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Ein Selbsttest zum eigenen Führungsverhalten

Weil gute Führung einen hohen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeitenden hat, muss auch Burnoutprophylaxe Chefsache sein. Gesundheitsförderung zählt zu den zentralen Führungsaufgaben.

Diese gesunde Führungsarbeit fängt bei den Führungskräften selbst an. Daher steht ein kurzer Selbsttest zum eigenen Führungsverständnis am Anfang.1

Stimmen Sie folgenden Aussagen zu?

1. Wenn ich über meine Arbeit nachdenke, entsteht in mir ein angenehmes und zufriedenes Gefühl, weil ich spüre, dass sie mich erfüllt.

2. Ich habe genug freie Zeit und weiß auch, in meiner Freizeit etwas mit mir anzufangen.

3. Nach Feierabend fühle ich mich müde, bin aber weder ausgepowert noch gereizt oder leer.

4. Ich bin sicher, dass es allen meinen Mitarbeitenden genauso geht.

Können Sie zu allen Punkten beherzt ja sagen?

Dann wird Ihnen dieses Buch nur weiter Selbstvergewisserung bringen und vielleicht die ein oder andere Anregung zur gesunden Führung. Sie wissen bereits viel darüber, wie Sie sich selbst und andere gesund führen. Sie können in diesem Fall die Kästen im Buch für eine vertiefte Selbstreflexion nutzen.

Aus meiner Praxis als Therapeutin und Coach weiß ich allerdings, dass viele Führungskräfte diese Fragen nicht so eindeutig mit Ja beantworten können. Sie kennen Tage voller Stress und Nächte ohne Schlaf. Sie erzählen im Coaching, wie sie kaum herauskommen aus dem Grübeln über den Sinn und Unsinn, manchmal sogar den alltäglichen Wahnsinn bei der Arbeit, berichten über Konflikte im Team, in der Familie oder mit dem eigenen Chef.

Besonders frustrierend und mitunter schmerzlich sind solche Erfahrungen, wenn Menschen im kirchlichen oder karitativen Kontext arbeiten. Führungskräfte in Kirche und Diakonie, ganz gleich ob sie im Landeskirchenamt, im Kirchenkreis oder in der Gemeinde Führungsaufgaben wahrnehmen, erleben es als besonders bedrückend, wenn der eigene Anspruch an die Arbeit und die Wirklichkeit des täglichen Erlebens weit auseinanderklaffen.

Gerade weil sich derzeit in kirchlichen Bezügen die Arbeit immer weiter verdichtet und sich die Gestaltungsspielräume aufgrund einer sich zunehmend verstärkenden Finanz- und vor allem Relevanzkrise scheinbar verringern, ist es notwendig, das Augenmerk auf die Gesundheitserhaltung aller Mitarbeitenden zu lenken. Auf organisatorischer Ebene lauten die zentralen Fragen deshalb:

π Wie können kirchliche und diakonische Führungskräfte auf die anstehenden Veränderungen reagieren?

π Wie kann Führung gelingen, so dass Leistungsorientierung, Selbstsorge und Fürsorge Hand in Hand gehen?

Im folgenden Kapitel des Buches wird das Modell der Salutogenese als Leitidee der Burnout-Prophylaxe vorgestellt. Hier wird auch erläutert, wie Gesundheit/Prävention und Führung zueinander in Beziehung stehen. Burnout hat sowohl individuelle als auch strukturelle Ursachen. Daher ist es wichtig zu unterscheiden, was der einzelne Mitarbeitende selbstverantwortlich für sich und seine Gesundheit tun kann und an welchen Punkten der Anstellungsträger für gesunde Arbeitsbedingungen zu sorgen hat.

Hinter der Diagnose Burnout verbirgt sich nicht selten eine manifeste Depression. Das wäre nicht weiter tragisch, wenn Burnout und Depression nicht einander widersprechende Behandlungsstrategien bedürften. Daher werden im ersten Kapitel des zweiten Teils die Unterschiede herausgearbeitet, so dass Führungskräfte kompetenter und sicherer mit Verdachtsdiagnosen umgehen können.

