Читать книгу Hilja und der Weihnachtszauber (Bd. 3) - Heidi Viherjuuri - Страница 3
Kapitel 2 Keinen Fisch, bitte
ОглавлениеAm vierten Dezember ist in dem Bildkalender von den Pfadfindern ein Schneemann hinter dem Türchen, aber unser Garten draußen ist grau, und es rieselt nicht einmal eine einsame Schneeflocke vom Himmel. Nur die Bäume bibbern im kalten Wind.
Auch Mama ist schon genervt, weil der Herbst sich so lange hinzieht und sie so oft die Fußböden wischen muss. Der Dreck will einfach nicht vor der Tür bleiben, auch wenn man ihn noch so oft ermahnt.
Heute ist Mama allerdings gar nicht genervt, denn Papa und Mama haben eine Pärchen-Verabredung.
»Wenn ich groß bin, ziehe ich zur Verabredung ein glitzerndes Abendkleid an«, sagt Taimi mit verträumtem Gesicht und bewundert sich selbst im Flurspiegel.
Mama zieht einfach eine Jacke über ihren Pulli und legt sich einen langen Schal um den Hals.
»In der Ehe braucht man keine Abendkleider«, sagt sie knapp.
»Von mir aus kannst du dich jeden Tag in Schale werfen«, sagt Papa schnell. »Ich hab nichts dagegen.«
»Ach, danke«, sagt Mama und lacht.
»Bei meiner Verabredung will ich Fallschirm springen«, verkünde ich. »Oder Bungee-Jumping machen.«
»Na, ihr habt ja Pläne«, sagt Papa lächelnd.
Da klingelt es, und wir lassen die Regenmantel-Omi rein, die uns bespaßen soll, während Mama und Papa irgendwo knutschen und Aino beim Training ist.
»Vergiss deine Hausaufgaben nicht, Hilja«, sagt Mama und wendet sich dann an die Regenmantel-Omi: »Im Kühlschrank sind Pfannkuchen für zwischendurch.«
»Jetzt geht endlich«, sage ich und schiebe Mama und Papa Richtung Haustür.
»Bis später!«, rufen die beiden.
Dann setzen sie sich ins Auto und fahren los. Wir winken noch, bis der kalte Wind uns wieder nach drinnen treibt.
»Was wollen wir machen?«, fragt die Regenmantel-Omi.
»Lasst uns Eisbären spielen!«, schlage ich vor.
Wir verwandeln das Wohnzimmer in den Nordpol. Unter dem Couchtisch ist das Bärennest. Der Fußboden ist das Eismeer, und man darf nicht darauftreten, sonst geht man unter. Taimi verteilt im Meer kleine Fische aus Holz, die wir mit magnetischen Angelruten fangen. Die Eisbären toben auf dem Teppich, spielen Verstecken und wollen, dass die Regenmantel-Omi sie sucht.
Aino hat mal erzählt, dass die Eisschollen schmelzen und die Eisbären deswegen bald kein Zuhause mehr haben. Auch die Eisbären Taimi und Hilja müssen sich jetzt ein neues Zuhause suchen, in dem es genug zu essen gibt und wo es richtig schön kalt ist.
Auf allen vieren erkunden sie das ganze Erdgeschoss und schnüffeln in allen Ecken, bis sie den Weg zur Regenmantel-Omi in die Küche finden.
»Jetzt wollen die Eisbären was essen«, verkünde ich.
»Aber keinen Fisch, bitte«, sagt Taimi.
Mamas Pfannkuchen schmecken den Eisbären. Sie essen viele, denn bis zum Abendessen ist es noch lange hin.
»Wenn wir doch Schnee hätten«, sage ich verträumt.
»Der erste Schnee lässt dieses Jahr wirklich auf sich warten«, stellt auch die Regenmantel-Omi fest.
»Wir könnten einen Schneemann bauen«, schwärmt Taimi.
»Oder zum Rodelberg gehen«, rufe ich.
»Zum Rodeln braucht man keinen Schnee«, sagt die Regenmantel-Omi spitzbübisch, und ich ahne, dass gleich etwas Lustiges passiert.
Die Regenmantel-Omi legt unsere Treppe mit Matratzen aus und fragt mich, was wir als Schlitten nehmen könnten. Ich renne ins Kinderzimmer, kippe die Bausteine auf den Boden und nehme die leere rote Kiste mit.
