen meines Mannes am nächsten steht – seinen Sohn und sein Haus.«

»Da muß sie erst mal deine Vorzüge würdigen«, protestierte er.

»Ihre Frau ist bildschön und liebenswert, Mr. McKenzie«, versicherte Teela feierlich.

»Gut, nun darf sie bleiben«, gestattete er großzügig. »Für immer.«

»Dann haben Sie ja noch genug Zeit, das restliche Haus zu besichtigen, Miss Warren«, meinte Tara. »Ich zeige Ihnen jetzt erst mal Ihr Zimmer, damit Sie sich frisch machen können.«

»Vielleicht braucht sie ein bißchen Ruhe«, bemerkte Jarrett. »Heute nacht hörte ich sie stundenlang an Deck umherwandern.«

»Oh, tut mir leid, ich wollte Sie nicht stören«, entschuldigte sich Teela. »Aber ich konnte einfach nicht widerstehen – ich mußte das Ufer betrachten. Nie zuvor habe ich ein so tiefes Dunkel gesehen.«

»Ja, manchmal kann einem dieses Land angst machen«, meinte Tara leichthin. »Wenn Sie müde sind, sollten Sie sich hinlegen. Ich lasse Ihnen Badewasser bringen. Kurz vor Sonnenuntergang erwarten wir unsere Gäste. Bis dahin sind Sie bestimmt wieder frisch und munter.«

»Ich würde gern ein wenig schlafen«, gestand Teela.

»Und du, Jarrett?« fragte Tara ihren Mann. »Möchtest du dich auch ausruhen?«

»Eigentlich habe ich was anderes vor ...«

Als er sie wieder umarmte und küßte, wandte sich Teela rasch ab. In ihren Augen brannten Tränen. Sie fand es wundervoll, daß diese beiden liebenswürdigen Menschen glücklich miteinander waren. Aber sie hatte sich noch nie in ihrem Leben so einsam gefühlt.

Seltsam – als Michael Warren beschlossen hatte, sie zu verheiraten, war ihr der Bräutigam keineswegs unsympathisch gewesen. Doch sie hatte ihn nicht geliebt. Jetzt, wo sie die McKenzies beobachtete – oder nicht zu beobachten versuchte, wußte sie, wonach sie sich gesehnt hatte. Nach leidenschaftlicher Liebe. Wenn sie die nicht fand, wollte sie ein unabhängiges Leben führen.

So leicht zu erträumen, so schwer zu erreichen ...

Tara befreite sich lachend aus den Armen ihres Mannes, führte Teela eine geschwungene Treppe hinauf und öffnete eine Tür. »Das ist Ihr Zimmer. Hoffentlich finden Sie dort alles, was Sie brauchen. Wenn nicht, läuten Sie bitte nach Jeeves.«

»Danke, das ist sicher nicht nötig.«

Ehe Teela die Tür schloß, sah sie, wie die McKenzies eng umschlungen den Flur entlanggingen. Müde kleidete sie sich aus und sank aufs Bett. Wie schön es hier ist, dachte sie. Zweifellos würde Warren jemanden nach ihr schicken. Aber bis es soweit war, wollte sie den Aufenthalt in diesem Haus genießen und nicht an die bedrohliche Zukunft denken.

Seufzend schloß sie die Augen, und wenige Minuten später schlief sie ein.

Als es an der Tür klopfte, erwachte sie. »Teela, bald treffen unsere Gäste ein!« rief Jarrett. »Kommen Sie runter, wenn Sie fertig sind!«

»Vielen Dank!«

Während sie geschlafen hatte, mußten die Dienstboten heißes Wasser und ihr Gepäck ins Zimmer gebracht haben. Hastig wusch sie sich und schlüpfte in ein Abendkleid. Nachdem sie ihr zerzaustes Haar frisiert und hochgesteckt hatte, ging sie in die Halle hinunter.

Inzwischen war Cimarron auf die Party vorbereitet worden. Die Vorder- und die Hintertür, die zu hohen Bäumen und den Ställen führte, standen offen. Über den Veranden hingen Lampions. Auch die Türen der Salons und Wohnräume zu beiden Seiten der Halle waren geöffnet.