Viele kirchliche und diakonische Organisationen beschäftigen sich zurzeit mit zahlreichen Veränderungen. Da sind zu große Herausforderungen zu bewältigen. Im zweiten Kapitel des zweiten Teils wird dargestellt, wie Veränderungsprozesse salutogen gestaltet werden können, damit sie von den Betroffenen als verstehbar, beeinflussbar und sinngebunden erlebt werden. Dazu gehört auch eine ausreichende Beachtung der Veränderungsemotionen Angst und Trauer.

Das dritte Kapitel des zweiten Buchteils zeigt auf, wie gesunde Führung, gelingen kann. Die Grundthese ist, dass es in Kirche und Diakonie zwar eine hohe Wahrnehmungs-, aber eine geringere Handlungskompetenz gibt. Weil jede Führungskraft in der Regel auch einen Chef hat, also zugleich „Führer“ und „Geführter“ ist, wissen die meisten Vorgesetzten aus eigner Erfahrung, welcher Führungsstil eher Burnout und welcher eher Gesundheit fördert. Allerdings führt dieses Wissen erstaunlich selten zu einer Veränderung des eigenen Führungsverhaltens. Gesunde Führung ist vor allem Beziehungsmanagement. Es bedeutet, sich mit unterschiedlichen Charakteren zu befassen. Und es bedarf der Auseinandersetzung mit starken und schwachen Persönlichkeiten und mit sich zum Teil widersprechenden Interessensgruppen. Daher gibt es gesunde Führung nicht von der Stange, sondern nur als Maßanfertigung. Jeder Mitarbeitende möchte im jeweiligen Arbeitskontext als Individuum gesehen und angeleitet werden. Das Kapitel zeigt, was kirchliche und soziale Organisationen in Bezug auf eine gesunde Führungskultur von der Wirtschaft lernen können.

Teil drei beschäftigt sich mit der Vorbildfunktion der Führungskraft und der Sorge um die eigene Life-Balance. Es wird nicht von Work-Life-, sondern von Life-Balance gesprochen, weil Arbeitszeit auch Lebenszeit ist. Nur wenn eine Führungskraft selbst nicht kontinuierlich über die eigenen Grenzen geht, sondern auf die eigene Salutogenese achtet, kann sie glaubhaft für Burnout-Prophylaxe einstehen. Je achtsamer Führungskräfte mit sich selber sind, desto achtsamer sind sie auch mit den Mitarbeitenden und die Mitarbeitenden mit den Vorgesetzten und untereinander. Das ist ein sich selbstverstärkender Prozess.

Das letzte Kapitel fragt, welche kirchenpolitischen Konsequenzen zu ziehen sind, wenn Salutogenese als Führungsaufgabe verstanden wird. Acht Maßnahmen werden benannt, die einen Kulturwandel einleiten und helfen, Gesundheit zu erhalten und Burnout wirksam vorzubeugen. Wer gern gesund führt und leitet, schafft – wie der Führungsexperte Pinnow nachhaltig fordert – eine Welt, der andere gerne angehören möchten.2 Arbeit soll und muss zur persönlichen Zufriedenheit führen. Das ist gelebte Burnout-Prophylaxe.

In diesem Buch verknüpfe ich theoretische Grundlagen mit meiner Erfahrung aus Coaching, Supervision und berufsbezogener Beratung. Anhand der Lebensgeschichten und Führungsbiographien meiner Klienten versuche ich aufzuzeigen, dass und wie gesunde Führung gelingen kann.

Die Begebenheiten, die ich zur Veranschaulichung erzähle und die zur besseren Lesbarkeit kursiv gesetzt sind, habe ich so oder so ähnlich erlebt. Sie beruhen auf echten Begegnungen mit echten Menschen in realen Organisationen, sind aber so stark verfremdet, dass kein Klient, kein Team, keine Supervisionsgruppe, keine Führungskraft befürchten muss, mit seiner oder ihrer Geschichte in diesem Buch vorzukommen.

Ich danke alle Coachees und Supervisanden, denn mit und von ihnen habe ich gelernt, wie gesunde Führung helfen kann, Burnout vorzubeugen.

1 Vgl. Burisch, Matthias, Burnout vorbeugen. Wege zur gesunden Arbeit, Hamburg 2012, S. 5.

2 Vgl. Pinnow, Daniel F., Führen. Worauf es wirklich ankommt, Wiesbaden 2012, S. 149.

Burnoutvorsorge ist Chefsache

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