Читать книгу Hochschullehre variantenreich gestalten - Heinz Bachmann - Страница 10

2Wofür steht der Begriff «Kooperatives Lernen»?

Оглавление

Kooperation dient als Schmierstoff für jene Maschinerie, mit deren Hilfe wir es schaffen, dass Dinge getan werden, und indem wir uns mit anderen Menschen zusammentun, können wir individuelle Mängel ausgleichen.

Richard Sennett (2012, S. 9)

Unter dem Titel Zusammenarbeiten zeigt Sennett (2012) in seinem neusten Buch auf, dass die für eine komplexe Gesellschaft unerlässlichen Kooperationsfähigkeiten an Bedeutung verlieren. In den letzten Jahren werden in Weiterbildungsveranstaltungen sowie im Hochschulbereich immer häufiger Online-Foren für den internen Austausch angeboten. Mehrere Personen, die örtlich voneinander getrennt sind, kommunizieren über das Internet mitei­nander und lösen ein spezifisches Problem, indem gemeinsame Wissensressourcen genutzt werden. In diesen Online-Lerngemeinschaften stehen für die Beteiligten meist der Erwerb und der Austausch von Wissen im Vordergrund. Auch wenn diese virtuellen Gruppen durch E-Moderation und durch spezielle reflexionsfördernde Software unterstützt werden, bieten sie keinen Ersatz für eine Gruppe vor Ort, in der gemeinsames Denken, Aushandeln und Entscheiden sowie die Weiterentwicklung sozialer und kooperativer (Lern-)Kompetenzen stattfinden. Nach Sennett (ebd., S. 42–49) beschränken und behindern Programme der Online-Kommunikation wie z.B. Google Wave die Kooperation, da die Kooperationsfähigkeit des Menschen weitaus größer und komplexer ist, als es die technischen Tools zulassen. «Man könnte sagen, die Programmierer erlaubten es den Benutzern nicht, miteinander Interaktionsmöglichkeiten zu erproben, wie es beispielsweise während musikalischer Proben geschieht» (ebd., S. 48). Erschwerend kommt hinzu, dass in der modernen Gesellschaft die Organisation der Kommunikation durch dialektische Argumentation vertrauter und verbreiteter ist als die Gestaltung der dialogischen Diskussion. Im vorliegenden Artikel interessieren die konkreten Möglichkeiten Kooperativen Lernens in der Lehre mit Fokus auf Interaktion und Dialog.

Kooperatives Lernen ist auch Ausdruck eines Wandels der Lehr-Lern-Kultur: weg von der Fremdsteuerung und der Nachkonstruktion durch die Lehrenden hin zur Erkenntnis, dass nur das gelernt wird, was selbst aktiv und interaktiv angeeignet wurde. Auch in der tertiären Ausbildung verschiebt sich der Schwerpunkt von der Wissensakkumulation und -reproduktion auf die Vermittlung von Methoden und Strategien wie neustes Wissen erschlossen, überprüft und auf spezielle Problemstellungen anwendbar gemacht werden kann. Dieser lerntheoretische Paradigmenwechsel wird beim Kooperativen Lernen deutlich erkennbar. Da Wissen und Handeln kontextgebunden sind, müssen zudem Lernsituationen angeboten werden, in denen nach Konrad und Traub (2001) eigene Konstruktionsleistungen möglich sind, in denen kontextgebunden gelernt werden kann. Je mehr die Lernsituation der Anwendungssituation entspricht, umso eher kann dieser Anspruch eingelöst werden. Auch an Hochschulen müssen vermehrt Situationen realitätsnahen Lernens (vgl. auch fallbasiertes und forschungsorientiertes Lernen im Beitrag von Bieri et al.) geschaffen werden, um die Studierenden auf die Berufswelt vorzubereiten und sie zum Weiterlernen zu befähigen.

Mit den meisten handlungsorientierten und realitätsnahen Lern- und Bildungsformen sind auch kooperative Lernprozesse angesprochen. So etwa beim projektorientierten Lernen oder auch beim problembasierten Lernen (Beitrag von Müller). Zudem stellt Kooperatives Lernen auf Fach(hoch)schulebene einen viel versprechenden Ansatz dar, um die Qualität der Lehr-Lern-Prozesse zu verbessern und die Umstellung hin zur Lern- und Kompetenzorientierung zu unterstützen. Die Partizipation und Integration von Studierenden in das Lehrgeschehen ist eingebettet in eine Kultur des Lernens, welche die gesamte Organisation betrifft (Beitrag von Tanner). Das heißt zum Beispiel, dass auch Dozierende ihre Lehre kooperativ und kollaborativ entwickeln und reflektieren.

Hochschullehre variantenreich gestalten

Подняться наверх