»Die mutige Hilja ist wie immer bereit zur Probefahrt«, verkünde ich laut und springe in die Kiste. Da ruft die Regenmantel-Omi mir zu:
»Kissen auf den Schoß und Eishockeyhelm auf den Hitzkopf!«
»Drei, zwei, eins, JETZT!«, zähle ich und rodle los.
Die Kiste schlittert über die Matratzen, bis sie in einem Kissenhaufen vor der Haustür zum Stehen kommt.
Taimi quiekt oben an der Treppe vor Aufregung und wartet ungeduldig, dass sie endlich dran ist. Mit meiner kleinen Schwester als Pilotin fliegt die Kiste geradezu den Berg herunter. Danach versuchen wir, zusammen zu rodeln, aber das funktioniert nicht, denn unsere Füße baumeln aus der Kiste heraus und bleiben an den Matratzen hängen. Wir kippen die Kiste einfach um und lassen uns kichernd den Berg herunterrollen.
Auch die Regenmantel-Omi will es einmal probieren. Sie zieht sich die Haarnadeln heraus, denn ihr Dutt passt nicht unter den Helm. Dann quetscht sie sich in den Schlitten, und Taimi und ich geben ihr Schwung.
Leider kommt genau in diesem Moment Aino nach Hause. Die Haustür, die eben noch mit den Kissen davor unsere Bremse war, öffnet sich, und die Regenmantel-Omi rauscht mitsamt der roten Kiste an der verblüfften Aino vorbei und durch die Tür nach draußen.
»Aaah!«, kreischt Aino.
»Huiiii«, ruft die Omi. Ihre grauen Locken flattern unter dem Helm im Fahrtwind.
Sie fliegt die Außentreppe hinunter und landet mit einem Klatscher mitten auf dem nassen Rasen. Taimi und ich rennen hinterher, um nach ihr zu sehen.
»Alles gut!«, ruft die Regenmantel-Omi. »Nur die Kiste ist wohl ein bisschen dreckig geworden.«
Aino möchte nicht rodeln, also verwandeln wir unseren Berg wieder in eine normale Treppe. Die Omi wischt den Schmutz von der Kiste, und ich stelle sie wieder an ihren Platz im Kinderzimmer. Sie wird ja wohl hoffentlich nichts von unseren Abenteuern verraten.
Als Mama uns ins Bett bringt, frage ich sie, was wir tun können, damit es den Eisbären nicht schlecht geht.
»Warum denkst du denn darüber nach?«, wundert sich Mama.
»Weil wir Menschen daran schuld sind, dass die Eisbären ihr Zuhause verlieren«, sage ich.
Mein Kummer lässt die Denkfalte zwischen Mamas Augenbrauen tiefer werden.
»Tja«, sagt Mama, »das stimmt.« Dann zählt sie auf: »Wir können schon was tun. Wir recyceln zum Beispiel und kaufen viele Dinge gebraucht, und ich will demnächst ganz auf Fleisch verzichten.«
»Das findet Papa bestimmt nicht gut«, gebe ich zu bedenken.
»Ich will auch weiter Würstchen essen«, sagt Taimi im Bett unter mir.
Mama stopft meinen Affen Moses unter meine Decke und streichelt mir über den Kopf.
»Würde es dir gefallen, wenn wir Mitglied in einer Naturschutzorganisation werden?«, fragt sie.
»Ja«, sage ich.
»Gut«, sagt Mama lächelnd und drückt mir einen dicken Gutenachtkuss auf die Wange. »Dann machen wir das. Und jetzt schlaft schön.«
Nachdem Mama das Licht im Kinderzimmer ausgeknipst hat, zähle ich langsam bis zehn und dann das Ganze noch einmal rückwärts. Dann mache ich unter der Bettdecke die Taschenlampe an und öffne mein Notizbuch. Auf dem Umschlag steht HILJAS GEHEIME WEIHNACHTSNOTIZEN. Ich schreibe den ersten Eintrag:
1 Man kann auch ohne Schnee rodeln.
2 Papa und Mama würden das nicht gut finden, wenn sie es wüssten.
3 Ich habe noch nicht angefangen, nach dem Weihnachtszauber zu suchen.
4 Gleich morgen fange ich damit an.