Читать книгу DSA: Rabenbund - Heike Wolf - Страница 4
ОглавлениеI
Amir
Keuchend rang Amir Honak nach Luft, während sein Geist, noch zwischen Traum und Wirklichkeit gefangen, langsam in die dunkle Schlafkammer zurückfand. Sternenlicht schien durch das geöffnete Fenster, schimmerte auf dem nachtschwarzen Ebenholz der Bettpfosten, und aus der Ferne klangen Stimmen in der Stille der Nacht.
Amir schloss die Augen und versuchte, sein pochendes Herz zur Ruhe zu zwingen. Es war der gleiche Traum, der ihn seit Monden heimsuchte. Er hatte den Vulkan Visra gesehen, und er war ihn emporgestiegen, Schritt für Schritt, doch je weiter er hinaufstieg, desto ferner schien der Gipfel. Und dann hatte er den Raben gesehen, der ihm entgegensah, und etwas in seinem Blick hatte Amirs Herz zusammengezogen, dass er kaum noch Luft bekam. Furcht und Zweifel, tiefe Einsamkeit, als blicke er in sein eigenes Inneres wie durch einen Spiegel. Das Gefieder war stumpf und zerzaust, und als er sich schließlich erhob und mit anklagendem Krächzen gen Gipfel emporstieg, spürte Amir, dass sich etwas in seinem Rücken erhob. Er wollte herumfahren, um zu wissen, was es war, zu entfliehen oder sich ihm entgegenzustellen. Aber er konnte nicht. Sein Körper war wie versteinert, sein Blick auf den Berghang gerichtet, der ihm mit einem Mal so steil und so unüberwindlich erschien. Und dann hatte es diesen Schlag getan, der noch in seinem Kopf widerhallte, dass er sich einen Moment lang fragte, ob es überhaupt ein Traum gewesen war.
Amir atmete tief durch und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Es musste tief in der Nacht sein, noch einige Stunden bis zur Morgenandacht, doch etwas störte die Stille und das silbrige Zwielicht. Stimmen und das leise Prasseln von Feuer.
Der Boden fühlte sich kalt an unter seinen bloßen Füßen, als er sich erhob und den dünnen Seidenmantel um sich schlang. Einen Moment lang erwog er, den Novizen Boronian zu rufen, der die Aufgaben eines Kammerdieners versah, aber es gab keinen Grund, den Jungen aus dem Schlaf zu reißen. Nichts, was er nicht selbst tun konnte.
Seine Unruhe verstärkte sich, als er ans Fenster trat. Stimmen drangen vom Tempelgarten zu ihm hinauf, gedämpft zwar, doch greifbar unruhig. Feuerschein züngelte in der Dunkelheit. Auf den Wegen klangen eilige Schritte, jemand zischte einen Befehl.
Amir runzelte die Stirn, und einen Moment lang erwog er, den Novizen doch zu wecken, um sich zu erkundigen, was dort unten vor sich ging. Stattdessen fasste er den Mantel enger und wandte sich zur Tür. Er war der Patriarch, er sollte sich nicht damit zufriedengeben, nur Berichte zu hören. Was immer dort geschah, er wollte es mit eigenen Augen sehen.
Die beiden Rabengardisten fuhren zusammen und nahmen hastig Haltung an, als Amir auf den Gang hinaustrat und ihnen mit einer knappen Geste zu verstehen gab, ihm zu folgen. Eine seltsame Unruhe lag über dem Tempel, während sie die Treppen hinabstiegen und endlosen Korridoren folgten, bis sie schließlich den Durchgang zum Garten erreichten. Die Kieswege zwischen den Beeten schimmerten im Licht der Sterne, dahinter die Schatten der Palmen und Zypressen, die sich im auffrischenden Nachtwind wiegten. Weit über dem Meer zuckten Blitze in der Schwärze des Himmels und kündigten einen weiteren Sturm an.
Amir beschleunigte seine Schritte, als er in einiger Entfernung die Feuer ausmachte, die in den niedrigen Büschen beiderseits der Pfade loderten. Eine Statue war von ihrem Sockel gerissen worden und lag mit zerschmettertem Torso auf dem dunklen Kies. Verwundert erkannte Amir mehrere Rabengardisten im Ordensornat und einige hochrangige Geweihte, die sich dort eingefunden hatten und aufblickten, als er sich näherte.
»Eure Erhabenheit!« Immuel Florios eilte ihm entgegen. Selbst im unruhigen Licht der Feuer wirkte das teigige Gesicht blass und aufgelöst. »Wir wollten schon nach Euch schicken. Kommt, das müsst Ihr Euch ansehen!« Einen Herzschlag lang schien es, als wollte er Amirs Hand fassen, doch dann besann er sich und straffte die Schultern, um mit hektischem Händewedeln zu bedeuten, dass man sich beeilen sollte.
Amir spürte eine gewisse Beklemmung, als er dem Hochgeweihten an die Stelle folgte. Die Gespräche verstummten, und ehrfurchtsvoll wichen die Geweihten und Gardisten zur Seite, um ihn durchzulassen.