Am Fuß der Treppe angelangt, spähte Teela in den Hauptsalon und sah einen hochgewachsenen schwarzhaarigen Mann vor dem Kaminfeuer stehen. Zunächst dachte sie, es wäre der Hausherr. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Kopf leicht gesenkt, starrte er in die Flammen. Er trug ein elegantes weißes Rüschenhemd, eine rote Weste und eine schwarze Hose.

Dann drehte er sich um, und Teela blinzelte verwirrt. Er war nicht Jarrett McKenzie, obwohl ihr sein Gesicht vertraut erschien. Noch nie hatte sie so faszinierende Züge gesehen. Von der bronzebraunen Haut hoben sich strahlend blaue Augen ab. Offenbar ein Halbblut, dachte sie und spürte seine Vitalität, ein eigenartiges Feuer, das in ihm zu brennen schien.

Als er ihren Blick erwiderte, beschleunigten sich ihre Atemzüge. Plötzlich lächelte er, bitter und spöttisch. Erriet er ihre Gefühle? Ahnte er, welche Anziehungskraft er auf sie ausübte?

Höflich verneigte er sich. »Guten Abend.«

Seine tiefe Stimme klang angenehm und kultiviert. Absurderweise begann sie zu zittern und hielt sich am Treppenpfosten fest. Irgend etwas in ihr erwachte zu neuem Leben, erhitzte ihr Blut. Doch sie riß sich zusammen. Kein Wunder, daß sie etwas durcheinander war ... Sie hatte bisher nur wenige Indianer getroffen.

»Sprechen Sie englisch?« fragte er und schlenderte zur Tür des Salons.

»Ja.«

»Wollen Sie sich die ganze Nacht am Treppenpfosten festklammern? Vor mir müssen Sie sich nicht fürchten. Im Haus meines Bruders habe ich noch nie eine Frau skalpiert, Miss ...?«

Heftig hämmerte ihr Herz gegen die Rippen. Jarretts Bruder ... Und er wußte nicht, wer sie war. Was würde der Mischling denken, wenn er erfuhr, daß sie Warren hieß – so wie der Mann, der so viele Indianer getötet hatte?

In würdevoller Haltung ging sie zu ihm. Dann zögerte sie wieder. Bangte ihr vor der Nähe dieses Mannes? Aber sie war es nicht gewöhnt, Angst zu zeigen. Wenigstens das hatte sie als Michael Warrens Stieftochter gelernt.

Entschlossen betrat sie das Zimmer, wanderte zum Feuer, und er folgte ihr. »Um meinen Skalp mache ich mir keine Sorgen, Sir.«

»Das sollten Sie aber. In diesem Land sind alle Skalps gefährdet.«

»Wie Sie soeben erwähnten, haben Sie hier noch niemanden skalpiert. Und Sie wissen sich allem Anschein nach zivilisiert zu benehmen. Also wäre es sehr unhöflich, wenn Sie heute abend Ihren ersten Skalp in diesem Haus erobern und sich ausgerechnet einen Neuankömmling aussuchen würden, um dieser grausamen Sitte zu frönen.«

Erschrocken zuckte sie zusammen, als er eine seidige Locke berührte, die aus ihrem Haarknoten herabhing. »Was für eine herrliche Beute das wäre ... Nehmen Sie sich in acht, Ma’am. Im nächtlichen Dunkel könnte diese kastanienrote Pracht unwiderstehlich leuchten.« Unwillkürlich wich sie ein paar Schritte zurück, erstaunt über ihre eigene Nervosität. »Ah, und dieser angstvolle Schimmer in Ihren Augen müßte einen Mann geradezu herausfordern ...«, fuhr er fort.

