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Zwei

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Die beiden Kammern über dem ehemaligen Stall waren früher Teil einer alten Scheune gewesen. Damals beheimatete sie Heuballen und allerlei Werkzeug für die schwere Feldarbeit.

Die Scheune lag etwas abseits des eigentlichen Bauernhauses. Manchmal war dies ein Vorteil, wenn es darum ging, einen einsameren Rückzugsort genießen zu können. Im Winter hatte der ein oder andere Bauer die entlegene Scheune allerdings schon öfter verflucht. Der Weg durch die bitterkalte Landschaft vom Haupthaus hin zur Scheune und dann wieder zurück zu den Stallungen war zu dieser Jahreszeit alles andere als ein Zuckerschlecken.

Doch das war lange her. Dennoch schienen sich besonders die Wände dieser Räume oder vielmehr der alten Scheune ein historisches Gedächtnis bewahrt zu haben. Dieses öffnete sich jedem Gast, der der ganzen Intensität seiner inneren Gefühlswelt vertrauten wollte. Viele Feriengäste kamen an diesem Ort, um sich eine Auszeit von ihrem Alltag zu gönnen. Zeit, um Neues auszuprobieren, wie das Ski fahren lernen, die Nähe zu Natur aufzufrischen oder aber auch das Einlassen auf neue Kulturen und fremde Geschichten.

Friedrich Hänssler schaute sich in seiner neuen Behausung um. Für eine Woche hatte er sich hier in diesem kleinen Bergdorf ein-gemietet. Er wollte aus tiefstem Herzen heraus, seine Vergangenheit hinter sich lassen. Dies wäre womöglich der richtige Ort dazu. Wenn er nicht seinem väterlichen Freund ein Versprechen gegeben hätte.

***

Die Tage in den Südtiroler Bergen waren kurz. Kein Wunder für diese Zeit im Jahr, dachte sich Friedrich. Mit Mitte November lag der Großteil des Jahres 1981 bereits hinter ihnen. Dämmerung kletterte früh die Täler entlang. Schnee lag in der Luft.

Diese beiden Kammern zu bekommen, war zu dieser Jahreszeit keine Selbstverständlichkeit. Die Saison war vorbei. Die meisten Wirte hatten ihre Fremdenzimmer längst eingemottet. Diese warteten auf die Erweckung aus ihrem Dornröschenschlaf im nächsten Frühjahr. Weiter unten im Tal nahm der ein oder andere Gastwirt noch die anstehenden Tage rund um Weihnachten mit ins Geschäft. Ein paar Touristen gab es immer. Doch hier oben bereiten sich die Menschen auf die dunklen, kalten und erbarmungslosen Wintertage vor, die so gar nichts Romantisches an sich hatten, wenn man hier dauerhaft lebte. Die Täler in der Nachbarschaft verfügten im Gegensatz zu dieser Gegend hier über moderne Skipisten. Sie konnten so die Touristen bis ins nächste Frühjahr in den einzelnen Dörfern halten.

So stand er da in seiner Unterkunft, mitten in den Bergen. Friedrich Hänssler sah sich um. Ein Bett mit Blümchenmusterdecke. Der röhrende Hirsch als Bild darüber durfte nicht fehlen. Die Glühbirne flackerte. Wahrscheinlich würde sie beim nächsten Einschalten für immer verlöschen. Der Heizkörper gluckste und knackte. Noch war es kalt. Eisige Luft füllte Friedrichs Lungen.

Mit jedem Blick intensivierten und schärften sich seine Sinne. Er tauchte tiefer in seine Umgebung ein. Die Welt da draußen blendete er aus. Sein Unterbewusstsein zog ihn immer tiefer in diese auf zwei Zimmer begrenzte Welt. Die Wände schienen sich zu bewegen. Ob sie ihn erdrücken wollten?

Fast war es so, als ob aus der Ferne eine Stimme zu hören glaubte. Eher ein Flüstern und Wispern. Klare Worte konnte er nicht verstehen. Wenn er sich konzentrierte, nahm er Kuhglocken und Vogelgezwitscher wahr. Dazu der Wind in klappernden Fensterläden.

Friedrich schloss seine Augen. Weitere Eindrücke drängten sich ihm auf. Er roch frisches Heu und altes modriges Holz. Das wiederum mischte sich mit dem Geruch von getrockneten Kräutern, feuchter Erde und – Friedrich stutzte etwas – Alkohol. Doch da war noch ein anderes Aroma - etwas Metallisches. Heugabeln? Sensen? Der Geruch zog ihn magisch in seinen Bann. Ohne zu wissen warum, wollte er ihn ergründen.

Gleichzeitig beschlich ihn das Gefühl, die Tore zu etwas Dunklem und Bedrohlichem aufgestoßen zu haben. Der Geruch nach Metall hatte seinen Ursprung nicht in den diversen Arbeitsgeräten.

Friedrich Hänssler roch Blut.

Schlagartig wurde ihm klar, die Geschichte, die diese Kammern zu berichten hatte, war keine Gute.

Friedrich schaute sich noch einmal um. Die beiden Kammern wirkten frisch renoviert. Es gab nichts, was auch nur annähernd nach Blut riechen konnte. Friedrich schüttelte den Kopf und wunderte sich um seine eigenen Wahrnehmungen. Muss wohl der Stress der letzten Wochen sein.

Er runzelte die Stirn, der Geruch war verfolgen, das dunkle Gefühl blieb.

Die beiden Kammern

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