Amir hielt inne und sog erschrocken Luft zwischen den Zähnen ein. Fassungslos starrte er auf den Krater, der sich vor ihm auftat. Der Boden war bis in den Felsen aufgerissen, als sei eine Titanenfaust niedergegangen. Geschmolzene Reste einiger Statuen ragten aus dem Schutt hervor, der mit einem leisen Rieseln in der Tiefe verschwand.
»Was ist das?«, flüsterte er tonlos.
»Die Gardisten sagen, es sei ein Stern gewesen.« Die Stimme des Florios klang angespannt. »Er sei vom Nachthimmel gefallen. Einfach so. Es hat einen furchtbaren Lärm getan, und Feuer, und dann war dieses Loch hier. Boron sei Dank ist nichts auf den Tempel gefallen oder das Ordenshaus oder den Silberberg, denn dann ...«
»Ein Stern.« Amir spürte, wie seine Brust eng wurde, als er näher an den Rand des Kraters herantrat. Seine Augen suchten in der lichtlosen Tiefe, doch der Schein der Feuer reichte nicht weit genug, um bis zum Grund hinabzuleuchten. Er wusste um die Vorkommnisse im Norden, wo in den letzten Jahren immer wieder Sterne vom Himmel gefallen waren. Die Welt veränderte sich, etwas rüttelte an den Sphären und den Grundfesten dessen, was sie für ewig gehalten hatten. Vielleicht war dieser Stern das Zeichen, auf das er so lange gewartet hatte.
»Stellt Wachen auf!«, befahl er und fuhr zu Immuel Florios herum, der einen erschrockenen Schritt zurück machte. »Bei Sonnenaufgang will ich, dass man in den Krater hinabsteigt und nachsieht, was sich dort unten befindet. Und ich will, dass kein Wort nach außen dringt. Kein Wort!«
»Sicher, Eure Erhabenheit.« Der Florios beeilte sich zu nicken. »Kein Wort. Selbstverständlich.«
Ein Sternenfall! Wenn dies der Grund für dein Schweigen ist, Herr Boron, so werde ich alles tun, um es zu ergründen.
Amir schloss die Augen, während seine Lippen ein stummes Gebet formten. Nicht nur die Welt war im Wandel, sondern auch diese Stadt. Mochte Boron geben, dass er seinen Weg endlich klar sah und der Stadt die Stärke geben konnte, die sie von ihm verlangte.
Said
Es war ein gleichmäßiger, pochender Schmerz, der ihn aus dem Dämmern zog. Von irgendwoher nahm er Licht wahr. Stimmen drangen gedämpft an sein Ohr, und der Geruch nach Kräutern und Salben hing in der Luft wie zäher Schleim. Fliegen surrten in der Hitze, und für einen Moment wähnte er sich zurück auf der Plantage seiner Kindheit, als er verbotenerweise auf das Dach geklettert und heruntergefallen war. Tagelang hatte seine Amme über ihn gewacht, während er sich mühsam ins Leben zurückgekämpft hatte. Said öffnete den Mund, um ihr zu versichern, dass alles gut sei, doch seine Lippen schmerzten bei der Bewegung. Seine Zungenspitze tastete über spröde Haut, als sei er zu lange in der Sonne gewesen. Aber das konnte nicht sein. Er war kein Feldsklave, sondern der Sohn des Herrn, der darauf wartete, endlich nach Al’Anfa zu kommen.
Die Stimmen waren verstummt.
»Er wird wach«, hörte er jemanden sagen, und er spürte eine Bewegung neben seinem Lager. Verwirrt blinzelte er gegen das Licht und wollte schon die Hand heben, um die Augen gegen die Helligkeit abzuschirmen, als er feststellte, dass er den Arm nicht bewegen konnte.
Said fuhr hoch, aber die Riemen, die ihn ans Bett fesselten, warfen ihn sogleich wieder zurück. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn. Keuchend rang er nach Luft, während er die Augen aufriss und panisch zu erfassen versuchte, wo er sich befand.
»Bleib ruhig!« Wieder die gleiche Stimme, die nun erschrocken schien. »Ich tue dir nichts. Du bist in Sicherheit.«
»Wo ...?«, versuchte Said zu sagen, aber sein Hals fühlte sich an, als habe er ein borstiges Stück rohen Eisens verschluckt. Unruhig irrte sein Blick umher, während er mit klopfendem Herzen nach dem Sprecher Ausschau hielt.
»Du bist in der Villa Desiderya. Im Haus von Amato Paligan. Meinem Haus.« Der Mann trat näher, und nun endlich erkannte Said auch sein Gesicht. Es war der blasse Grande, den er bei der Orgie der Bonareth als Geisel genommen hatte. Er sah übernächtigt aus, bleich und mit tiefen Ringen unter den Augen, aber um seine Lippen spielte ein vorsichtiges Lächeln.
