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6. Kapitel

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Als Edgar und Elena Sarahs Wohnung betraten, trauten beide ihren Augen nicht. Die komplette Wohnung war auf den Kopf gestellt. Auf dem Boden lagen überall Papiere, Klamotten und diverser Kleinkram verstreut. Jemand musste nach Elenas Besuch hier gewesen sein und etwas gesucht haben. Sarah konnte es wohl kaum gewesen sein. Wieso sollte sie ihre Wohnung selbst so verwüsten? Sie kannte sich hier schließlich aus. Und Elena? In ihren Augen sah Edgar, wie geschockt sie bei diesem Anblick war. Ihr liefen sogar die Tränen aus den Augen. Demnach war auszuschließen, dass sie dahinter steckte. Es sei denn, sie war eine ausgezeichnete Schauspielerin und machte dem Detektiv nur was vor, um etwas zu vertuschen. Obwohl Edgar grundsätzlich misstrauisch war und jedem erst mal alles zutraute, konnte er nicht glauben, dass sie eine so gute Schauspielerin war. Warum hätte sie das auch tun sollen? Das machte überhaupt keinen Sinn.

»Hier kann ich wohl nicht bleiben, wenn Flo mich raus wirft! Wo soll ich jetzt hin?«, sagte sie leise, während ihr immer mehr Tränen die Wangen hinunter kullerten.

Sie tat Edgar wahnsinnig leid. Er machte allerdings keine Anstalten, es ihr zu zeigen. Stattdessen wollte er sich lieber auf die Wohnung konzentrieren und sagte im professionellen Ton: »Keine Sorge! Wir finden schon eine Lösung!«

Danach wühlte er in den Papieren. Er wusste, dass er hier nichts mehr finden würde. Wer auch immer hier gewesen war, hatte bestimmt gefunden, was er suchte. Dennoch sah er sich weiter in der Wohnung um und achtete auf jedes noch so kleine Detail.

Er lief ins Schlafzimmer und wurde kurz darauf fündig, während Elena noch immer starr im Flur stand.

Unter dem Bett befand sich eine lose Diele. Sie war ihm aufgefallen, da ihre Farbe nicht exakt zu den anderen passte. Edgar entfernte sie und fand darunter einen Stapel Papiere. Bevor Elena seinen Fund bemerken konnte, steckte er die Papiere schnell in die Innentasche seiner Jacke und setzte das Brett wieder ein. Später, wenn Elena nicht dabei sein würde, wollte er sich die Unterlagen in aller Ruhe anschauen. Obwohl Elena seine Auftraggeberin war, wusste er nicht so recht, ob er ihr trauen konnte. Sie war ihm zwar sympathisch, dennoch fand er alles merkwürdig. Erst war Bauer Wolfs Mandant, und nachdem dieser Fall abgeschlossen war, tauchte plötzlich Bauers Frau auf. Zudem wusste sie von Edgars Beschattung. Natürlich war es offensichtlich, dass er für den Anwalt arbeitete, wenn dieser aus der Detektivwohnung kommt. Doch es hätte ebenso um eine andere Sache gehen können.

Gerade als er fertig war und sich auf das Bett setzte, betrat Elena das Schlafzimmer. Sie nahm neben ihm Platz. Beide starrten wortlos auf das Bild an der Wand, auf dem Sarah und Elena zu sehen waren. Nach einigen Minuten des Schweigens stand Edgar auf und sagte: »Lassen Sie uns hier verschwinden!«

***

Elena zögerte, einerseits fühlte sie sich unwohl in der Wohnung ihrer besten Freundin, nachdem hier eingebrochen wurde. Andererseits wollte sie nicht nach Hause. Florian müsste um diese Zeit zwar im Büro sein, aber was wäre, wenn er zu Hause auf sie wartete, um sie zu erniedrigen. Sie wusste, dass sie nun rausfliegen würde. Dafür kannte sie ihren Mann zu gut. Er hatte nur auf so eine Gelegenheit gewartet, seine Frau endlich loszuwerden. Ihre Ehe war schon lange nicht mehr so, wie eine Ehe sein sollte. Sie lebten einfach aneinander vorbei. Jeder, der beiden machte sein eigenes Ding. Früher oder später musste es so weit kommen. Elena verstand nur nicht, warum ihr Mann sie unbedingt auf frischer Tat mit ihrem Liebhaber erwischen wollte. Schließlich hatte er sich vor ihrer Hochzeit durchgesetzt, einen Ehevertrag zu machen. Er hätte sich also jederzeit von ihr scheiden lassen können, ohne dass sie nur einen Cent von seinem Vermögen sehen würde. Da musste ein anderer Grund dahinterstecken. Doch Elena hatte im Augenblick einfach keine Lust darüber nachzudenken. Genauso wenig wollte sie sich demütigen und rauswerfen lassen. Zumal ihr Gatte nicht einen Deut besser war. Er hatte schon seit zwei Jahren eine Affäre mit seiner Sekretärin. Elena hatte damals sofort eine Veränderung an ihm bemerkt. Als sie Lippenstift an seinem Hemdkragen fand und Florian zum Telefonieren mit seiner Sekretärin den Raum verließ, war ihr klar, zwischen den beiden lief etwas.

