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das Leben die Liebe die Welt
Оглавлениеdas Leben
die Liebe
die Welt
Anthologie des
Literarischen Arbeitskreises
Dorsten
DAS LEBEN DIE LIEBE
DIE WELT
HERAUSGEGEBEN VON HEIKE WENIG
LITERARISCHER ARBEITSKREIS DORSTEN
Lektorat: Sabina Eisenberg-Radomski, Ludger Felix Kolbe, Hermann Kuhl, Ingrid Schröder-Mross, Heike Wenig, Sylvia Wenig
HW-VERLAG DORSTEN
1.Auflage 2015
Titel: Corinna Klingler
Umschlaggestaltung: Sabina Eisenberg-Radomski
Titelbild: Ulrich Heßling
HW-Verlag
Wischenstück 32
46286 Dorsten
hw.wenig@t-online.de
Alle Rechte bei den Autoren und dem Verlag
ISBN
Rudolph Kowalleck
Beifang
Als ich Anna meinen Eltern als ihre wahrscheinlich zukünftige Schwiegertochter vorstellte, nahm mich meine Mutter bei passender Gelegenheit beiseite und begann im salbungsvollen Ton einer Priesterin auf mich einzureden.
„Zugegeben, deine Anna ist eine attraktive, junge Frau, aber warum willst Du sie gleich heiraten? Eine Ehe ist doch nichts anderes als eine große Koalition im Kleinen. Dauernd musst Du Kompromisse schließen, die am Ende keine Seite wirklich befriedigen. Es geht halt nicht, dass einer nach Dublin schippern will, der andere nach Sankt Petersburg und am Ende einigt man sich auf Kopenhagen.“
Als Mutter merkte, dass ihre Worte an mir abperlten wie Wassertropfen an einem Dusch-vorhang, folgte zum besseren Verständnis ein plastisches Beispiel: „Stell Dir vor, Ihr wollt euch eine neue Sitzgarnitur anschaffen. Anna möchte die mit dem Stoffbezug, Du jedoch die aus Leder. Was dann? Kauft Ihr von der einen die Sessel und von der anderen das Sofa? Wohl kaum, oder? Einer muss immer den unteren Weg gehen und ich fürchte, mein Sohn, das wirst Du sein.“
Auch dieser Rat drang nicht zu mir in den siebenten Himmel vor. Ich war verliebt, die wahrscheinlich verheerendste Form der geistigen Umnachtung.
Mir war klar, ginge es nach Queen Mum, würde ich den Pfarrer eine Münze werfen lassen, mit ihm Schnick-Schnack-Schnuck spielen oder ganz einfach antworten: „Ach, wissen Sie, Hochwürden, jetzt, wo Sie mich so direkt fragen: Nö, lieber nicht.“
Das hatte ich aber nicht vor. Ich war wild entschlossen, Anna zu heiraten, koste es, was es wolle.
Als meine Mutter das endlich gecheckt hatte, spielte sie ihren letzten Trumpf aus.
„Denke daran, heiratest Du Anna, bekommst Du nicht nur sie, sondern ihre gesamte Familie gleich gratis dazu. Sie werden ihre Probleme zu Deinen machen.“
Dann offenbarte sie eine mir bis dato vollkommen verborgen gebliebene Affinität zur Hochseefischerei und sprach von Beifang, den ich jedoch im Gegensatz zu einem Fischer nicht einfach zurück ins Meer werfen könne.
Was habe ich mit Annas Familie zu tun, dachte ich.
Heute möchte ich an dieser Stelle meiner Mutter posthum den Ehrentitel „WM“ verleihen. Das steht nicht etwa für „Weltmeisterin“, sondern für „weises Mütterlein.“
Ludger Felix-Kolbe
Begegnung
Ein Nilpferd sprach zum Drachen
„Zeig mir mal Deinen Rachen“
Da spie der Drache Feuer
„Du fieses Ungeheuer“
Rief laut dass Pferd vom Nil
„Du rauchst mir viel zu viel“
Der Drache aber heiter
Flog einfach munter weiter
Rudolph Kowalleck
Der Mond latscht durch die Gurken
Der Mond latscht durch die Gurken
er ist traurig und muss weinen
weil irgendwelche Schurken
meinen
dass es nicht er ist
wenn er scheint
dass er der Sonne Licht nur reflektiere
und gar kein eignes mehr produziere
Dies ist kein Grund sich zu besaufen
und hier als Vollmond rumzulaufen
denn viele sind`s die sich mit Wonnen
im Glanze fremder Lichter sonnen
Hans-Joachim Behnen
Rosenstachel
Die Rosenstachel stechen den
der sie für Dornen hält
die Dornenträume sie verwehn
vor Stichen in der Welt
Doch in der Welt weht nicht nur Not
in ihr webt tiefe Lust
auf Dorn und Blut und Rosenrot
und Liebe in der Brust
Nicht wein ich über Stachels Weh
ich atme Blütenwürze
eh ich in Dornen und Rosé
und in die Stacheln stürze
Rudolph Kowalleck
Der Kuhtherapeut
Auf einer Weide in der Nähe von Aurich
stand eine Kuh
und die muhte ganz traurig
ich ging zu ihr hin
zu der traurigen Kuh
und fragte:
Na du, sag wo drückt denn der Schuh?