»Du hattest Glück. Meine Leute haben dich gesehen, als du von der Mauer gefallen bist.«
»Mauer ...« Said blinzelte erneut, während er zu erfassen versuchte, wer der Fremde war und wovon er sprach. Er klang erleichtert, also hatte er vermutlich nicht vor, ihn umzubringen. Jedenfalls nicht sofort. »Wie bin ... ich hierhergekommen?«, brachte er mühsam hervor.
»Du bist über die Mauer gestiegen, die das Anwesen der Zornbrecht von dem der Karinor trennt. Wenn ich nicht zufällig vor Ort gewesen wäre, hätte dich Don Rezzan wahrscheinlich erschlagen lassen. Er hat mir erlaubt, dass ich dich mitnehme.«
Said sah ihn verständnislos an. Dann schloss er die Augen, um den Schwindel zu unterdrücken, der sich vor seinen Blick schob. Er verstand nicht, was ihm der Mann sagen wollte, doch er lebte, und solange er lebte, war nicht alles verloren.
»Was ... wollt Ihr von mir? Wie lange ... bin ich schon hier?«
»Zwei Tage.« Der Paligan lächelte schief. »Meine Heiler hatten Zweifel, ob es ihnen gelingen würde, dich zu retten. Du warst schwer verletzt. Ohne die Kraft meines Hausmagus wärst du wahrscheinlich tot. Ich habe zu Marbo gebetet, dass sie dich zurückgeleitet.« Er griff nach einem Becher, der auf dem Tisch neben dem Bett stand, um etwas Wasser hineinzugießen. Dann wandte er sich wieder Said zu. »Versprich mir, mich nicht zu beißen, wenn ich versuche, dir Wasser zu geben.«
Saids Lippen formten ein schmerzhaftes Grinsen. »Sehe ich aus wie ein wildes Tier?«
»Ja«, antwortete der Grande ernst, beugte sich aber dennoch vor und schob eine Hand in Saids Nacken, um ihm zu helfen, den Kopf aufzurichten. Das Wasser war klar und überraschend kalt, und Said spürte, wie es den Schmerz beim Sprechen etwas milderte.
»Danke«, murmelte er, nachdem der Grande den Becher wieder weggestellt hatte. »Warum tut Ihr das?«
»Darüber sollten wir uns später unterhalten.« Wieder strich dieses leicht melancholische Lächeln über die feingeschnittenen Züge des Granden. »Du musst dich ausruhen und zu Kräften kommen. Said, nicht wahr? Das ist doch dein Name?«
Said versuchte zu nicken, bereute es jedoch gleich wieder, als ein dumpfer Schmerz durch seinen Schädel zog. Mit einem erstickten Stöhnen ließ er den Kopf zurück auf das Kissen fallen. Schwarze Schlieren tanzten vor seinem Blick und drohten für einen Moment auch nach seinem Geist zu greifen. Aber er durfte nicht wegdämmern, solange er nicht verstand, was hier vor sich ging.
»Warum ... habt Ihr mich gefesselt?«
»Um mich zu schützen. Und dich.« Die Stimme des Granden klang wie aus weiter Ferne.
»Macht mich los«, verlangte Said, aber es war kaum mehr als ein tonloses Wispern, das sich verzweifelt gegen die erneute Ohnmacht stemmte.
»Später.« Er meinte die Hand des Paligan zu spüren, der ihm eine schweißnasse Haarsträhne aus der Stirn schob. »Ruh dich aus.«
Said wollte etwas sagen, widersprechen, ihn anfahren, dass er ihn losbinden sollte. Aber sein Geist versank bereits wieder in gnädiger Schwärze.
Es musste Abend sein, als er das nächste Mal erwachte. Öllampen spendeten ein angenehm warmes Licht und erhellten den Raum, der jetzt ruhig dalag. Die Geräusche der Stadt drangen durch die offenen Fenster und zwischen den Vorhängen strich der Wind hinein und kitzelte angenehm kühl auf seiner Haut.
Said blinzelte hinauf zur Decke, während er regungslos dalag und in sich hineinlauschte. Er fühlte sich immer noch schwach und klebrig vom Schweiß, aber der Schwindel und die Schmerzen waren fort, als habe er sehr lange geschlafen. Vorsichtig hob er den Kopf, in Erwartung des vertrauten Stechens, das jedoch ausblieb, sodass er sich umblicken konnte. Man hatte ihn allem Anschein nach in einem Gästezimmer untergebracht, das gewöhnlich wichtigeren Gästen vorbehalten war. Das Bett, auf dem er lag, war breit genug, um mehreren Personen Platz zu bieten. Ein Regal mit Büchern stand an der Wand, und dem Bett gegenüber befand sich eine kleine Sitzecke mit einem Diwan und mehreren seidengepolsterten Korbsesseln, auf denen eine hellhäutige Frau mittleren Alters saß und döste.
Said fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen. Der Durst war entsetzlich, und seine Zunge fühlte sich taub an in seinem Mund. Vorsichtig räusperte er sich.
