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Tag 7 (24.07.2018): Von Einöd nach Rieth

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km: 255 – 292

Um 9 Uhr, als ich frühstücke, ist es schon wieder unerträglich warm. Mal wieder ein Tag mit weit über 30 Grad! Das Packen der tausend Sachen in die beiden gelben Ortlieb -Packtaschen, rechts und links am Hinterrad, ist immer mit mühseliger Arbeit verbunden. Hinzu kommt die blaue Lenkertasche, in der das Wichtigste verstaut wird: Handy, Ladegerät, kleine Wasserflasche, Fotoapparat, Verbandskasten, gelbes Hals- / Kopftuch, Fototasche und vor allem das Sonnenschutzmittel, Faktor 50. Meine Hautärztin und die zahlreichen ambulanten Beseitigungen von gefährdeten Hautstellen lassen grüßen! Den gelben Plastiküberzug für den Sturzhelm habe ich meistens auf dem Helm. Sieht klobig und bullig aus, aber ich fühle mich wohler auf der Landstraße. Passive Sicherheit. – Das Schicksal von Otto Buchholz, der sich mit dem Fahrrad zu Tode gestürzt hat, ist immer im Hinterkopf!

Ich verlasse Einöd in Richtung Poppenhausen und komme an einem gepflegten Denkmal für 20 erhängte polnische KZ-Insassen vorbei. Es waren wohl zufällig ausgewählte Buchenwald-Häftlinge, die als Racheaktion für den Tod eines deutschen Bauern durch einen polnischen Zwangsarbeiter ihr Leben lassen mussten. Es ist, wie ich später erfahre, der Initiative eines Ehepaares aus Poppenhausen zu verdanken, dass dieses Mahnmal in den 90er Jahren errichtet wurde. Blumenschmuck der umliegenden Gemeinden lässt vermuten, dass es regelmäßig gepflegt wird. Ich würde diese Menschen gerne kennenlernen, aber irgendwie bin ich noch der Meinung, ich müsse vorankommen auf dem Weg entlang der Grenze und der eigenen Geschichte.


Mahnmal für die 20 ermordeten polnischen KZ-Häftlinge

In Poppenhausen erfahre ich von einem Ehepaar mittleren Alters, dass direkt hinter dem Dorf früher der 500 Meter-Sperrzaun stand und man daher nicht oder nur in Ausnahmefällen den Ort des Grauens zu DDR-Zeiten besuchen konnte. Dieses Ehepaar berichtet mir auch von der Zeit vor der Wende. Alles war ruhig und man habe sich eingerichtet. Später geht die Frau mit mir in die protestantische Kirche, die im Wesentlichen mit finanzieller Eigenleistung und durch freiwilligen Arbeitseinsatz wieder vorbildlich restauriert wurde. Es ist bemerkenswert, weil der Ort nur 99 Einwohner hat. Das Verhältnis zu den bayrischen Nachbargemeinden ist unproblematisch. Seit 20 Jahren arbeitet die Frau im Schichtbetrieb im Bayrischen. Das Dorf Poppenhausen feiert alle zwei Jahre mit zwei anderen Gemeinden gleichen Namens.

Ich folge dem Kolonnenweg und in Käßlitz, dem südlichsten Ort der ehemaligen DDR, erwischt es mich in sengender Hitze: Ein Platten im Vorderreifen. Mühselig hole ich das Flickreparatur-Set hervor und borge mir Wasser beim etwas unwilligen Nachbarn, damit ich feststellen kann, wo sich das Loch im Schlauch befindet.


Kolonnenweg bei Poppenhausen: Wer liebt, der schiebt…

Nach einer Stunde habe ich es vollbracht, allerdings bekomme ich mit meiner Luftpumpe nicht genügend Luft auf den Vorderreifen. Mit der westlichsten Stelle der DDR am Plattenweg wird es also nichts.


Käßlitz: südlichstes Dorf der ehemaligen DDR

Schlauchreparatur in der Mittagshitze

Ich komme an einem in der Hitze penetrant riechenden Schweinestall vorbei und freue mich im nahegelegenen Wald über den Schatten und die springenden Forellen in dem Teich. Ein Fischreiher schreckt bei meiner Weiterfahrt auf. Ein Opa mit seinem Enkelkind erzählt mir von Fürsorgezöglingen, die in einem bayrischen Steinbruch arbeiten mussten und in den 60er oder 70er Jahren versuchten, über die Grenze in die DDR zu fliehen. Einer verlor durch eine Mine dabei ein Teil seines Beines.

Über Schweickershausen geht es auf der Landstraße nach Rieth, einem Ortsteil von Hellingen, wo ich im Gasthaus „Beyersdorfer“ ein Zimmer und etwas Gutes zu essen bekomme. Rostbrätl. Die Männer am Stammtisch diskutieren natürlich über die Hitze, den Fall Özil und dass Hoeneß mit seiner Kritik an dem Fußballspieler mit türkischen Wurzeln vollkommen Recht habe. Es fällt mir auf, dass die Menschen hier in Thüringen einen fränkischen Dialekt sprechen.

Später berichtet ein Polier davon, wie er mit den polnischen und rumänischen Bauarbeitern auf seinen Baustellen zurechtkommt. Mir drängt sich der Vergleich mit den Zwangs- und Fremdarbeitern der Kriegszeit auf. Menschen 2. Klasse?


Wegemarkierung Bayern - Thüringen

Das Zimmer ist okay, aber dass man durch die Tür sehen kann, ob jemand auf der Toilette sitzt, ist nicht so prickelnd …

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