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4. Wehret den Anfängen

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Die Entwicklung zum Heimwerker begann schleichend, denn die zunächst bezogene Zweizimmerwohnung bot wenig Möglichkeiten diese Leidenschaft aufleben zu lassen. Mal ein Tisch für die Balkon oder ein Regal für den kleinen Kellerraum, darin steckte noch kein Gefahrenpotential, doch es schlummerte schon unentdeckt in der Tiefe. Als sich das dritte Familienmitglied ankündigte, kam das Thema Eigenheim ins Gespräch und die Entwicklung nahm ihren Lauf. Ein Hausbau im Eiltempo, natürlich in Eigenleistung, sprich Familienkreis und Nachtschichten. Der Baubeginn war im Mai und es ging rund, zunächst für mich noch gedämpft vernehmbar, da ich mit dem mittlerweile eingetroffenen Baby, ohne Auto in einem von der Baustelle zehn Kilometer entfernten Dorf zurückblieb und dort Unmengen von Bauverpflegung zubereitete, welche meine Mutter vor Ort aufwärmte. Die Gefäße trudelten irgendwann in der Nacht geleert wieder ein, wurden gespült und am frühen Morgen erneut gefüllt. So erhielt ich bereits in jungen Jahren meine Übungsstunden in Haushaltsführung unter erschwerten Bedingungen, was sich im Verlauf der nächsten dreißig Jahre als sehr nützlich erweisen sollte.

Da ich die Papiere verwaltete und mein Giro zwecks besserer Übersicht als Baukonto diente, trudelten die Rechnungen der erforderlichen Materialien und Maschinen in kurzen Abständen bei mir ein. Manches Gerät hätte man wohl auch leihweise mieten können, doch zum ersten Mal und danach immer wieder hörte ich das Argument: „Das benötigt man öfter und es macht sich irgendwann bezahlt!“ Kaum war eine Decke auf dem Keller und dieser somit abschließbar, sammelten sich wahre Werte im Inneren. Einzug war bereits im kommenden Februar, lediglich die mittlere der drei Etagen war notdürftig bewohnbar gemacht worden um Miete zu sparen. Der Innenausbau wurde schnell, preiswert und wie damals üblich in dunklen Hölzern gefertigt. Da Baumarktbesuche mit Kleinkind sehr anstrengend waren und die am Bau beteiligten Schwiegereltern ohnehin alles besser wussten, kam so manches Inventar in den Neubau, welches mir später Bauchgrimmen verursachte. Auch war das Haus durch Intervenieren der Schwiegereltern während der Bauzeit gewachsen, was eine zweite Baugenehmigung nötig machte und weiter Kosten verursachte.

Es gab auch durchaus lustige Begebenheiten auf der Baustelle, so sprang der junge Bauherr eines Abends aus Übermut vom Balkon im zweiten Stock in einen Haufen Rheinsand. Er trug keine Verletzungen davon, es hätte aber auch anders ausgehen können. Ich erfuhr davon allerdings erst Jahre später! Schwiegervater aß ständig hartgekochte Eier zwischendurch und ließ die Eierschalen, jeweils da fallen, wo er gerade stand, was wiederum meinen Vater ärgerte, der sich bemühte die Baustelle sauber zu halten. So sagte er eines Tages verdrossen: "Man könnte meine, wir hätten hier irgendwo ein Huhn, überall liegen Eierschalen."

Die Heizungsanlage baute mein Heimwerker als Industriemeister für Metall natürlich selbst nach Absprache mit einem Meisterbetrieb für Sanitärbau, welcher das Material lieferte und auch eine Endabnahme vornahm. Das machte er wirklich gut, auch wenn es wie bei allen übrigen Tätigkeiten etwas länger dauerte. Einige Rohre im Heizungsraum wurden allerdings nie isoliert, sie fielen bei der Umrüstung von Öl- auf Gasheizung zwanzig Jahre später ohnehin weg.