Die Frau auf dem Sessel schrak auf und blickte einen Moment lang verwirrt zu ihm hinüber. Dann hellte sich ihre Miene auf.
»Peraine sei Dank!«, rief sie und sprang auf. »Ihr seid wach. Wie geht es Euch? Könnt Ihr sprechen?«
»Ich glaube schon«, krächzte Said heiser, aber er stellte erstaunt fest, dass ihm seine Stimme tatsächlich gehorchte. »Was ... wer bist du?«
»Mein Name ist Ismene. Ich führe Don Amatos Haushalt.« Die Sklavin lächelte, während sie ihn ohne Scheu musterte. Das flachsblonde Haar hatte sie zu einem dicken Zopf geflochten, und auf ihrer Nase tanzten Sommersprossen. »Möchtet Ihr etwas trinken? Oder soll ich gleich den Herrn holen? Er hat mich beauftragt, ihm Bescheid zu geben, sobald Ihr erwacht.«
»Etwas zu trinken, bitte.« Said versuchte das Lächeln zu erwidern, aber es geriet zu einer gequälten Grimasse. »Wie viel Zeit ... ich meine, wie lange bin ich schon hier?«
»Es ist der dritte Tag.« Ismene füllte etwas Wasser in ein Glas und hielt es vorsichtig an Saids Lippen. »Gestern wart Ihr kurz wach, aber Ihr hattet hohes Fieber. Don Amato war besorgt.« Sie schmunzelte. »Trinkt etwas, dann kann ich ihm sagen, dass Ihr bei Bewusstsein seid. Ihr solltet der Herrin Peraine ein großzügiges Opfer zukommen lassen. Es hätte nicht viel gefehlt, und selbst der Herr Magus hätte nichts mehr für Euch tun können.«
Said nickte, während er versuchte, die Arme zu heben, um festzustellen, dass sie immer noch gefesselt waren. Mit einem leisen Seufzer sank er zurück und hob den Kopf, um trinken zu können. Das Wasser tat gut, aber schon beim zweiten Schluck merkte er, wie sich sein Magen zusammenzog.
Ismene stellte das Glas beiseite. »Langsam«, sagte sie und lächelte wieder. »Ihr habt lange geschlafen. Wenn der Herr mit Euch gesprochen hat, bringe ich frische Kleidung und etwas zum Waschen.«
»Was hat er mit mir vor?«, fragte Said rau.
Die Sklavin hob die Schultern. »Das kann ich Euch nicht sagen. Aber sicher nichts Schlimmes. Er scheint sehr besorgt. Es kommt nicht oft vor, dass er jemanden mit so viel Aufwand ins Leben zurückholen lässt. Außer es handelt sich um seine liebsten Gladiatoren.« Sie zwinkerte.
Gladiatoren. Jetzt wusste Said wieder, woher er den Namen Amato Paligan kannte. Amato Paligan, der Berater des Generals und Herr der Arena. Nun ergab alles auch einen Sinn. Vermutlich hatte er mitbekommen, wie er vor den Gardisten der Karinor geflohen war. Deshalb die Fesseln und all der Aufwand. Said presste die Lippen aufeinander, atmete tief durch. Es war eine perfide Form der Rache, denn sie spielte mit der Hoffnung, sich die Freiheit erkämpfen zu können. Tatsächlich lag das Schicksal eines Gladiators immer in der Hand seines Herrn. Und diesen Herrn hatte er bei der Feier im Haus der Bonareth zu tief gedemütigt, als dass er hoffen konnte, auf Großmut zu stoßen.
Ismene lächelte. »Ich hole Don Amato. Wenn er es erlaubt, helfe ich Euch anschließend beim Waschen.«
Said nickte und zwang sich, das Lächeln zu erwidern. »Danke.«
Ismene winkte ab. »Dankt nicht mir, sondern Don Amato«, lachte sie und erhob sich.
Said blieb zurück und starrte zur Decke, während er die Unterarme vergeblich gegen die Fesseln anspannte. Jetzt, da sein Verstand sich langsam klärte, begann er, seine Lage zu begreifen. Ausgerechnet Amato Paligan. Er war der Karinor entkommen, um mit Leib und Seele diesem seltsamen Granden ausgeliefert zu sein, den er vor den Augen des ganzen Silberbergs gedemütigt hatte. Selten hatte er sich so hilflos gefühlt.
Obwohl vermutlich nur ein paar Augenblicke vergangen waren, erschien es ihm wie eine Ewigkeit, bis er wieder Schritte vor der Tür hörte. Im nächsten Moment wurde sie aufgestoßen, und Amato Paligan kam hereingestürzt. Sein Lächeln zeigte eine tiefe Erleichterung, die Said verwirrte. Doch dann hielt der Grande inne und schien einen Moment lang mit sich zu ringen, ehe er merklich verhaltener nähertrat.