»Da irren Sie sich, Sir. Mr. McKenzie, ich fürchte mich nicht vor Ihnen.«

Er hob die Brauen. »Wieso kennen Sie meinen Namen?«

»Nun, Sie haben erklärt, dies sei das Haus Ihres Bruders.«

»Und wenn Jarrett mein Stiefbruder mütterlicherseits wäre?«

»Verzeihen Sie. Sind Sie ein McKenzie?«

»Ja«, bestätigte er leise und zögernd. »Zumindest für manche Leute ... Warum sind Sie hier?«

Weil mein Stiefvater gerade in Florida zu tun hat und alle Indianer auszurotten versucht ...

Nein, diesen sarkastischen Gedanken durfte sie nicht aussprechen. »Ich bin auf dem Weg zu meinem Stiefvater. Da er zu beschäftigt war, um mich im Hafen von Tampa abzuholen, brachte Ihr Bruder mich freundlicherweise hierher. Ich heiße Teela«, fügte sie hinzu und streckte ihre Hand aus, die er umfaßte und aufmerksam betrachtete.

Dann neigte er sich hinab und küßte ihre Fingerspitzen – eine viel zu sinnliche, viel zu intime Berührung, die sie nicht gestatten dürfte. Aber ehe sie sich befreien konnte, ließ er sie los und trat zurück. »Teela ...«, wiederholte er lächelnd. »Haben Sie auch einen Nachnamen?«

»Haben Sie einen Vornamen?« konterte sie.

Da vertiefte sich sein Lächeln, und er wollte antworten. Doch da drang ein Ruf von der Tür herüber. »James, mein Lieber!«

Sie drehte sich um und sah einen attraktiven jungen Mann hereinkommen, so elegant gekleidet, als würde er einen der vornehmsten Salons zwischen Boston und Savannah besuchen.

»Ah ...« Bei ihrem Anblick hielt er inne und verbeugte sich formvollendet. »Welche neue Blume ziert unsere Wildnis? James, eine Freundin? Würdest du uns bitte miteinander bekannt machen?«

»Auch ich habe diese rote Rose eben erst kennengelernt, Robert. Teela, das ist Mr. Robert Grant – Robert, Miss Teela ...?«

Noch immer weigerte sie sich, ihren Nachnamen zu nennen, und reichte dem jungen Mann ihre Hand. »Guten Abend, Mr. Grant. Wie geht es Ihnen?«

»Plötzlich ganz ausgezeichnet«, erwiderte er und neigte sich über ihre Hand.

Sein Lächeln wirkte ansteckend. Unauffällig verglich sie die beiden Männer miteinander. Mr. Grant war nicht so groß wie James McKenzie, dessen Vornamen sie inzwischen erfahren hatte, und einfach nur charmant – während ihr der Mischling faszinierend erschien.

»Oh, da sehe ich unsere Gastgeberin«, bemerkte James. »Ich muß mit ihr reden. Inzwischen könnt ihr beide euch besser kennenlernen.«

Mit einer knappen Verbeugung verließ er den Salon. Tara McKenzie stieg gerade die Treppe herab und begrüßte zwei ältere Ehepaare, die soeben eingetroffen waren. Immer mehr Gäste betraten die Halle.

»In diesem Haus bin ich sehr oft eingeladen«, erklärte Robert Grant. »Doch ich hatte keine Ahnung, daß wir heute abend einen Neuankömmling begrüßen dürfen.«

»Ich bin erst heute nachmittag angekommen, auf Jarretts Schiff.«

»Bleiben Sie länger bei uns?«

»Das – das weiß ich noch nicht«, entgegnete Teela zögernd, und er wartete geduldig, bis sie fortfuhr. »Mein Vater – mein Stiefvater ist bei der Army, und er hat mich nach Tampa beordert. Aber im Augenblick ist er beschäftigt, und so wird es wohl noch eine Weile dauern, bis mich eine Eskorte zu ihm bringt.«

»Und wer ist Ihr Stiefvater?«

»Michael Warren«, antwortete sie nach einer kurzen Pause.

»Warren!« Robert Grant schnappte nach Luft, aber er faßte sich sofort wieder. »Tut mir leid ...«

»Mir auch«, gestand sie leise.