Ein besonderes Highlight war das Eindecken des Dachs, unter der Anleitung eines Fachmannes saßen sechs Anfänger oben und taten ihr möglichstes. Eine Kette zum Weiterreichen der Dachziegel wurde gebildet, mehr als drei schaffte ich allerdings nicht, die Dachpfannen war doch recht schwer. Es würden Späße gemacht und man riet mir wegen meines niedrigen Körpergewichts doch Steine in die Taschen zu packen, damit mich der Herbstwind nicht vom Dach fegte. Unser professioneller Dachdecker hatte die Aktivitäten der Autodidakten gut im Griff, ließ jedoch im Laufe des Tages stark nach, weil er immer häufiger rief: "Schickt mal eine Glaspfanne hoch!" Das war natürlich die Bestellung einer Flasche Bitburger Bier und so war ich froh, als der Tag endete, ohne dass er vom Dach gepurzelt war. Nachdem in Windeseile das notdürftigste an Innenausbau der mittleren Etage erledigt war zogen wir praktisch in einen Beinahe-Rohbau ein.

Der am häufigsten zitierte Spruch war dieser Tage: "Das machen wir in Ruhe fertig, sobald wir Zeit und Geld haben!" Einige dieser Vorhaben wurden erst nach Jahren oder nie ausgeführt, da sie Planänderungen beim weiteren Ausbau zum Opfer fielen. Der Einzug im dicksten Winterwetter hatte so seine Tücken, alle Teppiche mit Naturfasern hatten gleich beim Einzug nachhaltige Spuren von Schnee- und Schlamm. Natürlich hatten wir als Selfmadespezialisten keine Firma mit dem Umzug beauftragt und transportierten alles selbst mit einem VW-Bus und einem Hänger für den Pkw. Der einzige Vorteil bei einem Umzug im tiefsten Winter bei -20° Celsius bestand darin, dass man den Inhalt der Gefriertruhe einfach in den Schnee stellte und dieser bis zum Abend nicht auftaute. Die Umzugskartons waren säuberlich beschriftet, was viel Zeit gespart hätte, wenn sie gleich im richtigen Raum gelandet wären. Da ich ständig mit dem VW-Bus neue Fuhren Hausrat brachte, konnten die Männer schon mal die Küche aufbauen, welche wir bereits vom Vormieter übernommen hatten und die nur übergangsweise ins neue Haus eingebaut werden sollte. Letztendlich stand sie dann doch noch 27 Jahre, bis sie sich fast von selbst in Wohlgefallen auflöste.

Nachdem ich mir dreißig Jahre dieses orangefarbene Monstrum angeschaut hatte, kam nur noch eine Küche in cremeweiß, mattiert für mich in Frage. Nach endlosen Diskussionen und dem Hinweis, dass ich der einzige Koch im Haus war, bekam ich sie dann auch mit Ende vierzig, als unser Haushalt schon auf zwei Personen plus Hund zusammengeschrumpft war.

Unser Krabbelkind sollte den Umzugstag bei der Oma verbringen, verweigerte jedoch eisern die Nahrungsaufnahme, was bei seiner kräftigen Physiognomie mit drei Speckrollen am Bein allerdings nicht so tragisch war. Einen regelrechten Schock erlitt der kleine Kerl, als er auf einem offenen Hänger sein Bett vorüber fahren sah, was er mit drastischen Worten dokumentierte. Ganz der Familientradition entsprechend konnte er bereits früh perfekt sprechen, laufen interessierte ihn jedoch weniger. Er ließ sich von seiner zierlichen Mama schleppen, solange es irgend möglich war.

Da die Bausubstanz keine Möglichkeit zum Austrocknen hatte, war es in den ersten Wochen sehr feucht, das Kondenswasser tropfte nur so von den Fensterscheiben, die Heizkosten waren immens und bereits nach kurzer Zeit hatten alle einen heftigen Husten. Doch endlich im eigenen Haus zu wohnen, baden und duschen zu können wann man wollte, verbreitete zumindest kurzzeitig eine gewisse Euphorie gepaart mit totaler Erschöpfung nach diesem Blitzbau, welche jedoch nicht lange anhielt. Denn allzu bald wurde es Frühling und der Heimwerkervirus brach zum ersten Mal aus.

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