»Ismene sagte mir, du bist wach.«
Saids Blick folgte dem Granden misstrauisch. »Macht mich los.«
»Das werde ich tun. Nachher.« Kurz schien es, als wollte er sich zu Said an die Bettkante setzen, zog dann aber doch einen Stuhl heran. Er wirkte immer noch blass, als habe er seit Tagen zu wenig geschlafen, und die Tinte an seinen Fingerspitzen verriet, dass die Sklavin ihn wohl vom Schreibtisch geholt hatte. »Wie geht es dir?«, erkundigte er sich. »Kannst du reden? Willst du erst etwas trinken? Oder essen?«
»Ich brauche nichts«, sagte Said knapp. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, als die spröde Haut beim Reden spannte. »Was wollt Ihr von mir?«
Amato zog irritiert die Augenbrauen zusammen. »Ist das nicht offensichtlich? Ich möchte, dass du wieder zu Kräften kommst.«
»Wozu? Damit ich mich zu Eurem Vergnügen in der Arena abschlachten lasse?«
»Wie kommst du darauf?«
»Jemand wie Ihr macht sich doch nicht die Finger schmutzig, wenn Ihr ebenso gut dabei zusehen könnt, wie Eure Gladiatoren mich umbringen!«
»Ich weiß nicht, was du meinst.« Der Grande wirkte für einen Moment tatsächlich verwirrt. »Das wäre absurd, nachdem ich einen Haufen Dublonen für deine Heilung ausgegeben habe.«
»Was wollt Ihr dann? Ihr rettet mich doch nicht, weil Euch das Mitleid gepackt hat.«
Amato sah Said stumm an, und seine Lippen verengten sich zu einem schmalen Strich. »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Nicht aus Mitleid.«
Said wartete, ob er noch etwas hinzufügen wollte, doch der Grande schwieg und sah ihn nur an, auf eine Weise, die Said nicht recht zu deuten wusste.
Misstrauisch runzelte er die Stirn. »Was für ein Spiel spielt Ihr mit mir?«, fragte er. »Wenn Ihr mich erst heilen lasst, um mich anschließend zu töten ... bereitet es Euch Freude? Genugtuung? Oder warum betreibt Ihr einen solchen Aufwand?«
»Wie kommst du darauf? Ich habe ...« Amato stutzte, als er zu verstehen schien. »Du meinst wegen des Vorfalls bei der Orgie? Bei den Göttern, nein!« Er lachte freudlos auf. »Ich will dir nichts tun, Said. Ich wollte nur nicht, dass du ... dass du stirbst.«
Said sah ihn an, suchte in seinen Zügen nach irgendeinem Hinweis darauf, dass er ihn anlog oder ihm etwas vormachte. Doch da war nichts. Nur diese seltsame Traurigkeit, die Said nicht verstand.
»Dann macht mich wenigstens los. Ich verspreche auch, Euch nicht die Kehle durchzuschneiden«, sagte er missmutig und ruckte erneut an den Fesseln, die ihn an das Lager banden. Es waren schmale Lederriemen, die nicht zu fest, aber dennoch gekonnt befestigt waren, sodass es nicht gelingen würde, sich herauszuwinden. »Ihr müsst ziemlich viel Angst vor mir haben.«
»Als wir uns das letzte Mal begegnet sind, hast du mir einen Dolch an die Kehle gehalten.« Der Grande lächelte matt. »Die Fesseln waren notwendig. Du hast um dich geschlagen, als mein Heiler versucht hat, die Bolzen zu entfernen. Außerdem wollte ich sichergehen, dass du noch da bist, wenn ich mit dir reden will.« Seine Augen suchten Saids Blick. »Versprichst du mir, nicht zu fliehen, wenn ich dich losmache?«
»Das kann ich nicht.«
»Und wenn ich dir verspreche, dass ich dich gehen lasse? Morgen, wenn du dich ein wenig erholt hast.« Amato legte die Hand auf Saids Arm. Ein vorsichtiges Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Die Heiler sagten, dass du Ruhe brauchst, sonst war ihre Arbeit umsonst. Bleib hier. Bitte, wenigstens bis morgen früh.«
»Es ist besser für Euch, wenn ich gehe. Die Karinor wird ihre Häscher schicken.«
»Die geht sicher davon aus, dass Rezzan Zornbrecht dich in seiner Gewalt hat. Bis sie ihren Irrtum bemerkt hat, bist du fort.« Amato zog den Dolch aus seinem Gürtel und erhob sich. Sein Blick suchte Saids. »Kannst du mir vertrauen?«
»Nein«, sagte Said wahrheitsgemäß. »Und Ihr solltet es umgekehrt auch nicht tun.«
Der Grande antwortete nicht, sondern beugte sich vor, um die Riemen zu durchtrennen. Said spürte einen kurzen Ruck an seinen Handgelenken, dann war der Druck weg, und er fühlte, wie das Blut in seine Finger drängte und ein schmerzhaftes Kribbeln hinterließ.
Amato machte einen Schritt zurück und wartete, bis Said sich aufsetzte. Die Bewegung ließ ihn schwindeln, sodass er die Augen zusammenkniff und wartete, bis die Welt aufgehört hatte, sich zu drehen.