Anfangs war sie sehr verletzt und konnte nicht verstehen, wie ihr Mann, ihr das antun konnte. Mit der Zeit ließ der Schmerz nach und Elena entdeckte, dass es auch noch andere Männer gab. Männer, die ihr viel Aufmerksamkeit schenkten und sie nicht als selbstverständlich ansahen. Eben so, wie es am Anfang in jeder Partnerschaft ist, wenn man frisch ineinander verliebt ist. So war es mit Florian zu Beginn ihrer Beziehung ebenfalls. Genau deshalb wollte sie keine neue Liebesbeziehung mehr haben. Irgendwann würde es ihr mit jedem anderen Mann genauso gehen, wie mit Bauer in den letzten zwei Jahren. Darauf konnte sie gut verzichten.

Eigentlich wollte sie einfach nur ein bisschen Spaß und Aufmerksamkeit haben. Genau genommen alles das, was sie zu Hause nicht mehr hatte. Eine Trennung von Florian kam für sie im Prinzip nie infrage. Nun sollte es aber doch so kommen.

»Wo wollen Sie hin?«, fragte sie leise.

»Erst mal hier raus! Dann fahre ich Sie nach Hause, damit Sie sich ein paar Klamotten holen können. Anschließend bringe ich Sie in ein Hotel oder zu einer Freundin«, antwortete Edgar.

»Und wenn mein Mann zu Hause ist? Was ist dann? Außerdem weiß ich nicht, wo ich hin soll. Für ein Hotel habe ich kein Geld. Da wäre ich nach ein paar Tagen komplett pleite. Flo wird mir die Kreditkarten bereits gesperrt haben. Außer Sarah habe ich hier keine Freundin. Meine Eltern wohnen in der Ukraine. Um dorthin zu kommen, fehlt mir das nötige Kleingeld. Ich weiß noch nicht mal, wie ich Sie jetzt bezahlen soll, damit Sie Sarah finden.«

Elena flunkerte ein wenig, damit sie ihre letzten achthundert Euro nicht schon nach ein paar Stunden ausgeben musste. Sie wusste, wie dringend sie einen Job brauchte, damit sie überhaupt einigermaßen über die Runden kommen konnte. Sie hoffte darauf, dass sie vielleicht ein paar Tage bei dem gut aussehenden Detektiv unterkommen könnte.

»Wie gesagt, erst mal holen wir ein paar Sachen für Sie und dann sehen wir weiter. Also kommen Sie schon!«

Sie verließen die Wohnung und gingen zu Edgars Wagen, stiegen ein und fuhren los.

***

Während der Fahrt überlegte Edgar, was er nun mit der zierlichen Frau neben sich anstellen sollte. Mit zu sich nach Hause nehmen, wollte er sie nicht unbedingt. Dafür kannte er sie zu wenig. Außerdem wusste er noch nicht mal, ob er den Auftrag erfüllen wollte, wenn Elena ihn nicht bezahlen konnte. Nur schien er keine andere Wahl zu haben. Und nachdem Edgar die Wohnung von Sarah gesehen hatte, konnte er seine neue Klientin auf keinen Fall dort lassen. Es interessierte ihn auch, wohin die junge Frau verschwunden war. Irgendetwas war faul an der Sache, schließlich durchwühlte niemand grundlos eine Wohnung. Vielleicht wäre es der erste spannende Auftrag in Edgars Karriere als Privatdetektiv. Das konnte er sich nicht entgehen lassen. Einen Haken gab es überall, jedenfalls meistens. In diesem Fall war der Haken eben, dass Edgar keinen Cent für seine Ermittlungen bekam. Im Moment hatte er sowieso keinen anderen Auftrag. Sollte etwas Lukratives hereinkommen, konnte er sich immer noch überlegen, ob er Elenas Fall weiterverfolgen wollte.

Der Vertrauensbruch

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