In der Halle wurden Instrumente gestimmt, dann erklang ein Walzer, und Robert verneigte sich. »Darf ich bitten?«

»O ja, sehr gern.«

Er führte sie zur Tanzfläche, wo sich bereits mehrere Paare drehten.

»Warren«, wiederholte er seufzend.

»Ja, ich weiß – ein Monstrum.«

»Wie gut, daß Sie auch so denken! Ich fürchtete schon, ich hätte Ihre Gefühle verletzt. Ein solcher Mann – und eine so bezaubernde Tochter ...«

Lächelnd bedankte sie sich für das charmante Kompliment. »Er ist ja auch nur mein Stiefvater.«

»Trotzdem ...«

Anmutig wirbelte sie in seinen Armen über das Parkett. Sie hatte schon lange nicht mehr getanzt, und sie genoß die Gesellschaft des liebenswürdigen jungen Mannes. Plötzlich blieb er stehen. Jemand hatte auf seine Schulter geklopft.

»Darf ich dir deine Partnerin entführen, Robert?« fragte James McKenzie.

»Wenn’s unbedingt sein muß ... So ist das Leben nun mal, grausam und unerbittlich.«

Wieder wurde Teela im Kreis herumgeschwenkt, diesmal von einem Halbindianer, der eine seltsame Faszination auf sie ausübte. Er tanzte ausgezeichnet, und sie glaubte zu schweben. In seinen erstaunlichen blauen Augen las sie Neugier, aber auch Verachtung. Weil sie eine Weiße war? Weil sie seine Unverschämtheit geduldet hatte, statt ihn zu ohrfeigen? »Halten Sie nur mich für ein Ärgernis?« fragte sie. »Oder alle weißen Frauen?«

Sein bedauerndes, fast wehmütiges Lächeln überraschte sie. Offenbar hatte er nicht mit einer solchen Frage gerechnet. »Alle weißen Frauen.«

»Oh, das beruhigt mich.«

»Aber Sie ganz besonders.«

»Warum tanzen Sie dann mit mir?«

»Weil ich’s immer noch auf Ihr schönes Haar abgesehen habe.«

»Aber Sie würden mich doch nicht im Haus Ihres Bruders skalpieren.«

»Vielleicht möchte ich diese wunderbaren Locken gar nicht abschneiden.«

»Was haben Sie dann vor?«

»Da bin ich mir nicht ganz sicher ...« Seine Stimme nahm einen seltsamen Klang an. »Wirklich nicht.«

Abrupt verstummte die Musik. Sie blieben voreinander stehen und starrten sich an. Und dann hörte Teela, wie ihr Name gerufen wurde. »Miss Warren! Ah, da sind Sie ja!« Ihr Gastgeber, Jarrett McKenzie, bahnte sich einen Weg durch die Gästeschar. »James! Oh, du hast unseren Gast schon kennengelernt.«

James’ Augen verengten sich. »Was? Das – eh, das Kind, das Tara erwähnt hat?«

»Nun, sie ist ein bißchen älter, als wir dachten.«

»Soeben hast du sie Miss Warren genannt.« In diesen Worten schwang eine eisige Kälte mit.

»Sie ist seine Stieftochter ...«, begann Jarrett.

Aber James hörte ihm nicht mehr zu. Er neigte sich zu Teela hinab. »Sie heißen Warren?« stieß er hervor, und sie schluckte mühsam.

»Ja – Teela Warren.«

Zu ihrer Verblüffung brach er in lautes Gelächter aus. »Warren! Jetzt weiß ich, warum Sie mich interessieren! Weil ich Ihre ganze verdammte Familie ins ewige Höllenfeuer schicken möchte!«

Grußlos wandte er sich ab und ging mit langen Schritten davon. Teela fröstelte, und es dauerte lange, bis sie merkte, wie leise er gesprochen hatte. Nur für ihre Ohren war jene bittere Drohung bestimmt gewesen. Nicht einmal sein Bruder hatte sie gehört.

Neue Tanzmusik erfüllte die Halle.

Verstrickung des Herzens

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