»Danke«, murmelte er.
»Du musst mir nicht danken. Ich bin froh, dass du hier bist.« Die Mundwinkel des Granden hoben sich zaghaft, während er den Dolch beiseitelegte. »Was ist eigentlich bei den Karinor geschehen?«
»Das geht Euch nichts an.«
Amato nickte verstehend und trat an den Tisch, um etwas Wasser nachzuschenken. Ein Windhauch blähte die Seidenschleier vor den Fenstern und fing sich in seinem schwarzen Haar, als er Said das Glas reichte. »Du hast recht, es geht mich nichts an, was du tust. Ich werde nicht weiter fragen.« Ein schwaches Lächeln strich über seine feingeschnittenen Züge. »Wirst du trotzdem bis morgen bleiben? Falls es dich beruhigt, ich habe nicht vor, dich an Donna Shantalla auszuliefern.«
Solange die Karinor fürchten muss, dass ich den gefangenen Beschützer zum Reden bringe, wird sie wahrscheinlich einiges für mich bieten, dachte Said, aber er sprach es nicht aus. Sie hätte ihn nicht verfolgen lassen, wenn es sich bei dem Treffen in den Katakomben unter dem Berg, das er heimlich beobachtet hatte, um ein harmloses Stelldichein gehandelt hätte. Doch das musste der Paligan nicht wissen.
Saids Finger legten sich um das kühle Glas, ohne gleich davon zu trinken. Stattdessen fasste sein Blick den blassen Granden, den er trotz aller Schwäche vermutlich mit Leichtigkeit überwältigen könnte. Das war dem Paligan vermutlich ebenso klar, sonst hätte er ihn nicht gefesselt. Dennoch zeigte er keine Furcht, sondern stand auf Armlänge vor ihm, sodass er den Kopf ein wenig in den Nacken nehmen musste, um ihn ansehen zu können.
»Ihr seid seltsam«, stellte er fest. »Es fällt mir schwer zu glauben, dass Ihr so selbstlos handelt wie Ihr vorgebt. Warum wollt Ihr mir helfen?«
»Vielleicht versuche ich gerade nur einmal, etwas zu tun, weil ich es will und nicht, weil es richtig oder notwendig oder nicht dumm wäre.« Amato senkte den Blick, sah an Said vorbei, und für einen Moment schien es, als wollte er noch etwas hinzufügen. Doch dann fasste er die Unterlippe zwischen die Zähne und schloss die Augen. »Ich rede Unsinn«, murmelte er.
»Das weiß ich nicht. Aber vermutlich tut Ihr das.« Said atmete langsam aus, um den Schwindel niederzuringen. Dann schob er vorsichtig die Beine von dem Bett und suchte den Boden unter den Füßen.
»Was hast du vor?«, fragte Amato erschrocken.
»Ich gehe.«
»Es wäre unvernünftig, jetzt aufzubrechen.«
»Das spielt keine Rolle.« Said brauchte einen kleinen Moment, um sich zu sammeln. Langsam erhob er sich – und fiel mit einem unterdrückten Fluch wieder zurück, als die Knie unter ihm nachzugeben drohten.
»Es ist unvernünftig«, wiederholte Amato, der keine Anstalten gemacht hatte, ihn zu stützen. »Bleib hier. Es macht für dich keinen Unterschied, und morgen wirst du vielleicht schon wieder so weit bei Kräften sein, dass du Donna Shantallas Häschern entkommen kannst.«
»Ich dachte, die lauern alle vorm Anwesen des Zornbrecht«, gab Said giftig zurück, aber er sah ein, dass der Grande recht hatte. Es war ohnehin nur der Magie des Hausmagus zu verdanken, dass er überhaupt schon wieder soweit hergestellt war, und es wäre mehr als leichtsinnig, sich in diesem Zustand auf die Straßen zu begeben. Er musste seine Schwester retten, die von Emilia Bonareth gefangen gehalten wurde, und er nützte Inion gar nichts, wenn er sich von dem nächsten Gassenschläger niederprügeln ließ.
»Morgen früh«, murmelte er resignierend und ließ sich auf die Kissen zurückfallen. »Morgen früh muss ich aufbrechen. Ich muss meine Schwester finden.«
»Du hast eine Schwester?«
»Ja«, antwortete Said knapp. Er griff nach dem Wasserglas. »Wenn ich schon bleibe, habt Ihr auch etwas zu essen für mich?« Jetzt, da die Anspannung langsam abklang, erinnerte ihn sein Magen schmerzhaft daran, wie ausgehungert er war.
