Читать книгу Mei Ruah möcht i'ham - Heidi Dietzel - Страница 10
Wie Karl Valentin das Schützenfest 1927 erlebte
ОглавлениеKaum war der Kanonendonner des 30jährigen Krieges verhallt, begann die Schießerei von neuem. Diesmal auf der Theresienwiese. Die Nachbarschaft der Theresienwiese, also des Bavariarings, hatte sich schon sehr oft beschwert über den furchtbaren Lärm des Oktoberfestes. Nun kam gleich gar das Schützenfest mit der unaufhörlichen Knallerei. Unser Magistrat hatte aber vorgesorgt und hatte um das ganze Schützenfest eine endlose Bretterwand geschlungen. Aber das Krachen der Büchsen klang trotzdem nach außen. Die Bretterwand war mindestens 35 Zentimeter zu nieder, oder die Schützen hätten leiser schießen müssen, eventuell mit Gummikügerl und Brausepulver. Das heurige Schützenfest wollte man eigentlich auf neunzehnhundert28 verschieben, wurde aber auf allgemeinen Wunsch, in diesem Jahre abgehalten. Manche Tage wurde miserabel geschossen, was bei dem föhnartigen Wetter nicht überraschte, da jede abgeschossene Kugel vom Winde, wenn auch ganz minimal, doch etwas verweht wurde. Insgesamt wurde den Schützen der bittere Vorwurf gemacht, daß sich dieselben bei ihrer Ankunft in München, wie immer, zuerst nach dem Bierpreis, dann erst nach dem Pulverpreis erkundigten. – Ein Probeschießen wurde von der Festleitung unbedingt vorgeschlagen, ein Probesaufen dagegen fand man für vollständig überflüssig. Die Schützerei ist eine uralte Erfindung und stammt aus dem grauen Alterdumm. 89 000 Jahre vor Christi muß es schon Schützen gegeben haben, besonders in München, denn der Name Schützenstraße läßt unbedingt darauf schließen.
Von dem letzten Schützenzug im Jahre 18hundertweißichnichtmehrgenau, ist mir folgendes noch in Erinnerung. Ich und wir standen auf dem Marienplatz, ich war ein damaliger Knabe von ungefährlich 15 Jahren, und da mein Vater ein kleiner dicker Mann war und nicht über die Menschenmauer hinüber sah, nahm ich ihn auf meine Schulter und er sah nun bequem den fast dreistündigen Schützenfestzug an uns vorbeiziehen. Am Anfange des Zuges kamen zwei berittene Schutzengel zu Pferde (oder Schutzmänner, was man durch den lauten Lärm nicht gut sehen konnte), dann kam der Tölzer Schützenmarsch ebenfalls zu Pferde, dann Tausende von Schützen und zuletzt der Schützenkönig, dieser hatte einen großen schwarzen Schnurrbart und ebenso viele Orden, aus Gold und Silber, die alle an einer Schützenkönigkette hingen und im Winde lustig umherflattern wollten. Alle Menschen und Frauen schrien aus Leibeskräften »Glück auf«. Plötzlich verdunkelte sich das Firmament und der Himmel; und ein strömender Regen plätscherte hernieder. Die Schützen, die leider statt Regenschirme ihre Gewehre bei sich hatten, flüchteten bis auf die Haut durchnäßt, in die Häuser der Stadt und vom ganzen Schützenzug war in einigen Minuten nichts mehr zu sehen, als die leere Straße. Die ganzen Menschenmassen stuben auseinander und gingen nach Hause. Auch ich. – Als ich heimkam, erschrak meine Mutter furchtbar, sie glaubte ich sei übergeschnappt, denn in der Panik hatte ich ganz darauf vergessen, daß mein Vater noch immer auf meinen Schultern saß. Ich hub ihn herunter und alles war wieder gut. Genau dasselbe passierte mir bei dem heurigen Schützenfest – – nicht mehr. Nach Aussagen blödsinniger Schützenfestzuschauer soll der heurige Schützenzug mit dem heurigen deutschen Bundesschießen wenig Ähnlichkeit gehabt haben, denn die Dekoration des Festplatzes soll fast 300 Goldmark betragen haben, eventuell auch mehr. Vielen Münchnern ist es ein Rätsel, daß man das Schützenfest, und die Ausstellung zugleich und direkt nebeneinander abgehalten hat. – Auf Anfrage wurde uns von dem Komitee darüber mitgeteilt, daß das von vornherein so beabsichtigt war, weil nach Beendigung des Schützenfestes das Defizit in der Ausstellung ausgestellt wird.
Und wer war an dem Defizit schuld? Nur das nasse Regenwetter und die schlechte Witterung. – Nun ist das Schützenfest vorüber, – vorbei, – es ist gewesen, – es ist nicht mehr, – es war erst kürzlich, – oder wie man sich hierüber ausdrücken mag. Die Vorbereitungen für das nächste Schützenfest sind bereits schon wieder in vollem Gange. Nach den jetzigen Voraussagen des amtlichen Wetterberichtes werden wir zum nächsten Schützenfest in München 1940 besseres Wetter bekommen, wenigstens die ersten Tage, die letzten acht Tage sollen wieder teilweise bewölkt und mit gewitterartigen Niederschlägen umsäumt sein. –