„Ich komme aus England
und bin so allein
hier verstehen mich weder Bulle noch Schwein
mein Freund dieser Ochse einst ein feuriger Stier
ging zur Insel zurück und blieb nicht bei mir.“
Ich tröste auf Englisch und sage: „Oh, dear!“
Das hat dieses Rindvieh sichtlich erfreut
und sie hat wieder fröhlich wiedergekäut
ich glaub ‘ich werde Kuhtherapeut
helfe den Rindern mit Rat und mit Tat
ein Cowboy der besonderen Art
Anke Völkel
Ist blau modern?
An manchen Tagen ist einfach der Wurm drin. Nichts läuft, wie es soll. Und ich schon gar nicht. Aufstehen ist eher ein Aus-Dem-Bett-Quälen. Egal ob jetzt gerade die Sonne scheint. Komisch nur, ich leide meistens diese Pein, wenn ich besonders gut geschlafen habe. Es nutzt nichts, ich will ja meine Procrastination überwinden, meinen inneren Schweinehund besiegen. Also bitte ich erst mal den Eugen, so heißt meine Espressomaschine, um seine Dienste, wenigstens ein Kaffee vorher muss sein. Mit viel Milch. Der fetthaltigen, direkt vom Bauern. Ist eh gesünder als das weiße Tütenwasser.
Selbst der Hund hat keine Lust. Bleibt stumpf liegen. Wie soll ich mich denn da aufraffen? Mit dem Kaffee am Waschbecken putz ich Zähne. Bevor der Minzgeschmack der Zahnpasta mich noch weckt, erst mal einen Schluck Kaffee. BH, immer noch 2 übereinander, wegen der Schwerkraft, dann T-Shirt, Hose. Bin selbst zu faul, zum Schrank zu gehen und eine Jogginghose zu holen. Macht ja nix, die Jeans ist mittlerweile bequem weit geworden. Schnell noch den Schrittzähler am Bund befestigen, noch mal den Hund rufen. Der kommt gähnend um die Ecke und dehnt und streckt sich erst mal genüsslich, um sich dann auf den Rücken zu drehen zwecks Bauchgekraule. Jetzt aber nicht. Jetzt will ich los, es hinter mich bringen. Hab auch nicht groß Lust auf Dehnübungen. Einfach raus, vielleicht kommt ja der Flow und der Tag ist gerettet. Fünf mal hundert Schritte hab ich mir in dieser Woche vorgenommen. Montag klappte das prima. Heute ist ein Tag, der wär besser Montag. Weil ich mich grad so fühl wie ein Montagsauto.
Also Heini an die Leine und los. Erst mal im zügigen Schritt. Könnt ja schon einer wach sein in der Siedlung und die Dicke beim Joggen sehn. Geht gar nicht, kann ich nicht zulassen.
Nach den ersten zügig gegangenen fünfhundert Schritten ist mir schon warm. Noch mal umgucken, keine Häuser mehr in Sicht. Also, Hund ableinen, Körperspannung aufbauen, Arme in den richtigen Winkel und Füßen den Laufbefehl geben.
Wieso hören die nicht zu?
Ist doch mittlerweile automatisiert: Sowie die Körperspannung in Laufhaltung geht, trippeln die Füße los. Im leichten, elfengleichen Joggerschritt. Heute nicht.
Jetzt aber, bei dem Grasbüschel da vorne,
na gut, dann eben 2 Meter später.
Ja!
Geht doch.
Nicht aus dem Takt kommen, mitzählen. Bei achtzig gelaufenen Schritten find ich die Welt noch prima und nehme mir vor, einhundertzwanzig zu laufen.
Bei einhundertdrei schreit mein Gehirn:
„Eh, wollten wir nicht nur hundert? Was soll denn das?“
Sofort reagieren meine Beine und werden merklich langsamer. Aber nicht mit mir. Ich hab einhundertzwanzig Schritte vor, also werden die auch gelaufen.
Die Beine entscheiden sich dagegen. Werden noch langsamer, schalten in Trippelgang und schicken Oberschenkelmuskelschmerz Richtung Gehirn. Eben fällt mir ein, Atmen wäre nicht schlecht.
Einhundertneunzehn, einhundertzwanzig. Gänse-marsch nennt man das, glaube ich. Hoffentlich kommt jetzt keiner und sieht das.