Amato lachte erleichtert. »Natürlich. Ismene wird dir etwas bringen. Brauchst du sonst noch etwas? Der Heiler kann vielleicht ...«
»Nein. Nur etwas zu essen und meine Ruhe.«
»Sicher.« Fast erschrocken machte der Grande einen Schritt zurück, zögerte jedoch und schien einen Moment lang mit sich zu ringen, ehe er sich noch einmal Said zuwandte. »Bitte sag Bescheid, ehe du gehst«, sagte er leiser. »Mein Heiler sollte vielleicht doch noch einmal nach dir sehen, und ich ...«
»Ich brauche Euren Heiler nicht mehr, Don Amato«, unterbrach ihn Said. Erschöpft blinzelte er zu ihm hoch. »Danke für Eure Hilfe. Und nun lasst mich alleine. Ihr habt sicher noch anderes zu tun, als neben meinem Bett zu sitzen.«
Der Widerspruch stand Amato ins Gesicht geschrieben, aber er nickte, die Lippen fest aufeinandergepresst. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und verließ den Raum.
Said schloss die Augen und atmete tief durch. Er war wahnsinnig, dem Paligan zu vertrauen, trotz aller schönen Worte. Aber irgendetwas sagte ihm, dass er ihn nicht anlog. Vielleicht war es diese Art, wie er ihn ansah, die sich nicht entscheiden konnte, ob er entschlossen oder unsicher wirken wollte. Doch letztendlich war es gleichgültig. Morgen früh würde er weg sein, ehe jemand in diesem Haus erwachte. Was immer sich Don Amato von ihm erhoffte, es war besser, wenn er ging.
Amato
Mit der Dunkelheit war der Sturm gekommen. Blitze zuckten durch die Nacht und tauchten Al’Anfa in ein grelles, unwirkliches Licht. Der Wind heulte und toste, riss an Bäumen und Häusern, trieb Unrat vor sich her und alles, was man nicht in aller Eile in Sicherheit gebracht hatte. Es war nicht ungewöhnlich für diese Jahreszeit, und gewöhnlich begrüßte Amato Rondras grimmiges Toben. Der nächtliche Sturm hatte etwas Urtümliches, Reinigendes, und wenn er verklungen war, hatte er all die Fäulnis und Schwüle aus der Stadt gewaschen.
Heute jedoch fand Amato keine Ruhe. Seit Stunden schon saß er am Fenster und sah dem Unwetter zu, wie es über der Stadt wütete. Längst war er durchnässt vom Regen, der in feinen Rinnsalen über seine Stirn und seine Wangen rann, aber er spürte es kaum. Seine Augen brannten, während er in die Dunkelheit starrte, die immer wieder von grellen Blitzen durchbrochen wurde, und versuchte, nicht an den jungen Mann zu denken, der in seinem Gastgemach ruhte. Es gab Drängenderes, Wichtigeres, und er musste seine Gedanken auf anderes verwahren.
Irgendwo dort draußen im Dunkel lauerte ein Monster, das sich seinem Blick entzog. Es gab diese Verschwörung, dessen war er sich sicher, doch er tappte hilflos durch die Dunkelheit, blind und taub und ohne ein Ziel.
Er war deshalb an jenem Morgen sehr früh zu Rezzan Zornbrecht aufgebrochen, als die Unruhe ihm keine Ruhe mehr gelassen hatte. Er hatte mit ihm über seine Befürchtungen sprechen wollen, über den ehemaligen Rebellenführer Lucio, den er ins Vertrauen ziehen wollte. Doch dann war Said dagewesen, und seitdem hatte die Sorge um ihn alles andere gleichgültig werden lassen.
Amato schloss gequält die Augen, während seine Gedanken erneut abglitten. Etwas an dem Bastard berührte ihn auf eine Art, die er nur schwer ertragen konnte, und gleichzeitig mit einer Heftigkeit herbeisehnte, die ihn selbst erschreckte. Es war töricht, was er tat, und gefährlich. Dennoch war es da, wie dieser Sturm, der alle Vernunft hinwegfegte und ihn durchnässt und verzagt am Fenster sitzen ließ, während das Monster irgendwo dort draußen seine Krallen wetzte.
Amato atmete tief in die Kühle des Regens, spürte die Nässe auf der Haut und in den Haaren. Er durfte sich nicht verwirren lassen, nicht jetzt, da er all seine Kraft brauchte. Er musste etwas tun, und dennoch saß er hier und fühlte sich wie gelähmt, zerrissen zwischen dem, was er wollte, und dem, was er tun musste. Und immer wieder lockte der Gedanke, das alles hinter sich zu lassen und seinem Vetter Esmeraldo Platz zu machen. Es schien so einfach gerade, so betörend nah. Ein friedliches Ende und Ruhe, die es ihm erlaubte zu tun, was sein Herz ihm gebot.
Ein Regentropfen rann zwischen Amatos Wimpern, sodass er blinzeln musste, als er die Augen wieder öffnete. Sein Vater hatte gelächelt, als er gestorben war. Weil er geglaubt hatte, in ihm den Sohn zu haben, der nicht in seinem Schatten verblasste, sondern aus ihm hervortrat und verwirklichte, wofür es für Irato nach den Jahren im Exil zu spät gewesen war. Das Raubtier, das sein Vater in ihm gesehen hatte. Und Goldos Erbe.
Amato atmete schwer ein. Ein Blitz zuckte über dem fernen Silberberg, tauchte den Rabenfelsen für den Bruchteil eines Herzschlags in ein gleißendes, kaltes Licht. Er war seines Vaters Sohn, er war ein Grande. Er hatte die Macht zu gestalten, die Welt zu formen. Stattdessen wartete er ab, was andere über ihn verfügten, ließ sich umherschieben, benutzen, weil er nützlich war. Goldo, dem Hohen Rat, dem General ... Er saß dort, wo er heute war, weil er niemandem wehtat und es nicht wagte, selbst Hand an die Welt zu legen, um sie nach seinem Willen zu formen. Nicht einmal in seinem eigenen Haus.
Amato biss sich auf die Lippen, als der Gedanke fast schmerzhaft gegen seine Kehle drückte. Er musste ein Raubtier sein, wenn er etwas erreichen wollte und nicht nur verflossenen Gelegenheiten hinterhertrauern, die viel zu schnell vergingen und nichts als wehmütige Erinnerungen zurückließen.
Amato sprang auf. Wasser rann aus seinen Haaren und hinterließ zusammen mit dem tropfnassen Hemd kleine Pfützen, als er das Gemach durchquerte und auf den Flur hinaustrat. Einen Moment zögerte er, dann straffte er die Schultern und drückte entschlossen die Klinke hinab.
Das andere Zimmer lag ruhig. Ismene hatte die hölzernen Läden geschlossen, wie sie es immer tat, wenn Sturm aufkam, sodass man nur das Heulen des Windes und das Donnern vernahm. Amatos Herz schlug schneller, als er einen Schritt in den Raum hineinmachte. Ein eisernes Band hatte sich um seine Brust gelegt, das ihm den Atem nahm. Alles in ihm schrie danach, wieder zu gehen, wie er es all die Jahre getan hatte, bei Reto und allen, die sein Herz zu berühren drohten. Dennoch trat er näher, Schritt für Schritt bis an das Bett, auf dem Said schlief.
Er lag halb auf die Seite gelehnt, den Kopf auf den Arm gebettet. Eine Strähne seines schwarzen Haars war ihm ins Gesicht gefallen und schmiegte sich an die Wangenlinie, die im Zwielicht der Sturmnacht weicher schien als sie es war. Amato wagte kaum zu atmen, während er ihn stumm betrachtete und das Band um seine Brust das Klopfen seines Herzens zu ersticken schien. Vorsichtig beugte er sich vor und hob die Hand, zögerte erneut, ehe er die Fingerspitzen sacht an Saids Wange legte, um die Strähne beiseitezuschieben.
Im nächsten Moment drückte sich die Spitze des Dolchs an seinen Hals. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Said ihn an. »Was wollt Ihr?«, zischte er.
»Ich ...« Amato verstummte und versuchte, den Dolch beiseitezuschieben, aber die Klinge folgte ihm unnachgiebig. »Ich wollte nach dir sehen. Ich meine, dich sehen.«
»Das hat Eure Sklavin bereits getan.«
»Ich weiß.«
Er sah die Antwort, zu der Said bereits ansetzte, sah das verwirrte Stirnrunzeln. Argwohn blitzte in den dunklen Augen auf, wandelte sich in Ärger und schließlich in Erstaunen, als er endlich zu verstehen schien.
Langsam nahm er die Waffe beiseite. »Macht das nicht wieder«, knurrte er. »Sonst bringe ich Euch um.«
Amato wich einen Schritt zurück, als Said sich aufsetzte und die Beine aus dem Bett schob. »Was hast du vor?«
»Ich gehe.« Er richtete sich auf, kniff die Augen zusammen, als brauche er einen Moment, um sich zu sammeln. »Habt Dank für alles.«
»Aber du kannst nicht gehen!«, rief Amato hilflos, während Said an ihm vorbeiwankte und den Beutel mit seinen Sachen griff. »Draußen herrscht Sturm. Du brauchst Ruhe, und hier ...«
»Bei Sturm werden sie mich nicht bemerken«, unterbrach ihn der Bastard. Er drehte sich um und sah ihn an. Das Aufflackern der Blitze spiegelte sich in seinen Augen wieder, aber die Härte war aus seinem Blick gewichen. »Boron mit Euch, Don Amato.«
Amato stand wie betäubt, unfähig, etwas zu sagen. Erst, als Said bereits an der Tür war, löste sich die Erstarrung. »Wenn du Hilfe brauchst ... komm hierher«, rief er und fühlte sich im gleichen Moment furchtbar albern. Warum sollte er ausgerechnet zu ihm kommen, wenn er jetzt vor ihm floh?
Said hielt noch einmal inne, die Hand an der Tür. Er drehte sich nicht um, doch Amato sah, wie er nickte.
Amato ließ sich auf das Bett sinken und schloss die Augen, um gegen die Enge anzukämpfen, die ihn zu ersticken drohte. Er hatte sich aus der Deckung gewagt, aber er hatte verloren, und es blieb nicht einmal ein tröstender Traum.
Er fühlte sich elend.