Roter Kopf.
Schnappatmung.
Ich zwinge mich schnelleren Schrittes weiter zu gehen. Der Hund wedelt mich an, hat Spaß an meinen Geräuschen.
„Prima“, denk ich. „Muss erst nach einhundert-zwanzig Schritten wieder laufen!“
Klappt aber nicht. Hyperventiliere immer noch. Schweiß bricht aus. Jetzt aber: Nasenatmung. Tief. Tiefer.
Körperspannung, loslaufen.
Funktioniert. Atmen, laufen, atmen, neunund-neunzig, bei Hundert setzt der Fuß auf, als gehöre er einem Elefanten.
Egal.
Weitergehen.
Atmen.
Wo ist der Hund? Rufen geht jetzt nicht, muss atmen. Und schwitzen. Wusste gar nicht, dass ich so schwitzen kann.
Wird heute nichts mit den fünfhundert gejoggten Schritten. Nach dreihundert gebe ich auf. Ich, Gehirn und Beine sind uns einig: Klamotten aus, duschen, Eiweißshake, Bett. Automatisch dreh ich mich um, versuche wenigstens nicht zu schlendern.
Schwitze, schleiche.
Warum tu ich mir das an? Es tropft von der Nasenspitze, die Brille ist beschlagen. Hund in den Garten, Törchen zu, ich ins Bad.
Puh, was klebt die Hose.
Nächstes Mal doch besser was Leichteres anziehen. Endlich schaff ich es, sie runter zu ziehen.
Und was sehe ich? Jeansblau gefärbte Beine!
„Na ja“, denk ich. „Sieht doch lustig aus“ und strecke mich wohlig meiner Dusche entgegen.
Peter Bertram
Unerwartet
Von meinem Tagwerk arg geschafft
begann ich zu ermüden
Um zu erneuern meine Kraft
wollt‘ schlafen ich hienieden
So lag ich unter einem Baum
wie später ich bemerkte
und fiel sofort in Schlaf und Traum
was meine Glieder stärkte
Doch plötzlich fiel mit großem Krach
und mächtigem Getöse
was neben mich. Ich wurde wach
und war natürlich böse
Wer hat den dummen Schabernack
mit mir hier wohl getrieben
Ich wollt‘ ihn stecken in 'nen Sack
ihn bis zum Abhang schieben
Dort würde er zu meinem Spaß
zum Weiher runter rollen
Zum Schluss wär‘ er dann pudelnass
für sein „Mich-ärgern-wollen“
So blickt‘ ich aggressiv umher
zu stillen mein Verlangen
doch wie ich schaute, kreuz und quer
Es gab nichts einzufangen
Ich setzte mich flugs wieder hin
und konnt‘ ihn so erblicken
Dass ich drauf nicht gekommen bin
ich sah ihn mit Entzücken
Er leuchtete so wunderschön
als wollte er mich necken
Er war so lecker anzuseh‘n
und würd‘ mir sicher schmecken
Ich nahm ihn auf und biss hinein
um alles auszuspucken
Ein Wurm beschloss hier Gast zu sein
den wollt‘ ich nicht verschlucken
Ludger Felix Kolbe
Trägheit lastet
mit der Hitze
dümmer machend
mir im Hirne
Und vergeblich
such ich Witze
hinter schweiß-
geölter Stirne
Rudolph Kowalleck
Lisa bleib ein Freilandhuhn (1 Calypso)
Die Lisa hat keine gute Laune
die Lisa ist gar nicht gut gestimmt
weil die Lisa man höre es und staune
an einer Schlankheitskur teilnimmt
Die Lisa isst ab jetzt nur noch Gesundes
Müsli, Magerquark und reichlich Obst
ihr Ernährungswissen ist ein ganz profundes
und sie freut sich wenn du sie dafür lobst
sie lernt die Regeln ziemlich fleißig
und träumt von Größe sechsunddreißig
sie watched jetzt ihr weight
von morgens früh bis spät
kein Wunder, dass ihr dabei die Laune vergeht
Ich sage: Lisa bleib ein Freilandhuhn
hör endlich auf solche Dinge zu tun
meinetwegen verdoppel dich
ich mag dich auch moppelig
Die Lisa achtet jetzt auch auf Bewegung
jeden Morgen joggt sie durch den Park
das versetzt sie in freudige Erregung
Sport macht das Gewebe stark
Sie ist dann auf der Straße gelaufen
und wollte nur mal kurz verschnaufen
da wird sie ungewollt
vom Schnellbus überrollt
jetzt sitzt sie auf der Wolke und schmollt
Ich sagte Lisa bleib ein Freilandhuhn
hör endlich auf solche Dinge zu tun
jetzt bist du sicher auch bald gertenschlank
fürs Erbe sag ich lieben Dank.
Liedtext vertont vom Autor